Rechtspopulisten als Profiteure der Angst in der Corona-Krise?
Blog: Rechtspopulismus
In diesem Beitrag stellt Franka Hartnagel folgenden Text vor: Stern, Verena (2021): Die Profiteure der Angst? - Rechtspopulismus und die COVID-19-Krise in Europa; Friedrich Ebert Stiftung, online unter https://library.fes.de/pdf-files/dialog/17736-20210512.pdf.Stern geht in ihrem Text auf die Situation verschiedener europäischer Länder während der Corona-Pandemie ein. Des Weiteren geht sie anhand mehrerer Länderanalysen im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung aus dem Jahr 2020 der Frage nach, inwiefern extrem rechte und rechtspopulistische Parteien von dieser Krise profitieren konnten."Da die Pandemie zum Zeitpunkt der Veröffentlichung noch nicht überwunden ist, handelt es sich bei den vorgestellten Länderanalysen um Momentaufnahmen" (S. 1).DeutschlandDie rechtspopulistische und in Teilen rechtsextreme Oppositionspartei, Alternative für Deutschland (AfD), forderte am Anfang der Pandemie einen strikteren Lockdown, geschlossene Grenzen und versuchte außerdem, auf das ihrer Ansicht nach defizitäre Handeln der Regierung hinzuweisen. Nachdem diese Maßnahmen umgesetzt wurden, schlug sich die AfD auf die andere Seite und reagierte auf den sich in der Bevölkerung vermehrenden Missmut gegenüber den neuen Regelungen. Fortan wies die Partei auf die durch die Lockdowns entstehenden wirtschaftlichen Schäden und auf die "geraubte Freiheit" der Bevölkerung hin.Im Frühjahr 2020 bildete sich, trotz mehrheitlicher Zustimmung der Bürger_ innen hinsichtlich der Maßnahmen, eine heterogene Gruppe, die gegen die Corona-Regelungen protestierte. "Zum Schutz der Demokratie" gingen Impfgegner_innen, Esoteriker_innen mit Corona-Leugner_innen und Reichsbürger_innen auf die Straßen, um gegen die Einschränkungen zu protestieren (vgl. S. 2). Die Zustimmungsrate der AfD blieb wie vor der Pandemie bei etwa 9 bis 10 Prozent. Trotz der vermehrten rechten und rechtsextremen Proteste konnte die AfD ihre Zustimmungswerte nicht verbessern (vgl. S. 3).FinnlandDie rechtspopulistische Partei "Die Finnen" stellte sich im Gegensatz zur AfD in Deutschland nicht gegen die verordneten Corona-Maßnahmen, sondern versuchte, einen demokratisch-legitimierten Weg zu beschreiten. Außerdem forderte sie wie auch die bürgerlichen Oppositionsparteien "ökonomische Disziplin" (S. 3) und konnte auf diese Weise ihre Normalisierung weiter verstärken. Die Partei forderte die Schließung aller Unternehmen für einen kurzen Zeitraum, um später umso schneller wieder öffnen zu können. Zudem war es ihnen möglich, ihre Kritik an den EU-Hilfs- und Wiederaufbauprogrammen als ein plausibles Thema im Land zu etablieren.Durch den wachsenden Zuspruch der Bevölkerung zu den Regierungsparteien, vor allem während der ersten Welle der Pandemie, konnte die Finnen-Partei keine gestiegene Zustimmung verzeichnen. Die Umfragewerte vor der Pandemie lagen bei 24 Prozent. Dieser Wert sank während der Krise auf unter 20 Prozent. Sie konnte von der Corona-Krise also nicht profitieren (vgl. S. 3).FrankreichAuch der Rassemblement National (RN) verfolgte eine Strategie, welche die Kritik an der Regierung im Umgang mit der Pandemie und Forderungen nach härteren Maßnahmen beinhaltete. Der RN ließ ebenfalls auf rechtspopulistische Weise den Glauben entstehen, sich für "die Befreiung der Bürger_innen" (S. 3) einzusetzen. Wie auch "Die Finnen" kritisierte der RN die EU-Hilfs- und Wiederaufbauprogramme "und sprach dabei von einer "antinationalen Vision"" (S. 3).Sicherheit war und ist für den RN eines der wichtigsten Themengebiete, das die Partei auf unterschiedliche Weise immer wieder für sich nutzt. In diesem Zuge lehnten sie bspw. den Vorschlag der Regierung ab, die Verbreitung des Virus in Gefängnissen einzudämmen, indem bestimmte Gefangene früher entlassen werden dürfen (vgl. S. 3). Der RN konnte sich schlussendlich nicht wirklich profilieren, jedoch bleibt ungewiss, ob die Partei nicht doch noch aus den Spätfolgen der Corona-Krise Profit schlagen könnte (vgl. S. 4).ItalienAm Anfang der Pandemie waren die Forderungen der rechtspopulistischen Parteien eher wechselhaft, da sie abwechselnd mal für eine sofortige Öffnung waren und dann wieder eine komplette Schließung forderten. Extrem rechte und rechtspopulistische Parteien wie die Lega oder Forza Italia versuchten zu Beginn der Pandemie eine antieuropäische Einstellung zu verbreiten, Italien werde von der EU wieder allein gelassen (vgl. S. 4). Jedoch gehörte Italien zu den Hauptbegünstigten mit 209 Milliarden Euro durch die EU-Hilfs- und Wiederaufbauprogrammen, und so hatte dieses Argument keine Grundlage mehr.Maskenpflicht, Impfungen sowie die Gefahr, die von dem Virus ausging, wurden von den Rechten nicht angezweifelt. Durch die genutzten klassisch rechten Zugänge wie Fake News und die Angst vor Immigration entstand zunehmend Unsicherheit bei den Bürger_Innen, weswegen das Krisenmanagement rechter Parteien schlussendlich in Frage gestellt wurde. "Traditionelle Frames" (S. 5), die in früheren Krisen eine positive Wirkung für rechte Parteien erzielt haben, stellten sich in dieser neuen Krise als falsche Herangehensweise heraus. Die Zustimmung der Bevölkerung gegenüber rechtspopulistischen Parteien blieb in Italien vor und während der Pandemie auf demselben Stand. Es gab keinen Verlust, aber auch keine Zugewinne (vgl. S. 5).SchwedenSchweden ging in der Pandemie von Beginn an einen anderen Pfad. Die Regierung setzte auf die Vernunft und Freiwilligkeit ihrer Bürger_Innen, da es den Politikern wegen der schwedischen Verfassung nicht möglich war, so strikte Maßnahmen zu verhängen oder gar einen Ausnahmezustand auszurufen. Anfangs gab es einen "Waffenstillstand" (S. 5) zwischen Regierungs- und Oppositionsparteien. Alle Parteien, auch die rechtspopulistischen Schwedendemokraten, die normalerweise immer wegen ihrer extrem rechten Ausrichtung ausgeschlossen wurden, trafen sich bis Juni einmal in der Woche, um über Maßnahmen in gesundheitlichen, wirtschaftlichen und rechtlichen Bereichen zu beraten.Die Schwedendemokraten äußerten Kritik an der Regierung einerseits in Bezug auf die Regelungen und andererseits hinsichtlich des verantwortungslosen Verhaltens angesichts der hohen Zahl an Todesopfer. Außerdem beschuldigten sie die Pfleger_Innen in Altersheimen, von denen viele eingewandert sind, in Bezug auf Hygiene nicht genug auf schwedische Kenntnisse zu achten. Durch die wöchentliche Beratschlagung, an denen die Schwedendemokraten teilnehmen durften, und durch den damit entstandenen Kontakt mit etablierten Parteien erreichten sie eine gewisse Normalisierung im Parlament. Ein indirekter Profit durch die Corona-Krise lässt sich also erkennen (vgl. S. 5-6).SpanienAuch die rechtspopulistische Partei Vox wechselte von einer zunächst konsensualen Position mit den regierenden Parteien zu einer komplett ablehnenden Position gegenüber den Maßnahmen. Durch den immer größer werdenden Unmut der Bürger_Innen gelang es der Partei, Proteste gegen die regierenden Parteien zu mobilisieren, die aber im Vergleich zu den deutschen Demonstrationen bescheidener ausfielen.Durch die Einflussnahme auf die konservative Partido Popular (PP) während der ersten Welle konnte Vox dazu beitragen, dass diese die Maßnahmen der Regierung nicht mehr unterstützte (vgl. S. 6). Wegen eines Misstrauensantrags von Vox gegen die Regierung grenzte sich die PP wieder klar von Vox ab, was zur Folge hatte, dass Vox wieder eindeutig rechtspopulistisch statt konservativ angesehen wurde und dass die Partei im Parlament wieder isoliert wurde. Vox konnte sich durch die Pandemie weder einen Vorteil verschaffen, noch ihre Umfragewerte substanziell erhöhen (vgl. S. 7).Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es vielen rechten Parteien am Anfang der Pandemie schwer fiel, ihren "rechten Platz" zu finden. Das Thema Gesundheit, das auf einmal so wichtig wurde, befand sich eher selten im Programm rechter Parteien. Diese anfängliche Unentschlossenheit zeigte sich v.a. in der Kooperation zwischen rechten und rechtspopulistischen Parteien und der Regierung. Diese Phase der Ungewissheit entwickelte sich jedoch rasch zu einer Strategie des Angriffs auf die Regierungsparteien und ihre Maßnahmen.Momentan sieht es nicht danach aus, dass extrem rechte und rechtspopulistische Parteien Profit aus der Corona-Pandemie schlagen konnten. In Deutschland konnten durch die Demonstrationen rechte Initiativen vorangetrieben werden, diese blieben aber Randerscheinungen. Die spanische Partei Vox konnte die Rhetorik nach rechts rücken, steuerte sich aber "selbst ins parlamentarische Aus" (S. 7). Eine gewisse Normalisierung und Eingliederung konnten "Die Finnen" und in Teilen auch die Schwedendemokraten erlangen, was aber vereinzelt schon vor der Corona-Krise der Fall war.