Rede zum Thema "Recht und Kriminalität" von Gerhard Jahn vom 13.10.1971
In: Legislaturperiode 6 des deutschen Bundestags
Herr Präsident! Verehrte Damen! Meine Herren! In der Regierungserklärung vom 28. Oktober 1969 haben wir festgestellt: Im Zivilrecht ist die Reform des Eherechts dringend. Die Bundesregierung wird auf der Grundlage der Empfehlungen der eingesetzten Kommission im kommenden Jahr eine Reformnovelle vorlegen. Weltanschauliche Meinungsverschiedenheiten dürfen uns nicht daran hindern, eine Lösung zu finden, um die Not der in heillos zerrütteten Ehen lebenden Menschen zu beseitigen. Dabei muß verhindert werden, daß im Falle der Scheidung Frau und Kinder die sozial Leidtragenden sind. Der besondere Schutz der staatlichen Ordnung, unter den Art. 6 des Grundgesetzes Ehe und Familie stellt, kann sich nicht darin erschöpfen, mit Hilfe des Rechts Zustände festzuschreiben, die in der tatsächlichen Entwicklung längst überholt sind. Was als Schutz gemeint ist, verwandelt sich dabei allzu leicht in Zwang, vor allem wenn die Auswirkungen auf andere Bereiche nicht bedacht werden. Ich erinnere an die Änderung des § 48 des Ehegesetzes, die unter einer anderen Regierung betrieben wurde. Die Beweggründe dazu mögen ehrenhaft gewesen sein, in der Folge hat sich aber herausgestellt, daß gerade diese Änderung großes Leid über viele Menschen gebracht hat. Wer Reformen in Angriff nimmt, benötigt dazu Distanz, Distanz von Dingen, aber auch von überkommenen Vorstellungen, die durch die Menschen nicht mehr gelebt werden, von denen und für die diese Vorstellungen einmal entwickelt worden sind. Die freiheitliche Grundordnung unserer Verfassung stellt das Selbstbestimmungs- und Selbstverwirklichungsrecht des Menschen in den Vordergrund. Sie spricht sich deshalb gegen erzwungene oder künstlich aufrechterhaltene Bindungen und Abhängigkeiten aus. Dies gilt auch für den Bereich von Ehe und Familie, die ihren Sinn und ihre Aufgabe als kleinste und gleichzeitig engste menschliche Gemeinschaft nur erfüllen können, wenn sie unter dem Grundsatz von Freiwilligkeit, Gleichberechtigung und gegenseitiger Verantwortung stehen. Die Bundesregierung der sozial-liberalen Koalition fühlt sich daher verpflichtet, für den gesamten Komplex von Ehe und Familie die notwendigen Schlußfolgerungen daraus zu ziehen. Im Sommer des vergangenen Jahres habe ich die Vorschläge des Bundesministeriums der Justiz für die Neuordnung dieses bedeutsamen Rechtsgebietes zur öffentlichen Diskussion gestellt. Namens der Bundesregierung lege ich jetzt den Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Reform des Ehe- und Familienrechts vor. Damit wird eine Forderung erfüllt, die von vielen Seiten, nicht zuletzt von diesem Hohen Haus, seit vielen Jahren erhoben worden ist. Die Überschrift des Entwurfes macht deutlich, daß er nicht nur das Recht der Ehescheidung neu regeln will. Eine solche Beschränkung hält die Bundesregierung für unzureichend. Wer neue Maßstäbe für das Recht der Ehescheidung gewinnen will, muß auch die Frage stellen, welche Maßstäbe unsere Zeit für das Recht der Familie, vor allem aber auch für die Rechtsstellung der Frau verlangt. In den vergangenen Jahrzehnten hat sich das Verständnis von Ehe und Familie weiterentwickelt. Die Stellung der Frau in Ehe und Gesellschaft hat sich grundlegend verändert. Aufgaben und Grenzen der staatlichen Gesetzgebung werden unter dem Grundgesetz anders gesehen als früher. Die Fragen, die sich daraus ergeben, erfordern eine umfassende Antwort. Der Entwurf ist ein erster Schritt, dem weitere folgen werden. Die Forderung nach einer Reform des Eherechts hat ihre Wurzel darin, daß die geltenden Regelungen überaltert, daß sie fragwürdig geworden sind. Sie werden den heutigen Verhältnissen nicht mehr gerecht und sind deshalb völlig unbefriedigend. Die Rechtsbeziehungen der Ehegatten untereinander sind nach dem patriarchalischen Ehebild des vergangenen Jahrhunderts geordnet. Die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die allgemeinen Ehewirkungen entsprechen nicht mehr dem heutigen Verständnis der Partnerschaft zwischen Mann und Frau in der Ehe. Diese Partnerschaft wird, insbesondere unter den jüngeren Eheleuten, heute bereits weithin gelebt. Es ist deshalb ein Anachronismus, wenn das Bürgerliche Gesetzbuch die Frau auf die Führung des Haushalts verweist und ihr eine Erwerbstätigkeit nur insoweit zubilligt, als neben der Haushaltsführung hierfür noch Raum ist. Warum soll, zumal wenn keine Kinder zu betreuen sind, die Frau nicht in eben demselben Maße berufstätig sein dürfen wie der Mann? Warum sollen sie sich nicht gleichmäßig in die Führung des Haushalts teilen? Warum sollen die Eheleute nicht den Namen der Frau als gemeinsamen Ehenamen wählen können, wenn sie dies wünschen? Unser Recht hat hier — vielleicht tatsächlich, weil es von Männern geschaffen und von Männern angewandt wurde und größtenteils noch wird — Schritte nicht nachvollzogen, die aus dem Grundsatz der Menschenwürde heraus selbstverständlich sein sollten. Der politische Kampf um die Befreiung der Frau wäre nicht erforderlich gewesen, wenn frühere Generationen bereits von dieser Partnerschaft und der unumgänglich damit verbundenen Gleichberechtigung ausgegangen wären. So müssen wir uns heute bemühen, aus den Veränderungen in der Stellung der Frau und damit auch ihrem Selbstverständnis, die neben diesem Recht und an ihm vorbei stattgefunden haben, die Konsequenzen zu ziehen. Es ist für uns alle beschämend, daß im Grunde dafür zwei Weltkriege erforderlich waren, die die Frauen zwangen, wie man so schön sagt, "ihren Mann zu stehen". Schon dieses Bild zeigt die Überheblichkeit unserer Gesellschaft, die auch im Recht ihren Ausdruck findet. Die Frau hat zwar Eingang in alle Berufe gefunden — eine Entwicklung, die kontinuierlich fortgeschritten ist. Auch mag ihre Beteiligung in allen Erwerbszweigen als etwas Natürliches empfunden werden. Rechtlich ist sie aber weitgehend noch benachteiligt, sobald sie eine Ehe eingegangen ist. Dabei ist auch ihre Aufgabe in der Familie nicht mehr dieselbe wie früher. Aus der Gehilfin des Mannes ist sie zur gleichberechtigten Partnerin geworden. Ich behaupte nicht, daß dies für alle Frauen bereits heute zutrifft, wohl aber — vor allem in der jüngeren Generation — zu einem großen Teil. Wer sich diesen Tatsachen verschließt und nicht bereit ist, daraus auch die gesetzgeberischen Konsequenzen zu ziehen, setzt sich dem Verdacht aus, mit Hilfe des Rechts eine ihm unangenehme Entwicklung wieder rückgängig machen zu wollen. Von den 15 bis 20 Jahre alten ledigen Frauen und Mädchen waren nach dem Mikrozensus 1968 61,2 % erwerbstätig — Männer insgesamt 62,2 % —, von den verheirateten Frauen dieser Altersgruppe 54,8 %. Bei den ledigen Frauen zwischen 20 und 50 Jahren schwankt die Erwerbsquote je nach Lebensalter zwischen 85,7 und 91,3 %, bei den verheirateten Frauen zwischen 36,8 und 51,8 %. Seit dem Jahre 1950 ist die Zahl der erwerbstätigen Frauen ständig gestiegen. 1950 waren es 7,8 Millionen, 1962 waren es fast 2 Millionen mehr, also rund 9,8 Millionen. Der Anstieg der Erwerbstätigkeit gilt auch für die Elterngeneration. In der Bundesrepublik leben etwa 10,3 Millionen Frauen im Alter zwischen 40 und 65 Jahren. Von ihnen die jüngere Generation mit ihren verbesserten Bildungs- und Berufschancen ist also nicht berücksichtigt — waren 89,6 %, d. h. 9,3 Millionen in ihrem Leben irgendwann einmal berufstätig. In diesen nüchternen Zahlen zeigt sich der große Wandel in der gesellschaftlichen Stellung der Frau. Der Gesetzgeber kann und darf an dieser Entwicklung nicht vorübergehen. Er muß aber auch den Mut haben, diese Erkenntnis in den Bereich hineinzutragen, der beim Scheitern einer Gemeinschaft der rechtlichen Gestaltung bedarf. Der besondere Schutz der staatlichen Ordnung für Ehe und Familie bedeutet nämlich nicht, daß aus der freiwillig eingegangenen Bindung mit der Abgabe des Eheversprechens eine Gemeinschaft wird, die unabhängig vom Willen der Partner und von den tatsächlichen Verhältnissen durch Gesetz zu Bestand gezwungen werden kann und muß. Das geltende Scheidungsrecht ist einseitig am Verschuldensprinzip ausgerichtet, das eine Scheidung in aller Regel nur erlaubt, wenn ein Verschulden eines oder beider Ehegatten festgestellt wird. Schuld kann im Scheidungsrecht anders als z. B. im Vertragsrecht — nur ein menschlich, und zwar dem Ehegatten persönlich vorwerfbares Verhalten bedeuten. Ein anderer Schuldbegriff kann hier, wo es um die engsten Beziehungen zweier Menschen zueinander geht, nicht in Betracht kommen. Und ganz gewiß liegt in den meisten Fällen, in denen eine Ehe scheitert, ein derartiges schuldhaftes Verhalten eines oder beider Ehegatten vor. Doch wer vermag sicher festzustellen, wo in den vielfältigen menschlichen Wechselbeziehungen zwischen zwei Eheleuten letztlich Schuld liegt, so sicher feststellbare Schuld, daß darauf eine Rechtsentscheidung gegründet werden kann? Wir sind deshalb so ehrlich, heute zuzugeben, daß in der Regel der Richter hier überfordert ist. Hinzu kommt, daß die Schuldfeststellung manipulierbar ist; darin liegt der am schwersten wiegende Vorwurf gegen dieses Prinzip. Durch geschicktes Verhalten und Taktieren kann die gerichtliche Schuldfeststellung wesentlich beeinflußt werden. Da von der Schuldfeststellung der Anspruch auf Unterhalt für den Ehegatten, der sich nicht selbst versorgen kann, und weitgehend auch die Verteilung des Sorgerechts über die Kinder abhängt, beginnt bei streitigen Scheidungen unter den Ehegatten ein entwürdigendes Feilschen um Schuld und Mitschuld, das im Extremfall in Strafanzeigen wegen Meineids oder wegen bisher verschwiegener anderer Straftaten enden kann. Sind die Ehegatten einig, daß eine Scheidung unvermeidlich ist, zwingt sie das geltende Schuldprinzip dazu, entgegen der Wahrheit angeblich schuldhaftes Verhalten zu behaupten, um ein Urteil zu erlangen. Der Richter wird in die unwürdige Rolle gedrängt, ein Urteil zu fällen, von dem er häufig weiß oder doch ahnt, daß seine Grundlagen gefälscht sind. Schließlich läßt das geltende Recht die Scheidung zerrütteter Ehen nicht zu, wenn der minder- oder nichtschuldige Teil der Scheidung widerspricht. An diesem Widerspruchsrecht des nicht- oder minderschuldigen Ehegatten hat sich die Diskussion besonders entzündet. Gerichtsurteile, in denen die Scheidung trotz sieben-, elf- oder gar 23jähriger Trennung der Eheleute abgelehnt worden war, haben berechtigte Kritik erfahren. Ein weiterer Grund spricht gegen das Verschuldensprinzip. Da es auch für das Unterhaltsrecht wirkt, Anspruch auf Unterhalt also davon abhängt, ob der betroffene Ehegatte schuldlos geschieden wird, sind seine Folgen oft sozial ungerecht. Ohne Rücksicht auf seine wirtschaftliche Lage, ohne Rücksicht auch auf seine wirtschaftlichen Leistungen für die Ehe und in der Ehe läuft der schuldig geschiedene Ehegatte Gefahr, nach der Scheidung völlig mittellos zu bleiben. Ein einmaliger Fehltritt, also Schuld im Sinne des geltenden Rechts, kann dazu führen, daß eine ganze Lebensleistung verwirkt wird. Das ist nicht nur ungerecht, das Ergebnis ist unsozial und wirkt sich besonders zum Nachteil der Frauen aus. -Der vorliegende Gesetzentwurf will die aufgezeigten Unzuträglichkeiten des geltenden Rechts beseitigen. Seine Ziele sind, mehr Gleichberechtigung in der Ehe zu schaffen, das Scheidungsrecht ehrlicher, objektiver und damit auch menschlicher zu gestalten, die Ungerechtigkeiten des geltenden Scheidungsfolgenrechts zu beseitigen und dem wirtschaftlich schwächeren Ehegatten, also in der Regel der Frau, mehr soziale Sicherheit zu geben, die Nachteile, die sich für die Alterssicherung — vor allem für Frauen — nach einer Ehescheidung ergeben, zu überwinden. Die vorgeschlagenen Lösungen gründen sich zum großen Teil auf die Vorarbeiten der Eherechtskommission, die nach einem einstimmigen Beschluß dieses Hauses vom 8. November 1967 Anfang 1968 der damalige Bundesminister der Justiz, Dr. Heinemann, berufen hatte. Den Mitgliedern dieser Kommission, vor allem dem Vorsitzenden, Herrn Ministerialdirektor Dr. Rebmann aus Stuttgart, danke ich namens der Bundesregierung auch von dieser Stelle aus für ihre gründliche und sachliche Arbeit. Ohne ihre sorgfältige und zügige Vorarbeit wäre es kaum möglich gewesen, den vorliegenden Entwurf zu erarbeiten. Seite 1968, als die Kommission gebildet wurde, hat sich ein erfreulicher allgemeiner Meinungswandel vollzogen. Damals waren nicht wenige zweifeinde Stimmen zu hören, die die Notwendigkeit einer umfassenden Reform des Ehe- und Scheidungsrechts in Frage stellten und unsere waltanschaulich heterogene Gesellschaft zur Neuregelung eines so bedeutsamen Gebietes schlichtweg für unfähig hielten. Heute ist es allgemeine Überzeugung, daß eine baldige Reform notwendig ist. Die Skeptiker haben auch insofern nicht recht behalten, als sie die gesetzgeberischen Aussichten für eine grundlegende Reform des Eherechts in unseren Tagen in Zweifel zogen. Denn auch was die sachliche Ausgestaltung des neuen Rechts betrifft, gibt es in wesentlichen Fragen eine allgemeine Übereinstimmung bei den Vertretern der verschiedensten Auffassungen. So wird heute z. B. von keiner Seite mehr ernsthaft in Frage gestellt, daß der Übergang vom Verschuldensprinzip zum Zerrüttungsprinzip notwendig ist, daß der Unterhalt nach der Scheidung im Grundsatz allein an wirtschaftlichen Erwägungen ausgerichtet sein sollte und daß der geschiedenen Frau gerechterweise ein Teil der in der Ehe vom Mann erworbenen Versorgungsanrechte gebührt. Die weitreichende Übereinstimmung in den wesentlichen Fragen drückt auch die Stellungnahme des Bundesrates aus, in der darüber hinaus eine Reihe von Änderungsvorschlägen und Empfehlungen enthalten sind, die den Entwurf anreichern und verfeinern und die, soweit sich die Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung ihnen nicht bereits angeschlossen hat, weiter sorgfältig geprüft werden. Wenn ich heute eine Zwischenbilanz der öffentlichen Diskussion ziehe, die von mir mit dem "Diskussionsentwuf" eines neuen Ehe- und Scheidungsrechts im Juli des vergangenen Jahres in die Wege geleitet worden ist, so muß ich noch ein weiteres erwähnen. Im Diskussionsentwurf waren — auf der Grundlage der Vorschläge der Eherechtskommission — meine und die Vorstellungen meiner Mitarbeiter von einem modernen Ehe- und Scheidungsrecht wiedergegeben. Die Regierungsvorlage enthält gegenüber dem Diskussionsentwurf Änderungen, die sich im Laufe des Dialogs mit Vertretern anderer Auffassungen als zweckmäßig erwiesen haben. Ich habe seinerzeit öffentlich erklärt, daß ich mich sachgerechten Wünschen nicht verschließen werde. Hätte ich nicht von vorneherein die Bereitschaft zu solchen Änderungen gehabt, so wäre ein solcher Entwurf von mir gar nicht herausgegeben worden. Ein Scheingespräch, das in Wahrheit nur einen Dialog vortäuscht, ohne ihn wirklich zu wollen, wäre weder der Mündigkeit unserer Bürger würdig noch der Bedeutung des Gegenstandes angemessen gewesen. Hier ging es allein um die Sache, und heute kann ich mit einer gewissen Genugtuung -- feststellen, daß die von der Bundesregierung vorgeschlagene Reform des Ehe- und Ehescheidungsrechts in ihren wesentlichen Grundzügen wohl auf die breite Zustimmung rechnen kann, die mir für ein derartiges Reformwerk wünschenswert erscheint. Möglich war das nur durch einen offenen Dialog mit allen Gesprächspartnern und im Abwägen der widerstreitenden Interessen. Ich danke allen, die sich, sei es schriftlich, sei es mündlich, daran beteiligt und mitgeholfen haben, ein ausgewogenes Reformwerk zu schaffen. Bei der öffentlichen Erörterung der Neuordnung des Eherechts sind allerdings — ich bedaure das — immer wieder zwei grundlegende Mißverständnisse zutage getreten, die ich hier nochmals mit aller Deutlichkeit klarstellen will: Auch das neue Recht geht von dem Grundsatz aus, daß die Ehe auf Lebenszeit angelegt ist. Es ist zu keiner Zeit daran gedacht worden, ihn zu ändern. Das entspricht dem Grundgesetz, das die Ehe unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordung stellt. Der Entwurf zielt auch nicht darauf ab, die Ehescheidung zu erleichtern. Er verlagert nur — auch hier wieder im Sinne der Gleichberechtigung und Gleichverantwortung der Partner das Gewicht von der Aufrechterhaltung der Institution Ehe ohne Rücksicht auf die Menschen, die diese Institution leben müssen, auf den Gesamtbereich, der jedes Mal in Frage steht. Unser bisheriges Recht hat es sich auch da zu leicht und den Ehepartnern an der falschen Stelle zu schwer gemacht. Der Entwurf versucht, diese Verschiebung zurechtzurücken und nur das — aber dann auch konsequent und durchgreifend — rechtlich zu regeln, was den Gesetzgeber in einer derart differenzierten Gemeinschaft, die letztlich auf dem Willen zweier Menschen beruht, zugänglich ist. Der Entwurf muß als Ganzes bewertet werden. Notwendige Klärungen und Vereinfachungen im Scheidungsrecht stehen umfangreiche Änderungen im Scheidungsfolgenrecht, insbesondere in der Neuregelung des Unterhalts, gegenüber. Die Lasten einer Ehescheidung werden künftig gerechter verteilt werden. Das bedeutet aber, daß die wirtschaftlichen Folgen sorgfältiger bedacht werden müssen, als es bisher leider geschehen ist. Der verstärkte Schutz des wirtschaftlich und sozial schwächeren Ehegatten — in der Regel wird das die Frau sein — wird sich häufig als heilsamer Riegel gegen voreilige Trennungsabsichten erweisen. Gerade die neuartige und bessere Verteilung der gemeinsamen Verantwortung der Ehegatten für die Ehe und ihre wirtschaftlichen Folgen sollen auch ein Beitrag dazu sein, daß Männer und Frauen sich rechtzeitig und sorgfältig der Bedeutung der Ehe bewußt werden. Das heißt aber auch, daß es keine einseitigen Vor- oder Nachteile für Männer oder Frauen geben kann. Der Gesetzentwurf, der das Eherecht wieder in den Zusammenhang des Familienrechts des Bürgerlichen Gesetzbuches einfügen soll, hat vier Schwerpunkte: 1. das neue Recht der persönlichen Ehewirkungen, 2. das neue Scheidungsrecht, das die Voraussetzungen für die Ehescheidung festlegt, d. h. die Umstände, unter denen eine Ehe geschieden werden kann, 3. die Neuregelung der Scheidungsfolgen, insbesondere also die Frage, wann und wie lange ein Ehegatte dem anderen nach der Scheidung Unterhalt zu gewähren hat, 14. den neuartigen Versorgungsausgleich, der die Altersversorgung auf neue Grundlagen stellen soll. Die geltenden Bestimmungen des BGB über die Ehewirkungen entsprechen nicht mehr dem gewandelten Selbstverständnis der Frau. Sie stimmen nicht mehr mit der sozialen Wirklichkeit überein und auch nicht mehr mit dem heutigen Verständnis vom Grundsatz der Gleichberechtigung der Geschlechter. Sie legen ein Leitbild der Ehe fest, das einseitig der Frau die Aufgabe der Führung des Haushalts auferlegt und sie dem Manne nachordnet. Das gilt insbesondere für § 1356 BGB, wonach die Frau nur insoweit erwerbstätig sein darf, als dies mit der Führung des Haushalts und den sonstigen Pflichten in Ehe und Familie vereinbar ist; das gilt aber auch für § 1355 BGB, wonach die Frau durch die Eheschließung immer den Namen des Mannes erwirbt. Die Bevormundung der Eheleute durch den Gesetzgeber bei der Ausgestaltung ihres ehelichen Lebens ist nicht gerechtfertigt. Die Eheleute sollen ihr gemeinsames Leben frei gestalten können. Der Entwurf gibt den Eheleuten diese freie Gestaltungsmöglichkeit. Er stellt kein gesetzliches Leitbild der Ehe mehr auf, das, falls es Unstimmigkeiten unter den Eheleuten gibt, für alle verbindlich sein soll, und er gibt den Eheleuten die Möglichkeit, zwischen dem Namen des Mannes, der Frau oder einem Doppelnamen zu wählen. Oft wird eingewandt, es handle sich doch nur um eine kleine Minderheit, die sich an den geltenden Regeln über die Ausgestaltung der Ehe und über I den Ehenamen stoße. Warum ihretwegen das Gesetz ändern? In dieser Argumentation steckt ein Mangel an Toleranz gegenüber dem Andersdenkenden. Wer die traditionelle Aufgabenverteilung in der Ehe und den Mannesnamen bevorzugt, dem ist unbenommen, dies auch künftig zu tun. Die Führung des Haushalts durch die Frau wird in vielen Fällen, insbesondere wenn Kinder zu betreuen sind, die zweckmäßigste Eheform sein. Der Gesetzentwurf hindert die Eheleute nicht, sich so zu entscheiden. Er will andererseits auch nicht, und zwar weder unmittelbar noch mittelbar, die Eheleute zur sogenannten Berufstätigenehe drängen. Ihre Entscheidung muß frei sein, aber nach beiden Seiten. Ich sehe weder eine Rechtfertigung noch einen gesetzgeberischen Grund dafür, z. B. der kinderlosen Frau, die im selben Umfang wie der Mann berufstätig sein möchte, diese Freiheit zu beschneiden und sie in erster Linie auf die Führung des Haushalts zu verweisen, wie es das geltende Recht tut. In unserem Staat haben die mündigen Bürger auch als Ehepartner einen Anspruch darauf, ihre Angelegenheiten in eigener Verantwortung zu regeln. Der Gesetzgeber hat sie nicht zu gängeln, sondern er hat ihnen den Freiheitsraum zu gewährleisten, in dem sie ihre eigenen Entscheidungen treffen können. Im Scheidungsrecht ersetzt der Entwurf das Verschuldensprinzip des geltenden Rechts durch das Zerrüttungsprinzip, das im geltenden Ehegesetz nur eine sehr unvollkommene Ausgestaltung gefunden hat und durch die Rechtsprechung gegenüber den Verschuldenstatbeständen fast völlig zurückgedrängt worden ist. Die Bundesregierung folgt damit gleichartigen Bestrebungen in zahlreichen Ländern. Die Abkehr vom Verschuldensprinzip vollzieht sich in einer Reihe von Staaten, in vielen ist das Zerrüttungsprinzip allein oder neben dem Verschuldensprinzip bereits Gesetz. Ich erinnere in diesem Zusammenhang nur an das neue Scheidungsrecht in Großbritannien und an die Reform in den Niederlanden, die am 1. 10. 1971 in Kraft getreten ist. Künftig soll eine Ehe geschieden werden können, wenn sie gescheitert ist. Maßgebend ist also die objektive Ehezerrüttung. Der neue Ausdruck "Scheitern" soll dies deutlich machen. Der bisher gebräuchliche Begriff der "Zerrüttung" ist zu eng mit der Vorstellung verknüpft, daß ein Ehegatte oder beide durch ehewidrige Handlungen ihre Ehe zerstört haben. Scheitern dagegen beinhaltet auch die Fälle, in denen das Mißlingen der Ehe durch einen schicksalhaften Geschehensablauf oder durch Unvereinbarkeit der Charaktere herbeigeführt worden ist. Das Gesetz gibt eine Begriffsbestimmung des Scheiterns: eine Ehe ist dann gescheitert, wenn die Lebensgemeinschaft der Ehegatten nicht mehr besteht und nicht erwartet werden kann, daß die Ehegatten sie wiederherstellen. Mit einer solchen Regelung ist zwar die Suche nach dem Schuldigen ausgeschlossen, würde den Antragsteller aber nicht davon freistellen, im einzelnen darzulegen, warum ein Zurückfinden der Eheleute in die Ehe unmöglich ist. Dies den Eheleuten nach Möglichkeit zu ersparen, ist jedoch ein wesentliches Anliegen der Reform. Der Entwurf sieht deshalb zwei gesetzliche Tatbestände vor, in denen das Scheitern der Ehe vermutet wird, und zwar nach einjähriger Trennung der Eheleute, wenn beide Ehegatten die Scheidung wünschen, nach dreijähriger Trennung der Eheleute, wenn ein Ehegatte die Scheidung beantragt. Es braucht dem Scheidungsrichter also nur vorgetragen und im Zweifelsfall nachgewiesen zu werden, daß die Trennung ein bzw. drei Jahre gedauert hat; alsdann tritt die gesetzliche Vermutung ein. Die Vermutung ist nicht widerlegbar, wenn beide Ehegatten die Scheidung beantragen; sie ist widerlegbar, wenn nur ein Ehegatte die Scheidung begehrt. Gewichtige Gründe sprechen für eine solche differenzierte Regelung. Würde man auch im Falle des einseitigen Scheidungsbegehrens eine nicht widerlegbare Vermutung vorsehen, dann hätte der andere Ehegatte keine Möglichkeit vorzutragen, was für die Wiederherstellung der ehelichen Gemeinschaft sprechen kann. Sicherlich entspricht nach drei Jahren Trennung die Vermutung, daß die Ehe als gescheitert anzusehen ist, den tatsächlichen Gegebenheiten. Dennoch wäre es ungerecht, dem Ehegatten, der an der Ehe glaubt festhalten zu sollen, die Möglichkeit zu verwehren, darzulegen, weshalb die Ehe trotz der langen Trennung nach seiner Auffassung noch nicht gescheitert ist. Deshalb sollte der Richter auch in den wenigen Fällen, in denen Zweifel am Scheitern der Ehe bestehen können, in der Lage sein, diese Frage unter bestimmten Voraussetzungen zu prüfen. Der Ehegatte, der an der Ehe festhalten möchte, soll deshalb nach dem Entwurf Tatsachen vortragen können, die für die Wiederherstellung der Ehe sprechen. Es handelt sich also nicht um ein Widerspruchsrecht wie in § 48 Abs. 2 des geltenden Ehegesetzes, sondern um einen eng begrenzten Tatsachenvortrag des Antragsgegners. Der Gegenbeweis, daß die Ehe noch heilbar ist, wird nur in seltenen Fällen möglich sein, nur in wenigen Fällen werden überhaupt Tatsachen vorgetragen werden können, aus denen noch Heilungsaussichten für die Ehe abgelesen werden können, wenn ein Ehegatte nach dreijähriger Trennung ernsthaft geschieden sein will. Aber das Gespräch hierüber mit dem Richter muß möglich sein. An diesem Punkt hat sich der Nutzen der öffentlichen Diskussion gezeigt. In meinem Diskussionsentwurf war die Vermutung des Scheiterns nach dreijähriger Trennung noch unwiderlegbar. Doch habe ich mich davon überzeugen lassen, daß es gewichtige Einwände dagegen gibt. Das ist kritisiert worden. Man hat gesagt, daß der Regierungsentwurf ein wesentliches Ziel der Reform aufgegeben habe. Diese Behauptung geht an der Sache vorbei. Die Vorschrift wird wegen ihrer Beschränkung auf den Vortrag von Tatsachen nur selten zum Zuge kommen; wo aber eheerhaltende Tatsachen vorgetragen werden können, soll der Richter sie abwägen. Daß hier, gleichsam durch die Hintertür, wieder alles Unerfreuliche in den Prozeß eingeführt werden könnte, was künftig gerade vermieden werden sollte, steht — und darin wird mir jeder Praktiker zustimmen -nicht zu erwarten. Ich halte es im übrigen für ein Mißverständnis, wenn man meint, der Gesetzgeber habe vor allem lückenlose juristische Denksysteme zu entwickeln. Seine Vorschläge müssen auch das Maß menschlicher Einsicht wiedergeben, das dem Bürger die Rechtsordnung verständlich und annehmbar macht. Andererseits erscheint es der Bundesregierung aber nicht berechtigt, die Nachprüfung, ob die Ehe gescheitert ist, auch dann zuzulassen, wenn beide Ehegatten nach einjähriger Trennung geschieden sein möchten. Für diese Möglichkeit hat sich der Bundesrat ausgesprochen. Die Bundesregierung ist dagegen der Auffassung, daß der Richter nicht in der Lage ist, den Grad des Auseinanderlebens der Eheleute zutreffender zu beurteilen als diese selbst, wenn sie nach reiflicher Überlegung — sie leben ja bereits seit einem Jahr getrennt — in der Einschätzung ihrer Situation übereinstimmen. Der Richter wäre überfordert, von Amts wegen Umstände ermitteln zu müssen, aus denen sich die Heilbarkeit der Ehe entgegen der Vorstellung beider Ehegatten herleiten läßt. In der öffentlichen Diskussion war auch die sogenannte Härteklausel heftig umstritten. Nach dem neuen § 1568 BGB soll eine Ehe, auch wenn sie gescheitert ist, nicht geschieden werden, wenn der Ehegatte, der nicht geschieden sein will, außergewöhnliche Umstände vorbringt, nach denen die Scheidung für ihn eine so schwere Härte bedeuten würde, daß die Aufrechterhaltung der Ehe geboten erscheint; hierbei sind auch die Belange des Ehegatten, der den Scheidungsantrag gestellt hat, zu berücksichtigen. Unter "schwerer Härte" im Sinne dieser Vorschrift sind außergewöhnliche I seelische oder andere persönliche Belastungen zu verstehen, nicht jedoch wirtschaftliche Folgen, die mit der Scheidung zusammenhängen; denn die möglichen Härten dieser Art werden durch das neue Scheidungsfolgenrecht ausgeglichen. Es sind aber Fälle denkbar, in denen die Scheidung eine seelische oder andere persönliche Härte für einen Ehegatten bedeuten kann. Sie finden, meine Damen und Herren, dafür einige Beispiele in der Begründung des Gesetzentwurfs. Ich beschränke mich hier auf die Bemerkung, daß wir bei der Vielgestaltigkeit des menschlichen Lebens nie voraussehen können, ob die Scheidung trotz des endgültigen Zerbrechens der Ehe bei der Abwägung der beiderseitigen Interessen gerechterweise nicht doch versagt werden sollte. Interessant ist in diesem Zusammenhang ein Blick über unsere Grenzen hinaus. In den Rechten aller Staaten, die das Zerrüttungsprinzip kennen, ist eine Härteklausel vorgesehen. Es gibt nur eine Ausnahme, und zwar Kalifornien. An der Härteklausel des Regierungsentwurfs ist kritisiert worden, daß sie keine zeitliche Begrenzung enthält und daher die Aufrechterhaltung einer zerbrochenen Ehe bis an das Lebensende eines der Ehegatten ermögliche. Das ist eine zu formalistische Auslegung. Wenn keine Frist gesetzt ist, dann bedeutet dies keineswegs, daß die Ehescheidung zeitlebens ausgeschlossen sein soll. Viele Härten werden im Laufe der Zeit ihre Bedeutung für denjenigen, der sie ertragen muß, verlieren. Wenn diese Veränderung eingetreten ist, kann ein neuer Scheidungsantrag mit Aussicht auf Erfolg gestellt werden. Die unbefristete Härteklausel ermöglicht es dem Richter, in jedem Falle eine gerechte Lösung zu finden. Auf die Neuregelung des Unterhaltsrechts nach der Scheidung haben wir besondere Sorgfalt verwandt. Hier geht es darum, dem wirtschaftlich schwächeren Ehegatten mehr Sicherheit zu geben, ihm mehr soziale Gerechtigkeit zu gewähren, als dies nach dem geltenden Recht geschieht. Die Wurzel der Unzuträglichkeiten des geltenden Unterhaltsrechts liegt darin, daß die Unterhaltspflicht an das Verschulden am ehelichen Zerwürfnis, so wie es sich dem Richter darstellt, gekoppelt ist. Außerdem ist das geltende Recht lückenhaft und schafft beim Auseinandergehen der Eheleute nicht den wirtschaftlichen Ausgleich, der beiden gerechterweise gebührt. Der Entwurf will hier Abhilfe schaffen, indem er das Unterhaltsrecht auf rein wirtschaftliche Erwägungen abstellt, nach der Schuld am Scheitern der Ehe also nicht mehr fragt, und einen Katalog von Unterhaltstatbeständen aufstellt, der alle denkbaren Fälle berücksichtigt. Von verschiedenen Seiten ist vorgeschlagen worden, im Bereich des Unterhaltsrechts am Verschuldensgrundsatz festzuhalten. Dem können wir nicht folgen. Wer für eine solche Lösung eintritt, gibt zu erkennen, daß er das Zerrüttungsprinzip im Grunde genommen ablehnt. Denn gerade in diesem Bereich führt das Verschuldensprinzip noch mehr als bei den Scheidungsvoraussetzungen zu ungerechten Ergebnissen. Was wir wollen ist die Beseitigung von wirtschaftlichen "Scheidungsstrafen", deren Berechtigung aus einem Fehlverhalten hergeleitet wird, das einem ganz anderen Lebensbereich entstammt, nämlich dem der persönlichen, der rein menschlichen Beziehungen zweier Menschen. Wenn zwei Eheleute 10 oder 20 Jahre hindurch mit der Ehe zugleich auch eine Wirtschaftsgemeinschaft gebildet haben, so kann der Gesetzgeber diese Tatsache nicht einfach beiseite lassen und dem wirtschaftlich abhängigen Ehegatten, der die ganze Zeit über den Haushalt und die Kinder versorgt und damit für die Familie eine Leistung erbracht hat, wegen eines Fehlverhaltens im menschlichen Bereich die Existenzmittel im wirtschaftlichen Bereich entziehen. Der Entwurf folgt dem Grundsatz, daß nach dem Scheitern der Ehe der wirtschaftlich Stärkere für den wirtschaftlich Schwächeren einzustehen hat. Die Unterhaltsverpflichtung ist nur danach zu beurteilen, wieweit die wirtschaftliche Abhängigkeit der Ehegatten voneinander fortgeschritten ist und ob und in welchem Umfang der unterhaltsbedürftige Ehegatte seinerseits aktiven Anteil an der Wirtschaftsgemeinschaft genommen hat. Die Unterhaltsverpflichtung ist also von der Scheidungsschuld unabhängig. Sie kann sich aber ermäßigen oder ganz wegfallen, wenn die Ehe von kurzer Dauer war und deshalb eine wirtschaftliche Gemeinschaft noch gar nicht entstehen konnte oder wenn der Berechtigte während der Ehe längere Zeit hindurch seine Pflicht, zum Familienunterhalt beizutragen, verletzt hat. Dies sind zwei Tatbestände, die rein wirtschaftliche Motive zur Grundlage haben, d. h. demselben Lebenssektor entstammen wie der Unterhaltsanspruch selbst. Die Verantwortung der Ehegatten füreinander soll so lange fortwirken, als die ehebedingte wirtschaftliche Abhängigkeit andauert. Das Ziel der Unterhaltsregelung muß es sein, diese Abhängigkeit stufenweise abzubauen und auf eine Verselbständigung des Unterhaltsberechtigten hinzuwirken. Unterhalt soll nach Möglichkeit Hilfe zur Selbsthilfe sein, Hilfe dafür, wieder eine eigenständige wirtschaftliche Existenz zurückzugewinnen. Das ist dem wirtschaftlich abhängigen Ehegatten nicht immer möglich; sein Versuch, wirtschaftlich wieder auf eigenen Füßen zu stehen, kann auch mißlingen. In diesen Fällen hat er nach dem Gesetz einen Unterhaltsanspruch, und zwar in einer Höhe, daß der in der Ehe erreichte soziale Status erhalten bleibt. Über diese Frage sind in der Öffentlichkeit die abwegigsten Gerüchte in Umlauf gesetzt worden. Ich betone an dieser Stelle deshalb nochmals, das Leitmotiv des neuen Unterhaltsrecht heißt: "Mehr soziale Sicherheit und Gerechtigkeit" ; keine Frau wird gezwungen, unzumutbare persönliche Opfer hinzunehmen, um den Mann nach der Scheidung zu entlasten. Der Entwurf ist kein "Männergesetz" ; ein Unterhaltsanspruch der Frau besteht immer dann, solange ihre wirtschaftliche Abhängigkeit andauert. Dieser Grundsatz hat im Gesetzentwurf folgende Ausgestaltung erfahren: 1. Ein Unterhaltsanspruch besteht, wenn der Berechtigte wegen der Erziehung oder Pflege eines Kindes, wegen seines Alters oder seines Gesundheitszustandes an einer Erwerbstätigkeit gehindert ist. 2. Neben diesen drei Grundtatbeständen steht der allgemeine Unterhaltsanspruch, der jedem in der Ehe nicht erwerbstätigen Ehegatten zukommt: Jeder Ehegatte hat Anspruch auf Unterhalt, d. h. also insbesondere auch derjenige, der nicht durch Kindererziehung gehindert ist, bis er eine ihm angemessene Erwerbstätigkeit findet. "Angemessen" ist nach dem Entwurf eine Erwerbstätigkeit, die sowohl der Ausbildung, den Fähigkeiten und dem Lebensalter als auch den ehelichen Lebensverhältnissen entspricht. Dem unterhaltsberechtigten Ehegatten, der ja in aller Regel selbst aktiven Anteil an der Schaffung des ehelichen Lebensstandards hat, bleibt also der eheliche soziale Status erhalten. Wo diese Teilnahme fehlt, kann sich der Unterhalt nach Billigkeit verringern. Für die Höhe des Unterhaltsanspruchs sind aus demselben Grunde der Erhaltung des ehelichen Lebensstandards ebenfalls die ehelichen Lebensverhältnisse maßgebend. Bringt eine angemessene Erwerbstätigkeit den Unterhalt nicht in dieser vollen Höhe ein, so besteht ein Anspruch auf den Differenzbetrag. Dies ist nunmehr im Gesetz auch ausdrücklich gesagt. Der allgemeine Unterhaltsanspruch, der jedem Ehegatten, bis er eine angemessene Tätigkeit gefunden hat, zusteht, dauert latent über diesen Zeitpunkt hinaus und lebt wieder auf, wenn die Wiedereingliederung in das Erwerbsleben mißlingen sollte. Damit sollen vor allem die Fälle erfaßt werden, in denen ein Ehegatte zunächst seinen Unterhalt nach der Scheidung durch eigene Erwerbstätigkeit verdienen konnte, wo sich aber nach einiger Zeit herausstellt, daß er seine Kräfte überschätzt hat. Einen Unterhaltstatbestand muß ich noch besonders hervorheben, den es im geltenden Recht noch nicht gibt, der eine wesentliche Neuerung darstellt, und den ich kurz "Ausbildungsunterhalt" nenne: Hat die Frau in Erwartung oder während der Ehe eine Schul- oder Berufsausbildung nicht aufgenommen oder abgebrochen, so kann sie vom Ehemann Unterhalt verlangen, wenn der erfolgreiche Abschluß der Ausbildung zu erwarten ist. Dasselbe gilt für eine Fortbildung oder Umschulung, um Nachteile auszugleichen, die durch die Ehe entstanden sind. Diesen Anspruch hat es bisher nicht gegeben. Er besteht auch dann, wenn der Frau eine bestimmte Erwerbstätigkeit, die sie vor der Ehe einmal ausgeübt hat, ohne weiteres zugemutet werden könnte, sie sich nach geltendem Recht also selbst unterhalten müßte. Der Ausbildungsunterhalt beruht auf folgender Erwägung: Die Ausbildung wird regelmäßig in der Erwartung unterbrochen, daß die Ehe von Dauer sein und gut verlaufen werde. Es ist mit dem Grundsatz sozialer Gerechtigkeit nicht vereinbar, beim Scheitern der Ehe die versäumte Ausbildungschance eines Ehegatten gewissermaßen als einseitigen "verlorenen Zuschuß" abzubuchen. Für die Gestaltung ihres ehelichen Lebens tragen beide Ehegatten die Verantwortung, so daß es nur recht und billig ist, dem wirtschaftlich Stärkeren die Verpflichtung aufzuerlegen, hier für einen Ausgleich zu sorgen. Wie die Ehegatten nach der Scheidung ihre eigenen Wege gehen, so sollen sie auch, soweit wie möglich, in diesem Bereich selbständig werden. Das mag für die Frau, die in der Ehe den Haushalt versorgt hat, oft nicht leicht sein. Aber im Gesetz ist Vorsorge getroffen, daß ihr keine unzumutbaren Anstrengungen abverlangt werden. Der neue Leitgedanke vom Unterhalt als Starthilfe liegt im Interesse der Frau selbst. Die soziale Sicherheit des geschiedenen Ehegatten soll schließlich dadurch erhöht werden, daß sein Unterhaltsanspruch grundsätzlich Vorrang vor dem etwaigen Anspruch eines neuen Ehegatten des Unterhaltsschuldners haben soll. Der geschiedene unterhaltsberechtigte Ehegatte braucht also nicht mehr wie nach dem geltenden Recht zu befürchten, daß sein Unterhaltsanspruch durch die Wiederheirat des Verpflichteten unzumutbar geschmälert wird. Die zweite Ehe des Verpflichteten wird durch den Vorrang des geschiedenen Ehegatten nicht unbillig getroffen, da die Sachlage bei der Wiederverheiratung des Verpflichteten bekannt ist und die Partner der neuen Ehe sich hierauf einstellen können. Der Verpflichtung gegenüber dem geschiedenen Ehegatten soll sich niemand durch die Eingehung einer neuen Verbindung entziehen können. Ich weiß, daß es auch gewichtige Gründe gegen diese Regelung gibt. Ich selbst habe in der Begründung des Regierungsentwurfs hieran keinen Zweifel gelassen. Die Interessenabwägung muß aber zur Regelung des Entwurfs führen, zumal wirtschaftliche Erwägungen kein Anwendungsfall der Härteklausel sein sollen. Der vierte Schwerpunkt des Entwurfs will zu einer besseren Alterssicherung der Partner auch aus geschiedenen Ehen führen: durch den Versorgungsausgleich. Mit dieser Einrichtung werden völlig neue Wege beschritten; hierfür gibt es nirgends etwas Vergleichbares. Wenn wir den Auftrag des Grundgesetzes zur Verwirklichung des sozialen Rechtsstaates ernst nehmen, müssen wir jedoch auch in diesem Bereich Anstrengungen machen. Der Ausbau unserer Altersversorgung darf nicht vor der Ehe aufhören und dadurch wirtschaftliche Abhängigkeiten bestehenlassen oder sogar erst schaffen, die wir an anderer Stelle beseitigen wollen. Im gegenwärtigen System der sozialen Sicherung erwirbt der Ehegatte, der während der Ehe nicht oder nicht voll erwerbstätig ist, keine oder nur eine geringfügige eigenständige Alters- und Invaliditätssicherung. Das gilt insbesondere für die Ehefrau, die wegen der Führung des Haushalts und der Kindererziehung eine Erwerbstätigkeit nicht ausüben kann. Ihre Sicherung besteht im wesentlichen in dem, was der Mann durch seine Tätigkeit für seine Person als Versorgungsanwartschaften aufbaut. Im Falle der Scheidung führt dies zu erheblichen Unbilligkeiten. Künftig sollen die geschiedenen Ehegatten deshalb an den von ihnen während der Ehe erworbenen Anrechten auf eine Versorgung wegen Alters oder Invalidität gleichmäßig beteiligt werden. Wer von den Ehegatten an Versorgungsanwartschaften in der Ehe mehr aufgebaut hat als der andere, hat ihm von dem überschießenden Betrag die Hälfte abzugeben. Dem liegt der Gedanke des güterrechtlichen Zugewinnausgleichs zugrunde. Nach der geltenden Regelung des Zugewinnausgleichs teilen die Ehegatten, wenn sie auseinandergehen, das Vermögen, das ihnen in der Zeit ihres gemeinsamen Wirtschaftens zugewachsen ist, zu gleichen Teilen. Denn jeder hat durch eigene Arbeit — auch die Ehefrau, die den Haushalt führt — das Seinige zu dem Vermögenszuwachs beigetragen. Bisher sind aber die in der Ehezeit aufgebauten Rentenversicherungs- und Pensionsanwartschaften in den Zugewinnausgleich nicht einbezogen worden. Ich halte es für ein Gebot der Gerechtigkeit, daß auch diese Anwartschaften unter den Ehegatten gleichmäßig aufgeteilt werden, und zwar unabhängig davon, in welchem Güterstand sie leben. Die Versorgung ist ihrer Zweckbestimmung nach für die Sicherung beider Ehegatten gedacht. Dem widerspricht es, im Falle der Scheidung den nicht erwerbstätigen Ehegatten von der Sicherung auszuschließen und auf den — oft unsicheren — Unterhaltsanspruch zu verweisen. Mit dem Versorgungsausgleich soll ein erster Schritt in Richtung auf eine selbständige Invaliditäts- und Alterssicherung der nicht erwerbstätigen Ehefrau getan werden. Wir wollen erreichen, daß jede Frau kontinuierlich eine eigene Sicherung aufbauen kann, die sich bis zum Zeitpunkt des Versicherungsfalles fortsetzt und nicht mit der Eheschließung abbricht oder unterbrochen wird. Die Ehejahre sollen für den Aufbau einer eigenen Versicherung nicht länger verlorengehen. Hausfrau zu sein ist ein voller Beruf. Er ist einer anderen Berufstätigkeit gleichzusetzen und sollte im Sozialversicherungsrecht deshalb zu den gleichen Sicherungen wie eine Erwerbstätigkeit führen. Fast jede Frau — selbst bei den heute 40- bis 65jährigen sind es 90 % — war in ihrem Leben einmal erwerbstätig. Viele Frauen — insbesondere die Frauen mit einer gehobenen Berufsausbildung nehmen, sobald es ihnen die familiären Verhältnisse gestatten, ihre frühere Berufstätigkeit wieder auf. .Je höher die Berufsausbildung, desto schneller die Rückkehr ins Erwerbsleben. 17,2 % der verheirateten Frauen kehren nach 5 bis 10 Jahren, über 12 % nach 10 bis 15 Jahren und fast 16 % nach mehr als 15 Jahren in das Erwerbsleben zurück, also ein Anstieg in der Ehephase, in der die Kinder das Elternhaus verlassen haben. Bei der Regelung der Scheidungsfolgen hat der Gesetzgeber dafür zu sorgen, daß der ehebedingte Ausfall beim Aufbau der Versorgungsanwartschaften des in der Ehe nicht erwerbstätigen Ehegatten nach Möglichkeit überbrückt und ausgeglichen wird, und zwar durch den wirtschaftlich Stärkeren, also in der Regel durch den Mann, dem die Arbeit der Frau für Ehe und Familie ja in der Ehezeit auch zugute gekommen ist. Der Versorgungsausgleich wird durch Übertragung von Anwartschaften von einem Ehegatten auf den andern vollzogen, und zwar bereits bei der Scheidung. Wo eine andere Art der Versorgung aufgebaut worden ist, z. B. bei Beamten, soll der Ausgleichspflichtige den andern Teil in der gesetzlichen Rentenversicherung in entsprechender Höhe nachversichern. Im Recht der gesetzlichen Rentenversicherung werden für die Durchführung des Versorgungsausgleichs, insbesondere auch für die Nachentrichtung von Beiträgen, die notwendigen Änderungen vorgenommen werden. Die Bundesregierung wird hierfür so rechtzeitig ihre Vorschläge unterbreiten, daß die Anpassungsvorschriften gleichzeitig mit den Bestimmungen dieses Entwurfs in Kraft gesetzt werden können. Für den Fall, daß eine Nachversicherung z. B. wegen mangelnder Leistungsfähigkeit des Ausgleichspflichtigen nicht stattgefunden hat, ist eine dritte Art des Versorgungsausgleichs vorgesehen: Der Ausgleich ist dann zu gewähren, wenn der Verpflichtete die Rente erhält und auch beim berechtigten Ehegatten der Versorgungsfall eingetreten ist. Der Verpflichtete hat dem Berechtigten die Hälfte seiner monatlichen Rente oder Pension zu übertragen, der auf den in der Ehe aufgebauten Anwartschaften basiert. Damit erhält der berechtigte Ehegatte einen unmittelbaren Anspruch gegen den Versicherungsträger oder die Pensionskasse, also mehr Sicherung als bisher. Gegen den Versorgungsausgleich ist eingewandt worden, daß er dem Ausgleichspflichtigen unzumutbare Belastungen auferlegt, insbesondere was die Verpflichtung zur Nachversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung betrifft. Dieser Einwand greift nicht durch. Denn die Mehrzahl der Ehescheidungen wird zwischen dem ersten und dem zehnten Ehejahr ausgesprochen, und zwar mehr als 60 °/o, also fast zwei Drittel aller Scheidungen. Hier entstehen also Ausgleichspflichten, die sich in der Regel durchaus noch im Rahmen des Zumutbaren halten werden. Sollte im Einzelfall die Belastung des Verpflichteten zu groß sein, so sieht der Entwurf das Ruhen der Nachversicherungspflicht vor; der Richter kann auch Ratenzahlungen zubilligen. Durch den Versorgungsausgleich werden noch nicht alle versorgungsrechtlichen Nachteile, die der Ehefrau erwachsen können, ausgeglichen. In dem vorliegenden Entwurf eines 1. Eherechtsreformgesetzes sind deshalb noch weitere zusätzliche Tatbestände vorgesehen. Die eigenständige soziale Sicherung jedes Bürgers, auch des nicht im Erwerbsleben stehenden, ist nicht heute und auch nicht morgen voll zu erreichen. Mit dem vorliegenden Entwurf soll auch auf diesem Gebiet ein wichtiger Anfang getan werden. Weitere Schritte werden folgen. Da die Frauen in unserer Gesellschaft besonders in der sozialen Sicherung bisher benachteiligt sind, beabsichtigt die Bundesregierung mit ihrem Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Reform der gesetzlichen Rentenversicherung vor allein Verbesserungen zugunsten der Frauen einzuführen. Im einzelnen sind Bier folgende Maßnahmen zu nennen: Erstens. Durch die Öffnung der Rentenversicherung erhalten insbesondere die Hausfrauen ohne Erwerbstätigkeit sowie die mithelfenden Familienangehörigen, die in vielen Fällen nicht oder nur unzureichend für ihr Alter gesichert sind, die Möglichkeit, sich in der gesetzlichen Rentenversicherung eine Alterssicherung aufzubauen. Es handelt sich hierbei um schätzungsweise 6,8 Millionen Frauen, denen der soziale Schutz der gesetzlichen Rentenversicherung eröffnet wird. Zweitens. Für Frauen soll ein zusätzliches Versicherungsjahr eingeführt werden. Weibliche Versicherte erhalten bei der Rentenberechnung für jedes lebend geborene Kind zur Abgeltung eines zusätzlichen Versicherungsjahres einen Zuschlag zu ihrer Rente. Damit wird den Frauen, die durch die Geburt eines Kindes Nachteile in ihrem beruflichen Werdegang und damit in ihrem Versicherungsleben erleiden, ein Ausgleich zuteil. Drittens. Versicherte, die bis zum Inkrafttreten des Gesetzes 35 und mehr Versicherungsjahre zuzurückgelegt haben und in der zurückliegenden Zeit mit ihrem Arbeitsentgelt unter einem bestimmten Vomhundertsatz des Durchschnittsverdienstes aller Versicherten gelegen haben, erhalten eine Aufbesserung ihrer Renten. Durch diese Maßnahmen wird insbesondere die Lohndiskriminierung der Frauen in früheren Jahren und die sich hieraus ergebende Benachteiligung bei der Rente ausgeglichen. Mit diesen Regelungen wird die Bundesregierung ihre Politik, den Frauen eine gleichberechtigte Stellung in unserer Gesellschaft zu sichern, einen großen Schritt voranbringen. Der Entwurf des ersten Gesetzes zur Reform des Ehe- und Familienrechts muß im Zusammenhang der weiteren Vorhaben der Bundesregierung auf dem Gebiete des Familienrechts gesehen werden. Zunächst wird er durch den Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Reform des Ehe- und Familienrechts ergänzt werden, der vor allem das Eheverfahren neu regelt und gleichzeitig mit ihm in Kraft treten soll. Der Entwurf dieses Reformgesetzes wird Anfang des kommenden Jahres dem Deutschen Bundestag zugeleitet werden können. Der Entwurf wird auf folgenden Grundzügen aufbauen: Erstens. Für den Scheidungsausspruch und die Regelung der Scheidungsfolgen ist ein und dasselbe Gericht, das Familiengericht, zuständig. Das Familiengericht wird als eine besondere Abteilung beim Amtsgericht gebildet. Zweitens. Über das Scheidungsbegehren und die Regelung der Scheidungsfolgen soll gemeinsam verhandelt und zur gleichen Zeit entschieden werden. Die Abtrennung von Folgesachen zur gesonderten Erledigung soll nur unter engen Voraussetzungen möglich sein. Hier liegt ein weiterer Schutz des wirtschaftlich Schwächeren. Folgeregelungen, über die das Familiengericht mitzubefinden hat, werden insbesondere sein: die Zuteilung der elterlichen Gewalt über gemeinsame Kinder, die Entscheidung über das Besuchsrecht, der Kindesunterhalt, der Unterhalt des geschiedenen Ehegatten, der Zuspruch eines Versorgungsausgleichs, die Teilung des Hausrats. Durch die gleichzeitige Verhandlung aller mit der Scheidung zusammenhängenden Fragen und die Entscheidungskonzentration soll erreicht werden, daß sich die Eheleute bereits im Scheidungsverfahren darüber klar werden, welche Folgen eine Scheidung für sie mit sich bringt. Die heutige Zuständigkeitsaufteilung, wonach das Landgericht für den Scheidungsausspruch, das Amtsgericht für die Regelung der Scheidungsfolgen zuständig ist, bringt es mit sich, daß vielen bei der Scheidung gar nicht bewußt ist, was dieser Schritt für sie im einzelnen bedeutet. Diesen Mißstand gilt es zu beseitigen. Drittens. Die Folgeregelungen werden auf Antrag eines Ehegatten in das Scheidungsverfahren einbezogen mit Ausnahme der Zuteilung der elterlichen Gewalt; hierüber soll auch ohne Antrag, also von Amts wegen, entschieden werden. Viertens. Der Rechtsmittelzug soll vom Amtsgericht über das Oberlandesgericht zum Bundesgerichtshof führen, wie bereits jetzt in Kindschaftssachen. Fünftens. Die Teilanfechtung der Entscheidung des Amtsgerichts soll möglich sein. Wird eine der Folgeregelungen angefochten, so bleibt nur dieser Punkt im Streit, während die Entscheidung im übrigen rechtskräftig wird. Sechstens. Durch die Ausdehnung des Anwaltszwanges auf das gesamte Verfahren, also auch auf die Folgeregelungen, soll der Rechtsschutz der Beteiligten verstärkt werden. Dies zur beabsichtigten Neuordnung des Eheverfahrens. In diesem zweiten Reformgesetz sollen auch die erwähnten rechtstechnischen Einzelheiten des Versorgungsausgleichs festgelegt werden. Die Vorschläge für die ergänzenden Regelungen werden dem Parlament so rechtzeitig vorgelegt werden, daß sie in den Ausschüssen zusammen mit den versorgungsrechtlichen Bestimmungen des vorliegenden Entwurfs beraten und zusammen mit dem Entwurf des Ersten Eherechtsreformgesetzes in Kraft gesetzt werden können. Neben der Neuordnung des Eherechts sind eine Reihe von weiteren Neuregelungen auf dem Gebiete des Familienrechts geplant. Ich greife hier nur die Neugestaltung des Rechts der elterlichen Sorge oder, wie es heute noch heißt, der "elterlichen Gewalt" heraus und auch das Adoptionsrecht. Was die Neugestaltung des Rechts der elterlichen Sorge betrifft, so ist im vorliegenden Entwurf bereits vorgesehen, daß die Zuteilung der Kinder nach der Scheidung nicht mehr vom Verschulden eines Ehegatten am Scheitern der Ehe abhängig sein soll. Damit ist aber nur das im Augenblick Notwendige getan. Es sind auf diesem Gebiet noch weitere Fragen zu lösen, die über den Rahmen der Reform des Scheidungsrechts in diesem Entwurf hinausgehen. Sie sollen deshalb den Gegenstand einer besonderen Gesetzesvorlage bilden, zumal es sich hier nicht allein um die Neuordnung derjenigen Vorschriften handelt, die im Zusammenhang mit einer Ehescheidung stehen, sondern um das Recht der Elternsorge in seiner Gesamtheit, also auch für die bestehenden Ehen. Mit diesen Hinweisen mag deutlich werden, daß die notwendige Reform des Ehe- und Familienrechts noch vieler Anstrengungen bedarf. Worauf es der Bundesregierung jetzt ankommt, ist, einen Anfang zu machen. Wir müssen nach gründlicher Diskussion jetzt die Entscheidungen treffen, die ein von veralteten Vorstellungen befreites, zeitgerechtes, soziales und menschliches Ehe- und Familienrecht braucht. Dazu erbitte ich die Unterstützung des Hauses.