Alter und neuer Intergouvernementalismus
In: Flexibler Kapitalismus: Analyse, Kritik und politische Praxis ; Frank Deppe zum 60. Geburtstag, S. 161-176
Abstract
Der Unterschied zum alten Intergouvernementalismus, so die Verfasser, ergibt sich aus der veränderten Struktur der europäischen Integration. Den europäischen Nationalstaaten ist die Rückkehr zur (relativen) politischen und ökonomischen Autonomie der Nachkriegszeit versperrt. Von daher richtet sich der neue Intergouvernementalismus auch nicht primär auf eine Begrenzung europäischer Integration. Vielmehr zielt er auf eine Stärkung der nationalen Exekutiven im Integrationsprozess, begrenzt die gesellschaftliche Verankerung von Politik und treibt so die Transformation von Staatlichkeit massiv weiter voran. In diesem Sinne bedeutet Integration dann nicht mehr die politische Enteignung der Nationalstaaten durch supranationale Organe, sondern eine Entwertung demokratisch legitimierter (nationaler) Politik durch eine unkontrollierte Verflechtung zwischen Exekutiven. Die ideologische Wirksamkeit des Verfassungsdiskurses bedarf keiner Aktualisierung: Sie überträgt die tradierten Denkmuster auf die gesellschaftlichen Praktiken und könnte sich somit zum Vehikel einer neuen Integrationsmethode entwickeln - ob die Idee einer europäischen Verfassung nun Wirklichkeit wird oder nicht. Eine Reformperspektive muss die Verengungen in den aktuellen Debatten überwinden. Eine Kritik der jeweiligen politikfeldspezifischen Praktiken sollte darauf abzielen, die politischen Handlungsmöglichkeiten durch Europäisierung zu erweitern. Eine solche produktive Bearbeitung der gegenwärtigen Widersprüche zwischen Internationalisierung und Nationalstaatlichkeit findet sich in den Forderungen nach einem neuen Konstitutionalismus. Die Debatte über eine europäische Verfassung muss, so die These, im Kontext eines breiten öffentlichen Diskurses über die Kernbestandteile eines europäischen Gesellschafts- und Sozialmodells geführt werden. (ICF2)
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