Für unser Land?: zur Anatomie einer halben Revolution
In: Deutschlands Einheit und Europas Zukunft, S. 30-52
Abstract
Der Beitrag untersucht, wie es möglich war, daß der 1989 durch das Volk der damaligen DDR ohne Intervention von Seiten der Politiker eingeleitete Prozeß der friedlichen "Revolution" letztendlich zum Sturz des sozialistischen Regimes und zur Wiedervereinigung mit der Bundesrepublik führte. Neben der Frage der besonderen historischen Qualität der Ereignisse von 1989, die - auf dem Hintergrund des allgemeinen Systemwandels Osteuropas - überraschend und abrupt dem sozialistischen Entwicklungsmodell eine Absage erteilten, wird im folgenden den Gründen für das Scheitern und die doppelte Niederlage des Sozialismus nachgegangen. Die Hoffnung, durch eine sozialistische Produktionsweise eine wirkliche Alternative zu den Widersprüchen der kapitalistischen Gesellschaftsordnung bieten zu können, hat sich historisch mehr als "Fessel" denn als produktiver Fortschritt erwiesen. Während der Sozialismus sich in den Ländern, in denen das Niveau der kapitalistischen Entwicklung gering war, noch am ehesten über die enge Verknüpfung von sozialer mit nationaler Frage etablieren konnte, war der sozialistische Aufbau in der DDR historisch belastet durch die deutsche Teilung und eine durch Konkurrenz bedingte Koexistenz zweier alternativer Gesellschaftsordnungen. Die Etablierung eines sozialistischen Systems mit ineffizienter Ökonomie in einem Staat "ohne Nation", zusammen mit Mauer und Abgrenzungspolitik, war gerade in einem Land wie der DDR zum Scheitern verurteilt. (ICE)
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