Techniken politischer Planung: Vom Marktkalkül zum Plankalkül?: Anatomie des Problems am Beispiel der Kosten-Nutzen-Analyse 'Wasserstraßenanschluß für das Saarland'
In: Leviathan: Berliner Zeitschrift für Sozialwissenschaft, Band 2, Heft 3, S. 346-382
Abstract
Anhand des Fallbeispiels 'Wasserstraßenanschluß für das Saarland' werden folgende Hypothesen formuliert: 1) Die Legitimität der Kosten-Nutzen-Analyse, deren Kalküllogik der betriebswirtschaftlichen Investitionsentscheidungslehre entstammt, ist in mehrfacher Hinsicht problematisch, wenn sie auf gesamtgesellschaftliche Planungsprobleme angewandt wird: a) Sie ist nicht in der Lage, die sog. 'externen Effekte', adäquat zu berücksichtigen. b) Die Ergebnisse sind stark von den jeweils vorgegebenen Prämissen abhängig. c) Ihre Ergebnisse sind stark von den jeweiligen Expertenteams anhängig. d) Ihre Ergebnisse sind von expertenexternen Personen kaum kontrollierbar. Sie führt leicht zur Komplexitätsüberlastung des politischen Systems, insbesondere der Betroffenen. e) Die geäußerte Vermutung, die Kosten-Nutzen-Analyse mache politische Entscheidungen transparenter, trifft nicht zu. 2) Die dezisionistische Tendenz der Experten, das gesamtgesellschaftliche Grundproblem in ein 'objektives', 'sachurteilsbezogenes' Problem der Bestimmung der Produktionsfunktionen und in ein 'subjektives', politisch' zu lösendes Problem der Nutzenermittlung aufzuteilen, ist falsch und ideologisch. 3) Die 'Souveränität' des Individuums in einem gesellschaftlichen Plankalkül ist nicht durch Sozialtechnologie z.B. der Schatten-oder Quasipreise einzuholen. Hier liegt die Lösungsbedingung in einer Weiterentwicklung der 'Produktivkraft Partizipation' (Naschold) und in der Änderung der Entscheidungs- und Planungsstrukturen. 4) Daß die Änderung der Entscheidungsstruktur ganz sicher die zur Zeit ungleiche Verteilung der 'Souveränität' der Produzenten' tangieren muß, ergibt sich aus zwei Gründen: a) Die derzeitigen Produktionsverhältnisse generieren die kollektiv zu bewältigenden externen Kosten und Nutzen des Marktes, deren Umfang Ausmaße annimmt, die nicht mehr durch Einzel- und ex-post-Interventionen aufzufangen sind. b) Allein die Größe gesamtgesellschaftlich zu tragender Grundinvestitionen läßt es weder funktional noch rational erscheinen, daß die Nutzung dieser bereitgestellten Investitionen dann dem privatistischen Profitkalkül weniger unterworfen bleibt und so ein gesellschaftliches Risiko erzeugt, das im Ernstfall wieder von der lohnabhängigen Bevölkerung zu tragen ist. (aa/RR)
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Deutsch
ISSN: 0340-0425
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