Begriffssoziologie, Begriffsgeschichte, Begriffspolitik: zur Form der Ideengeschichtsschreibung nach Carl Schmitt und Reinhart Koselleck
In: Politische Ideengeschichte im 20. Jahrhundert: Konzepte und Kritik, p. 31-50
Abstract
Der Autor wendet sich Reinhart Koselleck - dem kürzlich verstorbenen großen Protagonisten der Begriffsgeschichte - in einem instruktivem Vergleich zu und zeigt dessen Nähe und Distanz zu Carl Schmitt auf. Er stellt zunächst Schmitts ideenpolitische Auffassung von Begriffen dar, welche eine Suche nach Trägern des Glaubens und eine Identifizierung von metaphysischen Formeln für eine bestimmte Epoche offenbart. Nach Meinung des Autors ist nicht nur Schmitts Begriffsrealismus, sondern auch der von ihm unterstellte Zusammenhang von Politikgeschichte und Metaphysikgeschichte unterbestimmt. Denn Schmitt zielt in synchroner Perspektive auf Strukturidentität zwischen politischer Organisationsform und dem Begriffsglauben, während er in diachroner Sicht nur Etappen von Entpolitisierung und Neutralisierung beschreibt. Kosellecks begriffstheoretischer Ansatz ist zwar von Schmitt beeinflusst, aber seine Begriffsgeschichte weist hingegen eine hohe methodische Reflexion auf. Er arbeitete die Differenz von klassischen und modernen Begriffen (Bewegungsbegriffe, Kollektivsingulare) in prägnanter Weise heraus und entwickelte vor allem sozialgeschichtliche und anthropologische Verknüpfungen von Begriffen und Erfahrungen. Er entwarf eine kontrollierte Kritik aller Bewegungs- und Kampfbegriffe und transzendierte somit den Rahmen von Schmitts Konzept politisch-polemischer Begriffe, ohne den ideenpolitischen Aspekt von Begriffen und auch der eigenen Begriffsgeschichte auszublenden. (ICI2)
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