Frauen als Wassermeister? Arbeitsmigration und Feminisierung der Landwirtschaft in Tadschikistan und Usbekistan
In: Zentralasien-Analysen, Heft 124, S. 2-6
Den traditionellen Familienwerten entsprechend werden Frauen in zentralasiatischen Gesellschaften als Fürsorgerinnen im Haus der Familie betrachtet, während Männer ihre Ehefrauen, Mütter und Töchter ernähren und beschützen sollen. In vielen höher entlohnten landwirtschaftlichen Tätigkeiten überwog zu Zeiten der Sowjetunion dementsprechend die Beschäftigung von Männern, insbesondere in der Verwaltung und Durchführung der künstlichen Bewässerung. Heute hingegen liegt der Frauenanteil in der Landwirtschaft Zentralasiens schätzungsweise bei 60%. Frauen sind zunehmend bereit und fähig, in traditionell männlich geprägte Berufsfelder einzusteigen. Der Bruch mit der männerdominierten Gesellschaft und den patriarchalischen Werten resultierte aus wirtschaftlichen Verwerfungen nach der Unabhängigkeit der zentralasiatischen Republiken Anfang der neunziger Jahre, die die Männer zur Suche nach Einkommensmöglichkeiten im Ausland zwangen. Die Abwanderung der Männer machte die Frauen zur Mehrheit. Am Beispiel der landwirtschaftlichen Bewässerung in Tadschikistan und Usbekistan zeigt diese Studie, wie Frauen zunehmend verantwortungsvolle und sozial akzeptierte Positionen in der ländlichen Ökonomie übernehmen. Die Feminisierung der Landwirtschaft erhöht damit Autonomie und Beschäftigungsmöglichkeiten für Frauen. Jedoch stellt sich die Frage, ob dieser Wandel langfristig vorteilhaft und nachhaltig ist.