This paper puts forward equity as an important structural element to understanding negotiation outcomes. We first advance bargaining theory to incorporate the self-serving use of equity. Agents are predicted to push equity principles which benefit them more than other parties, in particular those which are disadvantageous to parties with large bargaining power. Based on unique data from a world-wide survey of agents involved in international climate policy, we then study how participants assess the support of the equity criteria by major parties in the climate negotiations. Comparing these results with cost estimates from a POLES model, we find that the perceived equity preferences of the respective countries or groups of countries are in general consistent with our hypothesis of a self-serving use of equity criteria and thereby lend support for our theoretical model. While this self-interest is recognized by the participants of our survey for the positions of the USA and the G77/China as well as Russia, the EU manages to be seen as choosing (self-serving) equity arguments out of fairness concerns and in order to facilitate the negotiations.
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This paper demonstrates that cooperation in international environmental negotiations can be explained by preferences for equity. Within a N-country prisoner's dilemma in which agents can either cooperate or defect, in addition to the standard non-cooperative equilibrium, cooperation of a large fraction or even of all countries can establish a Nash equilibrium. In an emission game, however, where countries can choose their abatement level continuously, equity preferences cannot improve upon the standard inefficient Nash-equilibrium. Finally, in a two stage game on coalition formation, the presence of equity-interested countries increases the coalition size and leads to efficiency gains. Here, even a stable agreement with full cooperation can be reached.
Abstract Welche kulturellen Veränderungen wird die weiter zunehmende Digitalisierung unserer Lebenswirklichkeit in Europa und anderen Kulturräumen zur Folge haben? Welche Merkmale, Eigenschaften und Wertvorstellungen zeichnen digitale Kulturen aus, denen es gelingt, ihre kulturelle Identität in digitalen Kontexten zu entwickeln und diese in einem dynamischen und sich ständig weiter entwickelnden technischen Umfeld lebendig zu halten? Und wie können diese gesellschaftlichen Entwicklungen in internationalen kulturellen Bezugssystemen repräsentiert werden, damit diese ihre Ziele der Förderung des gegenseitigen Verständnisses und eines friedlichen Zusammenlebens auch zukünftig erreichen können? Vor dem Hintergrund der erstmaligen Anerkennung einer digitalen Kultur als UNESCO Kulturerbe bietet sich die Möglichkeit, über eine Fallstudie Hinweise für Antworten auf diese Fragen zu erhalten. Konkret geht es um die Demoszene, die in mittlerweile fünf europäischen Staaten als nationales immaterielles Kulturerbe anerkannt ist.
Laufenberg, Mike (2022). Queere Theorien zur Einführung. Hamburg: Junius. 300 S., 17,90 €.
Theorieentwicklung entlang der Maxime, neue Perspektiven auf soziale und individuelle Sachverhalte zu gewinnen, orientiert sich mit Gewinn an einer Auffassung, die Theorien als Instrumente ansieht – Instrumente, die einen heuristischen Zweck erfüllen (vgl. Reckwitz 2021). Eine weitere Qualitätsdimension einer solchen pragmatisch gehandhabten Theorie ist für mich ihr inter- und transdisziplinäres Anschlusspotenzial. Und dies alles ist gegeben, so meine Lesart, wenn die Queertheorie verstärkt Eingang in den medienwissenschaftlichen Mainstream gewinnt. Eine solide und kluge Grundlage hierfür hat Mike Laufenberg in der renommierten Lehrbuchreihe [XY] zur Einführung geschaffen. Nach einer knappen Einleitung, in der er das rebellische, selbstermächtigende und affektgeladene Gemisch der "seltsam-perversen" Theorie aufbereitet, rekonstruiert der Autor die Geschichte und wichtigsten Wurzeln des Queer-Ansatzes. Ein wuchtiges Katapult zur Verbreitung der queeren Kernideen lieferten dabei, die in sich wiederum sehr heterogenen, feministischen Strömungen der 1970er- und 1980er-Jahre mit ihrer vehementen Kritik an der "Zwangsheterosexualität" (S. 29) und Homophobie. Eine wichtige theoretische Figur bildete die "Normativität" von Geschlechts- und Sexualitätscodierungen und -praktiken. Separatist*innen und Fusionist*innen standen sich gegenüber. Die Separatist*innen waren insofern orthodox, als sie sich gegen jegliche andere Interpretation von "Schuldigen" und Opfern wandten, wohingegen die Fusionist*innen um Koalitionsbildungen im Diskurs und den Praktiken von Sexualität und Lebensweise bemüht waren. Ein weiteres theoretisches Geschoss mit großer Wirkung gab Foucault ab (S. 67). In seinen Schriften wird eine historische Erklärung für die spezifisch moderne Form von Sexualität als wesentliche Komponente einer neuen Phase subtiler Machtausübung gesehen, als Bindeglied zwischen Biopolitik und Individualpolitik. Ein ganzer Werkzeugkoffer von Kontrollmechanismen wurde demnach geöffnet, um das Dispositiv einer heteronormativen, männlichen Bedürfnissen entsprechenden Form von Sexualität in die Seelen und Körper der Menschen nachhaltig einzuzimmern. Über Foucault hinaus spielt die queere Normativitätskritik eine tragende Rolle (S. 129). Und diese Normalität ist auf das Engste mit der gesamten rechtlichen, sozialen und ökonomischen Architektur moderner Gesellschaften regelrecht vernietet, sodass bestimmte Formen der Lebensführung gefördert und andere diskriminiert, wenn nicht sogar in ihrer Existenz bedroht werden. Die Kritik der Heteronormativität ist gewissermaßen das Flaggschiff der queeren Theoriearmada (S. 133 ff.). Heute sehen wir uns im Neoliberalismus mit Rück- und Fortschritten der queeren Agenda konfrontiert, worauf die Theorie wieder mit vielfältigen und sich heftig bekriegenden Versuchen antwortet, diese Widersprüche in den Griff zu bekommen (S. 141 ff.). Die Diskussion zwischen großer Kapitalismusanalyse und der Decodierung der Geschlechterverhältnisse wird dann großflächig in einem eigenen Kapitel vertieft. Besonders ergiebig und weiterdenkenswert sind die Auseinandersetzungen um den Stellenwert, den Familien im Reproduktionsregime des neoliberalen kapitalistischen Staates spielen oder besser, welcher ihnen zugedacht wird (S. 199). Es liegt auf der einen Seite auf der Hand, dass die Familie aus Sicht der queeren Theorie eine die aktuellen Machtverhältnisse zementierende Institution darstellt und man sie durchaus abschaffen möchte. Auf der anderen Seite wird weiterführend argumentiert, es gehe nicht um die Verbannung der Familie, sondern vielmehr um eine Aufhebung des Notwendigkeitscharakters der Familie, also um eine Erweiterung der Formen des sorgenden Miteinanderlebens. Die globalen Dimensionen der queeren Thematiken sind wiederum Gegenstand eines eigenen Kapitels (S. 209). Den Knopf auf seine Darstellung macht der Autor durch Bemerkungen zur Queer Theory im Interregnum, also einer gesellschaftlichen Zwischenzeit. Unsicherheit, Prekarität und virtuelle Optionsvielfalt generieren einen neuen Rahmen für die zumindest partielle Durchsetzung der queeren Agenda. Aber die aktuellen gesellschaftlichen Verhältnisse provozieren eben auch neochauvinistische Ressentiments gegen Transmenschen und Co. In diesem Zusammenhang sind nun auch die Medienwissenschaften gut beraten, die Rolle von Kommunikation und Digitalisierung in diesem neu aufgespannten Zwischenraum zu untersuchen und sich dabei mit Gewinn an dieser seltsam-perversen Theorie zu bedienen. Mike Laufenbergs Publikation ist hierfür eine wertvolle Navigationshilfe in einem sehr zerklüfteten Wissenschaftsterrain.
Mit dem Werk des Kirchenhistorikers Thomas Kaufmann werden quasi 'von hinten' die Möglichkeitsbedingungen der bürgerlichen Öffentlichkeit aufgerollt. Es soll der Erkenntnisgewinn des Vergleichs der Generation der Digital Natives mit der 'Generation Luther' ausgelotet werden. Die Lektüre lohnt sich aufgrund der subtilen Verflechtung (kirchen-)historischen Detailwissens mit dem analytischen Gespür für die Verwicklung des Buchdrucks in große Modernisierungstendenzen: Gezeigt wird, wie die Hardware Buchdruck das Betriebssystem der gesamten Kultur umprogrammiert hat. Dazu werden die technisch-ökonomischen Bedingungen der 'Emanzipation von der Handschrift' nachgezeichnet. Es waren die Goldschmiedekunst und die Glockengießerei, die um 1480 die notwendige technologische Infrastruktur für den Buchdruck vorhielten. Für die Logistik der Verbreitung von Büchern konnte man auf ein existierendes System der Handschriftenzirkulation zurückgreifen. Von Anfang an gingen betriebswirtschaftliche Erwägungen Hand in Hand mit kulturellen Aspekten. Die sich sukzessive beschleunigende Erhöhung der Auflagen und des Umsatzes der Druckereien und zunehmenden Verlage (S. 31) wurden dann katalysiert durch die 'Türkenbedrohung' und die Nachfrage nach Ablassbriefen. Übergreifend entwickelte sich durch die Distribution von immer vielfältigeren Druckerzeugnissen nach 1480 ein gesellschaftlicher Kommunikationsraum (S. 28). Insbesondere die Kirchenvertreter*innen sahen eine willkommene Gelegenheit, den christlichen Glauben zu kommunizieren. Gleichzeitig befürchtete man, auch ketzerische Absichten könnten so leichter den Weg zu den Menschen finden. Eine besondere 'Valorisierung' der Buchkultur ist auch nicht von ungefähr mit dem Namen Martin Luther verbunden. Der Reformator sah den Buchdruck als Basis nicht nur für den Glauben, sondern auch für Wissenschaft und Erkenntnis – von Sprache und Kultur überhaupt. Eine weitere bis heute wirksame Strategie und damit Bedingung unseres modernen Verständnisses von Diskursen als permanenten Argumentationsliefermaschinen war das Schüren von Interessen für neue Bücher und Auflagen (S. 64). Das wiederum stellte einen Teil der übergreifenden Revolution des Zeitverständnisses in Richtung Linearität und Zukunftsorientierung dar. Diese Entwicklungen richteten die Startrampe auf, von der aus Luther seine Reformation zünden konnte. Diese markierte die Geburt eines neuen Formats der intellektuellen, kulturellen Auseinandersetzung, eines freien, "räumlich entgrenzten" (S. 102) Diskurses. Luthers 95 Thesen wurden nicht, wie vormals, primär in räumlich-sozial geschlossenen Zirkeln der Eliten diskutiert, sondern verbreiteten sich über das neue Massenmedium wie ein Lauffeuer. Bald konnte er auf einer riesigen Welle von Interesse surfen. Im Epilog bündelt der Autor die wuchtigen Bugwellen des Schlachtschiffs Buchdruck, die heute vor allem durch Soziale Medien noch weiter hochgepeitscht werden: Da ist die Beschleunigungswelle, die durch das notwendige publizistische Antworten auf Gegenargumente angetrieben wird; da ist aber auch die Enthemmungs- und Empörungswelle. Und da ist die Beteiligungswelle, durch die immer mehr Menschen an den kulturellen Diskursen partizipieren konnten, was auch zu Irritationen führte. Schlussendlich bleibt zu klären, wie diese Revolution der 'Generation Luther' zur heutigen Medienrevolution steht. Hier ist der Autor versöhnlich-zuversichtlich. Ja, die neue Medienrevolution ist noch umwälzender und entgrenzender. Andererseits: "Und doch mehren sich die Zeichen, dass die digitale Medienrevolution die typographische nicht ablöst, sondern fortsetzt: Printmedien erweisen sich als attraktive Flucht- und Ruhepunkte, je unumgänglicher das Tagwerk im Internet zugebracht wird" (S. 259). Aus unserer Erfahrung mit der ersten Medienrevolution können wir also den Umgang mit der Digitalität als Aufgabe auffassen, bei deren Bewältigung wir guttun, uns an unsere 500 Jahre Auseinandersetzung mit der ersten Medienrevolution zu besinnen.
Kaufmann, Thomas (2022). Die Druckmacher. Wie die Generation Luther die erste Medienrevolution entfesselte. München: C.H Beck. 350 S., 28 €.
The Philippines are one of the most decentralized industrializing countries. Yet, findings on the impact on local economic development remain mixed. This paper's aim is to ask whether the two analyzed Philippine provinces Cebu and Leyte could benefit from the increased local autonomy to upgrade their local economies. They differed in their starting conditions at the beginning of the decentralization reform in 1991. While Cebu began to industrialize after 1986, Leyte's economy remained oriented to natural resource extraction and agriculture. Despite these socioeconomic differences, both provinces suffer from institutional infirmities in their local planning system to promote local development. These manifest themselves in various capacity constraints, such as coordination and cooperation patterns or a lack of data and knowledge resources. Differences exist in terms of financial means, as more developed areas dispose of a larger tax base. Nevertheless, the decentralization reform offered new room for maneuver for local elites. The dynamic Cebuano elite used the political and legal opportunities more successfully than elites in Leyte.
Die Digitalisierung des Familienlebens schreitet in Verknüpfung mit ihrer Medialisierung und Mediatisierung stetig voran und wurde durch die Pandemie nochmals forciert. Mit der vorliegenden Forschungsarbeit gewähren uns die Autor*innen fundierte Einblicke in diesen Prozess und in die Konsequenzen für die kindliche Medienaneignung. Methodisch gesehen handelt es sich um eine qualitative Längsschnittstudie. In sechs Erhebungen wurden zu Beginn bei 20 Familien, von denen noch 14 bei der letztmaligen Datenerhebung im Herbst 2020 dabei waren, detaillierte Informationen zu folgenden Aspekten eingeholt (S. 15ff): Mittels eines Leitfadens wurden die allgemeine Lebenssituation, Betreuungs- und Wohnkonstellation, Rolle der Medien im Familienalltag, kindliche Entwicklung sowie Haltung der Eltern zu digitalen und mobilen Medien abgefragt. Dazu wurden teilweise ergänzend eigene Erhebungsinstrumente konzipiert wie ein 'Medienhaus' und eine 'Medienpizza'. Ein instruktiver Forschungsüberblick bahnt den Weg in die Darstellung der eigenen Ergebnisse. Aufgegliedert in kognitive, emotionale, motorische und soziale Entwicklung werden die medienbezogenen Fähigkeiten der Kinder beschrieben. Besonders innovativ ist die vertiefende Auseinandersetzung mit den Potenzialen, die das digitale Medienrepertoire speziell Kindern mit Förderbedarf bietet. Für alle Kids wiederum sind neben der Entspannung durch Medienrezeption die Erlangung von Selbstwirksamkeit durch das immer bessere Bedienen der Geräte sowie die orientierende Funktion hervorhebenswert. Insgesamt gesehen erklären sich die medienbezogenen Fähigkeiten der Kinder durch den Fortschritt in anderen entwicklungsbedingten Fähigkeiten, die medienbezogenen Erfahrungen und durch den jeweils zugänglichen Medienfundus – ökologisch eingebettet in die sozialen Parameter wie Geschwister und die elterliche Medienaffinität (S. 61). In Kapitel 4 warten die Autor*innen mit einem gelungenen Transfer eines familienwissenschaftlichen Konstrukts auf die Digitalisierungsthematik auf. Sie greifen auf das maßgeblich durch Karin Jurczyk, Andreas Lange und Barbara Thiessen entwickelte Konzept der 'Familie als Herstellungsleistung' – Doing Family – zurück, um zwei Sachverhalte ins Rampenlicht zu stellen. Zum einen wird danach gefragt, wie sich Familiales auf den Medienumgang auswirkt. Umgekehrt wird zum anderen der Tragweite des Mediengebrauchs für den Vollzug der Familienwirklichkeit nachgegangen. Wie zu erwarten, erweist sich der vielfältige Mediengebrauch als feste Koordinate im Familienalltag, wobei das eingesetzte und genutzte Medienspektrum zwischen den Familien erheblich variiert. Gemeinsam aber ist der geräteübergreifende Zugriff auf die präferierten Medieninhalte. Die Orchestrierung und Interpunktierung des Doing Family hängt von den konkreten Lebensweltumständen ab. Auch auf der emotionalen Ebene fungiert die Medienaneignung als wichtiges familienstützendes Moment. Dies kommt insbesondere in den regelmäßigen Medienritualen zum Tragen, die über die Erhebungszeit der Studie weitgehend stabil bleiben. In Nichtroutinesituationen werden die digitalen Medien ebenso familienintegrativ und -dienlich eingesetzt. Das gilt für das Hören von Hörspielen via MP3-Player bei längeren Urlaubstrips ebenso wie für eher lästige institutionell bedingte Wartezeiten beim Arzt und Behörden (S. 105). Und es hatte herausgehobene Bedeutung während der Hochzeiten der Pandemie (S. 119). Einem Schlüsselfaktor des gelingenden und entwicklungsförderlichen Medienumgangs wird umfassend in Kapitel 5 Rechnung getragen. Angesprochen sind die Haltungen der Eltern zu digitalen Medien und der Medienerziehung. Welche Haltung gegenüber den Medien eingenommen wird, hängt von einem Multifaktorengeflecht ab (S. 163). Die konkrete Medienerziehung ist sehr differenziert in Kapitel 6 beschrieben und wird in einer Typologie systematisiert abgebildet. Diese Typologie konstituiert sich durch den Einbezug der Haltung der Eltern zu digitalen Medien, zu Medienerziehung allgemein und zur konkreten Regelsetzung. Unterschieden werden können auf diese Weise sechs Typen der Medienerziehung (Die Unterstützenden, die Flexiblen, die Anspruchsvollen, die Zwiegespaltenen, die Überzeugten und die Verunsicherten). Eine zusammenfassende Übersicht über die Hauptergebnisse findet sich in Kapitel 8. Insgesamt gesehen liegt hiermit ein wichtiger Beitrag zur Debatte um die Digitalisierungsfolgen in Familien vor. Das Verdienst der Studie liegt in einer engen Kopplung von Forschungsstanderuierung, theoretischer Konzeptualisierung und unprätentiöser Auswertung. Unterstrichen werden soll durch eine wissenschaftssoziologische Brille gesehen die enge Verzahnung familien- und medienwissenschaftlicher Expertise. Besondere 'take-aways' sind neben der konzisen Ergebnisdarstellung und überzeugenden theoretischen Rahmung vier Elemente, die an dieser Stelle hervorgehoben werden sollen. Erstens sind die Fallstudien zu den einzelnen Familien klugerweise nicht linear aneinandergefügt, sondern inhaltlich passend zu einzelnen Teilkapiteln. Zweitens folgen auf jedes Kapitel anregend formulierte, unaufdringliche Medientipps. Drittens ist das Buch in einer klaren, plastischen Sprache verfasst – was für sozialwissenschaftliche Texte nicht immer zutrifft. Und viertens tragen die Visualisierungen zu einer aufgelockerten Lektüre bei.
Eggert, Susanne/Oberlinner, Andreas/Pfaff-Rüdiger, Senta/Drexl, Andrea (2021). Familie digital gestalten. FaMeMo – eine Langzeitstudie zur Bedeutung digitaler Medien in Familien mit jungen Kindern. München: kopaed. 277 S., 19,80 €.
Schlör, Katrin (2016). Medienkulturen in Familien in belasteten Lebenslagen. Eine Langzeitstudie zu medienbezogenem Doing Family als Bewältigungsressource. München: kopaed. 375 S., 22,80 €. Derzeit ist an mehreren Adressen des sozialwissenschaftlichen Theoretisierens und der empirischen Arbeit der Vormarsch im weitesten Sinne praxeologischer bzw. praxistheoretischer Ansätze zu vermerken. Diese richten sich zum einen gegen einseitig kausalitätsorientierte Forschungsphilosophien und andererseits kritisieren sie hermeneutische und phänomenologische Ansätze wegen deren vermeintlichen Bedeutungslastigkeit und der Vernachlässigung des konkreten Tuns, nicht zuletzt auch im Medium des Körpers. Im Feld der Medien- und Kommunikationswissenschaften sind diese Ansätze ebenfalls angekommen. An diesen Theoriediskurs setzt die Arbeit von Katrin Schlör konzeptionell an. Insbesondere greift sie eine Reihe von Thesen und Operationalisierungen des Konstrukts des "Doing Family" auf, die am Deutschen Jugendinstitut (DJI) in München entwickelt wurden. Thematisch betrachtet reiht sie sich ein in eine länger werdende Kette von Arbeiten, die den Medienumgang von Individuen und Familien von im weitesten Sinn deprivierten Milieus beschreiben. Während diese Auseinandersetzungen oftmals mit dem Gestus von Belehrung und unreflektierter normativer "Mittelschichtkulturtheorie" (Stichwort "Unterschichtenfernsehen") geschehen, geht die Autorin den mühsameren Weg einer akribischen Auseinandersetzung mit den Medienkulturen in solchen familialen Konstellationen. Weitere theoretische Leitplanken, entlang derer Schlör ihre empirischen Sondierungen und Analysen fährt, sind unter anderem Bourdieus Habitus-und Kapitalientheorie sowie sozialwissenschaftliche und psychologische Coping- und Bewältigungstheorien. Wissenschaftstheorie tische Basis ihrer Ausführungen ist eine nicht dogmatische und zielführende Orientierung an der Grounded Theory und eine explizit reflexive Haltung zum eigenen Vorgehen. "Die geforderte Reflexion der Forschung wirft einen Metablick auf das eigene Denken und Wirken der Wissenschaftler" (S. 39). Ebenfalls kennzeichnend für das empirische Vorgehen ist, dass sehr viel Wert auf die Schaffung von Zugängen zu sozial benachteiligten Familien gelegt wurde. Damit wird die Monographie auch relevant für Diskurse um niedrigschwellige Familienbildung in der Sozialen Arbeit. In die Felderschließung wurde viel Zeit und Gedankenarbeit investiert, was sich letztlich auch in der Tiefe der Forschungsergebnisse widerspiegelt, die nur durch ein vertrauensvolles Klima in den Feldzugängen ermöglicht werden konnten. Das gesamte Forschungsprocedere wird luzide, regelrecht zur Nachahmung anregend, dargestellt und umfasst alle Phasen des Forschungsprozesses bis hin zu den Details der Kodierung. Kernstück der Arbeit sind sowohl subtile Fallanalysen der medialen Praktiken von Familien in belasteten Lebenslagen als auch die Ableitung von Dimensionen des Familienumgangs mit Medien. Als eine Haupterkenntnis in diesem Sinne kann dabei gelten, dass jenseits einer Vielzahl von spezifischen Funktionen, die Medien bezogen auf Individuen und Familien potenziell einnehmen können, als wichtigste Meta-Funktion gewissermaßen, die Alltags- und Lebensbewältigung in und durch Medien herausgearbeitet wird (vgl. S. 239 ff.). Einbezogen sind dabei ausdrücklich auch Formen der Bewältigung krisenhafter Arrangements und Situationen. Und hier sind es insbesondere die Auseinandersetzung und Moderation mit innerfamilialen sozialen Belastungen, in denen Medien eine gewichtige Rolle einnehmen können. In diesem Zusammenhang erweist sich das Fotografieren und gemeinschaftliche Betrachten der Fotos via unterschiedlicher Medien als identitäts- und gemeinschaftsstiftend (vgl. S. 249). Heuristisch weiterführend sind weitere Einzelbefunde zu medienbezogenen Doing Family-Praktiken wie die Unterscheidung in segregative und exklusive Spielarten des Medienbezugs, die Ausdruck von Familiendynamiken und Autonomiebestrebungen der Kinder darstellen. Die Autorin belässt es nicht bei einer medienwissenschaftlichen Anwendung der praxeologischen Familienkonzeption, sondern entwickelt diese in doppelter Weise weiter: zum einen durch eine Ausdifferenzierung und Verfeinerung der analytischen Dimensionen und Prozesse des Doing Family, zum anderen durch eine Synthese und Integration dieser praxeologischen Sichtweise in und mit weiteren Ansätzen hin zu einer Theorie einer familialen Medienkultur. Schließlich leitet die Autorin eine Reihe von Impulsen für die lebenslagesensible Bildungsarbeit mit Familien ab: Erwähnt seien hier die Forderung nach mehr intergenerationeller Medienbildungsarbeit; die Forderung nach verstärkt handlungsorientierten und produktiven Methoden; das Plädoyer für die verstärkte Akzeptanz unterschiedlicher familialer Medienkulturen – weil es eben nicht mehr argumentativ begründbar ist, ideale, anderen an den eigenen Normen orientierte Gebrauchsweisen vorzuschreiben.All diese wohl durchdachten Impulse können aber nur greifen, wenn der Familienbildung insgesamt mehr Ressourcen zeitlicher und finanzieller Art zur Verfügung gestellt werden. Eine auf abstrakte Werte abzielende Rhetorik und nicht erreichbare Idealbilder von Familie wirken demgegenüber für die familiale Alltagsbewältigung in schwierigen Lebenslagen, nicht nur was deren Medienumgang betrifft, demotivierend und stigmatisierend zugleich.