I. Produktionsbedingungen im Geschichtsfernsehen
In: Geschichtsbilder der 50er Jahre im Bundesrepublikanischen Fernsehen 1959-1989
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In: Geschichtsbilder der 50er Jahre im Bundesrepublikanischen Fernsehen 1959-1989
In: Geschichtspolitiken und Fernsehen
In: Geschichtspolitiken und Fernsehen
In: Historical social research: HSR-Retrospective (HSR-Retro) = Historische Sozialforschung, Band 30, Heft 4, S. 53-73
ISSN: 2366-6846
'Das westdeutsche öffentlich-rechtliche Fernsehen thematisierte die NS-Vergangenheit sowohl vor als auch nach der Ausstrahlung der NBC-Serie 'Holocaust' im Jahr 1979 in ihren Programmen. Der Essay präsentiert Analysen des Inhalts und der Rezeption von drei besonders erfolgreichen Fernsehsendungen des Zweiten Deutschen Fernsehens (ZDF) aus den 1960er und 1970er Jahren über den Nationalsozialismus und den Zweiten Weltkrieg. Die Sendungen befassen sich mit Themen, die bei den Produzenten wie bei den Adressaten des deutschen Fernsehens und als besonders attraktiv galten: Der bürgerliche Widerstand gegen Hitler, die militärische Geschichte des Zweiten Weltkriegs und der Alltag im nationalsozialistischen Deutschland. Die Diskussionen über die Programminhalte zwischen den Verantwortlichen beim Fernsehen, den Kritikern und den Zuschauern illustrieren, dass die Konstruktion eines kollektiven deutschen Gedächtnisses seit den 1960er Jahren ein komplexer und mehrschichtiger Prozess ist, und insbesondere eine Folge politischer und generationeller Auseinandersetzungen.' (Autorenreferat)
Das westdeutsche öffentlich-rechtliche Fernsehen thematisierte die NS-Vergangenheit sowohl vor als auch nach der Ausstrahlung der NBC-Serie 'Holocaust' im Jahr 1979 in ihren Programmen. Der Essay präsentiert Analysen des Inhalts und der Rezeption von drei besonders erfolgreichen Fernsehsendungen des Zweiten Deutschen Fernsehens (ZDF) aus den 1960er und 1970er Jahren über den Nationalsozialismus und den Zweiten Weltkrieg. Die Sendungen befassen sich mit Themen, die bei den Produzenten wie bei den Adressaten des deutschen Fernsehens und als besonders attraktiv galten: Der bürgerliche Widerstand gegen Hitler, die militärische Geschichte des Zweiten Weltkriegs und der Alltag im nationalsozialistischen Deutschland. Die Diskussionen über die Programminhalte zwischen den Verantwortlichen beim Fernsehen, den Kritikern und den Zuschauern illustrieren, dass die Konstruktion eines kollektiven deutschen Gedächtnisses seit den 1960er Jahren ein komplexer und mehrschichtiger Prozess ist, und insbesondere eine Folge politischer und generationeller Auseinandersetzungen. ; West German public television networks have frequently addressed the Nazi past in their television programs, both before and after broadcast of the NBC miniseries Holocaust in 1979. The essay presents analyses of the content and the reception of three particularly successful TV broadcasts about Nazism and World War II that the Zweite Deutsche Fernsehen (ZDF) first offered its viewers in the 1960s and 1970s. The programs deal with topics that German television executives and audiences found particularly intriguing: the bourgeois resistance against Hitler, the military history of World War II, and everyday life in Nazi Germany. The discussions about the programs between television makers, reviewers, and viewers illustrate that the construction of German collective memories has become a complex and multi-layered process since the 1960s, primarily as a result of political competition and generational strife.
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In: Histoire 46
Main description: Renée Winters Studie beschäftigt sich erstmals mit Geschichtspolitiken im frühen österreichischen Fernsehen und liefert damit nicht nur einen medientheoretischen Blick auf die Ursprünge des öffentlich-rechtlichen Geschichtsfernsehens, sondern eröffnet auch neue Einblicke in österreichische Vergangenheitspolitiken.
Von G. W. Pabsts Thriller aus dem Jahr 1955 bis zum heutigen Geschichtsfernsehen, von der dramatischen Miniserie bis zum letzten Hollywood-Film Valkyrie mit Tom Cruise: Kino- und TV-Bilder arbeiten den Umsturzversuch vom 20. Juli 1944 in immer neuen Sinnzusammenhängen um. Diese Inszenierungen versinnlichen jeweils ein Verständnis, eine Zeit- und Affektlogik von Nationalsozialismus, Geschichte und Politik: Stauffenberg, der Hitler-Attentäter mit Handprothese und Augenklappe, erscheint als Modernisierungsverächter oder Modelleuropäer, Republikaner oder Rebell, biopolitischer Normtypus oder Kreativarbeiter.
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Die Arbeit betrachtet die vom ZDF produzierte Geschichtsdokumentation "Die Deutschen - Ein Jahrtausend deutsche Geschichte". Der Erfolg der Reihe lässt ein gesteigertes Bedürfnis nach emotionaler Rückbesinnung des Publikums und ein neues historisches Selbstverständnis erkennen. Die Reihe kann als ein Indikator für das Verhältnis der Bevölkerung zur eigenen Vergangenheit gewertet werden. Untersucht wird, wie erfolgreiches Geschichtsfernsehen gestaltet wird, welche Geschichtsbilder darüber transportiert werden und auf welches gegenwärtige Nationalgefühl der Deutschen geschlossen werden kann.
In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, Band 58, Heft 4, S. 455-481
"Die Präsentation von Zeitgeschichte im Fernsehen erreicht ein Massenpublikum. Manches spricht dafür, dass sie Geschichtsbilder in den Köpfen der Menschen so sehr prägt wie kein anderes Medium. Der Beitrag versucht, operationalisierbare Qualitätskriterien für Geschichtsdokumentationen im Fernsehen zu benennen. Dabei muss die Funktionsweise des Mediums ebenso berücksichtigt werden wie der Adressatenkreis. Unverzichtbar bleibt daneben aber ein sachgerechter und analytisch-kritischer Umgang mit Informationen. An den aufgestellten Kritierien wird anschließend die Dokumentation 'Das Schweigen der Quandts', eine Produktion des Norddeutschen Rundfunks aus dem Jahr 2007, gemessen. Sie ist mehrfach preisgekrönt und gilt auch in fachwissenschaftlichen Publikationen mittlerweile als Paradigma gelungenen Geschichtsfernsehens. Die empirische Analyse der Dokumentation ergibt jedoch, dass der Film höchst manipulativ ist, zentrale Informationen unterschlägt, die meisten Behauptungen nicht belegt und die herangezogenen Quellen nicht hinreichend kontextualisiert. So gesehen stellt die Sendung richtige Fragen, gibt aber meist falsche Antworten." (Autorenreferat)
Renée Winter befasst sich in ihrer bei transcript publizierten Dissertation mit der frühen Geschichte des ORF. Sie untersucht, wie der Nationalsozialismus von 1955 bis 1970 in unterschiedlichen Fernsehformaten verhandelt wurde und fördert dabei sowohl Erwartbares als auch Überraschendes zutage. Keineswegs wurde nur geschwiegen – doch die Art des Sprechens ist von Auslassungen, Verschiebungen sowie blinden Flecken geprägt und – wie sooft in Österreich – parteipolitischen Interessen untergeordnet. Winter beginnt mit einer ausführlichen Darstellung des Forschungsstands, sowohl in geschichtswissenschaftlicher als auch in medienwissenschaftlicher Hinsicht. Querschnittmaterie in Winters Studie ist eine kritische Betrachtung der Geschlechterverhältnisse und ihrer postnazistischen medialen Inszenierung. Konstituierend für das österreichische Nachkriegsfernsehen ist die Opfer-These und eine damit einhergehende "diskursive Feminisierung" der österreichischen Bevölkerung im Zusammenhang mit dem behaupteten Opfer-Status. So wurde etwa von der "Vergewaltigung Österreichs" (S. 23) gesprochen, wenn es galt, die kampflose Übergabe der Macht des austrofaschistischen Regimes an die Nazis zu erklären. Die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus im frühen ORF folgte oftmals einer Logik der Datumspolitik. Zu nennen wären in diesem Zusammenhang der 27. April als Tag der Unabhängigkeit von Deutschland und der 15. Mai als Tag der Unterzeichnung des Staatsvertrags, nicht jedoch der 8. Mai als Tag der Befreiung. Was die Darstellung des Widerstands betrifft, wurde der österreichische überbetont, während der kommunistische Widerstand und der Anteil der Partisan_innen an der Befreiung weitgehend ausgeblendet waren. Der frühe ORF wusste auch sein deutschnationales Publikum zufriedenzustellen. Am 26. Oktober, dem österreichischen Nationalfeiertag, agierte man 1967 und 1968 besonders zielgruppenbewusst: Während sich FS1 österreich-patriotisch dem Nationalfeiertag widmete, bot FS2 das deutschnationale Alternativprogramm: 1967 mit einer Übertragung von Die Nibelungen (Teil 1 – Siegfrieds Tod) und im Jahr darauf mit Unsterblich Walzer, einem nationalsozialistischen Wien-Film aus dem Jahr 1939. Ein wichtiges Ventil für die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus und seinem postnazistischen Fortwirken in Österreich waren die Kabarett-Sendungen des ORF. Dort konnte gesagt werden, was in Nachrichtensendungen und Dokumentationen nicht sagbar war. Der Herr Karl mit Helmut Qualtinger oder die Sendung Das Zeitventil mit Gerhard Bronner und Peter Wehle sind Beispiele für TV-Kabarett das, so Winter, ein "zentrales Handlungsfeld marginalisierter geschichtspolitischer Strategien" (S. 114) im Fernsehen darstellte. Zugleich machte das Kabarett aber auch jenen ein Angebot, die an der Verdrängung der NS-Vergangenheit interessiert waren. Winter zitiert aus einer Nummer von Bronner und Wehle, die sich "einer in der unmittelbaren Nachkriegszeit in Österreich und Deutschland verbreiteten Argumentation [bediente], die den USA rassistische Einstellungen zuschrieb und auf dieser Basis eine Schuldumkehr betrieb, die die NS-Nachfolgestaaten moralisch entlasten und rehabilitieren sollte" (S. 105). Obwohl politisches Kabarett die postnazistische Konstellation punktuell herausforderte, trug sie allzu häufig zur Stabilisierung derselben bei. "Dass Gerhard Bronner sich neben dem antifaschistischen Grundtenor einem Kampf gegen den 'Linksextremismus' verschrieben hatte, ist auch seiner 1978 ausgestrahlten Rückschau auf die Programme der 1960er Jahre anzumerken", so Winter. Bronner ging dabei sogar so weit, APO auf Gestapo zu reimen. "Was beim heutigen Betrachten darüber hinaus auffällt, sind die rassistischen Untertöne, die die Programme durchziehen" schreibt Winter und zitiert aus einer Nummer, in der einem Präsidenten eines nicht näher spezifizierten afrikanischen Staates attestiert wird "vor gar nicht allzulanger Zeit auf einem Baum" (S. 113) gelebt zu haben. Im Bereich des Dokumentarfilms waren unterschiedliche Akteur_innen an der Gestaltung von Programminhalten über die Zeit des Nationalsozialismus beteiligt. Die Sendung Der österreichische Widerstand wurde in Kooperation mit dem Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands (DÖW) produziert und hebt sich von anderen Produktionen positiv ab. Die Sendung kann "als Versuch gesehen werden, andere als die im Fernsehen der 1960er Jahre sich etablierenden Personen zu Wort kommen zu lassen und damit marginalisierten Positionen einen Raum zu geben" (S. 131). Allerdings stellt diese Kooperation eine Ausnahme dar. Ansonsten bevorzugte der ORF die Zusammenarbeit mit dem Institut für Zeitgeschichte, dessen Gründer und langjähriger Institutsvorstand Ludwig Jedlicka sowohl eine austrofaschistische als auch eine nationalsozialistische Vergangenheit zu vertuschen hatte und der dem geschichts- und medienpolitischen Mainstream damit deutlich näher stand, als das von ihm mitgegründete DÖW. Auch wenn im frühen ORF vergleichsweise regelmäßig über den Nationalsozialismus gesprochen wurde, blieb das Schweigen über den Antisemitismus und die ermordeten Juden und Jüdinnen. Wenn die Bilder von Leichenbergen in den Konzentrationslagern im Fernsehen erschienen, verstummte die Off-Stimme. Eine Geste, die als Zeichen des Respekts für die Ermordeten gelesen werden kann – ebenso aber als Prolongieren des Nicht-Benennens der zentralen Funktion des Antisemitismus für den Nationalsozialismus sowie der österreichischen Mittäter_innenschaft. Wiederholt lässt sich beobachten, wie der Nationalsozialismus "mit Krankheit und sexueller Devianz" (S. 163) konnotiert und damit externalisiert wird. Eine weitere Verdrängungsstrategie wird von Winter als Ent-Akteurisierung beschrieben: "Durch das Nicht-Benennen von Akteur_innen wird eine Situation gezeichnet, in der es nur von Handlungen Betroffene, aber keine Handelnden gibt" (S. 167). Wenn personalisiert wird, dann in der Person Adolf Hitlers, womit das Geschichtsfernsehen gewollt oder ungewollt die Selbstrepräsentation des NS-Regimes reproduzierte. Zu beobachten ist des Weiteren eine Österreich-patriotische Verklärung des Nationalsozialismus. Die Darstellungen sind "geprägt von der Tendenz, als folgenschwerste Konsequenz des Nationalsozialismus den Verlust der Unabhängigkeit Österreichs zu werten" (S. 175). Besonders bedenklich ist die wiederkehrende Bildstrategie, Antisemitismus und Antikatholizismus zu parallelisieren. Etwa wenn, wie Winter beschreibt, ein Text aus dem Off über die Verfolgung von Juden und Jüdinnen mit Bildern eines betenden Priesters montiert wird. Ambivalent bleibt Winters Auseinandersetzung mit den fernsehwissenschaftlichen Schriften Theodor W. Adornos. Der Anspruch scheint zu sein, seine Texte als sexistisch zu entlarven, da darin u.a. von einer "Destabilisierung der Geschlechterordnung" (S. 75) im fiktionalen Fernsehen die Rede ist. Allerdings zielt Adornos Kritik an der punktuellen Umkehrung von vergeschlechtlichten Machtverhältnissen im Fernsehen eben nicht darauf ab, patriarchale Geschlechterverhältnisse zu konservieren. Kritisiert wird vielmehr die Ideologieproduktion durch fiktionale Fernsehformate, die Figuren wie die Femme Fatal etablieren und Männer als Opfer ebendieser inszenieren. Dass Adornos Texte über Fernsehen einer feministischen Gesellschafts- und Medienkritik durchaus zuträglich sein können, geht hier leider unter. Winter problematisiert wiederholt den schwierigen Zugang zu audiovisuellen Archiven. Zwar habe sich die Situation in den letzten Jahren verbessert. Der Zugang zum Material wird aber nach wie vor durch ökonomische und andere Hürden erschwert. "Einer Fernsehforschung, die nicht über die Möglichkeit zur wiederholten Sichtung und detailgenauen Analyse des gesendeten Materials verfügt, fehlt der zentrale Analysegegenstand für geschichtspolitische Strategien, Bildgedächtnis und historische Narrative" (S. 283). Trotz der teils schwierigen Zugänglichkeit des Materials ist es Renée Winter gelungen, eine weitgehend vergessene Epoche der österreichischen Fernsehgeschichte anschaulich zu rekonstruieren. Die frühe Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus wirkt trotz aller Transformationen postnazistischer Geschichtsbewältigungsstrategien bis heute nach. Ein Blick in die Fernsehgeschichte hilft, die Gegenwart öffentlich-rechtlichen Geschichtsfernsehens besser verstehen und kritisieren zu können.
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Deutlich über eine reine Motivgeschichte hinausgehend behandeln die in dem Band Der Erste Weltkrieg im Film versammelten Beiträge eine Fülle von Aspekten, die das Verhältnis von Kinematographie und der Darstellung des Ersten Weltkriegs, von frühen, während des Krieges in Kinos ausgestrahlten 'Dokumentar'-Filmen bis zu Spielfilmen nach 1945 und Fernsehdokumentationen der Gegenwart, ausloten. Der 2009 in der edition text+kritik erschienene Sammelband mit insgesamt 15 Beiträgen geht zurück auf ein im Herbst 2008 von der Deutschen Kinemathek in Berlin organisiertes Symposium. Renommierte deutsche Weltkriegshistoriker wie Gerhard Hirschfeld und Gerd Krumeich sind ebenso mit Aufsätzen vertreten wie Film- und LiteraturwissenschafterInnen, darunter Jeanpaul Goergen, Corinna Müller und Thomas F. Schneider. Für die Integration internationaler Perspektiven sorgen Beiträge von Clément Puget (Université Bordeaux III), Leen Engelen (University College Limburg), Jerome Kuehl (London) und Horst Tonn (Universität Tübingen). Die Konzeption des Sammelbandes besticht zunächst durch die Berücksichtigung des bemerkenswerten Phänomens, dass die kulturelle, also auch die filmische Verarbeitung des Ersten Weltkriegs nicht erst nach dessen Ende einsetzt hat, sondern schon knapp nach dessen Beginn. Gerhard Hirschfeld verknüpft in seinem Beitrag zwei interessante Gedanken: erstens, dass es sich beim Ersten Weltlkrieg zwar nicht um den ersten Krieg, in dem Medien eine Rolle spielen, aber doch um eine ganz neue Dimension "politische[r] Kommunikation, sprich: Propaganda" (S.14) mit sämtlichen verfügbaren Medien handelt. Zweitens, dass sich, speziell in Deutschland, eine große Anzahl von Institutionen, aber auch von Privatpersonen, gleich zu Beginn des Krieges aufgerufen fühlten, umfangreiche Weltkriegssammlungen anzulegen. Diese interessierten sich nicht nur für Druckwerke, sondern versuchten, sämtliche mediale Spuren des Kriegs zu sammeln und zu bewahren. Der Stuttgarter Unternehmer Richard Franck etwa zählt in einer Broschüre 1915 u.a. folgendes auf: "[.] Feldpostbriefsammlungen, [.], Ansichten und Fotografien von den Kriegsschauplätzen, [.], hektographierte Schützengrabenzeitungen, Soldatenkunst aus dem Felde, [.] Kriegsplakate, deutsche und ausländische Kriegskarikaturen." (S.18). Auch Kriegsmuseen und Kriegsausstellungen waren während des Kriegs eine beliebte Form der propagandistischen Darstellung von Kriegsgerät und Kriegsgeschehen und leisteten "einen wichtigen Beitrag zur Popularisierung moderner Ausstellungstechniken" (S.22). Die Historisierung der Gegenwart im Ersten Weltkrieg zeigt sich auch besonders eindrucksvoll, wie Jeanpaul Goergen beschreibt, in den deutschen und britischen Filmen über die Schlacht an der Somme (Juni bis November 1916). "Am 21. August 1916 – rund sechs Wochen nach Beginn der Somme-Offensive, die Schlacht ist noch in vollem Gange – kommt der knapp 80 Minuten lange Film The Battle of the Somme in die britischen Kinos." (S.32). Dieser Film wurde von den zeitgenössischen KinobesucherInnen als durch und durch authentischer, dokumentarischer Bericht der Ereignisse wahrgenommen, selbst wenn aus heutiger Perspektive nur wenige Szenen als tatsächliche Filmdokumente des Kriegsgeschehens angesehen werden können. Auch in den neutralen Ländern hinterließ der Film einen großen Eindruck. Dies gab den Anlass zur deutschen Antwort, die allerdings erst im Januar 1917 in die Kinos gelangte: Bei unseren Helden an der Somme. "Der Film schwankt unentschieden zwischen Pamphlet und 'Propaganda durch Fakten', richtet sich mal an die Zuschauer in den neutralen Ländern, mal an das heimische Publikum" (S.35). Jedenfalls ist der propagandistische Charakter viel offensichtlicher als in seinem britischen Pendant und auch die 'Authentizität' der Bilder wurde schon damals stärker angezweifelt. Goergen geht schließlich noch dem Fortleben der 'Wirklichkeitsbilder' dieser Schlacht, insbesondere aus The Battle of the Somme in späteren Dokumentarfilmen und Fernsehdokumentationen nach. Mit Darstellungsformen des Ersten Weltkriegs im Spielfilm der Zwischenkriegszeit beschäftigen sich die folgenden vier Beiträge des Sammelbands. Philipp Stiasny analysiert in sehr aufschlussreicher Weise "die vielfältigen Bemühungen, bereits im Stummfilm Formen für die Auseinandersetzung mit der Erfahrung des Weltkriegs auszuprobieren" (S.49). Formen, die aufgrund der Dominanz der frühen Tonfilme über den Ersten Weltkrieg, allen voran Im Westen nichts Neues, in Vergessenheit geraten sind. Für den deutschen Stummfilm zeigt sich, dass "die Zahl der ausgesprochenen Frontfilme im Bereich des Spielfilms vergleichsweise klein" (S.50) war. Die Verarbeitung der Kriegserfahrung manifestiert sich vielmehr auf einer subtileren thematischen, motivischen und formalen Ebene, wie Anton Kaes etwa in seiner Interpretation von Robert Wienes Das Cabinet des Dr. Caligari (1920) "als Versuch, die Traumatisierung eines Kriegsneurotikers [.] zu reflektieren" (S.52), bereits gezeigt hat. Thomas F. Schneider behandelt in seinem Beitrag zu All Quiet on the Western Front (1930) sowohl die ausgeklügelten Vermarktungsstrategien, als auch den Kampf um die erinnerungspolitische Hegemonie in einer politisch bereits hoch aufgeladenen Situation, die daraus resultierenden Eingriffe der Zensur sowie die Störaktionen der Nationalsozialisten bei Filmvorführungen in Deutschland. Statt nur einer weiteren Lektüre dieses ikonischen Films präsentiert der Beitrag einige neue Aspekte der Produktions-, Aufführungs- und Wirkungsgeschichte und nicht zuletzt sehr interessantes Bildmaterial zu zensierten Szenen. Corinna Müller geht dem besonderen Einschnitt, den der Übergang vom Stumm- zum Tonfilm für die Darstellung des Ersten Weltkriegs im Film bedeutete, unter dem Titel "Akustik des Krieges" nach. Sie stellt eine schlüssig argumentierte Verknüpfung her zwischen der völlig neuartigen akustischen Dimension der Weltkriegserfahrung der Soldaten in den Schützengräben – "ein einziges unentwirrbares Getöse" (S.91) – und der Möglichkeit des Tonfilms, die akustische Dimension 'realistisch' wiederzugeben. In Clément Pugets Beitrag zur Rolle des Ersten Weltkriegs im französischen Film der Zwischenkriegszeit sticht ein Regisseur besonders hervor, und zwar Abel Gance, der schon während des Kriegs begonnen hat, pazifistische Filme zu drehen und den das Thema 'Grande Guerre' bis 1940 nicht losgelassen hat. "Empört über das Verhalten der deutschen Armee, die in der Schlacht um Ypern am 22. April 1915 unter Verstoß gegen das Kriegsrecht erstmals Giftgas einsetzte, drehte Gance im Januar 1916 den Film Les Gaz mortels, ohne allerdings darin zu erwähnen, dass die französische Armee inzwischen ebenfalls Giftgas einsetzte." (S.119) Allgemein zeigt gerade das Medium Film, wie sehr sich ein radikaler Pazifismus in der französischen Öffentlichkeit der 1920er Jahre durchsetzen konnte. Einen weiteren Schwerpunkt des Bandes bilden vier Beiträge zur kulturellen und filmischen NS-Rezeption des Ersten Weltkriegs. Gerd Krumeich bietet eine sehr spannende Analyse der Instrumentalisierung und Umdeutung der Erinnerung an den Ersten Weltkrieg durch die Nationalsozialisten unter dem pointierten Titel "Wie die Nazis den Ersten Weltkrieg gewannen". Der Erste Weltkrieg, so Krumeich, wird nach wie vor in seiner Bedeutung für den Aufstieg der Nationalsozialisten in der historischen Forschung unterschätzt. "Zentral für die positive Rezeption des Nationalsozialismus war das immer wieder propagierte Bestreben, das Trauma des 'schandvoll' und 'durch Verrat' verlorenen Krieges zu tilgen." (S.132). Rainer Rother verfolgt nun diese Instrumentalisierung der Weltkriegserfahrung in die NS-Filmproduktion hinein. Er zeigt, dass sich die NS-Weltkriegsfilme, die zwischen 1933 und 1939 entstanden, in einem entscheidenden Punkt von nicht-pazifistischen Filmen der Weimarer Republik unterschieden: Der Erste Weltkrieg sollte nun aus der Perspektive der NS-"Revolution" von 1933 gedeutet werden und diente dazu, "die an die Macht gelangte Partei in einen größeren historischen Zusammenhang zu stellen" (S.148). In Leen Engelens Beitrag werden erstmals die politischen und diplomatischen Interventionen NS-Deutschlands gegen belgische Filme zum Ersten Weltkrieg kurz vor Beginn des Zweiten Weltkriegs historisch untersucht. Karl Prümm entwickelt eine höchst aufschlussreiche Analyse zur Mythologie des Frontkämpfers und zu deren Verarbeitung in NS-Kriegsfilmen. "Der Frontsoldat war aus allen militärischen Rangordnungen herausgehoben, wurde zur Projektionsfigur aller Kriegsteilnehmer und in dieser allumfassenden Neutralität schließlich zur Figuration des Krieges schlechthin." (S.180). Beispielhaft ist hier der Film Stosstrupp 1917 (1934), der als Replik der neuen Machthaber auf Pabsts Westfront 1918 zu verstehen ist: Trotz akustisch entfesselter Kriegsgewalt werden hier "Bilder der Unverwundbarkeit" (S.192) der überlebenden Frontsoldaten konstruiert. Die 'Gemeinschaft' der Frontsoldaten wird als große Familie stilisiert, in der alle für einander einstehen. Die drei Beiträge zur Darstellung des Ersten Weltkriegs in Fernsehdokumentationen von den 1960er Jahren bis in die Gegenwart bleiben ein wenig hinter den Erwartungen, die die vorangegangenen Beiträge geweckt haben, zurück. Etwas ratlos lässt einen Jerome Kuehls – durchaus humorvoller – Bericht über die Produktionsumstände der BBC-Fernsehserie The Great War zurück, da dieser sich gegen eine wissenschaftliche Lektüre zu sträuben scheint. Als Fazit bleibt, dass das meiste Bildmaterial dieser Dokumentation nicht authentisch war, sondern sich die Produzenten auch aus Quellen von vor 1914 oder nach 1918 bedienten, die zum Teil bewusst mit nicht den Bildern entsprechenden Texten unterlegt wurden. Mühl-Benninghaus' knapper Text zu deutschsprachigen Fernsehdokumentationen seit den 1990er Jahren geht über eine kursorische Behandlung der erwähnten Dokumentationen und eine sehr naheliegende Typologie des Umgangs "mit dem Problem des letztlich unsichtbaren Frontverlaufs" (S.212) nicht hinaus. Auch Sönke Neitzel, der eine genauere Analyse historischer Dokumentationen des ZDF vorlegt, stellt vor allem fest, dass der Erste Weltkrieg im Vergleich zur NS-Zeit nur eine untergeordnete Rolle im 'Geschichtsfernsehen' spielt und dass sich die Dokumentationen aufgrund des spärlichen filmischen Materials aus der Zeit und der kaum noch lebenden ZeitzeugInnen in diesen Punkten von den Geschichtsdokus zum Nationalsozialismus unterscheiden. Sehr lesenswert sind schließlich die beiden letzten Texte des Sammelbands, jener von Susanne Brandt über Filme der DEFA zum Ersten Weltkrieg und jener von Horst Tonn über die Darstellung des Ersten Weltkriegs im amerikanischen Spielfilm nach 1945. Insgesamt handelt es sich um einen sehr gelungenen und vielfältigen Überblick über die Filmbilder und -geschichten, Tonspuren und Mythologien zum Ersten Weltkrieg. Gerade die Einbeziehung von Texten, die sich weniger mit konkreten Filmen, sondern mit allgemeinen kulturellen Phänomenen in der Rezeption und Nachwirkung des Ersten Weltkriegs beschäftigen, ermöglicht eine profunde Kontextualisierung der filmhistorischen Erkenntnisse. So kann für den/die LeserIn sogar ein vielstimmiger Dialog zwischen den einzelnen Beiträgen entstehen. Um den Sammelband tatsächlich zu einem Handbuch der filmischen Rezeption des Ersten Weltkriegs zu machen, wünschte man sich freilich eine artikelübergreifende Filmographie und einen Index von Eigennamen und Filmtiteln – eine solch aufwändige Gestaltung des Anhangs scheint aber mit den verfügbaren Mitteln für Sammelbände leider oft nicht leistbar.
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