Eine Legitimation des Staates zur Bereitstellung öffentlicher Güter ist aus Sicht der ökonomischen Theorie relativ unproblematisch. Da jeder Bürger von einer saubereren Luft, intakten Straßen usw. profitiert, kann ein staatlicher Eingriff aufgrund suboptimaler Ergebnisse bei einer Steuerung über den Marktmechanismus gerechtfertigt werden. Welche Gründe lassen sich dagegen für den Sozialstaat anführen? Diese Frage wird im ersten Abschnitt beantwortet. Die Legitimation von sozialstaatlichen Politiken hängt dabei von den Annahmen bzgl. des menschlichen Verhaltens ab. Im ersten Unterabschnitt wird im Einklang mit der wirtschaftswissenschaftlichen Sichtweise von rationalen Egoisten ausgegangen. Schon hier können umverteilende Maßnahmen sowohl in einer staatlichen, aber vor allem aus intertemporaler Sicht gerechtfertigt werden. Im zweiten Unterabschnitt wird dagegen die Annahme eines reinen Selbstinteresses aufgegeben. Umverteilung kann unter dieser Sichtweise sowohl über altruistische Motive als auch durch Reziprozität gerechtfertigt werden. Im zweiten Abschnitt werden Ergebnisse aus der experimentellen Ökonomik diskutiert. Diese können darüber Aufschluss geben, inwiefern egoistische oder reziproke Handlungsorientierungen bei einer Umverteilung von Ressourcen überwiegen. So werden hier zunächst die beiden Spielstrukturen dargestellt, mit denen reziprokes bzw. egoistisches Verhalten untersucht werden kann. Während Public-Good-Experimente einem Gefangenendilemma gleichen, stellen Ultimatumspiele reine Nullsummenspiele dar. Reziprokes Handeln kann in letzterer Spielstruktur etwas einfacher von einem rein strategischen Egoismus als in Public-Good-Spielen unterschieden werden. Anschließend werden die Ergebnisse dieser Untersuchungen vorgestellt. Im dritten Abschnitt werden schließlich aus den in Kapitel 2 beschriebenen Verhaltensmustern Hypothesen für die wohlfahrtsstaatliche Unterstützung bzw. die Umverteilungspolitik abgeleitet. Neben der schon unter rein egoistischen Staatsbürgern möglichen Legitimation des Sozialstaates, können umverteilende Maßnahmen insbesondere dann befürwortet werden, wenn die Bürger offen für reziproke Einstellungen sind. (ICG2)
Was verstehen wir unter Sozialität? Welchen Beitrag leisten Verhaltensforschung, Philosophie und Theologie? Dieses Buch analysiert neuere Experimente zur sozialen Interaktion, philosophische Konzepte der zwischenmenschlichen Differenz und ein theologisches Verständnis der christlichen Nächstenliebe. Es zeigt auf, dass ein Rekurs auf die Sozialität des Menschen gegenüber Phänomenen sozialer Unmenschlichkeit nicht gleichgültig sein darf: Von der gewaltsamen Vernichtung bis zur Verantwortung für den anderen reicht der Spielraum des menschlichen Sozialverhaltens. Sozialität wird deshalb nicht als Fundament von Moral und politischer Ordnung, sondern als ein Phänomen in zweifacher Gestalt behandelt. - How do we understand human sociality? This book provides an analysis of recent experiments on social interaction, philosophical concepts of human difference and the anthropology of Christian neighborly love. - Aus dem Inhalt: Anthropologische Beschreibung als Darstellung der Humanität des Menschen Der soziale Konflikt zwischen Egoismus und Altruismus in der menschlichen Interaktion Die zwischenmenschliche Differenz als Antagonismus, Anerkennung und Alterität Die Spannung von alter und neuer Existenz in der christlichen Nächstenliebe
In einem liberalisierten Elektrizitätsmarkt haben heutzutage alle Konsumenten die Chance sich für einen beliebigen Stromvertrag zu entscheiden. Ein Großteil der Bevölkerung erklärt sich in empirischen Untersuchungen zur Präferenzerfassung zu einem Wechsel vom aktuellen zu einem neuen Stromvertag, der erneuerbare Energien unterstützt, bereit. Die tatsächlichen Wechselraten bleiben jedoch trotzdem seit Jahren hinter den Erwartungen zurück. Angenommen dass Konsumenten also den Nutzen der Förderung erneuerbarer Energien verstehen und unterstützen, sollten sie nach der Theorie des rationalen Entscheidens auch diese Alternative wählen. Jedoch kann gezeigt werden, dass Konsumenten vielmehr dazu neigen am Status Quo festzuhalten, wenn ein Wechsel mit zusätzlichem Aufwand und damit Kosten verbunden ist. In bisherigen Studien zu Konsumentenpräferenzen wird ein derartiger Status Quo Bias methodisch nicht berücksichtigt. Zur Untersuchung ob im Wechselverhalten in wiederholten Entscheidungen zwischen verschiedenen Alternativen die exogene Festlegung einer Alternative als Status Quo dazu führt, dass diese signifikant häufiger gewählt wird, wurde ein Laborexperiment durchgeführt. Anhand einer modifizierten auswahlbasierten Conjointanalyse sollten Probanden Einblicke in ihre Präferenzen zwischen verschiedenen Stromverträgen geben. Während sich die Probanden in der Kontrollgruppe unvoreingenommen zwischen den Alternativen entschieden, war in der Experimentalgruppe eine Alternative als Status Quo vorausgewählt. Über die wiederholte Auswahlentscheidung wurden Teilnutzenwerte und relative Wichtigkeiten für verschiedene Attributausprägungen bestimmt. Eine dieser Attributausprägungen war dabei der Anteil erneuerbarer Energien am Strommix. Die Ergebnisse demonstrieren, dass signifikante Unterschiede zwischen den Teilnutzenwerten und den relativen Wichtigkeiten der Attribute bestehen. Entgegen der Erwartung der Theorie rationalen Entscheidens beeinflusst die exogene Vorgabe eines Status Quo demnach das Entscheidungsverhalten der Individuen. Eine Interpretation dieser Ergebnisse lässt den Schluss zu, dass sich über wirtschaftspolitische Eingriffe so die Diskrepanz zwischen der Unterstützung für erneuerbare Energien in der Gesellschaft und der tatsächlichen Förderung lösen lässt. Eine Form dieses Eingriffs könnte dabei die Vorgabe sein, dass Stromanbieter ihren Basisvertrag auf einen erneuerbaren Stromvertrag umstellen und damit die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass mehr Konsumenten bei diesem Vertrag bleiben. Der libertäre Paternalismus kann hierbei ein geeignetes theoretisches Konstrukt bieten, wie solche staatlichen Eingriffe unter Wahrung der Konsumentensouveränität aussehen können. ; In a liberalized electricity market all consumers have the chance to opt for any electricity contract. In empirical studies so far a major part of the population agrees on the preference to switch from the current to a new electricity contract that supports renewable energies. The actual switching rates, however, have fallen short of expectations for years. So according to the rational decision theory, assuming that consumers understand and support the benefits of promoting renewable energy, they should choose this alternative. However, it can be shown that consumers tend to stay with the status quo if a change involves additional effort and thus costs. In the methodology of previous studies on consumer preferences, such a status quo bias has not been considered. A laboratory experiment was conducted to find out whether the exogenous determination of an alternative as a status quo in repeated decisions between different alternatives leads to a significantly more frequent choice. Using a modified choice-based conjoint analysis subjects should give insights into their preferences between different electricity contracts. While the subjects in the control group decided freely between the alternatives one option was pre-selected as a status quo in the experimental group. The repeated choices were used to determine part-worth utilities and relative importance for different attribute levels. One of these attributes was the share of renewable energies in the electricity mix. The results demonstrate that there are significant differences between the part-worth utilities and the relative importance of the attributes. Contrary to the assumptions of the theory of rational decision-making, the exogenous determination of a status quo thus influences the decision-making behavior of individuals. An interpretation of these results suggests that economic policy interventions could resolve the existing gap between support for renewable energy in society and actual funding. One form of intervention could be the requirement for electricity providers to switch their base utility contract to a renewable electricity contract, thereby increasing the likelihood that more consumers will remain with this contract. The idea of libertarian paternalism can provide a suitable theoretical construct as to how such governmental interventions can look like while preserving consumer sovereignty.