Egoismus, Reziprozität und die Unterstützung wohlfahrtsstaatlicher Politik: Befunde der experimentellen Ökonomik
In: Reziprozität und Wohlfahrtsstaat: Analysepotential und sozialpolitische Relevanz, S. 47-68
Abstract
Eine Legitimation des Staates zur Bereitstellung öffentlicher Güter ist aus Sicht der ökonomischen Theorie relativ unproblematisch. Da jeder Bürger von einer saubereren Luft, intakten Straßen usw. profitiert, kann ein staatlicher Eingriff aufgrund suboptimaler Ergebnisse bei einer Steuerung über den Marktmechanismus gerechtfertigt werden. Welche Gründe lassen sich dagegen für den Sozialstaat anführen? Diese Frage wird im ersten Abschnitt beantwortet. Die Legitimation von sozialstaatlichen Politiken hängt dabei von den Annahmen bzgl. des menschlichen Verhaltens ab. Im ersten Unterabschnitt wird im Einklang mit der wirtschaftswissenschaftlichen Sichtweise von rationalen Egoisten ausgegangen. Schon hier können umverteilende Maßnahmen sowohl in einer staatlichen, aber vor allem aus intertemporaler Sicht gerechtfertigt werden. Im zweiten Unterabschnitt wird dagegen die Annahme eines reinen Selbstinteresses aufgegeben. Umverteilung kann unter dieser Sichtweise sowohl über altruistische Motive als auch durch Reziprozität gerechtfertigt werden. Im zweiten Abschnitt werden Ergebnisse aus der experimentellen Ökonomik diskutiert. Diese können darüber Aufschluss geben, inwiefern egoistische oder reziproke Handlungsorientierungen bei einer Umverteilung von Ressourcen überwiegen. So werden hier zunächst die beiden Spielstrukturen dargestellt, mit denen reziprokes bzw. egoistisches Verhalten untersucht werden kann. Während Public-Good-Experimente einem Gefangenendilemma gleichen, stellen Ultimatumspiele reine Nullsummenspiele dar. Reziprokes Handeln kann in letzterer Spielstruktur etwas einfacher von einem rein strategischen Egoismus als in Public-Good-Spielen unterschieden werden. Anschließend werden die Ergebnisse dieser Untersuchungen vorgestellt. Im dritten Abschnitt werden schließlich aus den in Kapitel 2 beschriebenen Verhaltensmustern Hypothesen für die wohlfahrtsstaatliche Unterstützung bzw. die Umverteilungspolitik abgeleitet. Neben der schon unter rein egoistischen Staatsbürgern möglichen Legitimation des Sozialstaates, können umverteilende Maßnahmen insbesondere dann befürwortet werden, wenn die Bürger offen für reziproke Einstellungen sind. (ICG2)
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