In dieser Arbeit wird die Bedeutsamkeit der ästhesiologischen Bewegungslehre in der Lehrpraxis des Gerätturnens erläutert, vor allem vom Standpunkt des Verstehens der Kinästhese des Schülers, aber auch bezogen auf die Erweckung des kinästhetischen Bewusstseins der Lehrkraft. Aus dem Vorwort.
Wenn man eine neue Bewegung lernen möchte, ist es sehr wichtig, dass man sich des Bewegungssinns bewusst ist, d. h. sich darüber im Klaren zu sein, mit welchem Empfinden man sich bewegt. In der ästhesiologischen Bewegungslehre wird dieses Bewusstsein "Kinästhese" genannt. Der vorliegende Beitrag geht davon aus, dass der Orientierungssinn die wichtigste kinästhetische Empfindung darstellt. Dies betrifft Empfindungen wie z. B. "vorn" und "hinten", "rechts" und "links", "oben" und "unten". Der Orientierungssinn bildet die Grundlage für das Konstruieren des kinästhetischen Bewusstseins. Das Gerätturnen, bei dem die Veränderung des Umfelds im Vergleich zu Ballspielen eine geringe Rolle spielt, kann den Schülern im Lernprozess dazu dienen, die Bedeutung des Orientierungssinns zu entdecken und diesen differenzierter auszuprägen. Der Handstand, in dem sich "Oben" und "Unten" des Körpers umkehren, bietet eine besonders zweckmäßige Übung, damit die Struktur des Orientierungssinns in einem erlebten Raum erkannt wird, der sich wiederum von einem mathematisch homogenisierten Raum unterscheidet. Einleitung (gekürzt).
Beim gut gekonnten Sich-Bewegen kann oft ein detailliertes Vollzugsbewusstsein verloren gegangen sein. So kann zum Beispiel ein Turnlehrer einfache turnerische Bewegungen mit dem bewussten, aber auch mit verloren gegangenem, unbewusstem Vollzugsgefühl gut durchführen. Aber wenn das nicht mehr bewusste Vollzugsgefühl des Lehrenden beim Erlernen dieser Turnbewegung für Anfänger sehr wichtig ist, dann kann der Lehrer ihnen das Gefühl (die Bewegungsweise) nicht mehr vermitteln. Deshalb muss ein Lehrer beim Turnunterricht sein "kinästhetisches Bewusstsein" inklusive der "passiven Kinästhese" im Sinne Husserls selber streng analysieren und wieder in Erinnerung bringen. In diesem Beitrag wird exemplarisch eine Analyse zum kinästhetischen Bewusstsein des Turnlehrers bei Rollbewegungen rückwärts am Boden vorgestellt. Dabei wurde die Rolle des Turnlehrers vom Autor des Beitrags selbst übernommen. Einleitung.