This paper considers what light the associational forms that Gandhi created shed on the debate about civil society and the public sphere in political and social theory. As John Keane remarks, "reflexive, self-organizing non-governmental organizations that some call civil society can and do live by other names in other linguistic and cultural milieus". How does his "Indian" variant square with the practice and concept of civil society and public sphere as they have evolved in European history, thought and practice?
Urban regions are particularly affected by increasing heat waves due to climate change. Vegetation, particularly trees, are an important factor to the local climate (i.e. microclimate) within cities. However, urban trees are subject to increasing heat stress during hot summers, which may impede their positive effects on the urban climate and – worst case – lead to dying of trees. With increasing requirements to curate trees and limited resources (e.g., water, human power) there is increasing relevance to develop new strategies, for example, using digital geotechnologies for urban tree management. Cities in geographic regions with overall hotter climate (than in central Europe) are already more adapted to conditions of strong heat than German or central-European cities. This study gathers insights about strategies of urban tree management in Taiwan. This entails a survey of literature and publicly available resources, and direct interviews. Interviews are conducted with two scientific partners from Taiwan. In the frame of this survey, it was not possible to conduct interviews with stakeholders (formal requests were made to several city governments). According to public resources and the information gained with the interviews, urban trees in Taiwan play an important role for different aspects: they have a function for aesthetics and culture, but also for thermal comfort and provision of shade during periods of high temperatures. There is increasing awareness of the importance of trees in the population in the environmental context. Linked to this, an increasing number of actions to avoid the removal of trees, for example, for construction can be observed. The management of urban vegetation is handled by different departments in the cities. Generally, the maintenance of urban trees, particularly trimming and irrigation, are outsourced to contractors. Irrigation mainly relies on watering trucks and human power, and may be limited in dry periods when there is low availability of water. Mostly fresh water is currently ...
Die Schweiz stand ab 1914 unter zunehmendem Druck. Außenpolitisch war man ständig darum bemüht, die Neutralität zu bekräftigen, um sich nicht in Gefahr zu bringen. Man nahm daher mit Blick auf die Wahrung der Neutralität auch die schon 1871 bei der Hospitalisierung der Bourbaki-Armee gezeigte Bereitschaft zur Humanität auf und erklärte sich so zunächst bereit, den Austausch von Zivilinternierten über Schweizer Gebiet in die Heimat zu übernehmen. Hier liegen die Anfänge der Liebestätigkeit oder des Liebeswerkes der Schweiz. Als nun 1914 von der Institution des IKRK bei der Schweizer Regierung angefragt wurde, ob man auch bereit wäre, sich um die diplomatische Vermittlung eines Austausches von schwerverletzten Kriegsgefangenen zu bemühen, wurden offizielle Stellen in der Schweiz wieder aktiv und vermittelten zwischen den Kriegsparteien. Unterstützung für dieses Projekt kam aber auch von kirchlicher Seite. Der Vatikan hatte humanitäre Bestrebungen und hoffte, diese durch eine Zusammenarbeit mit der Schweiz in die Tat umzusetzen. So konnte schließlich, auch unter Vermittlung des Vatikans, zwischen Deutschland und Frankreich ein Austauschabkommen geschlossen werden. Nachdem der Austausch erfolgreich angelaufen war, ergriff erneut das IKRK um Präsident Gustave Ador die Initiative und schlug der Schweizer Regierung die Hospitalisierung von Kriegsgefangenen vor. Als man sich nun Anfang 1916 darauf geeinigt hatte, medizinische Nachlesekommissionen aus der Schweiz nach Deutschland und Frankreich zu schicken, um die Kriegsgefangenen zu untersuchen und auszuwählen, konnten nach einer probeweisen Internierung die ersten Züge in die Schweiz rollen. Für die Internierten wurde dann eigens eine eigene Verwaltung unter Leitung von Armeearzt Oberst Jakob Hauser eingerichtet, welche dafür Sorge trug, dass die Internierten in der ganzen Schweiz verteilt wurden. Zur medizinischen Versorgung wurden vom Armeearzt zahlreiche Ärzte eingeteilt und man eröffnete in allen Internierungsregionen Einrichtungen, in welchen man die Internierten täglich behandeln konnte. Notwendige Operationen wurden in Schweizer Krankenhäusern und bis Herbst 1917 in der Armeesanitätsanstalt (A.S.A.) in Luzern durchgeführt. Diese war im heute noch bestehenden Gebäude der Schweizer Unfallversicherung (SUVA) untergebracht. Im medizinischen Bereich lässt sich bei einem Blick auf die Publikationslisten Schweizer Ärzte ein starkes Interesse an der theoretischen Kriegsmedizin erkennen. Neben Schuss- und Explosionsversuchen lässt sich aber ebenfalls eine lange Tradition der Lazarettreisen feststellen. Aus der Schweiz brachen immer schon Ärzte zu Konfliktherden auf, um dort zu arbeiten. Beispiele finden sich im 19. Jahrhundert, vor allem bei den Kriegen von 1866 und 1871. Im 20. Jahrhundert schickte man dann, überwiegend im Rahmen von Rotkreuzmissionen, zahlreiche Ärzte in das Krisengebiet auf dem Balkan. Mit Abschluss der Vereinbarungen über den Verwundetenaustausch und die Internierung von kranken und verletzten Kriegsgefangenen in der Schweiz erweiterte sich auch der Kreis der Ärzte, welche kriegschirurgisch tätig wurden. Diese Medizin in den Armeesanitätsanstalten in der Schweiz war jedoch anders als die Kriegschirurgie im Ausland. Die Patienten hatten in der Regel schon mindestens eine Operation in der Kriegsgefangenschaft hinter sich und wiesen häufig Komplikationen auf, welchen nun korrektiv entgegengewirkt wurde. Im Bereich der Orthopädie konnte man in der Schweiz auf die Erfahrung der großen Einrichtungen in Bern, Basel, Zürich, Lausanne und Genf zurückgreifen. Hier gab es orthopädische Spezialkliniken wie die Schulthess-Klinik am Balgrist in Zürich oder das Hospice Orthopédique in Lausanne. Verbunden mit der Krankengymnastik und der Rehabilitation war auch die Ausstattung der Internierten mit Prothesen für Arme und Beine. Man konnte hier die in den kriegführenden Staaten gemachten Erfahrungen anwenden. Man durfte Prothesen in der Schweiz nicht erwerben, deshalb richtete man spezielle Werkstätten in Stans, später Luzern und Engelberg ein, um Prothesen und orthopädische Schuhe anzufertigen. Der tatsächliche Erfolg und Umgang mit den verstümmelten und arbeitsunfähigen ehemaligen Kriegsteilnehmern war allerdings Sache der Heimatstaaten. Für die Schweiz endete die Behandlung mit der Repatriierung.
Auf Grundlage von Materialien Moskauer Staats-, Partei- und Kunstarchive entwickelt die Dissertation den politisch-weltanschaulichen Anspruch der Sowjetmacht an die Repertoire-Arbeit der Theater resp. Philharmonien und das Gebiet der staatlichen Kunstfinanzierung in ihrer Gegenläufigkeit, um die Vereitelung der ideologischen Vorgaben durch die Finanzpolitik der Regierung im Kunstsektor nachzuzeichnen. Zweitens dokumentiert die Schrift die Verschränkung kunstpolitischer Entscheidungen und institutioneller Rivalitäten zwischen den Kunstbürokratien von Staat und Partei, deren verfeindete Akteure ideologische Argumente vorschützten, wo es ihnen um die politische Schädigung des jeweiligen Rivalen zu tun war. Eine zweifache Relativierung des in bisherigen Beiträgen zum Kunstleben in der Sowjetunion gesetzten unbedingten ideologischen Primats in der Motivierung sowjetischer Kunstpolitik.
Es folgt ein Werkstattbericht meines Promotionsprojektes "Großherzogin Luise von Baden - eine politische Biographie (1838 - 1923). Dargestellt werden die dynastischen Bezüge der Großherzogin im Kontext europäischer Herrschaftsverhältnisse des 19. Jahrhunderts, ihre Tätigkeitsbereiche Badischer Frauenverein und Rotes Kreuz, sowie die Quellenlage des Geheimen Kabinetts der Großherzogin Luise von Baden.
Ziel dieser Arbeit ist es, einen Beitrag zur Erhellung der Entwicklung der französischen Deutschlandbilder seit 1945 zu leisten. Zu diesem Zweck habe ich drei französische Monatszeitschriften ausgewertet, die für den Berichtszeitraum noch nicht auf die Vorstellungen, welche sie von Frankreichs größtem östlichen Nachbarn vermitteln, untersucht worden sind. Die Auswahl der drei Zeitschriften ist keineswegs zufällig: La Revue des Deux Mondes steht für das konservativ-rechtsliberale, Esprit für das sozialistisch-linksliberale politische Lager, während Documents, Revue des questions allemandes eine mittlere Position einnimmt, so daß die drei Publikationen zusammen das gesamte demokratische Meinungsspektrum Frankreichs abdecken, mithin ein politisches Triptychon bilden. In der Berichterstattung der drei Zeitschriften überwiegt bis in die Mitte der 1950er Jahre das Bild eines antidemokratischen, nationalistischen und militaristischen Deutschlands, danach jenes eines vom Militarismus und Nationalismus geheilten und zur Demokratie bekehrten Deutschlands.
Die Arbeit untersucht den Reformprozess in der indischen Stromwirtschaft während der neunziger Jahre. In einer Verbindung von akteurs- und prozessorientierter Betrachtung bietet sie eine politikwissenschaftliche, sektorale Fallstudie der wirtschaftlichen Liberalisierung in Indien, dessen Beginn auf das Jahr 1991 datiert werden kann. Zu diesem Zeitpunkt leitete die Regierung unter Premierminister Narashima Rao als Reaktion auf eine akute Zahlungsbilanzkrise eine Abkehr von dem sozialistischen Entwicklungspfad, für den sich Indien nach der Unabhängigkeit entschieden hatte, ein. An eine Aufarbeitung des wissenschaftlichen Diskurses über die Politik der Wirtschaftsreformen in Indien schließt sich ein historischer Abriss über die Entwicklung des indischen Stromsektors nach der Unabhängigkeit entlang der Fünfjahrespläne an. Das folgende Kapitel bietet einen chronologischen Narrativ über die Reformmaßnahmen auf Ebene der Unionsregierung für die untersuchte Dekade. Daraufhin wird anhand zentraler Kennzahlen dargestellt, wie sich – entgegen anhaltender Reformrhetorik und zahlreicher politischer Initiativen – die wirtschaftliche Lage des Sektor im Verlauf der neunziger Jahre dramatisch verschlechtert hat. Aufgrund der verfassungsmäßig geteilten Verantwortung für den Stromsektor in Indien zwischen der Union und den sie konstituierenden Unionsstaaten schließt sich eine detailliertere Betrachtung der Reformmaßnahmen und ihrer vorläufigen Ergebnisse in den Unionsstaaten Andhra Pradesh, Orissa und Uttar Pradesh an. In der Schlussbetrachtung werden die diskutierten theoretischen Ansätze zur politischen Ökonomie der Wirtschaftsreformen Indiens mit den Ergebnissen der Fallstudie konfrontiert.
Birgit Bublies-Godau präsentiert erstmals die autobiographischen Schriften der badischen Revolutionärin und frühen bürgerlichen "Politikerin", sie sind vollständig transkribiert und profund kommentiert. Eine sensibel recherchierte biographische Einführung zu Henriette Obermüller-Venedey (1817 – 1893) eröffnet die vorliegende Edition. Sie stellt den wechselvollen Lebensweg der Autorin hin zur aktiven Demokratin, Republikanerin und Revolutionärin, Gattin, Mutter, Hausfrau sowie erfolgreichen Weinhändlerin, Pensionswirtin und Unternehmerin vor: In chronologischer Reihe ediert Bublies-Godau die Ego-Dokumente von Henriette Obermüller-Venedey: Ihre beiden Tagebücher und ihre Lebenserinnerungen, welche die Autorin im Zeitraum von Mai 1856 und Februar 1871 niedergeschrieben hatte. Entsprechend ihrer chronologischen Entstehung folgen "Notizen unserer Erlebnisse gesammelt im Jahr 1856 in Heidelberg" und "Erlebnisse in Oberweiler. März 1869", sowie die "Beschreibung meines Lebens" nacheinander. Eine umfassende Literaturliste, Register und Kommentar runden die Edition ab und machen sie als Nachlagewerk nutzbar.
Gegenstand vorliegender Dissertation war die Überprüfung der Thesen Karl A. Wittfogels zum "orientalischen Despotismus" am Beispiel der klassischen Epoche des altsinghalesischen Reiches (200 v.Chr. – 1200 n. Chr.) unter besonderer Berücksichtigung des Verhältnisses von Buddhismus und Monarchie. Das alte Sri Lanka wurde gewählt, weil es den Typus einer hydraulischen Zivilisation par excellence darstellt und somit als idealer Testfall für Wittfogels Theorie gelten kann Die Analyse ergab, dass mehrere von Wittfogel postulierte Hypothesen bezüglich hydraulischer Staaten im Einklang stehen mit den Herrschaftsstrukturen im altsinghalesischem Reich. Einige seiner Hauptthesen konnten jedoch widerlegt werden, so z.B. die These von der Monokausalität des hydraulischen Faktors für zentralistische Staatsformierung, die These von Terror und Gewaltherrschaft als konstitutive Elemente hydraulischer Regime, die These von der Instrumentalisierung der Religion durch die Herrscher, sowie die These vom "konsumtiven Optimum" orientalische Herrscher und der Ausbeutung des Volkes. Wittfogels Fehlperzeptionen beruhten auf der Verabsolutierung struktureller (d.h. systemisch-institutioneller) Faktoren bei gleichzeitiger Ignorierung kultureller Determinanten als politisch relevante Elemente, wodurch ihm z.B. die machtbeschränkende Wirksamkeit religiös-ethischer Normen in orientalischen Gesellschaften entging. Ebenso übersah er die aus der Tradition erwachsenden machtbegrenzenden Faktoren wie das politisch einflussreiche Vorbild exemplarischer Könige der Vergangenheit, die in Sri Lanka einen von buddhistischer Ethik geprägten Wohlfahrtsstaat errichteten. Wittfogels utilitaristischer Ansatz mit der ausschließlichen Verwendung zweckrationaler Analysekategorien erwies sich für die adäquate Beschreibung einer theravadha-buddhistischen Monarchie als unzureichend.
Zwischen 1816 und 1866 war Mainz (anfangs nur designierte) Festung des Deutschen Bundes. In dieser langen Phase des Friedens war in der von Bürgertum und Handwerk geprägten Stadt eine permanente Garnison stationiert, die aus mehreren tausend preußischen und österreichischen Soldaten bestand. Die Beziehungen zwischen diesen und der weiblichen Zivilbevölkerung werden auf der Grundlage der im Stadtarchiv Mainz überlieferten (staatlichen) Geburts- und Heiratsregister mit Hilfe von Methoden aus der Historischen Demographie dargestellt und analysiert. Faktoren wie der Deutsche Bund, die Heeresverfassungen der beiden Staaten Preußen und Österreich, die militärischen und zivilen Verhältnisse in der Stadt Mainz sowie die soziale und rechtliche Stellung der Frauen im 19. Jahrhundert bilden den historischen Bezugsrahmen, in den die Ergebnisse eingeordnet werden, um die allgemeine Entwicklung des Verhältnisses zwischen Militär und Zivilgesellschaft in der ersten Hälfte des 19. Jahrhundert zu erhellen. Die Arbeit hat somit einen für die Neue Militärgeschichte typischen "Schnittstellencharakter" zwischen Stadtgeschichte, Sozialgeschichte, Militärgeschichte im engeren Sinne und Historischer Demographie. ; 122 Seiten
Die Dissertation untersucht auf der Basis systemtheoretischer Überlegungen in Bezug auf Kommunikationsstrukturen den immer wieder vermuteten Zusammenhang von Religion und Herrschaft anhand des Prager Friedens von 1635. Sie vertritt die These, dass Eschatologie, verstanden als symbolisch generalisierendes Kommunikationsmedium, einen religiös-herrschaftspraktischen Sinnzusammenhang schmiedet. In der geschichtswissenschaftlichen Diskussion wird der Prager Frieden oftmals als der Wendepunkt des Dreißigjährigen Krieges weg von einem Religionskonflikt hin zu einem reinen Machtkonflikt betrachtet. Gerade die Phase nach 1635 wird oftmals als Mächtekonflikt bzw. in Johannes Burkhardts Sinne als Staatsbildungskrieg verstanden. Als Gründe für diese Teilung gibt man u.a. an, dass religiös begründete Motive stark abgenommen hätten. Aber besteht Religion hauptsächlich aus Handlungsmotiven? Was unterscheidet sie hierbei von Konfession? Das Konfessionskonflikt und Staatsbildung oftmals Hand in Hand einhergehen, weiß man spätestens seit Heinz Schilling. Die Studie knüpft bewusst an diese Einsicht an und analysiert gerade nicht ausformulierte Motive, sondern sucht zu ergründen, wie 'Wahrheit' in unterschiedlichen Systemzusammenhängen konstruiert wird. Bilden nun unterschiedliche Systeme verschiedene Wahrheiten, kann man fragen, aus welcher Sinnressource heraus diese Wahrheiten gebildet werden. Es wird argumentiert, dass im Prager Frieden auf Basis eines religiösherrschaftspraktischen Sinnzusammenhangs auf gesellschaftlicher Ebene nur dieser eine Sinn als Konstruktionsbasis bereitsteht. Mit dem Begriff des Religiösherrschaftspraktischen soll zum Ausdruck gebracht werden, dass die Praxis, religiöse Wahrheitskonstruktionen und Wahrheitskonstruktionen in Bezug auf Herrschaft nicht nebeneinanderstehen, sondern sich überhaupt erst gegenseitig konstituieren. Dieses Argument hat Konsequenzen für die Nutzung der Typusbezeichnung 'Religionskrieg', denn wenn Krieg sowieso schon immer in einem religiösen Sinn eingelagert erscheint, erübrigt sich aus dieser Perspektive auch die Bezeichnung 'Religionskrieg'. Betrachtet man Eschatologie als ein symbolisch generalisierendes Kommunikationsmedium, wird das Phänomen Eschatologie nicht als Ausfluss einer Theorie einer bestimmten Konfession analysiert, sondern als ein in Kommunikation auffindbares und erlebbares Phänomen, das eine inkludierende Wahrheit erzeugt. Damit analysiert die Dissertation die Konsequenzen für eine Gesellschaft, in der die Sinnhaftigkeit der Welt per se nur religiös vorliegt, und zeigt, wie sich vor diesem Hintergrund Herrschaft als Kommunikation gestaltet. ; 357 Seiten
Die Arbeit untersucht das seuchenartige Auftreten von Besessenheitsfällen in Annaberg (Erzgebirge) in den Jahren 1713-1720, die Auslöser der letzten Hexenprozesse in Kursachsen waren. Zeitgenössische Beobachter stritten intensiv, ob diese sogenannte "Annaberger Krankheit" durch Zauberei verursacht oder eine psychosomatisch bedingte Massenerkrankung war. In Abkehr von dem Vorurteil, alle Betroffenen einer solchen Massenhysterie litten an derselben Erkrankung, werden diverse Krankengeschichten rekonstruiert. Indem sich dabei Elemente von Rollenspielen (Kinderhexen, Hysterie) und Betrug (Almosenerschleichung, Denunziationen, politisch motivierte Inszenierungen) finden, zeigt sich die wundersame "Krankheit" als nicht pathologischer sondern sozialer Vorgang. rnAm dessen Beginn stand die Geburt der Interpretation, es gäbe eine außergewöhnliche Krankheit in der Stadt, wozu akzidentielle Ereignisse mehr beitrugen als auffällige Krankheitsfälle. Gerüchtbildung und politische Instrumentalisierung bildeten den Rahmen für den Einstieg von Nachahmern, die das fiktive Krankheitsbild in die Realität eines demonstrativen Schauspiel umsetzten. Dieser Mechanismus eines selbsterfüllenden Menetekels wird vor dem Hintergrund seiner kulturellen, sozialen, ökonomischen und historischen Bedingungen detailliert rekonstruiert. ; This work examines an epidemic demonic possession in Annaberg (Saxony) in the years 1713-1720 accomapanied by the last witch trials in that area of Germany. Contemporary observers disputed, if "Annaberg's disease" was caused by sorcery or mass psychogenic illness. Rejecting the bias, that in cases of so-called mass hysteria every victim suffers the same malady, several patient histories are reconstructed. By finding such elements as role playing (child witches, hysteria) and fraud (desire for charity, denunciation, politically motivated staging), the marvellous " disease" unveils to be not a pathological entity but a social and cultural process.rnIn the beginning there had been the emergence of the idea, that there was an unusual disease taking place in Annaberg, that was barely born of cases of real illness but the amalgamation of accidental happenings. Rumours and politically utilising of the events built the frame to participation of imitants, who made the fictious disease pattern become reality with ostentation. These mechanics of a panic-like selffullfilling prophecy are described from their cultural, social, economic and historical foundations.
In "'Let 'em have it – right on the chin.' – Die Haltung der britischen Öffentlich-keit zum RAF-Flächenbombardement 1939-1945" wird durch die Untersuchung der vier Tageszeitungen Times, Manchester Guardian, Daily Express und Daily Mirror sowie der wöchentlichen Berichte des britischen Informationsministeriums nachgewiesen, dass 1942 ein Konsens in der britischen Öffentlichkeit für Flächenbombardements eintrat. Diese Einigkeit entstand aufgrund der Kriegssituation, sozialpsychologischer Mechanismen und realpolitischer Erwägungen und verfestigte sich 1943 und zum Teil auch 1944 deutlich. Die öffentliche Meinung kehrte sich in den drei Jahren zwischen 1940 und 1943 vollständig um und wandelte sich 1944 erneut: Während 1940 die Mehrheit gegen die Bombardierung der deutschen Zivilbevölkerung eingestellt war, fand in den folgenden drei Jahren eine Entwicklung statt, die 1943 in den Konsens, 1944 aber in die Tabuisierung des Themas mündete. Dabei verstärkten insbesondere zwei Argumente den Prozess der Konsensbildung: Nachdem bis Anfang 1941 die Bedeutung der Begrifflichkeiten so weit vereinheitlicht worden war, dass beispielsweise die Mehrheit der Briten etwas mit dem Ausdruck "Flächenbombardement" anfangen konnte, setzte sich im Laufe des Jahres 1940 – in Presse und Bevölkerung parallel – ein Feindbild durch, das das gesamte deutsche Volk in Haftung nahm und es insofern auch für die deutschen Luftangriffe auf Großbritannien verantwortlich machte. Erst daraus erwuchs die Rechtfertigung für die Forderung nach Vergeltung, die durch diese Begründung von bloßen Rachegelüsten losgelöst werden konnte. Seit dem deutschen Angriff auf die Sowjetunion im Juni 1941 galten Flächenbombardements – hier folgten Bevölkerung und Presse der britischen Regierung – außerdem als Vorbereitung für die Westoffensive. Eine Mehrheit sprach sich schon 1941 für Flächenbombardements aus, mit den großen Angriffen 1942 und vor allem 1943 war der Konsens dann so vollständig erreicht, dass kritische Stimmen fast gänzlich verstummten. Als mit der alliierten Landung in der Normandie 1944 ein wichtiges Argument für die Notwendigkeit von Flächenbombardements wegfiel, setzte eine Tabuisierung des Themas ein, die sich 1945 verfestigte. Insgesamt beleuchtet die Arbeit, durch welche Faktoren in einer Kontroverse eine gesellschaftliche Einigkeit im Großbritannien der frühen vierziger Jahre erzeugt wurde. Dieser Zusammenhalt war notwendig, um die Handlungsfähigkeit der Gesellschaft zu gewährleisten, so dass sich der Konsens in der Kriegssituation als wichtige Überlebensstrategie erwies. Erreicht wurde er aber auf Kosten des für eine demokratische Gesellschaft auch charakteristischen Pluralismus von Meinungen und Einstellungen.
AbstractDie wissenschaftsgeschichtliche Analyse einbandhistorischer Forschungsliteratur bietet einen kritischen Überblick zum Thema Buchschließen und Buchbeschläge, wie sie am abendländischen, als Holzdeckelband gearbeiteten Gebrauchseinband bis gegen Ende des 16. Jh. verwendet wurden. Die etwa 120 Jahre alte Forschungsliteratur wird auf Grund des spezifischen Erkenntnisinteresses der Autoren und ihrer politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Standortgebundenheit systematisiert, so daß deutlich gemacht werden kann, welche Berufsgruppen und damit verbundene Fragestellungen die Erforschung des Themas Schließe und Beschlag im besonderen und die Einbandforschung im allgemeinen dominierten. Für eine zukünftige selbständige praxisorientierte sowie handwerks- und buchgeschichtliche Betrachtung des Themenkomplexes Buchschließe und -beschlag im Rahmen einbandwissenschaftlicher Forschung werden Aufgaben, Ziele und Methoden dargelegt. Ziel ist es, in einem interdisziplinären und internationalen Gemeinschaftswerk den Themenkomplex zu untersuchen und dessen Ergebnisse als Beitrag für die Lokalisierung und Datierung von Einbänden zu prüfen. Es werden fünf Methoden vorgestellt, ihre Grenzen diskutiert und die Notwendigkeit ihrer allseitigen Verknüpfung nahegelegt. Der Frage nach den Herstellern von Buchschließen und -beschlägen wird auf Grund neuer Quellenfunde und Analyse von Ständebüchern, Enzyklopädien, Sach- und Realwörterbüchern sowie Buchbinderfachbüchern am Beispiel des städtischen Raumes Nürnberg nachgegangen. Für dieses Zentrum eines hochdifferenzierten metallverarbeitenden Gewerbes und regen Buchbinder-handwerks im 15. und 16. Jh. kann wahrscheinlich gemacht werden, daß sich spätestens um die Mitte des 16. Jh. das sog. Klausurmachen als eine Spezialarbeit von den Tätigkeiten der Gürtler gelöst hatte und von einzelnen sog. Klausurmachern ausgeführt wurde; doch waren diese in keinem eigenen, der strengen städtischen Kontrolle unterstellten Handwerk organisiert. Noch vor Ablauf des 17. Jh. war die Handwerkstätigkeit des Klausurmachens dem sog. geschenkten Handwerk der Gürtler offiziell zugehörig. Als Quintessenz der Arbeit wird eine These zur Entwicklung der Buchschlie-ße am Gebrauchseinband des Mittelalters vorgestellt, die Ausgangspunkt für eine zukünftige Forschung sein kann.