Fordern statt fördern: Hartz IV in der Praxis
In: Blätter für deutsche und internationale Politik: Monatszeitschrift, Band 50, Heft 8, S. 948-957
ISSN: 0006-4416
Mit kaum einen Gesetzeswerk der letzten Jahre sind so weit reichende, aber auch unterschiedliche Erwartungen und Befürchtungen verknüpft wie mit der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe in Gestalt von Hartz IV. Die "Reformen" haben zwar mit den Demonstrationen im Sommer 2004 ein erhebliches Maß an Unruhe hervorgerufen, aber ein dauerhafter Proteststurm ist bislang ausgeblieben. In den nächsten Monaten werden weitere Umsetzungsschritte und erste Korrekturen folgen. Grund genug also, eine Zwischenbilanz zu ziehen und die aufgelaufenen Probleme und Fragen genauer in den Blick zu nehmen - nicht zuletzt, um das regierungsoffiziell vermittelte positive Bild zu erschüttern und die Sensibilität für bereits aufgetretene wie noch bevorstehende Probleme zu stärken. Das Grundproblem besteht darin, dass Hartz IV einen aufnahmefähigen und funktionierenden "ersten Arbeitsmarkt" voraussetzt, der Existenz sichernde Beschäftigungsmöglichkeiten für alle Nachfragenden bietet. Genau dies ist aber nicht der Fall. Die Ursache dafür ist die fehlende Balance zwischen Finanz-, Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik zur Realisierung und gerechten Verteilung von Arbeit und Einkommen. Nicht zu übersehen ist aber auch, dass der mit der Hartz-Gesetzgebung seit 2002 eingeleitete Instrumentenwechsel bei weitem nicht die Erwartungen erfüllen konnte, die seine Konstrukteure in ihn gesetzt hatten. (ICB2)