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Die berühmte Schrift von Immanuel Kant "Zum ewigen Frieden" besitzt dem Autor zufolge heute noch eine hohe Aktualität, denn sie kann auch als Beitrag zum Problem der aktuellen Welt(un)ordnung gelesen werden. Kant verfolgte in dieser Schrift zwei grundsätzliche Fragen: Die erste zielt auf das elementare Verhältnis von Macht und Recht und lautet: "Ist Recht - und schon gar das zwischenstaatliche Recht - nicht am Ende stets das Recht des Stärkeren?" Die zweite Frage richtet sich auf die Beziehung von Moraltheorie und politischer Praxis sowie auf die Tragfähigkeit allgemeiner anthropologischer Voraussetzungen: "Ist es wirklich so, dass die menschliche Natur eigentlich gar keine moralisch akzeptable Politik erlaubt?" Der Autor reflektiert vor diesem Hintergrund die politischen Folgen der beiden wichtigsten Ereignisse zu Beginn des 21. Jahrhunderts, des Mauerfalls vom 9.11.1989 und der Terroranschläge vom 11.9.2001. Das erstere Datum lässt sich als ein "Geschichtszeichen" im Sinne der kantischen Hoffnung auf Rechtsfortschritt und eine friedlich-föderative Weltbürgerlichkeit lesen; das zweite Datum als krasses Dementi solcher Vorstellungen, nämlich als Ausdruck des unterschwellig stets drohenden "bellum omnium contra omnes". Wenn man nun - wie vor allem der Amerikaner Robert Kagan - kantkritisch gegen das völkerrechtliche Kriegsverbot und die europäische Weigerung, präventive Weltordnungskriege zu führen, argumentiert, wird oftmals auf Thomas Hobbes und dessen Lehre vom Naturzustand verwiesen. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich allerdings, dass die Alternative "Hobbes versus Kant" in mehrfacher Weise verfehlt ist und dass der politische Realismus und die kantische "Weltinnenpolitik" keinen Gegensatz bilden. (ICI2)

Herrschafts- und Gesellschaftskritik orientiert sich nach wie vor und trotz aller kritischen Einwände am Maßstab der Vernunft. Um diesem spannungsgeladenen Verhältnis auf den Grund zu gehen, wird in einem ersten Schritt zunächst danach gefragt, was Aufklärung verstanden als Selbstkritik der Vernunft bedeuten kann. In der Tradition des Aufklärungspostulates von I. Kant finden sich heute an prominenter Stelle zwei konträre Positionen der Vernunftkritik, die im zweiten Schritt erörtert werden: Einerseits J. Habermas, der die Kritische Theorie paradigmatisch neu ausrichtet und die Möglichkeiten kommunikativer Vernunft betont. Andererseits M. Foucault, der die gesellschaftlichen Normalisierungs- und Disziplinierungsmechanismen anprangert, die sich auf Vernunft berufen. Beide betrachten Aufklärung als unvollendetes und weiterzutreibendes Projekt. Sie halten an den Möglichkeiten der Vernunft und der Aufklärung fest, etwa an der Entschlossenheit und Couragiertheit, sich der Vernunft im Sinne seines eigenen Verstandes und der politischen Urteilskraft zu bedienen, kritisieren jedoch gleichzeitig eine Vernunftlogik, die einen reinen Dezisionismus sowie einen Sicherheits- und Kontrollzwang hervorbringt, der die politische Angelegenheiten zu unvernünftigen und irrationalen Missverhältnissen macht. Diese beiden Positionen im dritten Schritt abwägend wird abschließend für eine 'Öffentlichkeit der Vernunft' plädiert. (ICG2)

William Forsythe und Saburo Teshigawara zeigen in ihren Choreographien eigensinnige Körper, die einer bewegungsimmanenten Logik folgen. Auf diese Weise erreicht der Tanz eine hohe Komplexität, extreme Geschwindigkeiten und einen kontinuierlichen Fluss. Diese Qualitäten sprechen das Körperwissen des Zuschauers an, der das Geschehen mit Hilfe seines Bewegungssinnes mitvollzieht. So wird deutlich, wie wesentlich und prägend die körperlichen Kompetenzen des Zuschauers für seine Wahrnehmung der bewegten Körper ist. Die Studie betrachtet tänzerische Körperbewegung, ohne diese in Bedeutungen stillzustellen. Vielmehr hebt sie ihren Eigensinn und ihre Prozesshaftigkeit hervor und arbeitet die aus der Tanzpraxis stammenden Begriffe "Bewegungssinn" und "Bewegungslogik" wissenschaftlich aus.

Hans Otto Seitschek ; Inhaltstext ; Inhaltsverzeichnis ; Volltext // Exemplar mit der Signatur: München, Bayerische Staatsbibliothek -- PVA 2005.4733

Gemeinsinn und Gemeinschaftsfähigkeit sind Grundvoraussetzungen für den Zusammenhalt einer Gesellschaft. Der Beitrag setzt sich mit der These auseinander, dass Demokratien aus sich selbst heraus - und zwar durch Vereinigungen unterschiedlicher Art und Zielsetzung - imstande sind, Gemeinsinn als habitualisiertes Interessiertsein an den öffentlichen Angelegenheiten bzw. am öffentlichen Wohl hervorzubringen. Der Autor entwickelt demgegenüber eine pessimistische Lesart des Zusammenhangs von Assoziation und Gemeinsinn. Die These ist, dass bei Tocqueville Gemeinsinn als aufgeklärtes Gefühl gegenseitiger Abhängigkeit nur begrenzt als Interessiertsein am öffentlichen Wohl verstanden werden kann - der in Assoziationen gebildete Gemeinsinn zielt nicht unmittelbar auf den Erhalt der politischen Gemeinschaft und kann sogar politisch destabilisierende Effekte haben. Die These wird in vier Schritten diskutiert: Zunächst wird Tocquevilles "negativer" Begriff von Individualismus skizziert, der zwei Perspektiven verbindet, nämlich die Konsequenzen des Individualisierungsprozesses für die politische Gemeinschaft wie für den Einzelnen. In einem zweiten Schritt wird gezeigt, wie Tocqueville aus der Analyse der amerikanischen Assoziationen einen demokratischen Begriff von Gemeinsinn entwickelt, der zwei Eigenschaften hat: Gemeinschaftsfähigkeit und kollektives Selbstbewusstsein. Der dritte Schritt verdeutlicht, dass Selbstsucht oder Eigennutz die motivationale Handlungsdisposition für das Engagement in assoziativen Aktivitäten sind, während gemeinsame Interessen dieses Engagement stabilisieren. Abschließend wird ein aristokratischer Tugendbegriff von einem basisdemokratisch begründeten Gemeinsinn unterschieden. (ICA2)

Die zentrale Zielsetzung des österreichischen Gelehrten Othmar Spann (1877-1950) war die Erneuerung der Gesellschaft aus einem Zustand, den er als Atomisierung und Auflösung interpretierte. Seine Deutung der Diskurse jener Zeit war von der Annahme geprägt, dass alle Erkenntnis von der Existenz idealer, dem Menschen vorgängiger Ganzheiten ausgehen sollte. Diese Einsicht erforderte in seinem Denken eine hierarchische, ständische Ordnung der Gesellschaft - mit dem geistigen Lehrstand an der Spitze und den Handarbeitern am unteren Ende der Rangordnung. Spann wendete sich vor allem gegen politisch-philosophische Strömungen innerhalb von Staaten und Gesellschaften, die diesem, den "wahren Eliten" zugänglichen Ideal zuwiderliefen und die er unter dem Begriff des Individualismus zusammenfasste. Der Autor thematisiert u.a. die Gegenüberstellung von Universalismus und Individualismus in Spanns Werk und geht näher auf dessen Verständnis des Volkstums als Kulturgemeinschaft ein. Mit seinem Anspruch auf Überlegenheit und Höherwertigkeit deutscher Kultur befand sich Spann zwar in Übereinstimmung mit Teilen des weltanschaulichen Mainstreams seiner Zeit, aber sein Anspruch wurde im Gegensatz zu diesem durch die Behauptung eines privilegierten Zugangs der Deutschen zu einer Welt des Göttlichen, der Ideen und ideellen Ganzheiten legitimiert. Dadurch war Spanns Wirkungsgrad beschränkt und blieb letztlich auch im Spektrum der rechten Bewegungen zwischen Romantik und Faschismus in einer deutlichen Minderheitenposition. (ICI2)

Ich gehe davon aus, dass sich pädagogische Forschung in der Regel viel zu sehr dem Erlernen von Verfahren und viel zu wenig dem Vertrautwerden mit Methodologie(n) widmet. Eine Konsequenz aus diesem Ungleichgewicht ist der vergleichsweise hohe Anteil an Forschung, die soziale Konstrukte unkritisch als objektive Gegebenheiten behandelt und sich kaum mit der Beziehung zwischen Forschung und Praxis befasst. In meinem Beitrag versuche ich zunächst zu verdeutlichen, warum eine Beschäftigung mit den der Forschung unterliegenden philosophischen Vorannahmen erforderlich ist vor dem Beginn der forschungspraktischen Arbeiten. Danach diskutiere ich – meinen eigenen Anforderungen folgend – meine epistemologischen, ontologischen und axiologischen Vorannahmen, um von hier aus den Raum zu definieren, in dem ich meine Forschungsarbeit verorten möchte. Ich gelange hierbei zu einer Synthese aus konstruktionistischen, postmodernistischen und partizipativen Elementen und diskutiere das Spannungsfeld und die Potenziale, die aus dieser Synthese erwachsen.

Jackson, Patrick Thaddeus: Introduction: Is the state a person? Why should we care? - S. 255-258. Neumann, Iver: Beware of organicism: the narrative self of the state. S. 259-267. Wight, Colin: State agency: social action without human activity? - S. 269-280. Jackson, Patrick Thaddeus: Hegel's house, or "people are states too". - S. 281-287 Wendt, Alexander: The state as person in international theory. - S. 289-316

Der Beitrag befasst sich mit einer Denkfigur der Legitimation politischer Herrschaft, die Selbstgesetzgebung. Sie besagt, dass diejenigen, die dem Recht unterstehen, sich zugleich als dessen Urheber verstehen müssen. Der Autor untersucht diese Denkfigur zunächst bei Hobbes, Rousseau und sodann Habermas und kommt zu dem Ergebnis, dass die Legitimationsfigur von der Selbstgesetzgebung der Regierten durch eine semantische Marginalisierung des Phänomens politischer Herrschaft gekennzeichnet ist. Es ist im Prinzip möglich, eine Autonomiekonzeption, die im Bereich der Individualmoral ihr gutes Recht haben mag, auf die kollektive Ebene zu übertragen, aber mit Blick auf die personelle Scheidung von Herrschern und Beherrschten nur mit der Zusatzannahme, dass Fremdbestimmung vom Einzelnen auch als Selbstbestimmung verstanden werden kann. (ICH)

Der Beitrag befragt den Prozess der Konstituierung des modernen Europa dahingehend, unter Indienstnahme welcher Prinzipien und/oder Techniken es in der Vergangenheit gelang, eine "Einheit von Vielheit" zu gewährleisten, also Europa als "unitas multiplex" zu organisieren. Dazu wird der Blick zunächst auf jene Zeitabschnitte gerichtet, in denen ein multistaatliches Europa die Welt beherrschte (1) bzw. später dann - und stets begleitet von einem meist idealistischen (teils aber auch sehr machtpolitisch motivierten) Sehnen nach Europas realpolitischer Einheit - partiell ins weltpolitische Abseits geriet (2), bevor es Europa schließlich gelang, mit einer Reihe von Verträgen die Grundlagen seiner gegenwärtigen Einheit zu legen (3) und sich dabei mit einer neuartigen Form der politischen Organisation und des politischen Stils zu profilieren (4). Abschließend wird knapp erörtert, ob oder inwiefern die zuvor entdeckten Elemente einer prozedural begründeten europäischen Identität weiterhin bedeutsam sind und künftig vielleicht noch wichtiger werden könnten. (ICA2)