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Walzer wie Nussbaum sind der Auffassung, dass der politische Beitrag von Theorie nicht allein vermittelter Art sein sollte - also über die interne, auf die akademische Community bezogene kritische Auseinandersetzung mit hegemonialen zeitgenössischen Strömungen politischen und philosophischen Denkens, wie dem politischen Liberalismus, dem Utilitarismus oder dem kritischen Rationalismus. Walzer und Nussbaum ist an unmittelbarer gesellschaftlicher Wirkung gelegen. Ihre Adressaten sind politische Eliten, öffentlich engagierte Aktivisten und ein politisch interessiertes Publikum. Das Kriterium der öffentlichen Mitteilsamkeit, auf das sich die "Public Philosophy" verpflichtet, erfordert, den Erfahrungskontext der Adressaten zu bedienen. Dieser aber ist notwendigerweise partikular, also auf bestimmte historisch und kulturell kontingente Lebensumstände und Situationen bezogen. Die zweite entscheidende Gemeinsamkeit von Walzer und Nussbaum ist, dass sie nicht nur hinsichtlich des öffentlichen Anwendungskontextes für eine Rückbindung von Theorie an praktische Erfahrungen plädieren, sondern zudem und grundsätzlicher an einer Neujustierung des Verhältnisses von Theorie und Erfahrung interessiert sind. Diese Neujustierung, und das ist die dritte Gemeinsamkeit, wird über ein spezifisches methodisches Programm der Vermittlung von partikularen Erfahrungen und normativen Urteilen in Angriff genommen. Im Kern geht es hier um die doppelte Frage, wie sich besondere, immer an konkrete Lebensumstände gebundene Erfahrungen bergen und sich aus ihnen Erkenntnisse gewinnen lassen, die über den konkreten Handlungskontext, auf den sie ursprünglich bezogen sind, hinausreichen. (ICA2)

Hannah Arendt, Michael Walzer und Martha C. Nussbaum entwickelten ihre Theorien im Sinne einer Ideengeschichtsschreibung und ihre Adressaten waren dabei nicht primär wissenschaftliche oder politische Eliten, sondern Bürgerinnen und Bürger. Der Anspruch, eine "public philosophy" zu betreiben und über eine starke Präsenz im öffentlichen Raum einen engen Kontakt zur Praxis herzustellen, ist mit einer spezifischen Konzeption von politischer Theorie verbunden, die der Autor als "narrativistisch" bezeichnet. Innerhalb dieses narrativistisch-hermeneutischen Konzeptes wird bei allen drei Theoretikern die Antike zum entscheidenden Bezugspunkt. Obwohl es Verbindungslinien zwischen Neoaristotelismus und Narrativismus gibt, d.h. eine spezifische Adressierung und eine damit einhergehende Aufwertung der "phronesis" gegenüber elitärem Expertenwissen, bedeutet dies jedoch nicht, dass der Neoaristotelismus zwangsläufig auf einen narrativistischen Theorietypus hinaus läuft. Der Autor stellt vor diesem Hintergrund den Neoaristotelismus als ambitionierte Form der Ideengeschichtsschreibung vor und skizziert sein Verständnis von narrativistischer Theorie. Er zeigt ferner, wie Arendt, Walzer und Nussbaum aristotelische Denkfiguren aufgenommen und über den vermittelnden Rekurs auf antike poetische bzw. religiöse Narrationen weiterentwickelten. (ICI2)

Review text: "Gestützt auf aktuelle Debatten wie den Neorealismus oder die emotivistische Wende in Philosophie und Sozialwissenschaft gelingt es der Autorin in überzeugender Manier, Argumente für ein emotionales und leidenschaftliches Verhältnis zum Politischen bzw. zur politischen Theorie gegen eine kühle und technische Zweck-Mittel-Rationalität zu sammeln." Oliver Hidalgo in: Philosophisches Jahrbuch, 114. Jg, II (2007)

Gemeinsinn und Gemeinschaftsfähigkeit sind Grundvoraussetzungen für den Zusammenhalt einer Gesellschaft. Der Beitrag setzt sich mit der These auseinander, dass Demokratien aus sich selbst heraus - und zwar durch Vereinigungen unterschiedlicher Art und Zielsetzung - imstande sind, Gemeinsinn als habitualisiertes Interessiertsein an den öffentlichen Angelegenheiten bzw. am öffentlichen Wohl hervorzubringen. Der Autor entwickelt demgegenüber eine pessimistische Lesart des Zusammenhangs von Assoziation und Gemeinsinn. Die These ist, dass bei Tocqueville Gemeinsinn als aufgeklärtes Gefühl gegenseitiger Abhängigkeit nur begrenzt als Interessiertsein am öffentlichen Wohl verstanden werden kann - der in Assoziationen gebildete Gemeinsinn zielt nicht unmittelbar auf den Erhalt der politischen Gemeinschaft und kann sogar politisch destabilisierende Effekte haben. Die These wird in vier Schritten diskutiert: Zunächst wird Tocquevilles "negativer" Begriff von Individualismus skizziert, der zwei Perspektiven verbindet, nämlich die Konsequenzen des Individualisierungsprozesses für die politische Gemeinschaft wie für den Einzelnen. In einem zweiten Schritt wird gezeigt, wie Tocqueville aus der Analyse der amerikanischen Assoziationen einen demokratischen Begriff von Gemeinsinn entwickelt, der zwei Eigenschaften hat: Gemeinschaftsfähigkeit und kollektives Selbstbewusstsein. Der dritte Schritt verdeutlicht, dass Selbstsucht oder Eigennutz die motivationale Handlungsdisposition für das Engagement in assoziativen Aktivitäten sind, während gemeinsame Interessen dieses Engagement stabilisieren. Abschließend wird ein aristokratischer Tugendbegriff von einem basisdemokratisch begründeten Gemeinsinn unterschieden. (ICA2)

Die "Politische Theorie und Ideengeschichte" kann eine Klammerfunktion für auseinanderdriftende Richtungen der Politikwissenschaft haben, die allerdings mit der Distanzierung von geisteswissenschaftlich orientierten Ansätzen im Zuge der Szientifizierung des Fachs verloren gegangen ist. In diesem Sinne werfen die Verfasser einen kritischen Blick auf Geschichte und methodologische Orientierung der "Politischen Theorie und Ideengeschichte". Sie votieren für eine Trias von historisch-analytischer Perspektive, Zeitdiagnose und Reformorientierung, für die zur Illustration die theoretischen Analysen Alexis de Tocquevilles herangezogen werden. Tocqueville steht exemplarisch für die Schulung der eigenen Problemperzeption in der Rekonstruktion der spezifischen Problembearbeitungskompetenz einer Theorie. Die Verfasser beschließen ihre Überlegungen zur Rolle und zur politisch-gesellschaftlichen Relevanz der "Politischen Theorie und Ideengeschichte" mit ideengeschichtlichen Überlegungen zur Zivilreligion. (ICE2)

In einer historischen Analyse wird gezeigt, dass öffentliche Elitedebatten in der Bundesrepublik Deutschland durchaus eine Tradition haben. Zu deren Besonderheiten gehört, dass diese Thematisierungen meist kurzatmig waren und dass durch die nationalsozialistische Inanspruchnahme des Elitegedankens dieser Terminus in der politischen Sprache hochgradig belastet war. Erst in den letzten Jahren scheint Elite eine "normale" Vokabel geworden zu sein. Es wird dargestellt, dass sich der Bezugsrahmen in den bisherigen Debatten wesentlich verändert hat, und zwar durch eine sukzessive Trennung vom Staats- und vom Gemeinschaftsbegriff, eine weite Fassung von Eliten innerhalb der Gesellschaft und die beginnende Ablösung vom Muster nationalstaatlich verfasster Gesellschaften. Die Entnormativierung des Elitebegriffs ist ein Weg, auf dem für die bundesdeutsche Elitefiguraton und die Eliten-Diskurse das Problem der Integration - sowohl der Eliten untereinander als auch ihre Integration in die Gesellschaft - in verschiedenen Variationen stets eine erhebliche Bedeutung hatte. (GB). Die Untersuchung bezieht sich auf den Zeitraum 1945 bis 2005.

In einer historischen Analyse wird gezeigt, dass öffentliche Elitedebatten in der Bundesrepublik Deutschland durchaus eine Tradition haben. Zu deren Besonderheiten gehört, dass diese Thematisierungen meist kurzatmig waren und dass durch die nationalsozialistische Inanspruchnahme des Elitegedankens dieser Terminus in der politischen Sprache hochgradig belastet war. Erst in den letzten Jahren scheint Elite eine "normale" Vokabel geworden zu sein. Es wird dargestellt, dass sich der Bezugsrahmen in den bisherigen Debatten wesentlich verändert hat, und zwar durch eine sukzessive Trennung vom Staats- und vom Gemeinschaftsbegriff, eine weite Fassung von Eliten innerhalb der Gesellschaft und die beginnende Ablösung vom Muster nationalstaatlich verfasster Gesellschaften. Die Entnormativierung des Elitebegriffs ist ein Weg, auf dem für die bundesdeutsche Elitefiguraton und die Eliten-Diskurse das Problem der Integration - sowohl der Eliten untereinander als auch ihre Integration in die Gesellschaft - in verschiedenen Variationen stets eine erhebliche Bedeutung hatte. (GB)

Eliten sind im letzten Jahrzehnt in Deutschland wieder im Gespräch. Ihre Notwendigkeit und Förderung ist zu einem beliebten Thema der Reformdiskussion geworden. In den Beiträgen wird die abnehmende Bedeutung traditioneller und die Entstehung neuer Eliten mit neuen Handlungsspielräumen untersucht. Es zeigt sich, dass Skepsis angebracht ist gegenüber der Erwartung, eine Rückkehr zum Modell einer Elitengesellschaft könne die aktuellen Probleme lösen. Mit Beiträgen von Dirk Baecker, Rüdiger vom Bruch, Michael Hartmann, Karl Ulrich Mayer, Herfried Münkler, Armin Nassehi, Frank Nullmeier, Birger Priddat, Nico Stehr, Wolfgang Streeck und anderen.

Der Staat durchdringt alle Lebensbereiche, steht für die demokratische Ordnung, die wir uns gegeben haben – und muss immer wieder aufs Neue hinterfragt werden. Dieser Band versammelt Stimmen renommierter Vertreter aus Wissenschaft, Medien und Politik. Inwieweit prägt der Staat unser Selbstverständnis – als Staatsbürger, Steuerzahler, individuen? Wie sehr nehmen Medien und Berater Einfluss auf das staatliche Handeln, zuletzt in der Flüchtlingskrise? Warum birgt das Verhältnis von Staat und Religion in der pluralistischen Gesellschaft wieder Konflikte, etwa mit dem Islam? Angesichts von Extremismus, Globalisierung und weltpolitischen Verwerfungen ist diese Bestandsaufnahme nötiger dnen je. Ein Buch, das nicht zuletzt zeigt, wie die Demokratie zukunftsfähig gemacht werden kann.