Klimawandel: eine Herausforderung für die Wirtschaft : Handlungsoptionen für Industrieunternehmen in Deutschland
In: MA-thesis/Master
Inhaltsangabe: Einleitung: Menschliche Aktivitäten haben schon immer die Umwelt verändert, angefangen bei der Rodung der Wälder zum Gewinn von Siedlungsland, der Einleitung von Abwasser in Gewässer bis hin zur Deponierung von radioaktivem Abfall. Im Zuge der fortschreitenden Industrialisierung nahmen diese Aktivitäten zu, und die Auswirkungen wurden erkennbar. Eine Folge der Industrialisierung ist u.a. die steigende Emission von Treibhausgasen, die die Erwärmung der Erdoberfläche verursachen. Zu den Treibhausgasen zählen gemäß der internationalen Vereinbarung von Kyoto Kohlendioxid (CO2), Distickstoffoxid (N2O), Methan (CH4), teilhalogenierte Fluorkohlenwasserstoffe (H-FKW), fluorierte Kohlenwasserstoffe (FKW) und Schwefelhexafluorid (SF6). Die atmosphärische Konzentration dieser Treibhausgase wird durch menschliche Aktivitäten im Vergleich zu den natürlich vorkommenden Volumina erheblich erhöht. Lange wurden die mit den Klimaveränderungen verknüpften wissenschaftlichen Fragen nicht vorrangig behandelt. Erst seit den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts wurde den Aussagen der Klimatologen Beachtung geschenkt, die auf eine zunehmende Erwärmung des Planeten hinweisen. Heute ist die Tatsache, dass es einen Klimawandel gibt und dass dieser anthropogen verursacht wird, weithin akzeptiert. Lediglich über die Sensitivität des Klimas gegenüber steigenden Treibhausgaskonzentrationen und damit das Ausmaß des Temperaturanstiegs und der Auswirkungen sind die Klimaexperten verschiedener Meinungen. Die SRES-Hüllkurven beziehen sich auf die im Special Report on Emission Szenarios der zwischenstaatlichen Sachverständigengruppe über den Klimawandel (Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC)) berechneten sechs Emissionsszenarien. Diese prognostizieren eine Erhöhung der mittleren globalen Erdoberflächentemperatur bis zum Jahr 2100 zwischen 1,4 °C und 5,8 °C bezogen auf 1990. Obwohl die globale Jahresdurchschnittstemperatur während der vergangenen 100 Jahre nur um 0,6°C angestiegen ist, sind bereits heute zahlreiche Auswirkungen des Klimawandels spürbar: Gletscher sowie das arktische und antarktische Eis schmelzen ab, Permafrostböden tauen auf, der Meeresspiegel steigt, Vegetationsperioden verlängern sich, Tier- und Pflanzenarten verändern ihr Verbreitungsgebiet und Extremwetterereignisse nehmen zu. Weitere Beispiele für mögliche Auswirkungen sind in Anhang I aufgeführt. Allerdings geben diese Veränderungen laut Aussagen der meisten Wissenschaftler lediglich einen Vorgeschmack auf die Auswirkungen des zukünftigen Klimawandels. Als Reaktion auf den Klimawandel sind national wie international klimapolitische Aktivitäten in Gang gekommen. So finden beispielsweise regelmäßige internationale Klimaschutztreffen statt. Der IPCC sowie andere Arbeits-/Beratergruppen wurden gegründet und internationale Klimaschutzabkommen unterschrieben, beispielsweise das Kyoto-Protokoll. Die Kernaussage des vom ehemaligen Chefökonom der Weltbank Nicholas Stern veröffentlichen Stern Reviews - The Economics of Climate Change - lautet wie folgt: 'The benefits of strong, early action on climate change outweigh the costs'. Diese Meinung ist weithin akzeptiert und wird insbesondere von der Bundesregierung in ihren Maßnahmenplänen zum Klimaschutz aufgegriffen. Diese treffen zwar auch den deutschen Bundesbürger, vor allem aber die in Deutschland operierenden Wirtschaftsunternehmen. Dabei gehören Wirtschaftsunternehmen zu denjenigen, die durch gesetzliche Vorgaben eingeschränkt werden, denen sich aber auch Möglichkeiten, beispielsweise zur Kosteneinsparung, bieten. Besonders Industrieunternehmen haben in Deutschland eine besondere Bedeutung für die Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen. Günther Verheugen (Kommissar der Europäischen Union (EU) für Unternehmen und Industrie) sagte gegenüber der Zeitschrift Capital im Sommer 2007 zum Thema 'Ökologische Industriepolitik': 'Der scheinbare Gegensatz zwischen Wachstumspolitik und hohen Umweltstandards ist eines der großen Missverständnisse unserer Zeit. Ich bin entschieden für eine Neuorientierung: Wir sollten Wachstum und Beschäftigung stärker mit den Herausforderungen des Klimawandels verknüpfen'. Unabhängig davon, ob getroffene Maßnahmen aus klimapolitischen Vorgaben oder Druck innerhalb der Branche erzwungen werden oder aus Eigenmotivation entstehen, stellt sich die Frage, welchen Beitrag Industrieunternehmen aktiv zum Klimaschutz leisten können. Die zentralen Fragen der vorliegenden Studie lauten deshalb: -Welche internationalen Bemühungen um den Klimaschutz gibt es? -Was ist der derzeitige nationale Rahmen der Klimapolitik in Deutschland? -Wie hat sich das Umfeld der Unternehmen als Folge der Klimaänderungen gewandelt? -Wie kann sich ein Unternehmen strategisch unter dem Aspekt des Klimaschutzes positionieren? -Welche Chancen und Risiken ergeben sich aus dem Klimawandel für Unternehmen? -Wie können Unternehmen auf die nationalen Gesetzesvorgaben reagieren? -Durch welche Handlungen können Industrieunternehmen auf das Thema Klimaschutz reagieren und Wettbewerbsvorteile aufbauen und sichern? -Was ist zukünftig hinsichtlich des Klimaschutzes auf politischer Ebene zu erwarten? Der wissenschaftliche Beitrag dieser Studie besteht nicht in einer erneuten Zusammenfassung der Problematik 'Auswirkungen des Klimawandels', denn es existiert bereits eine Vielzahl von wissenschaftlichen Beiträgen zu diesem Thema. Dieses Papier gibt einen Einblick in die für Unternehmen relevanten Bereiche des Klimawandels. Diese benötigen Basiswissen im Bereich der internationalen sowie der nationalen Klimapolitik. Dabei wurde die aktuelle Literatur recherchiert und daraus die aus unserer Sicht wichtige Informationen sowie Handlungs-/Reaktionsmöglichkeiten ausgewählt, die für deutsche Unternehmen, die sich noch nicht im Speziellen mit Klimaschutz beschäftigt haben, wichtig sind. Weiterhin wird ein Ausblick auf die sich für die Zukunft abzeichnende Entwicklung der politischen Rahmenbedingungen gegeben. '87% der großen, global agierenden Unternehmen betrachten den Klimawandel als wirtschaftliches Risiko im Sinne von möglichen Produktionsunterbrechungen, steigenden Kosten als Folge staatlicher Eingriffe oder drohenden Wettbewerbs- und Imageproblemen.' Im Rahmen dieser Studie wird Organisationen bewusst gemacht, dass eine Positionierung ihrerseits in Hinblick auf den Klimawandel nötig ist, um die gefürchteten Risiken überschaubar zu machen. Aus dem Einblick in die Veränderungen der Unternehmensumwelt lässt sich ableiten, welche Strategien im Betrieb entwickelt und verfolgt werden können, um die unternehmensspezifischen Chancen und Risiken hinsichtlich des Klimawandels zu erkennen und zu nutzen. Der Kernbereich der Studie liegt in der Darstellung von Handlungsmöglichkeiten, die für die meisten deutschen Arbeitsstätten umsetzbar sind. Dabei wird in den einzelnen Kapiteln jeweils die Information dargestellt, die für Unternehmen zur Entscheidungsfindung benötigt wird. Dieses Buch spricht generell von Unternehmen in Deutschland. Diese Generalisierung verhindert es, Aussagen über die internen Einflüsse, z.B. Stärken und Schwächen eines spezifischen Betriebes, abzugeben. Dies ist auch so gewollt, da den Firmen in Deutschland lediglich Denkanstöße für den Bereich Klimaschutz vermittelt werden sollen. Die Umsetzung bleibt abhängig von der individuell gewählten Unternehmensstrategie. Die vorliegende Studie wurde rein theoretisch verfasst und gliedert sich in drei Teile. In Teil I werden bisherige internationale Bestrebungen in Bezug auf den Klimaschutz sowie die Grundlagen der Umweltschutzpolitik und Maßnahmen der Bundesrepublik zum Klimaschutz erläutert. Teil II beschreibt Grundlagen der Unternehmensführung hinsichtlich der Umfeldanalyse sowie Unternehmensstrategien. Nachfolgend werden speziell hinsichtlich des Klimawandels veränderte externe Faktoren der Umfeldanalyse aufgezeigt sowie beispielhaft Chancen und Risiken für verschiedene Branchen aufgelistet. In Teil III des Werkes werden drei mögliche Handlungsoptionen als Reaktion auf die veränderten Bedingungen in Deutschland vorgestellt.Inhaltsverzeichnis:Inhaltsverzeichnis: AbkürzungsverzeichnisVII AbbildungsverzeichnisIX TabellenverzeichnisX 1.EINLEITUNG1 1 1.1Problemstellung2 1.2Zielsetzung3 1.3Gliederung4 1.4Einschränkungen5 2.INTERNATIONALE KLIMAPOLITIK7 2.1Geschichte der internationalen Klimapolitik7 2.2Strategien einzelner Staaten16 2.2.1USA16 2.2.2EU17 2.2.3Schwellenländer18 2.2.4Entwicklungsländer19 2.2.5Ausblick19 3.KLIMAPOLITIK IN DEUTSCHLAND22 3.1Instrumentarien der Umweltschutzpolitik23 3.1.1Ordnungsrechtliche und ökonomische umweltpolitische Instrumente23 3.1.1.1Nichtfiskalische Instrumente24 3.1.1.2Fiskalische Instrumente25 3.2Klimaschutzmaßnahmen27 3.2.1Maßnahmen zur Emissionsreduktion29 3.2.1.1Immissionsschutzrechtliche Regelungen29 3.2.1.2Staatliche Maßnahmen im Verkehrsbereich30 3.2.1.3Emissionshandel31 3.2.2Energiepolitik in Deutschland32 3.2.2.1Anhebung der Energieeffizienzstandards32 3.2.2.2Förderung Kraft-Wärme-Kopplungstechnik34 3.2.2.3Ausbau erneuerbarer Energien34 3.2.2.4Ökologische Steuerreform35 3.2.2.5Energieverbrauchsetikett36 3.2.2.6Öko-Design-Richtlinie36 3.2.3Klimaschutzvereinbarungen mit der deutschen Wirtschaft37 4.STRATEGISCHE ANALYSE DER VERÄNDERUNGEN40 4.1Veränderte externe Faktoren - Makroumwelt41 4.1.1Ökologische Umwelt41 4.1.2Politisch-rechtliche Umwelt42 4.1.3Ökonomische Umwelt43 4.1.4Technologische Umwelt45 4.1.5Gesellschaftliche Umwelt46 4.2Veränderte externe Faktoren - Branchenumwelt46 4.3Chancen und Risiken47 4.3.1Gewinner- und Verliererbranchen47 4.3.2Energie50 4.3.3Versicherungsbranche / Finanzwirtschaft51 4.3.4Land- und Forstwirtschaft51 4.4Strategieentscheidung52 4.4.1Basisstrategien53 4.4.2Wettbewerbsstrategien54 4.4.3Risikostrategien55 5.HANDLUNGSOPTION ENERGIE58 5.1Die Bedeutung der Energiekosten für Unternehmen58 5.2Hemmnisse61 5.3Energiemanagement in Industrieunternehmen64 5.3.1Energiemanagement in der Aufbauorganisation67 5.3.2Energiemanagement in der Ablauforganisation69 5.3.3Verhaltensabhängige Energieeinsparung70 5.3.4Lastmanagement71 5.3.5Energie-Contracting72 5.3.5.1Energieliefer-Contracting72 5.3.5.2Energieeinspar-Contracting73 5.3.6Fuhrparkmanagement / Logistik74 5.3.7Optimaler Ersatzzeitpunkt von Anlagen75 5.4Technische Emissionsminderungspotenziale77 5.4.1Austausch fossiler Energieträger78 5.4.2Nutzung regenerativer Energien79 5.4.2.1Solarthermie80 5.4.2.2Photovoltaik80 5.4.2.3Bioenergieträger81 5.4.2.4Geothermie82 5.4.2.5Wasserkraft83 5.4.2.6Windkraft83 5.4.3Kraft-Wärme-(Kälte-)Kopplung84 5.4.4Wärmepumpe / Wärmetauscher87 5.4.5Steigerung der Energieeffizienz von Anlagen88 5.4.6Gebäudeoptimierung am Beispiel Beleuchtung89 5.4.7CO2-Abscheidung und -Speicherung92 6.HANDLUNGSOPTION UMWELTORIENTIERTE PRODUKTENTWICKLUNG94 6.1Top-Runner-Ansatz und EuP-Richtlinie95 6.2CO2-Fußabdruck (Carbon Footprint)96 6.3Minimierung des CO2-Fußabdrucks in den Produktlebensphasen97 6.4Praktische Umsetzung im Entwicklungsprozess99 6.4.1Ideen-Delphi101 6.4.2Morphologischer Kasten102 6.4.3Kumulierter Energieaufwand (KEA)103 6.4.4Öko-FMEA104 6.4.5MIPS Analyse105 7.HANDLUNGSOPTION UMWELT-(KLIMASCHUTZ-) MARKETING107 7.1Umweltorientiertes Marketing107 7.2Klimaschutz-Marketing108 7.3Strategisches Umwelt-Marketing109 7.3.1Marketingforschung109 7.3.2Marketingkonzept112 7.3.3Marktsegmentierung113 7.3.4Positionierung/Timing115 7.4Operatives Umwelt-Marketing116 7.4.1Produktpolitik116 7.4.2Kommunikationspolitik117 7.4.2.1Werbung118 7.4.2.2Verkaufsförderung119 7.4.2.3Öffentlichkeitsarbeit119 7.4.3Distributionspolitik120 7.4.3.1Umweltfreundliche Logistik / Absatzkanäle120 7.4.3.2Redistributionssysteme121 7.4.4Kontrahierungspolitik121 7.5Praktische Anwendungsmöglichkeiten des 'Klimaschutz-Marketings'122 7.5.1Positive Imagewirkung der Nutzung regenerativer Energien123 7.5.2CO2-Reduktion als Marketinginstrument123 7.5.3Klimazertifikate125 7.5.4Carbon Disclosure Project126 7.5.5Energieverbrauchsetikett127 8.ZUSAMMENFASSUNG128 9.FAZIT130 Literaturverzeichnis131 Anhang140Textprobe:Textprobe: Kapitel 2.2, Strategien einzelner Staaten: Wie bereits deutlich geworden, unterscheiden sich die Einstellung zum und die Herangehensweise an den Klimaschutz verschiedener Staaten eklatant. Konträrer als die Haltung der USA und Deutschlands können Denkweisen nicht sein. Im Folgenden werden kurz die Positionen der USA, EU, Schwellen- und Entwicklungsländer dargestellt. USA: Im Februar 2002 wurde das nationale Klimaschutzprogramm der USA verabschiedet. Durch dieses sollten die Treibhausgasemissionen u.a. durch Steueranreize um 18 % bis zum Jahr 2012 gesenkt werden. Bei einem erwarteten 3 %igen Wirtschaftswachstum pro Jahr würden die Emissionen um weitere 12 % steigen und damit 2012 um 24,5 % über denen von 1990 liegen. Würden sich die USA dem Kyoto-Protokoll anschließen, müssten sie in diesem Zeitraum die CO2-Emissionen um 7 % senken. Die USA bleiben somit bei der eingeschlagenen Strategie, die sie folgendermaßen erläuterten: 'Während die übrigen Industriestaaten eine Strategie (Emissionsbegrenzung) verfolgten, hätten sich die USA für eine andere Strategie (keine Emissionsbegrenzung) entschieden, und es sei noch immer zu früh, um zu beurteilen, welcher Ansatz überlegen sei.' Allerdings wurden auch in den USA Gegenstimmen laut. So legte der republikanische Senator John McCain aus Arizona im Oktober 2003 einen Gesetzesentwurf vor, der vorsah, dass die USA ihre Treibhausgasemissionen bis 2010 auf den Stand von 2000 und bis 2016 auf den Stand von 1990 reduzieren sollen. Dieser Vorschlag wurde zweimal vom Senat abgelehnt. Die Tatsache, dass die USA das Kyoto-Protokoll nicht ratifiziert haben und die Strategie, die auf nationaler Ebene verfolgt wird, führten aber dazu, dass auf kommunaler Ebene vielfältige Initiativen zum Klimaschutz ergriffen wurden. Wie beispielsweise in der Stadt Burlington (Vermont) in der seit 2002 eine Energiesparkampagne mit dem Titel "Zehn Prozent weniger" läuft, die sich eine Reduktion der Treibhausgase um 10 % als Ziel gesetzt hat. Oder im größeren Umfeld der Klimaschutzpakt der Bürgermeister in den USA, dem sich bis heute 170 Bürgermeister der USA angeschlossen haben. Ziel dieses Paktes ist die Bemühung, die Kyoto-Vorgaben in den jeweiligen Kommunen zu erreichen oder zu übertreffen. Auch auf Ebene der Bundesstaaten finden zahlreiche Klimaschutzaktivitäten statt. So unterzeichnete beispielsweise Gouverneur Arnold Schwarzenegger 2005 für Kalifornien eine Verordnung, nach der die Treibhausgasemissionen bis 2010 auf den Stand von 2000 und bis 2020 auf den Stand von 1990 zurückgeführt werden sollen. Inzwischen haben 29 US-Bundesstaaten Klimaschutzpläne und Energiesparpläne verabschiedet. Die US-Bundesstaaten und -Kommunen sind so zu wichtigen Klimaschutzakteuren geworden. EU: Ganz anders als die USA geht die EU mit dem Thema Klimaschutz um. Ziel der EU ist es, den durchschnittlichen Temperaturanstieg gegenüber dem vorindustriellen Niveau auf höchstens zwei Grad zu begrenzen. Ein Ziel, das immer wieder durch die Staats- und Regierungschefs bestätigt wurde. Damit nimmt und nahm die EU, und innerhalb der EU insbesondere Deutschland, eine Vorreiterrolle im Klimaschutz ein. Diese Vorreiterrolle wurde beispielsweise von Deutschland bekräftigt, das auf der 8. COP international bekannt gab, dass es bereit sei, seine Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2020 um 40 % zu reduzieren, wenn die EU sich verpflichte, ihre Emissionen um 30 % zu reduzieren, und andere Industrieländer vergleichbar ehrgeizige Ziele formulierten. Im Februar 2007 wurden schließlich unter deutscher Präsidentschaft im EU-Umweltrat ehrgeizige Klimaschutzziele bis 2020 verabschiedet: Der Europäische Rat beschloss, dass die EU im Rahmen eines internationalen Abkommens ihre Treibhausgasemissionen gegenüber 1990 um 30 % bis 2020 senken wolle, wenn sich andere Industriestaaten zu vergleichbaren Anstrengungen verpflichteten und die Schwellenländer sich angemessen beteiligten. Unabhängig von internationalen Vereinbarungen hat sich die EU bereits jetzt verpflichtet, ihre Treibhausgasemissionen bis 2020 um mindestens 20 % gegenüber 1990 zu mindern. Schwellenländer: Bisher sind die großen Schwellenländer wie China, Indien und Brasilien im Kyoto-Protokoll als Entwicklungsländer eingestuft. Sie sind somit nicht zu einer Reduktion der Treibhausgasemissionen verpflichtet, obwohl sie das Kyoto-Protokoll unterzeichnet haben. Historisch gesehen sind die Schwellenländer auch nur geringfügig am Klimawandel beteiligt, so entfallen auf China ca. 10 % der Verantwortung für den Klimawandel von 1950 bis 2002. Allerdings sind gerade China und Brasilien schon jetzt für rund 15 % der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich. Aus Hochrechnungen der Wachstumsraten ergibt sich, dass China schon 2009 die USA als bisher größten CO2-Emittenten der Welt überholt haben wird. Die Sorge, dass das Wirtschaftswachstum durch Anstrengungen zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen gebremst werden könnte, führte in der Vergangenheit jedoch zu einer Zurückweisung jeglicher Reduktionspflichten. Insbesondere in China beginnt sich diese Haltung jedoch zu verändern, da nach Expertenmeinung die momentanen und zukünftigen Klimaveränderungen die chinesische Wirtschaft jährlich 200 bis 300 Milliarden Yuan, umgerechnet 20 bis 30 Milliarden Euro, kosten wird. Dies entspricht bis zu fünf Prozent des chinesischen Bruttoinlandsprodukts. Verantwortlich für diese Kosten sind vor allem zunehmende Dürre- und Überschwemmungskatastrophen. So wurde der chinesischen Regierung bereits vor einem Jahr von einer Gruppe aus der Akademie der Wissenschaften ein Vorschlag zur Bewältigung der Umweltprobleme vorgelegt. Empfohlen wurde eine Verbindung von technischer Innovation, institutionellen Reformen und neuen Preis- und Steuermechanismen. Für 2007 hat die chinesische Regierung ein Programm zur Reduzierung der Treibhausgase angekündigt, das verschiedene staatliche Stellen einbezieht. Schon der laufende Fünfjahresplan hatte eine Senkung des Energieverbrauchs bis 2010 um 20 % versprochen. Es ist geplant, bis Sommer 2008 in Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen in Peking die erste Emissions-Börse außerhalb Europas und den USA zu eröffnen. Sie soll den Markt für Emissionshandel für China weiter öffnen. Mit dem Einsatz moderner Technologien zum Einsparen von Treibhausgasen könnten dann die Emissions-Ersparnisse gewinnbringend an andere Unternehmen weiterverkauft werden. Nach UN-Angaben könnten bis 2012 bis zu 41 % aller Emissionsgeschäfte auf China entfallen. Auch im Bereich erneuerbare Energien geht China voran. Das Land wurde im Jahr 2005 mit der Investition von sechs Milliarden USD von weltweit 38 Milliarden USD zum größten Investor in diesem Bereich. Bis 2020 kündigte China weitere 150 Milliarden Euro in Wasserkraft, Windkraft, Solarenergie und Biomasse zu investieren. Entwicklungsländer: Die Entwicklungsländer sind von den Folgen des globalen Klimawandels am stärksten betroffen und besitzen zugleich keine ausreichenden finanziellen Mittel und Möglichkeiten, um die Auswirkungen zu handhaben. Deshalb drängen sie auf eine stärkere Beteiligung bei den internationalen Beratungen zum Klimaschutz. Aus diesem Grund war der Umgang mit den Entwicklungsländern schon auf zahlreichen Vertragsstaatenkonferenzen ein Thema. So war beispielsweise die 4. COP in Buenos Aires geprägt von der Diskussion, ob auch Entwicklungsländer zu einer Reduktion ihrer Treibhausgasemissionen verpflichtet werden sollten. Ausgelöst wurde diese Diskussion von Argentinien, das erklärte, auf der nächsten Konferenz eine freiwillige Reduktionsverpflichtung zu übernehmen. Viele andere Entwicklungsländer wehren sich gegen die Festlegung von Reduktionsverpflichtungen. Sie beziehen sich dabei auf das in der Konvention festgelegte Prinzip der gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortung von Industrie- und Entwicklungsländern. Auch aus diesem Grund wurde immer wieder, und besonders auf der 10. COP in Buenos Aires, über den Bedarf an finanziellen Mitteln und personellen Kapazitäten beraten, der in den Entwicklungsländern besteht, um Klimaschutzmaßnahmen und einen effizienten Technologietransfer zu gewährleisten. Ausblick: Wie oben beschrieben ist beim Klimaschutz ein Umdenken in vielen Ländern erkennbar. So stehen beispielsweise in China mittlerweile klimapolitische Themen weiter oben auf der Agenda, und mit den Neuwahlen Ende 2008 in den USA ist eine Wende in der amerikanischen Klimapolitik möglich. Dennoch treffen auch heute noch, wie früher in der Geschichte der internationalen Klimapolitik, verschiedene Meinungen und Herangehensweisen aufeinander. So gibt es derzeit Meinungsverschiedenheiten zwischen denjenigen, die beim Klimaschutz allein auf technologische Entwicklungen setzen, und denjenigen, die vor allem über anspruchsvolle Zielsetzungen die Entwicklung vorantreiben wollen. Sicher wird für eine sinnvolle und wirksame Klimapolitik das Zusammenwirken beider Komponenten benötigt. Beispielsweise brennen seit vielen Jahren unterirdische Kohleflöze in China, deren CO2-Emission auf 2-3 % der weltweiten CO2-Emissionen geschätzt wird. Internationale Anstrengungen, hauptsächlich gefördert durch Kommunikation, gemeinsame Zielsetzungen und Verbesserungen der Technologien, sind nötig, um diesen Ausstoß zu stoppen. Vielleicht wäre ein Technologieabkommen innerhalb der Klimarahmenkonvention ein möglicher Weg zur Verbesserung der internationalen Klimaschutzbemühungen. Gleichzeitig müsste aber das internationale Recht bezüglich des geistigen Eigentums angepasst werden, denn häufig stehen Patent- und Exklusivrechte der Verbreitung neuer Technologien im Wege. Weitere wichtige Schritte für die internationale Klimapolitik wären der Abschluss eines neuen internationalen Abkommens über Energieeffizienz zur Untermauerung gemeinsamer Anstrengungen sowie die Trennung von Netzbetreiber und Versorger/Erzeuger für Elektrizität und Gas, um mehr Wettbewerb in den einzelnen Ländern und auf dem europäischen Markt zu erreichen. Bis heute ermöglichen die Leitungsmonopole den Stromkonzernen die Konkurrenten klein und die Preise hoch zu halten. Auch der im Kyoto-Protokoll festgelegte Emissionshandel ist immer wieder Bestandteil von internationalen Diskussionen und Verhandlungen. So wird beispielsweise in Bezug auf die Erweiterung des Emissionshandels verstärkt darüber diskutiert, dass sowohl der Flugverkehr als auch die Seeschifffahrt in den europäischen Emissionshandel einbezogen werden sollen. Der EU-Umweltkommissar Stavros Dimas hat im Jahr 2007 einen Richtlinienentwurf eingereicht, nach dem ab 2011 jede Fluggesellschaft eine bestimmte Anzahl Emissionsrechte erhalten soll, orientiert am durchschnittlichen Verbrauch je transportierter Tonne der Jahre 2004-2006. Diese Zurückdatierung würde solche Fluglinien bevorzugen, die ihre Flugzeugflotte in den letzten Jahren erneuert haben. Vertreter mehrerer europäischer Regierungen, der EU-Kommission, der portugiesischen EU-Präsidentschaft sowie mehrerer amerikanischer Bundesstaaten und kanadischer Provinzen haben im Jahr 2007 eine internationale Partnerschaft zum Emissionshandel vereinbart. Ziel dieser Initiative namens ICAP (International Carbon Action Partnership) ist die Vernetzung der in verschiedenen Teilen der Welt existierenden und geplanten Emissionshandelssysteme. Derzeit liegt der Preis für eine Tonne gehandeltem CO2 in Europa bei 23 Euro. Laut IPCC würde bereits ein Preis von 100 USD pro Tonne CO2 ausreichen, um bis 2030 zwischen 30 und 60 Prozent des Ausstoßes klimaschädlicher Emissionen zu vermeiden. Demzufolge sind weitere Maßnahmen dringend notwendig, um über den Preis für den Zukauf von Kohlendioxidausstoßrechten eine Verhaltensänderung bei Unternehmen zu bewirken. Auch der Ausbau der CO2-Speichertechnologien (Carbon Dioxide Capture and Storage - CCS) könnte zu einem starken Instrument zur Emissionsreduktion werden. Die Option, CO2 an großen Kohlekraftwerken einzufangen und in geologischen Schichten oder dem Meer zu speichern, eröffnet die Möglichkeit weiterhin fossile Energieträger zu nutzen, ohne CO2 in die Luft entweichen zu lassen. Die EU fördert diese Technologie und plant derzeit zwölf CCS-Demonstrationskraftwerke zu bauen.