Globalisierung und Gesellschaft
In: Aus Politik und Zeitgeschichte: APuZ, Heft B 18, S. 3-10
Abstract
"Mit dem Schlag- und Modewort 'Globalisierung' werden unterschiedliche Prozesse bezeichnet: die wachsende Interdependenz der Welt (Globalisierung i.e.S.), der Wirkungsverlust nationaler Grenzen (Internationalisierung) und das Entstehen von staatlicherseits nicht kontrollierbaren Akteuren und Handlungsebenen (Transnationalisierung). Diese Prozesse wirken zusammen und beeinträchtigen die vorherrschende Identifikation von Nationalstaat und Gesellschaft. Dennoch verschwindet der Nationalstaat nicht als zentrale Ebene der Zurechnung politischer Entscheidungen, er verliert jedoch an Autonomie und sieht sich im Interesse seiner Erhaltung zu Souveränitätsverzichten genötigt. Viele der skizzierten Entwicklungen stehen in historischer Kontinuität zu den seit dem Hochmittelalter beobachtbaren Entwicklungen komplexerer und dynamischer Muster sozialer Ordnung. Neu ist dagegen der Autonomiegewinn der Finanzmärkte, deren Transaktionen sich zunehmend staatlicher Kontrolle und Besteuerung entziehen, ja die selbst zur Kontrollinstanz staatlicher Wirtschaftspolitik werden. Globalisierung führt nicht notwendigerweise zur Erosion von Solidarität, sondern zu einer Differenzierung der Solidaritätshorizonte. 'Gesellschaft' als scheinbar einheitlicher und gemeinsamer Horizont von Handlungsmöglichkeiten löst sich auf, nicht aber das menschliche Zusammenleben. Die unterschiedliche Reichweite von verschiedenen Sektoren menschlichen Zusammenlebens wird bewußtseinsfähig. Örtliche, regionale, nationale und transnationale Bezüge treten stärker auseinander. Soll die daraus resultierende Multiplizierung der Solidaritätshorizonte nicht zu blockierenden Entwicklungen führen, so ist eine bewußte Entkoppelung verschiedener politischer Zuständigkeitsebenen anzustreben, d.h., die 'Politikverflechtung' muß reduziert werden." (Autorenreferat)
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Deutsch
ISSN: 0479-611X
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