Aufsatz(gedruckt)2006

Zwischen "Unternehmerin ihrer selbst" und fürsorgender Weiblichkeit: Regierungstechniken und weibliche Subjektkonstruktionen im Neoliberalismus

In: Beiträge zur feministischen Theorie und Praxis, Band 29, Heft 68, S. 49-60

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Abstract

"Mit der 'Krise des Fordismus' (Lipietz 1985, S. 125 ff.) Ende der 1970er Jahre einhergehend, geriet auch das Modell des nationalen, keynesianischen Sozialstaats in die Krise. Seither werden unter verschiedenen Schlagwörtern - Postfordismus, Neoliberalismus, Globalisierung - die Transformationsprozesse in Ökonomie, Politik und Gesellschaft sowie die Veränderung des Verhältnisses jener Sphären zueinander innerhalb der Sozialwissenschaften kontrovers diskutiert. Gängige Interpretationsweisen dieser Transformationsprozesse nehmen an, dass die ökonomische Entwicklung dabei als Antrieb für einen generellen Wandel von Politik in den und zwischen den Nationalstaaten gilt. Neoliberalismus wird dabei zumeist als apolitisches oder antistaatliches Projekt bezeichnet (vgl. dazu Held et al. 2001, Strange 1996, Zürn 1998). Derartige Auffassungen der gegenwärtigen Transformationsprozesse basieren auf der Vorstellung, dass gesellschaftliche Entwicklungen sich autonom und gleichsam naturwüchsig ereignen. Ökonomischer und gesellschaftlicher Wandel wird dabei als von politischer Steuerung unabhängig konzipiert. Diese Annahme erachtet die Verfasserin jedoch als unzulänglich, da nach ihrem Dafürhalten ökonomische und gesellschaftliche Transformationsprozesse nicht unabhängig von politischer Führung zu denken sind. In Abgrenzung zu Interpretationen, die den politischen Charakter der gegenwärtigen Transformationsprozesse ausblenden, möchte die Verfasserin vorschlagen, die gegenwärtigen neoliberalen Umbauprozesse des Staates und der polit-ökonomischen Rahmenbedingungen als politisches Projekt zu verstehen, das eine Transformation von staatlichen Regierungsformen bedeutet (vgl. dazu auch Sauer 2003). Den gegenwärtigen neoliberalen Veränderungen liegt, so die These der Verfasserin, die Sie im Folgenden exponieren möchte, eine Veränderung der Rationalität zugrunde, über welche die Subjekte regiert werden. Diese neoliberale Regierungsrationalität zeichnet sich insbesondere dadurch aus, dass die Logik des Marktes in expliziter Form zum Prinzip des Regierungshandelns sowie der Organisation von Gesellschaft wird (vgl. dazu auch Bröckling et al. 2000, S. 15). Diese Regierungsrationalität ist jedoch nicht geschlechtsneutral und bedeutet daher sowohl, dass sich die Geschlechterverhältnisse - als fundamentale gesellschaftliche Regelungsverhältnisse gedacht - verändern, als auch, dass sich die 'Anrufungen' (Althusser 1977) der weiblichen Subjekte verändern und sich in die weiblichen Subjektkonstruktionen neue Widersprüchlichkeiten einschreiben. Im Folgenden möchte die Verfasserin daher in einem ersten Schritt aufzeigen, wie über eine Zusammenführung von hegemonietheoretischen und gouvernementalitätstheoretischen Überlegungen ein Instrumentarium gewonnen werden kann, mittels welchem analytisch fassbar wird, wie sich Regierungstechniken und damit einhergehend weibliche Subjektkonstruktionen im Neoliberalismus ändern. In einem zweiten Schritt möchte die Verfasserin mit diesem Instrumentarium die geschlechterpolitische Strategie des Gender Mainstreamings als Feld von Führungstechniken und Selbstführungen auf die Frage hin untersuchen, welche Regierungsrationalität und weibliche Subjektanrufungen in dieser vermittelt werden. Der Begriff 'Subjektanrufung' wurde von Althusser (1977) geprägt und beschreibt die gesellschaftliche Erzeugung der Subjekte, die erst durch die Anrufung zu diesen werden. Aus einer geschlechtertheoretischen Perspektive bedeutet dies, dass bestimmte Vorstellungen von 'Weiblichkeit' und 'Männlichkeit' sowie 'weiblichen' und 'männlichen' Eigenschaften und Zuständigkeiten in Politik, Kultur ebenso wie in den alltäglichen Praxen transportiert werden, die die Individuen als vergeschlechtlichte Subjekte anrufen. Durch die Übernahme dieser Anrufungen werden die Individuen erst zu weiblichen und männlichen Subjekten. Dabei geht die Verfasserin nicht davon aus, dass sich gegenwärtig eine bereits gefestigte 'neoliberale Hegemonie' konstatieren lässt. Vielmehr begreift die Verfasserin das neoliberale Projekt als Phase des Übergangs vom Fordismus zum Postfordismus, die bislang noch nicht als abgeschlossen gelten kann. Was sich gegenwärtig beobachten lässt, sind Versuche, diese Krisenhaftigkeit zu überwinden und neue Formen des Regierens auszuformulieren. Im Anschluss an K. Pühl fasst die Verfasserin den Neoliberalismus daher als 'ein Projekt der Umarbeitung als fordistisch bezeichneter Reproduktions- und Produktionsstrukturen sowie der darauf bezogenen gesellschaftlichen Verhältnisse' (Pühl 2003, S. 113), welches in seiner Ausgestaltung noch grundsätzlich offen ist, wenngleich sich in diesen 'Suchprozessen' eine bestimmte Tendenz bereits erkennen lässt (vgl. ähnlich dazu Brand, Görg 2000, S. 87)." (Textauszug)

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