Gesetzliche Mengensteuerung stationärer Leistungen - Krankenhausabrechnungsdaten als empirische Grundlage zur Analyse mengenanfälliger und nicht mengenanfälliger Leistungen ; Statutory volume control of inpatient services - using hospital discharge data as an empirical base for the analysis of volum...
Hintergrund: Mit Einführung der fallpauschalierenden Diagnosis Related Groups (DRG) im Jahr 2003 wurde die bis dahin bestehende Kostenorientierung des deutschen Vergütungssystems von einer Leistungsorientierung abgelöst. Das DRG-System zielt mit seinen Anreizwirkungen auf eine effizientere Erbringung der Leistungen und ermöglicht gleichzeitig Leistungsverlagerungen zwischen den Kliniken. Neben solchen beabsichtigten Mengenveränderungen werden jedoch auch Tendenzen zur Über- und Fehlversorgung bzw. Indikationsausweitung vermutet, welche dem Grundsatz der Bedarfsgerechtigkeit (§ 70 SGB V) im gesetzlichen Gesundheitssystem widersprechen. Mit dem Krankenhausstrukturgesetz 2016 wurden nun gezielt Instrumente zur Mengensteuerung einzelner stationärer Leistungen etabliert, die über Bewertungsabsenkungen am fallpauschalierenden Finanzierungssystem der DRGs ansetzen. Hierüber soll nicht indizierten Leistungsausweitungen begegnet werden. Eine objektive Versorgungslast ist medizinisch in vielen Bereichen kaum zu ermitteln. Über Analysen der Versorgungssituation anhand vorhandener Krankenhausabrechnungsdaten lässt sich aber die Leistungsentwicklung verfolgen und es lassen sich demografische von anderen Einflüssen trennen. Damit können Anhaltspunkte für möglicherweise bestehende Über-, Unter- und Fehlversorgungen gewonnen werden. Die Krankenhausabrechnungsdaten (DRG-Statistik) ermöglichen für den stationären Bereich solche Analysen, die dazu beitragen können, Trends mengenanfälliger und nicht mengenanfälliger Leistungen im Sinne der Bedarfsgerechtigkeit zu identifizieren. Methodik: Die vorliegende kumulative Dissertation nutzt die DRG-Statistik auf Fallebene (Mikrodaten) in drei Projekten, um Mengenentwicklungen und regionale Unterschiede einzelner stationärer Behandlungs- und/oder Eingriffsarten detailliert zu analysieren. Als Beispiel potentiell von einer Fallzahlsteigerung betroffenen Leistung wurden stationäre Behandlungs- und/oder Eingriffsarten im Wirbelsäulenbereich gewählt. Als Beispiel für Leistungen ohne die Vermutung einer Leistungsausweitung wurden Amputationen der unteren Extremität herangezogen. Abschließend wird anhand der im Jahr 2016 zum ersten Mal getroffenen politischen Entscheidungen zur Definition mengenanfälliger (§ 9 Abs. 1c KHEntgG) und nicht mengenanfälliger Leistungen (§ 9 Abs. 1 Nummer 6 KHEntgG) diskutiert, inwieweit sich Analysen auf Basis der Mikrodaten eignen, um solche Definitionen empirisch zu unterlegen. Ergebnisse: Die vorgestellten Manuskripte konnten zeigen, dass sich die Mikrodaten der DRG-Statistik eignen, um retrospektiv bis zum Jahr 2005 Fallzahlentwicklungen einzelner Behandlungen deskriptiv zu beschreiben. Über eine geschlechts- und altersspezifische Standardisierung kann der Anteil der demografisch bedingten Veränderung und somit näherungsweise die dadurch bedingte Bedarfsentwicklung geschätzt werden. Inwieweit der nicht-demografisch bedingte Anstieg wirtschaftlichen Anreizen folgt oder aber durch Entwicklungen der medizinischen Behandlungsverfahren bedingt ist, kann anhand der DRG-Statistik nicht abschließend beurteilt werden. Die Analysen der nicht-demografisch bedingten Entwicklungen können aber detaillierte Informationen über die Indikationen und Verfahren liefern, bei denen sich Veränderungen ergeben haben. Schlussfolgerung: Analysen der DRG-Statistik können Trends für mengenanfällige und nicht mengenanfällige Leistungen identifizieren. Kleinräumige Analysen helfen ferner, anhand regionaler Versorgungsunterschiede Hinweise auf Über- und Unterversorgungsprobleme zu finden. Dies ermöglicht es den Fachvertretern, unter Berücksichtigung bekannter Veränderungen der Behandlungskonzepte und ggf. der Leitlinien, die medizinische Sinnhaftigkeit von Veränderungen zu beurteilen. Zur Interpretation der nicht-demografisch bedingten Fallzahlentwicklung sind dabei neben wirtschaftlichen Anreizen insbesondere Prävalenzentwicklungen der zugrundeliegenden Erkrankungen, neue Behandlungstechniken, medizinisch begründete Indikationsausweitungen und Veränderungen in der Erwartungshaltung der Patienten zu diskutieren. ; Background: With the introduction of the Diagnosis Related Groups (DRGs) in 2003, the existing cost orientation of the German hospital payment system was replaced by a performance oriented system. With its incentive effects, the DRG-System aims at an efficient provision of services and at the same time makes it possible to shift services between hospitals. In addition to intended changes in case volumes, however, tendencies towards overuse and misuse or expansion of indications are also suspected, which undermine the principle of need-based supply (§ 70 SGB V) in the statutory health system. The Hospital Structure Act of 2016 (Krankenhausstrukturgesetz) established targeted instruments for controlling the volume of individual inpatient services. Those instruments lower the relative weight of certain DRGs. This is intended to compensate for non-indicated case increases. An objective need of supply can hardly be determined medically in many areas. By analysing the care situation on the basis of existing hospital discharge data, however, it is possible to monitor the development of services and separate demographic from other influences. This can provide clues for possible overuse, underuse and misuse. The hospital discharge data (DRG-Statistics) enable inpatient analyses that can help identify trends in "volume sensitive" and "non volume sensitive" services in terms of need-based supply. Methodology: This cumulative dissertation uses the DRG-Statistics at case level (microdata) in three projects to analyse in detail volume developments and regional differences of individual inpatient treatment and/or intervention types. As an example of potentially volume sensitive services inpatient teatments for spinal disease were chosen. As an example for services without the assumption of volume sensitivity amputations of the lower limb were analysed. Finally, this dissertation will use the unprecedented political decisions from 2016 on the definition of volume sensitive (§ 9 para. 1c KHEntgG) and non volume sensitive services (§ 9 para. 1 no. 6 KHEntgG) to discuss whether analysis on the basis of the DRG-Statistics could be used to rationalise such definitions. Results: The manuscripts presented show that the microdata of the DRG-Statistics are suitable for describing case number developments of individual treatments retrospectively up to the year 2005. By means of gender and age specific standardisation, the proportion of demographically induced changes and thus the approximate development of the need of supply can be estimated. The extent to which the non-demographic increase follows economic incentives or is due to developments in medical teatment procedures cannot be conclusively assessed on the basis of the DRG-Statistics. However, the analyses of non-demographic developments can provide detailed information on the indications and procedures that have changed. Conclusion: Analyses of the DRG-Statistics can identify trends for volume sensitive and non volume sensitive services. Small-scale analyses also help to find indications of over- and undersupply poblems on the basis of regional supply differences. This enables the experts to assess the medical significance of changes, taking into account known changes in treatment concepts and guidelines. In order to Interpret the non-demographic development of the number of cases, special prevalence trends of the uderlying diseases, new treatment techniques, medically justified extensions of indications and changes in patient expectations must be discussed in addition to economic incentives.