Im folgenden Beitrag wird versucht, Eckpunkte des indischen Bildungswesens zunächst im Kontext historischer und gesellschaftlicher Aspekte zu beschreiben. Daran anknüpfend wird die Geschichte des indischen Bildungswesens dargestellt (Kap. 2). Das dritte Kapitel befasst sich ausführlich mit dem heutigen Bildungswesen. Im vierten Kapitel werden schließlich aktuelle Herausforderungen als Zukunftsaufgabe erläutert. (DIPF/Orig.)
Indien gilt in Bezug auf die Bevölkerungszahl als die größte Demokratie der Welt. Es gibt eine Vielzahl politischer Parteien, die – wie in anderen etablierten bzw. gefestigten Demokratien auch – sich in einem politischen Wettbewerb miteinander befinden, der nach demokratischen Regeln ausgetragen wird. In Indien ist auch die Existenz und Pluralität von Interessenorganisationen weitgehend gewährleistet. Es besteht ferner eine unabhängige und eigenständige Justiz. Positiv hervorzuheben ist weiterhin die relativ friedliche Koexistenz verschiedener Religionen und der kulturellen bzw. ethnischen Vielfalt. Unter Berücksichtigung dieser politischen und soziokulturellen Rahmenbedingungen weist Indien eine beachtliche Stabilität auf. Natürlich ist nicht zu übersehen, dass diese insgesamt positiven Rahmenbedingungen – wie in anderen Demokratien auch – faktisch durch eine Reihe von Einschränkungen und von sozialen und politischen Ungleichgewichten gekennzeichnet sind. Indien weist zweifellos einige beachtliche Ungleichgewichte auf wie beispielsweise das Kastensystem, die jedoch hier nicht weiter aufgeführt werden sollen.
Asien bleibt auch im Jahr 2004 Wachstumsmotor für die Weltwirtschaft. Während alle Welt die nach wie vor dynamische Wirtschaftsentwicklung in China bewundert, ist Indien scheinbar auf dem Weg, sich nahezu von der Weltöffentlichkeit unbemerkt zu einer der größten Wirtschaftsmächte der Zukunft zu entwickeln. In jüngster Zeit berichtet auch die Wirtschaftspresse positiv über Indien, nachdem die Medien lange das Image Indiens als Armenhaus der Welt prägten. Mittlerweile wird dieses Land mit mehr als einer Milliarde Einwohner schon als neuer Gigant der Weltpolitik gehandelt, welches neben China einen bedeutenden Platz in der Welt einnehmen wird. Prognosen zufolge hat Indien das Potenzial, bis Mitte des Jahrhunderts zu den drei reichsten Industriegesellschaften der Welt zu zählen. Von den jüngsten Erfolgen der Wirtschaftsreformen beflügelt und mit einem prognostizierten Wirtschaftswachstum von nahezu 8% sieht sich auch Indien als aufstrebende Großmacht, das sein wachsendes wirtschaftliches und politisches Gewicht international stärker zur Geltung bringen und sich im 21. Jahrhundert als Global Player auf dem Weltmarkt etablieren möchte. Der Erzrivale China gilt dabei als Messlatte, woran Indiens politischer und wirtschaftlicher Großmachtstatus gemessen werden soll.
Die britische Indienpolitik hatte langfristig wirkende Konsequenzen für das Selbst- und Weltbild der indischen Eliten, aber auch für das Verhältnis Indiens zu seinen Nachbarn. Jahrzehntelang verfolgte Indien, innenpolitisch unumstritten, eine Politik des Nonalignment: der Nicht- Bindung an die großen Blöcke und der Nicht-Verwicklung in die Konflikte dieser Welt, was Parteinahme und Entwicklung einer eigenen schlagkräftigen Militärmacht genausowenig ausschloß wie Konflikte, ja bewaffnete Auseinandersetzungen mit den Nachbarn Pakistan und China. Vor allem der Konflikt mit Pakistan erweist sich als hartnäckig, ist er doch in starkem Maße ideologisch bestimmt. Nach dem Ende des Ost-West- Gegensatzes läßt sich eine stärkere Ökonomisierung der indischen Außenpolitik feststellen. Von der Größe seines Territoriums, seinen natürlichen Ressourcen und seinem potentiellen Humankapital her hat Indien das Zeug zur Großmacht, könnte langfristig auch Japan überflügeln.
Die indische Außenpolitik gegenüber Südostasien, populär als Indiens "Look East"-Politik bezeichnet, hat mit der Beendigung des Kalten Krieges Änderungen oder zum Teil Reorientierungen erfahren. Sie sind zurückzuführen auf eine Kombination von Faktoren auf verschiedenen Ebenen. Auf der Systemebene in den beiden Phänomenen der Globalisierung und dem Abschied von einer konfliktbeladenen, bipolaren internationalen Struktur; eine Einstellungsveränderung in Bezug auf die Staaten in der Region; und ein Regimewechsel innerhalb Indiens mitten in einer schweren Wirtschaftskrise.
Die wirtschaftliche Entwicklung Indiens war zu Beginn der 90er Jahre vor dem Hintergrund der eingeleiteten Liberalisierungspolitik teilweise mit hohen Erwartungen verbunden. In der wirtschaftswissenschaftlichen Diskussion kam es daher öfters zu der Einschätzung, dass sich Indien unmittelbar vor einem "Take-off" befinde. Diese Positionierung erfolgte in Anlehnung an die Stufenteheorie von Rostow, der unter Take-off die Phase des wirtschaftlichen Aufstiegs bzw. des sich selbst tragenden Wirtschaftswachstum versteht. Vielfach bleibt der Begriff "Take-off" jedoch vage und lässt sich somit auch keine Beurteilung der Liberalisierungspolitik zu. Nach Rostow kommt es in dieser Phase "zu dem großen Umsturz im Leben der Wirtschaft, wenn die alten Hindernisse und Widerstände überwunden sind und der Weg für ein stetiges Wachstum frei ist."
Manu, der alterhwürdige Gesetzesschreiber aus dem 2. oder 3. Jahrhundert n.Chr., hätte wohl nie eine Veranlassung zu einem Artikel über Frauen und Recht in Indien - oder bekräfigender ausgedrückt: das Recht der Frauen - verspürt. In seiner Zeit befand sich Indien nach dem Untergang des mächtigen Maurya-Reiches im Umbruch, und es bestand das Bedürfnis nach einer Normierung traditioneller sozialer Bräuche. In den Hindu-Gesetzesbüchern, deren eines das Gesetz des Manu war, sollten diese für alle Zeit festgehalten werden. Lange Zeit sah es so aus, als würden die Regeln des Dharmashastra für die Ewigkeit bestehen; doch spätestens mit dem Inkrafttreten der Verfassung des unabhängigen Indien hat die Benachteilgung der Frauen zumindest formell ein Ende gefunden.
Indien ist nicht nur ökonomisch, sodern auch ökologisch ein "Most Seriously Affected Country". Dabei divergierte die Intesität der Stabilisierungsmaßnahmen jedoch stark. So haben die Bemühungen um eine ökonomische Stabilisierung bzw. Förderung des Wirtschaftswachstums gegenüber der ökologischen Stabilisierung eindeutig Priorität. Die ökonomische Liberalisierung wurde von dem ehemaligen Präsidenten Rajiv Gandhi Mitte der achtziger Jahre eingeleitet. Danach haben die Regierung Rao und besonders Finanzministe Singh nach dem Regierungsantritt 1991 die Liberalisierungspolitik mit einem klaren Profil konsequent fortgesetzt. Die Liberalisierungspolitik der indischen Regierung wurde durch das Structural Adjustment Program (SAP) der Weltbank ergänzt und gefördert.
Jahrzehntelang hatten die westlichen Staaten, darunter auch die Europäische Union, Südasien im Allgemeinen und den indisch-pakistanischen Konflikt im Speziellen in sicherheitspolitischer Hinsicht vernachlässigt. Von dem offenbar unlösbaren Kaschmirkonflikt wollte man möglichst wenig hören. Auch hatte man verdrängt, dass China – bedingt durch das von ihm kontrollierte Himalaja-Gebiet Aksai Chin - weiterhin in den Kaschmirkonflikt involviert bleibt. Das westliche Zögern, sich mit den südasiatischen Dauerkonflikten zu befassen, kam im Wesentlichen Neu-Delhis Interessen entgegen. Indien beharrte nämlich seit langem darauf, dass sich internationale Staaten nicht in regionale Vermittlungen einmischen sollten (Prinzip einer bilateralen Regelung).
Notiz 1: Am 17. Juli des Jahres 1997 wird mit Kocheril Raman Narayanan zum ersten Mal in der Geschichte des unabhängigen Indien ein "Unberührbarer" zum Staatspräsident des Landes gewählt. Vier Monate später: Anlässlich der International Conference on Resource Management and Development Strategies an der Aligarh Muslim University, an der etwa 150 Wissenschaftler, darunter über 100 indische Kollegen, teilnahmen, stellte ein amerikanischer Kollege anlässlich des gemeinsamen Abendessens die Frage, welcher "community" der neue Staatspräsident angehöre. Die Frage wird an die Kollegen aus Südindien weitergereicht. Keiner kann (oder will?) sie beantworten.
Demokratieförderung zählt seit vielen Jahren zu den Hauptanliegen westlicher Außen- und Entwicklungspolitik. Indien gilt als größte Demokratie und wird von deutscher, europäischer und amerikanischer Seite zunehmend als wichtiger internationaler Akteur wahrgenommen. Angesichts der gemeinsamen demokratischen Werte stellt sich die Frage, ob Indien ein Partner des Westens bei der Förderung demokratischer Regime sein kann. In der indischen Außenpolitik spielt Demokratieförderung nur eine untergeordnete Rolle. Indiens nationale Interessen werden von sicherheitspolitischen Erwägungen gegenüber China und Pakistan, handels- und wirtschaftspolitischen Motiven sowie der Sicherung der Energie- und Rohstoffversorgung bestimmt. Indien hat nur ein geringes Interesse daran, Demokratieförderung im westlichen Sinne als außenpolitisches Instrument zur Transformation autoritärer Regime einzusetzen. Im Zuge der verbesserten Beziehungen zu den USA haben sich jedoch seit Ende der neunziger Jahre erste Ansätze zur Demokratieförderung entwickelt. Diese wird entweder in einen sehr breiten multilateralen Kontext propagiert oder aber in einer sehr engen bilateralen Form, als entwicklungspolitische Zusammenarbeit. Indien bleibt somit bei der Frage der Demokratieförderung ein schwieriger Partner für deutsche und europäische Politik. Dennoch sollte der Dialog mit Indien über diese Frage intensiviert werden, denn das administrative Know-How der indischen Demokratie kann für den Aufbau von neuen Demokratien genutzt werden
Am 22. Februar 2000 veröffentlichte die Regierung Indiens eine Mitteilung über die Schaffung einer Kommission, die "die Verfassung Indiens im Lichte der mehr als 50 Jahre ihres Bestehens einer Revision unterziehen soll. Die Einsetzung der Kommission kam, obwohl im Wahlmanifest der regierenden National Democratic Alliance angekündigt, nur vier Monate nach den Wahlen des Unterhauses überraschend. Dieser Schritt warf vor allem deswegen Fragen auf, weil der gesellschaftliche Konsens zu der Zeit am geringsten war. Damit schien die Arbeit der Kommission im Wesentlichen politisch motiviert zu sein. Dieser Beitrag soll in diesem Zusammenhang die Politik der neuen Regierung unter Führung der Bharatiya Janata Party (BJP) beleuchten und die Dimension des Wirkens der Kommission charakterisieren.
Der Autor befasst sich in diesem Beitrag, der zuerst 2006 in der Zeitschrift "KAS-Auslandsinformationen" erschienen ist, mit der Teilhabe Indiens an der Globalisierung. Dabei stellt er fest, dass die Reformpolitik der letzten zehn Jahre trägt Früchte. Die Wirtschaft boomt und das Land, das auch in nächster Zeit mit einem jährlichen Wachstum von bis zu sieben Prozent rechnen kann, wird von vielen bereits als die drittgrößte Volkswirtschaft des Jahres 2050 angesehen. Die breite Masse der Armen Indiens hat bislang jedoch nicht von dem Aufschwung profitiert und auch in der Politik lässt dessen positives Echo auf sich warten. Trotz seiner Defizite findet das politische Modell des Landes, das u.a. für eine tief im Bewusstsein der ethnisch äußerst gemischten Bevölkerung verankerte freiheitlich-demokratische Tradition steht, weltweit Beachtung. Indien stellt einen wirtschaftlich und politisch stabilen Pol in der Region dar, und der Weg des Landes in die Moderne ist wohl nicht mehr aufzuhalten.
Vom indischen Ozean umspült und durch das gewaltige Himalaja-Gebirge begrenzt, entwickelt sich auf dem indischen Subkontinent seit 50 Jahren auf der Grundlage einer demokratischen Staatsverfassung ein Staatsvolk, dessen Gemeinsamkeit - bei einer Unzahl von Unterschieden - die Anwendung ebne des demokratischen Prinzips bei der Bildung der Regierungen unn der Verabschiedung von Gesetzen ist. Das Überleben des indischen Staates ist von der "gelebten" Anerkennung der großen Unterschiede abhängig, die zwischen den Menschen und ihrem jeweiligen sozialen und religiösen Umfeld, also zwischen nunmehr einer Milliarde Menschen, bestehen: Sprache, Religion, überlieferte soziale Stellung, Rasen tradierte Geschichte, aber auch die von extremen Klimaunterschieden bestimmten unterschiedlichen Lebensweisen. Indien ist kein Schmelztiegel der Kulturen, sondern eine Lebensordnung, in der sehr unterschiedliche Strukturen unter der Bedingung zusammenleben könne, im Wege der Herrschaft des Rechts und der demokratischen Regierungs- sowie Willensbildung die äußeren und inneren Probleme regeln zu können.