In: Widersprüche: Zeitschrift für sozialistische Politik im Bildungs Gesundheits und Sozialbereich Sozialistisches Büro, Volume 34, Issue 133, p. 11-23
Zuschreibung von Fremdheit, (Alltags-)Rassismus, soziale Ein- und Ausschlüsse - dies sind nur Beispiele für die zahlreichen Herausforderungen, denen junge Geflüchtete im Kontext von Flucht- und Migrationsprozessen begegnen. Doch wie genau vollziehen sich Selbst- und Fremdpositionierungen junger Geflüchteter in den Aufnahmeräumen Griechenlands, Maltas, der Türkei, Deutschlands und der Schweiz? Der Sammelband untersucht im Rahmen einer migrations- und erziehungswissenschaftlichen Analyse Entgrenzungen, Begrenzungen und Verortungen migrierter Kinder und Jugendlicher, wie sie sich unter der Maßgabe der Migrationspolitiken europäischer Länder abspielen. Darüber hinaus nehmen die Autor*innen transnationale Zwischenwelten in den Blick und beleuchten die Erschaffung neuer Selbstverständnisse und Handlungsformen sowie die Entstehung von Mehrfachzugehörigkeiten. Der gesellschaftliche Diskurs um Migration und Einwanderung ist mit den Flüchtlingsbewegungen in Folge von Krieg, Verfolgung, Vertreibung in Syrien, Irak oder Afghanistan sowie in Folge globaler ökonomischer und ökologischer Krisen zu einem bestimmenden Faktor politischer Auseinandersetzungen in Europa um die Aufnahme geflohener und asylsuchender Menschen, ihrer Familien und Kinder geworden. Bei den grenzüberschreitenden Migrationsprozessen im 21. Jahrhundert handelt es sich um Erscheinungsformen von Migration, in welchen transnationale Sozialräume durch mehrere Wohn- und Lebensorte an verschiedenen geographischen Standorten aufgespannt werden (Glorius 2007; Pries 2011). Der Band untersucht im Rahmen qualitativer Studien die Selbst- und Fremdpositionierungen junger Geflüchteter in den zugewiesenen Räumen der jeweiligen Zuwanderungsgesellschaft und die damit verbundenen sozialen Ein- und Ausschlussprozesse sowie transnationale Zwischenwelten und neue Mehrfachzugehörigkeiten. Auf der Grundlage ausgewählter empirischer Studien in Malta, Griechenland, der Türkei, Deutschland und der Schweiz analysieren die Autor*innen nicht nur Phänomene der Zurechnung von Fremdheit, Strukturen und Prozesse des alltäglichen Rassismus, sondern auch Subjektivierungsformen und Subjektkonstitutionen der Individuen im transnationalen Migrationsprozess. Darüber hinaus nehmen sie die Erschaffung neuer Selbstverständnisse und Handlungsformen der geflüchteten Kinder und Jugendlichen in den Blick. Die im Band versammelten Beiträge greifen subjektivierungstheoretische, praxistheoretische und raumtheoretische Perspektiven auf, um die Umgangsweisen von Kindern und Jugendlichen mit Herausforderungen im Kontext von (Flucht-)Migrationsprozessen herauszuarbeiten.
Originalität, Flexibilität und Intensität zählen zu den entscheidenden Eigenschaften der zeitgenössischen Mittelschicht. Der Autor erfährt dies am eigenen Leib und erkundet Schauplätze der Einübung eines Habitus: Er wird zu seinem Traumjob gecoacht, improvisiert mit Managern und geht für die Ausschöpfung seiner inneren Ressourcen barfuß über glühende Kohlen. Durch einen innovativen Mix aus teilnehmenden Beobachtungen, autoethnografischen Analysen und lyrischen Montagen führt er seine Erlebnisse aus dem Fundus der Selbstverbesserung zu einem kritischen Paradigma der Gegenwart zusammen - und erzählt dabei eine Mikrogeschichte der Implementierung von klassenbasierten Normen am Subjekt.
Japan gilt als alte Gesellschaft. Eine Lesart dieser Aussage ist: Wo viele Alte sind, da sterben auch viele. Aber wer kümmert sich um die jährlich 1,4 Mio. Verstorbenen und deren Gräber? Geht es nach der japanischen Bestattungsindustrie, dann das Individuum selbst. In einer Gesellschaft, in der sich niemand mehr um einen sorgt, erscheint Eigenvorsorge als letzter Ausweg, um niemandem zur Last zu fallen. Dorothea Mladenova hinterfragt diese Diskurse kritisch und zeigt, wie im Zuge der "aktiven Planung des eigenen Lebensendes" (shukatsu) neoliberale Prinzipien des "unternehmerischen Selbst" auf den Tod übertragen werden: Aus Selbstbestimmung wird gemeinwohlorientierte Selbstverantwortung.
Der Rechtsschutz gegen privatrechtsgestaltende Verwaltungsakte wie beispielsweise Entgeltgenehmigungen illustriert die rechtlichen Herausforderungen, die sich im Rahmen multipolarer Beziehungsgefüge im Verwaltungsrecht stellen, in anschaulicher Weise. Ursprünglich an der Bürger-Staat-Beziehung Unbeteiligte können in die Position eines Mitadressaten aufrücken. Die damit verbundenen Rechtsschutzfragen müssen innerhalb des geltenden subjektiven Rechtsschutzsystems mit seinem Nukleus des subjektiven öffentlichen Rechts beantwortet werden. Die Arbeit widmet sich diesen Fragen und stellt sie unter Hinzuziehung des Topos des "Funktionswandels der Verwaltungsgerichtsbarkeit" in einen größeren dogmatischen Zusammenhang.
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If paying taxes is a form of overt support, as David Easton noticed, we cannot understand it without looking at the normalization of paying taxes on which it relies: the making and molding of citizens into tax payers who (mostly) pay their taxes voluntarily. Yet how are we to analyze this complex process? In this paper, we sketch a theoretical framework derived from Michel Foucault's analytics of power. We concentrate on the power of taxes and how it affects the identity-formation or subjectivation of citizens. Looking specifically at income taxation, we provide an overview of the different forms of power and of the different subject positions thereby created, using the early history of establishing a direct income tax in Germany and the USA to illustrate our conceptual framework.
Die besprochene Monografie interessiert sich besonders für Manifestationen von Subjektivität in der Wissensgesellschaft. In einem ersten Teil verfolgt die Studie, wie die diskursive Ordnung der Wissensgesellschaft auch auf der dominanten Konzeption eines unabhängigen, eigenverantwortlichen und wissensfähigen Subjekts beruht. Der zweite Teil untersucht daraufhin am Beispiel von Bürgerkonferenzen zu Themen der Biomedizin, wie sich einzelne Subjekte im Verhältnis zu dieser diskursiv vorgegebenen Subjektivitätsvorstellung verhalten und selbst als Subjekte konstituieren. Dabei kommt vor allem diese zweite Teilstudie zu wirklich neuen und überraschenden Einsichten. Allerdings wird ihr im Vergleich zum ersten Teil zu wenig Raum gewährt, um ihr volles Potenzial zu entfalten. Angeregt durch die Diskussion von JUNGEs Buch werden zwei weitere Punkte diskutiert. In einem ersten Schritt muss die Wissenschaft an sich noch etwas genauer betrachtet werden, da diese eine entscheidende Rolle in denjenigen Aushandlungsprozessen spielt, in deren Rahmen die Wissensgesellschaft geschaffen und ausgestaltet wird. Daraufhin wird ein Politikbegriff näher bestimmt, der zwar umfassend, zugleich aber nicht zu allgemein sein soll. Daher wird vorgeschlagen, Politik als graduelles Phänomen zu verstehen, das zwar allgegenwärtig sein mag, in bestimmten Situationen aber besonders deutlich zutage tritt. Um Politik im Kontext einer Pluralisierung des Wissens zu analysieren wird empfohlen, sich auf Situationen zu konzentrieren, in denen Agency und agonistischer Widerstreit sichtbar werden.
Nachhaltigkeit gilt als erstrebenswertes gesellschaftliches Ziel. Doch wie der Weg in eine nachhaltige Zukunft aussehen soll, ist umstritten. Als spannungsvoll erweist sich nicht nur das Verhältnis zwischen den verschiedenen politischen Steuerungskonzepten und wissenschaftlichen Modellbildungen. Auch die Frage, wer im Zusammenspiel aus Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft für eine nachhaltigkeitsorientierte Transformation der Gesellschaft zuständig ist, wirft Kontroversen auf. Der Band rückt mit dem Begriff der Responsibilisierung die Frage nach der Zuschreibung von Verantwortung in den Mittelpunkt und diskutiert die Möglichkeiten und Grenzen individueller und kollektiver Verantwortung für nachhaltige Entwicklung.
Im Hinblick auf die globale Krise der Mental-Health ist es unerlässlich, Burnout-Prävention als ein Regierungsproblem und Teil eines Präventionsdispositivs ins Auge zu fassen. Ausgehend von der Gouvernementalitätsperspektive zeigt der Autor, wie die Prävention psychischer Störungen zur Sicherung der neoliberalen Leistungsgesellschaft eingesetzt wird: Subjekte werden durch kontinuierlichen Gefährdungsdruck und Risikokalkulation zur Selbstführung gedrängt. Die kritische Dispositivanalyse macht diese diskursiven, alltagspraktischen und vor allem materiellen Manifestationen der Prävention sichtbar.
In der Debatte um Hubert Knoblauchs kommunikativen Konstruktivismus will dieser Beitrag die methodologischen und methodischen Konsequenzen einer "Umstellung" der Wissenssoziologie auf "kommunikatives Handeln" stärker explorieren. Grundsätzlich muss angenommen werden, dass sich der empirische Methodenkanon, wollte man Knoblauchs Überlegungen gerecht werden, stark ausdünnen würde.
Ausgehend von gesellschaftlichen Transformationsprozessen und Neukonfigurationen in der Erwerbs- und Familiensphäre beschäftigt sich der Beitrag mit neoliberalen Subjektformationen von in der Wissenschaft erwerbstätigen Eltern. Diskursanalytische und biografische Forschungsergebnisse werden dazu mithilfe einer gouvernementalitätsanalytischen Perspektive verknüpft und ausgewertet, um Wechselwirkungen in den Sphären von Produktion und Reproduktion sowie aktuelle Entwicklungen der Geschlechterverhältnisse bei der Vereinbarung von Familie und wissenschaftlicher Beruflichkeit nachzuzeichnen.
Im vorliegenden Artikel werden Theoriefragmente des Neoliberalismus mit Annahmen und Forderungen der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung kontrastiert. In einem ersten Schritt werden Inhalte der UN-Konvention dargestellt. Danach wird der Neoliberalismus anhand seiner theoretischen und seiner politischen Dimension charakterisiert. Im letzten Teil des Beitrags werden sowohl auf philosophisch-theoretischer als auch auf strukturell-praktischer Ebene Widersprüche und Unvereinbarkeiten zwischen neoliberalen und menschenrechtsbezogenen Positionen herausgearbeitet. Besonderes Augenmerk wird auf die Sozialphilosophie Friedrich August von Hayeks und die zunehmende »Ökonomisierung« des sozialen Dienstleistungssektors gelegt.
"Die gegenwärtige Liebesordnung wird in zeitgenössischen Theatertexten meist als (scheiterndes) Anerkennungsverhältnis inszeniert. Der folgende Beitrag geht daher der Frage nach, ob und wie die romantische Liebesordnung Strukturen zur Verfügung stellt, die Anerkennung ermöglichen, oder inwiefern sie aufgrund verschiedener geschlechtlicher Existenzweisen einer möglichen Anerkennung gar im Wege steht. Unter Rückgriff auf feministische Theorien der Intersubjektivität wird mit dem Verhältnis der Mimesis das Modell eines Anerkennungsverhältnisses skizziert, das sowohl die Anerkennung einer gegenseitigen Verwiesenheit als auch die unhintergehbare Differenz der Anderen berücksichtigt." (Autorenreferat)
Der Begriff des Berufs, über Jahrhunderte hinweg eine zentrale Kategorie zur Beschreibung und für das Verständnis der Arbeitswelt und des Bildungswesens, ist in den letzten Jahrzehnten in eigentümlicher Weise in den Hintergrund getreten. Bei flüchtiger Betrachtung kann man den Eindruck gewinnen, dass viele Arbeitende und besonders die abhängig Beschäftigten ihre Arbeit nicht mehr als Beruf, sondern allenfalls noch als Arbeitstätigkeit oder als Job betrachten und die Aufwertung zum Beruf, der ja immer mit einer längerfristigen und früher oft lebenslangen Perspektive verbunden war, scheuen. Lediglich in den Professionen ist der Begriff noch geläufig; allerdings werden auch hier die innere Ausweitung und der angewachsene Veränderungsdruck der Tätigkeiten und der dazu erforderlichen Kompetenzen - je nach Position - begrüßt oder beklagt. Zu fragen ist daher, welche längerfristigen Veränderungen von Arbeit und Bildung in dieser veränderten Wahrnehmung und dem Wandel im Selbstverständnis der eigenen Tätigkeit ihren Ausdruck finden.