Wanderungsbewegungen im Lebenslauf und regionale Bevölkerungsentwicklung: Rahmenbedingungen für die regionale Migrations- und Demografiepolitik
Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels ist Deutschland in zunehmendem Maße auf Zuwanderung angewiesen, um Wachstum und Wohlstand zu sichern. Dabei müssen auch die Akteure auf kommunaler Ebene aktiv werden und eine eigene regionale Migrations- und Demografiepolitik gestalten. Insbesondere gilt das in den von starker Abwanderung betroffen Regionen, wo zunächst darauf hingewirkt werden sollte, die dort aufgewachsenen jungen Menschen zu halten oder nach dem Studium zurückzugewinnen. Hierfür sind gute Lebensbedingungen für Jugendliche und junge Heranwachsende sehr wichtig, da sie die Einstellung zur Region sehr stark prägen können. Auch können Rückkehrinitiativen und eine gezielte Vermarktung der Region als attraktiver Wohn- und Arbeitsort hilfreich sein. Ein großes Problem ist an dieser Stelle, dass sich der tatsächliche Problemdruck nur schwer fassen lässt, da die Wanderungsbewegungen im Lebenslauf sehr unterschiedlichen regionalen Mustern folgen. So ist mit Erreichen der Volljährigkeit zunächst eine starke Bewegung in die Kreise mit großen akademischen Einrichtungen zu verzeichnen, die sich in der Mitte der dritten Lebensdekade teilweise umkehrt. Nun verlieren die ländlicheren Hochschulstandorte wieder Bevölkerung, wohingegen die großen Metropolen auch weiterhin einen starken Zuzug erleben. In der vierten Lebensdekade ändert sich das erneut und es ist vorwiegend eine Bewegung aus den größeren Städten ins Umland zu beobachten. Ein Indikator, der all diese Wanderungsbewegungen gleichermaßen in den Blick nimmt, lässt sich mittels einer Verknüpfung der Bevölkerungsveränderungen in den verschiedenen Geburtsjahrkohorten während der letzten fünf Jahre bilden. Betrachtet man die sich ergebenden Veränderungen der Bevölkerungsgrößen zwischen einem Alter von 10 bis 14 Jahren und einem Alter von 45 bis 49 Jahren, kommt man für die meisten Kreise auf Werte im zweistelligen Bereich, die für die demografische Entwicklung insgesamt hochrelevant sind. Auf der einen Seite stehen der Saale-Holzland-Kreis mit -37,7 Prozent und der Landkreis Lüchow-Dannenberg mit -36,9 Prozent und auf der anderen die kreisfreien Städte Leipzig mit +221,4 Prozent und Potsdam mit +197,1 Prozent. Zuwanderungsschwerpunkte bilden auch die anderen großen Metropolen, wohingegen der ländliche Raum in Ostdeutschland stark an Bevölkerung verliert. Ähnliche regionale Muster und Größenordnungen finden sich auch, wenn man die Entwicklung der Geburtsjahrgänge 1981 bis 1985 zwischen den Jahren 2000 und 2020 betrachtet. Allerdings ist das Gesamtbild deutlich negativer, da die historisch außergewöhnlich starke Zuwanderung der letzten Jahre hier weniger zum Tragen kommt. Rechnet man die Entwicklung der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter zwischen 20 und 64 Jahren in den Jahren 2020 bis 2030 auf Basis der Veränderungen der letzten fünf Jahre hoch, findet sich ein starkes StadtLand- und West-Ost-Gefälle. Die positivsten Werte ergeben sich für die kreisfreien Städte Leipzig mit +18,3 Prozent und Potsdam mit +17,6 Prozent und die negativsten für die Landkreise Saalfeld-Rudolstadt mit -26,4 Prozent und Spree-Neiße mit -26,2 Prozent. Dabei ist im Blick zu behalten, dass in dem, aktuellen Fünfjahreszeitraum, der den Berechnungen zugrunde liegt, eine sehr starke Zuwanderung aus dem Ausland erfolgt ist. Nimmt man nur die Inländer in den Blick, ergibt sich sowohl bei der Gesamtzuwanderung im Lebenslauf als auch bei der Entwicklung der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter in den meisten Regionen ein deutlich negativeres Bild. Allerdings kann und sollte auch die regionale Demografie- und Migrationspolitik die Zuwanderung aus dem Ausland in den Blick adressieren. Gerade für kleinere Städte und Gemeinden kann es hier sinnvoll sein, den Schwerpunkt nur auf eine Herkunftsregion zu richten und so die Entstehung einer starken ethnischen Gemeinschaft zu ermöglichen, die sich auf die weitere Zuwanderung und den Verbleib der Zuwanderer in der Region sehr förderlich auswirken kann. ; Against the background of demographic change, Germany is increasingly dependent on immigration to secure growth and prosperity. In this context, the actors at the municipal level must also become active and shape their own regional migration and demographic policy. This is particularly the case in regions affected by high emigration. In these regions, efforts should first be made to retain the young people who grew up there or to win them back after graduation. For this purpose, good living conditions for youths and young adolescents are very important, as they can strongly shape attitudes towards the region. Return initiatives and targeted marketing of the region as an attractive place to live and work can also be helpful. A major problem at this point is that it is difficult to grasp the actual extent of the problem, as migration movements follow very different regional patterns in the life course. Upon reaching adulthood, there is initially a strong movement to districts with large academic institutions, which is partially reversed in the middle of the third decade of life. Now the more rural university locations are losing population again, whereas the large metropolises continue to experience a strong influx. In the fourth decade of life, this changes again and a movement from the larger cities to the surrounding areas can be observed. An indicator that looks at all these migration movements can be formed by linking the population changes in the various birth cohorts over the last five years. If one looks at the resulting changes in population sizes between the ages of 10 to 14 and 45 to 49, one arrives at values in the double-digit range for most districts, which are highly relevant for the demographic development as a whole. On the one hand, there is the Saale-Holzland district with -37.7 per cent and the Lüchow-Dannenberg district with -36.9 per cent, and on the other hand the district-free cities of Leipzig with +221.4 per cent and Potsdam with +197.1 per cent. The other large metropolitan areas also experience a strong immigration, whereas the rural areas in eastern Germany are losing a lot of their population. Similar regional patterns and orders of magnitude can also be found when looking at the development of the birth cohorts 1981 to 1985 between the years 2000 and 2020. However, the overall picture is clearly more negative, as the historically exceptionally strong immigration of recent years has less impact here. If one extrapolates the development of the working-age population between 20 and 64 years in the years 2020 to 2030 on the basis of the changes of the last five years, a strong urban-rural and west-east divide is found. The most positive values are found for the independent cities of Leipzig with +18.3 per cent and Potsdam with +17.6 per cent, and the most negative for the districts of Saalfeld-Rudolstadt with -26.4 per cent and Spree-Neiße with -26.2 per cent. It should be borne in mind that in the current five-year period on which the calculations are based there has been very strong immigration from abroad. If we look only at nationals, the picture is clearly more negative in most regions, both in terms of total immigration over the life course and in terms of the development of the working-age population. However, regional demographic and migration policy can and should also address immigration from abroad. Especially for smaller cities and municipalities, it can make sense to focus on only one region of origin. This way, it is possible to enable the development of a strong ethnic community, which can have a very beneficial effect on further immigration and the continuance of immigrants in the region.