Aussagen der katholischen Soziallehre zu gesellschaftlichen Fragen
In: Aus Politik und Zeitgeschichte: APuZ, Volume 1988, Issue B 21-22, p. 3-10
ISSN: 0479-611X
"Das Soziale in der katholischen Soziallehre stellt auf das Verhältnis von Person und Gesellschaft ab, und zwar unter Betonung des Vorrangs der Eigenverantwortung des Menschen auf der Grundlage von Freiheit und Gerechtigkeit. Die soziale Gestaltung gesellschaftlicher Lebensbedingungen ist vornehmlich Aufgabe einer freiheitlichen Wirtschaftsordnung, in der Markt und Wettbewerb gemeinwohlorientierten Rahmenbedingungen unterworden sind - eine Aufgabe, die sich jedoch nicht auf die Verteilungsproblematik reduziert. Die Enzyklika Sollicitudo rei socialis von Papst Johannes Paul II. hebt zum Beispiel neben der besonderen Verpflichtung der Industrienationen gegenüber den ärmeren Völkern die Notwendigkeit hervor, in den Entwicklungsländern selbst leistungsfähige Volkswirtschaften aufzubauen. Die Anerkennung des Eigenwertes und der gesellschaftlichen Leistungen der Familie ist für die Kirche stets eine Forderung sozialer Gerechtigkeit gewesen. Unter dem Eindruck der negativen Bevölkerungsentwicklung, vor allem der künftigen Probleme der Alterssicherung, scheint die Bereitschaft zu einem umfassenderen Familien'leistungsausgleich' zu wachsen. Reformen im Alterssicherungssystem selbst können auf Dauer nur tragfähig sein, wenn sie in einer wirksamen Familienpolitik ihr zweites Fundament finden. Eine weitere soziale Herausforderung stellt die Arbeitslosigkeit dar. Bei nicht ausreichender Wirtschaftstätigkeit müssen auch über Arbeitszeitverkürzungen zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen werden. Dies kann nur gelingen, wenn zugleich die zugehörigen Einkommen geteilt werden. Der Staat wäre überfordert, würde ihm allein das Vollbeschäftigungsrisiko aufgebürdet. Daher bedarf es der Abstimmung zwischen allen, die wirtschaftspolitisch das Beschäftigungsniveau beeinflussen. Die zum Teil in der Arbeitslosigkeit spürbar werdenden außenwirtschaftlichen Verschiebungen sind ebenso Ausdruck weltweiter Verflechtungen wie das Ökologieproblem. Um den Erfordernissen von Umwelt und Ressourcen nachzukommen, muß das ökologische Ziel in den Zielkatalog der Sozialen Marktwirtschaft aufgenommen werden. In der verantwortlichen Nutzung der Natur konkretisiert sich schließlich auf ihre Weise die universale, allen Menschen zugedachte Verfügbarkeit über die Erdengüter: Solidaritätspflichten gegenüber den Menschen in der Dritten Welt und gegenüber kommenden Generationen." (Autorenreferat)