Von der Opposition zur Akklamation: die Turnbewegung im 19. Jahrhundert als politisch-soziale Bewegung
In: Körper, Kultur und Ideologie: Sport und Zeitgeist im 19. und 20. Jahrhundert, p. 79-97
Die deutsche Turnerbewegung im 19. Jahrhundert war eine eminent politische Bewegung; sie ging in allen ihren Entwicklungsphasen mit dem deutschen Nationalismus eine feste, unauflösliche Bindung ein. Durch ihren Gründer Jahn war die Turnbewegung originär an der ideologischen Ausstattung des deutschen Nationalismus beteiligt, und dank ihres ungewöhnlich hohen Organisationsgrades erfüllte sie für den Nationalismus die Funktion eines überaus effektiven gesellschaftlichen Resonanzbodens und sozialen Verstärkers. Da der deutsche Nationalismus damals sehr vielschichtig war und sein hervorstechendstes Merkmal keineswegs immer Intoleranz und Illiberalität war, wird eine moralische Verurteilung der Turnbewegung abgelehnt. Erst im ausgehenden Jahrhundert begann sich der rassistische Antisemitismus in der nun Millionen Menschen zählenden Turnbewegung auszubreiten: "Der Nationalismus der Turner hatte sich im Kaiserreich seines langjährigen Zwillingsbruders, des Liberalismus, endgültig entledigt." (pra)