Global governance
In: Internationale Politik: das Magazin für globales Denken, Volume 66, Issue 4, p. 60-65
ISSN: 1430-175X
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In: Internationale Politik: das Magazin für globales Denken, Volume 66, Issue 4, p. 60-65
ISSN: 1430-175X
World Affairs Online
In: Foreign affairs, Volume 87, Issue 3, p. 111-124
ISSN: 0015-7120
World Affairs Online
In: Blätter für deutsche und internationale Politik: Monatszeitschrift, Volume 33, Issue 9, p. 1072-1085
ISSN: 0006-4416
World Affairs Online
Blog: www.jmwiarda.de Blog Feed
Am Mittwochnachmittag überreichen die EFI-Wissenschaftsweisen ihr Jahresgutachten an Bundeskanzler Scholz. Der EFI-Vorsitzende Uwe Cantner spricht im Interview über den transformationspolitischen "Schlingerkurs" der Ampel, Deutschlands Bildungskrise und den Rückstand bei der KI-Entwicklung, die Öffnung zur Militärforschung – und was die Regierung trotz allem richtig macht.
Uwe Cantner, 63, ist seit Mai 2019 Vorsitzender der Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI). An der Universität Jena hat er eine Professur für
VWL/Mikroökonomie, seit 2014 ist er Vizepräsident seiner Universität. Foto: David Ausserhofer.
Herr Cantner, wenn Sie nach der Überreichung des neuen EFI-Jahresgutachtens eine Minute allein hätten mit Olaf Scholz, was würden Sie ihm raten?
Meine wichtigste Botschaft an den Bundeskanzler wäre: Trotz aller Riesenaufgaben von der Verteidigungs- über die Sicherheits- bis hin zur Klimapolitik dürfen Forschung und Innovation auf keinen
Fall unter die Räder der immer schärferen Budgetkonkurrenz geraten. Und dann würde ich ihm ein paar Vorschläge machen, wie sich die Bearbeitung der unterschiedlichen Herausforderungen geschickt
mit einer gut ausfinanzierten F&E-Politik kombinieren ließe.
Alle wissen doch, dass sich die großen Probleme von heute und morgen nur mithilfe der Wissenschaft lösen lassen. Warum glauben Sie trotzdem, dass so eine Warnung nötig ist?
Weil wir die Transformation unserer Gesellschaft und unserer Wirtschaft hin zur Klimaneutralität und damit auch die nötige Forschung und Entwicklung jetzt durchführen und finanzieren müssen, die
Erträge aber erst weit nach den nächsten Wahlen sichtbar werden. Da ist es politisch opportuner, große Investitionsprogramme für die Bundeswehr zu beschließen oder Konjunkturstimuli, die schnell
wirken. Wir dürfen über dem kurzfristig Drängendem nicht das langfristig Erforderliche aus den Augen verlieren.
Sie sagen es selbst: Politiker wollen Wahlen gewinnen, anstatt sie jetzt zu verlieren und in 15 Jahren Recht gehabt zu haben.
Dieser Gegensatz ist nicht zwangsläufig. Es ist durchaus möglich, Verantwortung für heute und für die Zukunft zu übernehmen. Also Strategien und Maßnahmen zu entwickeln, die schnell helfen, mit
ihren Auswirkungen aber der nächste Generation zu Gute kommen. Natürlich muss ich so einen langfristigen Plan den Wählerinnen und Wählern unbedingt erklären, sie dafür gewinnen. Die Grünen
versuchen das meiner Meinung nach zurzeit am ehesten.
Und bekommen entsprechend Gegenwind. Sagen Sie mir bitte, wann eine Regierung das zuletzt so gehandhabt hat und dann erfolgreich bei Wahlen war.
(lange Pause) Bei der Wiedervereinigung, beim Aufbau Ost, da hat es funktioniert.
Den Eindruck hatte der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl vermutlich nicht, als er von Demonstranten mit Eiern beworfen wurde.
Proteste wird es immer geben, wenn sich Dinge ändern. Aber Kohl ist 1994 wiedergewählt worden. Und er hat das sehr geschickt angestellt mit seinem Versprechen, in zehn Jahren werde es im Osten
"blühende Landschaften" geben. Bis die da waren, hat es zwar – im Nachhinein betrachtet – deutlich länger gedauert, aber er hat es mit diesem Narrativ geschafft, die Leute hinter sich zu bringen.
Mehr noch: Er hat einen parteiübergreifenden Konsens in der Politik hergestellt, der ziemlich lange gehalten hat. Man hat das zusammen durchgezogen. So lange, bis wichtige Weichen gestellt waren.
Ein bisschen von diesem Geist würde ich mir heute wünschen. Zuerst hatte ich den Eindruck, der Ampel-Koalitionsvertrag, der sehr ambitioniert war, wäre ein Signal für einen solchen gemeinsamen
Aufbruch. Aber in der Praxis der drei Parteien prallen die Ideologien aufeinander. Und in der Wahrnehmung der Wähler verlieren alle Koalitionspartner – und extreme Kräfte bekommen Aufwind.
"Jeden Tag wird eine andere Technologie durchs Dorf getrieben, die abgelöst oder besonders gefördert werden soll. Die Politik generiert keine Ziele, sondern
Unsicherheit."
Ist es nicht erwartbar, dass bei einer Transformationsaufgabe dieser Größe die Fetzen fliegen?
Ich habe nichts dagegen, wenn über die Maßnahmen gestritten wird: Steuererhöhung, Steuersenkung, Subventionsabbau, Gebote und Verbote, solche Dinge. Das Problem ist, wenn darüber die gemeinsamen
Ziele verloren gehen. Die Regierung braucht einen Zielkorridor, wo sie hinwill, und dieser Zielkorridor muss über eine Legislaturperiode und die jetzige Parteienkonstellation hinaus Bestand
haben. Die Unternehmen haben hunderte Milliarden auf der hohen Kante, aber sie geben sie nicht aus, weil sie nicht wissen, in was sie investieren sollen. Jeden Tag wird eine andere Technologie
durchs Dorf getrieben, die abgelöst oder besonders gefördert werden soll. Die Politik generiert keine Ziele, sondern Unsicherheit.
Bekommen andere Länder das besser hin mit dem Zielesetzen?
Bei allen politischen Schwierigkeiten würde ich sagen, dass die USA besser sind im Ansagenmachen in Richtung ihrer Wirtschaft, im Setzen von Rahmenbedingungen. Oder nehmen Sie Österreich: Da hat
die Bundesregierung einen nationalen Energie- und Klimaplan aufgestellt, auf den sich alle politischen Akteure verständigt haben, und unterlegt ihn strategisch-langfristig mit Maßnahmen wie der
"Klimaneutralen Stadt". Natürlich ist es von Vorteil, wenn wie dort alle Zuständigkeiten in einem Ministerium konzentriert sind, das auch die operative Umsetzung übernimmt, das schafft Konstanz
–während bei uns immer wieder irgendein Ressort oder eine Partei die Grundsatzfrage neu stellen will.
Vielleicht wird das Thema bei uns zu sehr überhöht? Anstatt die Transformation als Teil des politischen Tagesgeschäfts zu begreifen und unaufgeregt voranzutreiben, wird in Deutschland
immer die große Umwälzung beschworen. In einer Vorversion des EFI-Gutachtens stand, es handle sich um eine "Herkulesaufgabe" ohne Vorbild, die von den finanziellen Dimensionen vergleichbar sei
mit dem Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg.
Den Satz haben wir gestrichen, obwohl ich persönlich ihn angemessen fand. Entscheidend ist: Für diese Transformation gibt es keine Blaupause, keine Erfahrungswerte. Unserer deutschen Mentalität
entspricht es, dass wir erstmal stehen bleiben und alles haarklein vorab besprechen und regeln wollen. Am besten juristisch wasserdicht. Anstatt wie andere Länder erstmal loszulaufen,
auszuprobieren, und wenn etwas nicht funktioniert, unaufgeregt nachzusteuern.
Die deutsche Politik fördert diese Mentalität, wenn sie so tut, als ließen sich im Voraus alle Härten ausschließen. Schon in der Corona-Pandemie hat sie Milliarden und Abermilliarden
ausgegeben, um auch denen die Verluste auszugleichen, denen sie gar nicht wehgetan haben.
Die Politik weiß genau, dass sie solche Versprechen nicht halten kann. Die Transformation kostet fürchterlich viel Geld, es wird Gewinner und Verlierer geben, das kann man nicht alles abfangen.
Doch aus Angst vor den Protesten entstehen solche politischen Lebenslügen. Und in der Not nimmt man dann Gelder, die für die Bekämpfung der Coronakrise vorgesehen waren, und will sie für die
Transformation einsetzen – bis das Bundesverfassungsgericht einem einen Strich durch die Rechnung macht.
Im EFI-Gutachten sprechen Sie von einem "Schlingerkurs".
Nehmen Sie das Gebäude-Energie-Gesetz. Wie konnte man auf die Idee kommen, den Einbau von Gasheizungen kurzfristig verbieten zu wollen, obwohl man weiß, dass der Einbau von Wärmepumpen pro
Haushalt 30.000 Euro kosten wird, wahrscheinlich sogar mehr? Und warum hat man die soziale Abfederung erst später nachgeliefert?
"Die Streichung der Subvention von Agrardiesel ist transformationspolitisch richtig. Ich darf aber bei der Umsetzung nicht gleich zwei Fehler
machen."
Jetzt hat man die Pflicht aufgeweicht, und die staatliche Förderung bekommen alle, nicht nur die sozial Bedürftigen. Da ist sie wieder, die Beschwichtigungsstrategie auch denen gegenüber,
die es sich leisten könnten.
Das ist wie bei der Subvention von Agrardiesel. Deren Streichung ist transformationspolitisch richtig. Ich darf aber bei der Umsetzung nicht gleich zwei Fehler machen. Erstens: Ich nehme die
Streichung der Subvention für Flugbenzin raus, obwohl es die Reichen sind, die fliegen und Kerosin verbrennen. Und zweitens verzichte ich beim Agrardiesel auf eine soziale Kompensation, eine
Staffelung abhängig von der Betriebsgröße etwa. Da sind Proteste vorprogrammiert. Um diese Unausgewogenheit auszugleichen wäre es wohl besser gewesen, alle Subventionen um einen einheitlichen
Prozentsatz zu kürzen.
Sie widmen sich als EFI-Kommission diesmal ausführlich dem Bildungssystem. Die internationale Schulvergleichsstudie PISA hat gezeigt, dass deutsche Neuntklässler so schlecht lesen,
schreiben und rechnen wie seit mindestens 20 Jahren nicht. Woraus Sie die Prognose ableiten, dass die Bundesrepublik über die nächsten Jahrzehnte eine unterdurchschnittliche wirtschaftliche
Entwicklung nehmen wird. Steckt da nicht ein Denkfehler drin? Wenn sich die Schülerleistungen ein, zwei Jahrzehnte später in der Innovationsdynamik widerspiegeln, müssten wir gerade einen Boom
erleben, denn vor 15, 20 Jahren befand sich unser Bildungssystem nach dem ersten PISA-Schock kräftig im Aufwind.
Natürlich kann man die Ergebnisse von Bildungsstudien nicht eins zu eins auf das künftige Wirtschaftswachstum übertragen, da gibt es noch weitere Faktoren. Aber wir sollten die Entwicklung sehr
ernstnehmen. Unsere künftige Innovationsfähigkeit als Gesellschaft entscheidet sich heute daran, wie gut wir den jungen Menschen die Grundkompetenzen vermitteln.
Dann machen Sie ein paar Vorschläge, was helfen würde.
Als EFI wollen wir vor allem eine nachdrückliche Warnung in Richtung Politik senden. Wir sind aber keine Bildungsforscher. Deren Botschaft ist allerdings überwiegend recht deutlich: weg vom
Frontalunterricht, stattdessen eine interaktivere Unterrichtsgestaltung, ein Einsatz digitaler Medien und die Nutzung der neuen Möglichkeiten der Künstlichen Intelligenz, wo sie Sinn ergibt. Aber
ohne zu überziehen – wir sehen, dass beispielsweise Schweden und Finnland den Grad der Digitalisierung in der Bildungsvermittlung zurückfahren. Wir müssen auch über die Prüfungsformate sprechen.
Und ich kann nicht nachvollziehen, dass Deutschland zwar mit die höchsten Lehrergehälter weltweit hat, aber die Lehrerfortbildung wenig systematisch betreibt und zu wenig in sie investiert.
Übrigens brauchen wir an den Hochschulen ebenfalls dringend wieder einen Diskurs über die Modernisierung der Studiengänge. Der ist leider zum Erliegen gekommen. Und die Lehrerbildung muss ins
Zentrum der universitären Strategie rücken.
Unterdessen fallen Deutschland und Europa bei der nächsten Schlüsseltechnologie zurück, der Künstlichen Intelligenz, die viele Experten für die entscheidende für die kommenden Jahrzehnte
halten. Bis vor einer Weile tröstete die Wissenschaft sich damit, wenn schon nicht in der Umsetzung in Anwendungen und Produkte, dann wenigsten in der KI-Entwicklung an der Weltspitze zu sein.
Das, sagt Ihre Kommission, ist jetzt auch vorbei.
Nicht vorbei, aber wir drohen nach den Patenten auch bei den wissenschaftlichen Publikationen den Anschluss zu verlieren. Allerdings handelt es sich um eine sehr junge Technologie, die
Entwicklungspfade sind nicht festgelegt, noch ist das Spiel nicht vorbei. Nehmen wir die großen KI-Sprachmodelle, da hat Open AI mit ChatGPT einen deutlichen Vorsprung, aber Aleph Alpha aus
Deutschland und Mistral aus Frankreich sind in einer guten Position für eine Aufholjagd, um bei den Modellen der dritten Generation – vor allem in der Anwendung – die Augenhöhe zu
erreichen.
Allein mir fehlt der Glaube. Es sind die US-Konzerne von Google über Facebook bis hin zu Microsoft und Apple, die seit Jahren die weltweiten Standards vorgeben und einen Innovationssprung
nach dem anderen abliefern. Und wir Deutschen und Europäer setzen diese Technologien ein, diskutieren über Datenschutz, europäische Lösungen und das Erringen technologischer Souveränität, und
während wir noch diskutieren und politische Pläne schmieden, stellen die Amerikaner oder Chinesen uns mit dem nächsten Game Changer vor vollendete Tatsachen.
Das muss nicht jedes Mal so laufen. Wir können uns immer noch auf eine starke Grundlagenforschung stützen, wir bilden hervorragende Leute aus. Die großflächige Einrichtung von KI-Professuren und
Nachwuchsgruppen, die wir als EFI zunächst kritisiert haben, hat sich doch bewährt. Wenn Sie im Silicon Valley durch die Entwicklungsabteilungen der großen Tech-Konzerne laufen, stammt da gefühlt
jeder dritte aus Deutschland.
"Wenn wir das attraktiv genug machen,
gehen die Leute nach Dresden oder Tübingen
anstatt nach Stanford oder Palo Alto."
Was nicht wirklich eine Beruhigung ist, wenn unsere KI-Talente keine Perspektiven für sich in Deutschland sehen.
Wenn sie keine Chance haben, mit ihrem Know How bei uns wirtschaftlich erfolgreich zu sein, gehen sie weg, das ist richtig. Der Vorteil der amerikanischen Konzerne ist deren Größe und ein schier
unerschöpfliches Finanzvolumen. Deutschland und Europa kann da nur mit KI-Ökosystemen gegenhalten. Diese können sich um Forschungszentren herum entwickeln, mit kleinen und größeren Laboren,
Unternehmen und Start-ups. In Deutschland versuchen wir, mit den KI-Zentren Ähnliches zu entwickeln: Kerne der Grundlagenforschung, Hochschulen und Forschungsinstitute, und um sie herum eine
geschickt aufgesetzte Startup-Förderung. Wenn wir das attraktiv genug machen, gehen die Leute nach Dresden oder Tübingen anstatt nach Stanford oder Palo Alto.
Sie können nicht mit ein bisschen staatlicher Gründerförderung den weltweiten Kapitalzustrom in die US-Tech-Community kompensieren. Die jungen Leute gehen nach Kalifornien, weil sie dort
das Risikokapital erhalten, das ihnen in Europa keiner gibt.
Das kommt darauf an. Von einem bestimmten Punkt an entwickeln die Ökosysteme eine Eigendynamik, dann kommt das Geld, und die Investitionen folgen. Schauen Sie auf Intel oder Microsoft und ihre
Pläne in Deutschland. Richtig ist, dass wir mehr mutige Unternehmer und Mäzene brauchen wie Dieter Schwarz, der massiv in Wissenschaft und Künstliche Intelligenz investiert und speziell in Aleph
Alpha. Fest steht: Wenn wir es jetzt nicht mit aller Kraft versuchen, ist das Spiel wirklich entschieden zugunsten der USA oder von China. Innovationsfinanzierung, insbesondere im Start-up
Bereich, ist ja ein deutsches Dauerproblem. Das lässt sich nicht nur mit deutscher Risikoaversion erklären, sondern auch mit dem Fehlen großer Pensionsfonds, die beispielsweise in den USA eine
wichtige Rolle bei der Start-up-Finanzierung spielen. Aber das ist, wie gesagt, kein KI-spezifisches Problem.
Jetzt loben Sie die Politik bitte einmal.
Nur einmal? In unserem Gutachten sehen wir für Lob gleich mehrfachen Grund. Der wichtigste: Die Bundesregierung ist bei ihrer Forschungs- und Innovationspolitik an sich auf dem richtigen Weg. Sie
ist sich der Aufgabe bewusst. Und sie beginnt bei allen erwähnten Inkonsistenzen mit der Umsetzung, sei es bei der Ausgestaltung der "Zukunftsstrategie Forschung und Innovation", bei der
Weiterentwicklung der Bundesagentur für Sprunginnovationen (SPRIND) oder dem Aufbau der Deutschen Agentur für Transfer und Innovation (DATI). Natürlich würden wir uns bei der SPRIND wünschen,
dass man ihr noch mehr rechtliche und finanzielle Freiräume gibt, dass die Bundesregierung zum Beispiel ganz auf ein Aufsichtsgremium verzichtet. Wir sehen aber ein, dass die Politik vermutlich
so weit gegangen ist, wie sie kann. Bei der Zukunftsstrategie wiederum sind die Strukturen jetzt da, die Missionsteams zwischen den Ministerien wurden aufgestellt, die Beiräte installiert.
Natürlich wäre es besser, wenn die Steuerung der Strategie nicht auf Ebene der Staatssekretäre angesiedelt wäre, sondern weiter oben. Und wenn sie einen eigenen Etat hätte, anstatt dass die
Mitglieder der Missionsteams für jede Maßnahme Geld aus ihren Häusern mitbringen müssen. Aber jetzt sollten wir sie mal laufen lassen. Zu hoffen ist, dass der lange Atem da ist, in die
eingeschlagene Richtung weiterzulaufen, falls es nächstes Jahr zu einem Regierungswechsel kommt. Bis eine Mission umgesetzt ist, wird es viele Jahre dauern. Womit ich wieder beim langfristigen
Zielkorridor bin: Wir brauchen eine grundsätzliche Übereinkunft, die über die Ampel hinausreicht.
Eine Übereinkunft von wem? Sehen Sie nicht die Gefahr, dass die Ministerien am Ende doch zu stark die Richtung vorgeben und die Wissenschaftsfreiheit unter die Räder kommt?
Die Politik muss ihre Rolle genau definieren. Eine Mission vorgeben heißt: Wir wollen das Alte durch etwas Neues, Anderes ablösen. Aber was dieses Neue ist, geben wir nicht vor. Alles, was anders
ist, kann erforscht und ausprobiert werden. Ein Beispiel: Wir wollen beim Automobilantrieb raus aus den fossilen Energien, aber in Hinblick auf die Alternativen fördern wir technologieoffen. Wir
lassen die Akteure loslaufen und nutzen die Kreativität der Wissenschaft und des Marktes.
Dann hat die FDP also Recht mit ihren Mahnungen, bloß nicht einseitig auf Batterieantriebe zu setzen?
Richtig ist, dass der Markt entscheiden muss, welche Technologien überleben und sich durchsetzen und welche nicht. Das heißt nicht, dass ich als Politik nicht verschiedene Innovationsansätze
zeitweise mit Subventionen unterstützen darf, aber es muss von Anfang an klar kommuniziert werden, dass diese Subventionen befristet sind. Wenn eine Innovation nicht von der Mehrheit der
Bevölkerung angenommen wird, dann muss die Politik irgendwann aufhören, sie zu fördern. Wobei der Zeitpunkt, wann Subventionen beendet werden, mitunter sehr schwer zu bestimmen ist. Bei neuen,
genmodifizierten Ansätzen in der Landwirtschaft ist das genauso. Wir sollten die Erforschung in jedem Fall ermöglichen und vom Ergebnis abhängig machen, was langfristig erlaubt ist und was nicht.
Aber wir dürfen nicht schon die Entwicklung verhindern!
"Der geopolitischen Lage können auch wir Wissenschaftler uns nicht verschließen. Studien aus den USA zeigen, dass jeder Dollar, der in Militärforschung gesteckt
wird, weitere 50 Cent an ziviler Forschung stimuliert."
Am Anfang haben Sie gesagt, in Zeiten der Budgetkonkurrenz komme es darauf an, die Finanzierung der aktuell drängenden Herausforderungen geschickt mit den nötigen Ausgaben für Forschung
und Entwicklung zu kombinieren. Aber was genau meinen Sie damit? Die Budgetkonkurrenz auflösen, indem die Wissenschaft in den Dienst der Aufrüstung gestellt wird?
So drastisch würde ich das nicht formulieren. Richtig ist aber: Das 100-Milliarden-Sondervermögen fließt nicht allein in militärisches Gerät. Ein Teil davon kann neue Forschungsansätze
finanzieren, die einen Dual-Use-Charakter haben, also Richtung ziviler und militärischer Nutzung gehen. Was bei der Forschung zu Künstlicher Intelligenz eigentlich immer und grundsätzlich der
Fall ist. Und noch ein Beispiel, das gar nichts mit Verteidigung zu tun hat: Wenn die Bundesregierung demnächst, über das Wachstumschancengesetz etwa, Maßnahmen zur Konjunkturstimulation
ergreifen sollte, gehört da eine sogenannte Strukturkomponente rein. Also Investitionen, um den langfristig notwendigen Umbau der Industrie jetzt voranzutreiben. Das geht wiederum nur mit
zusätzlichen F&E-Ausgaben.
Was Sie da beschreiben, würde bedeuten, dass sich Forscher auch an Ihrer Hochschule, der Universität Jena, darauf einstellen müssten, sich demnächst häufiger um Drittmittelaufträge der
Bundeswehr zu bewerben.
Das erfordert ein Umdenken, ja. Aber der geopolitischen Lage, in der wir uns befinden, können auch wir Wissenschaftler uns nicht verschließen. Studien aus den USA zeigen, dass jeder Dollar, der
in Militärforschung gesteckt wird, weitere 50 Cent an ziviler Forschung stimuliert. Ich sehe die Schwierigkeit für die Universitäten eher anderswo. Wenn Sie einen Auftrag der Bundeswehr annehmen,
kann es sein, dass die Wissenschaftler anschließend ihre Erkenntnisse nicht publizieren dürfen. Aktuell höre ich, dass es bereits bei einzelnen Drittmittelprojekten, die von der Cyberagentur
finanziert werden, solche Probleme gibt. Publizieren ist aber die Voraussetzung, um in der Wissenschaft Karriere zu machen. Insofern glaube ich nicht, dass wir viele rein militärische
Forschungsaufträge an Universitäten sehen werden.
Sie loben die Bundesregierung auch dafür, dass Sie bei der DATI in die Umsetzung gekommen ist. Ist sie das? Das Gründungskonzept steht weiter aus, und die ersten Pilot-Förderlinien waren
Kritikern zufolge so vage ausgeschrieben, dass es eine kaum zu handelbare Bewerbungsflut gab.
Das mit den vielen Bewerbungen finde ich überhaupt nicht schlimm. Das Ausschreibungsverfahren war bewusst experimentell aufgelegt, es musste breit sein, um den Transferbegriff möglichst
offenzuhalten. Zum Glück ist man von der ursprünglichen Kanalisierung auf Hochschulen für Angewandte Wissenschaften weg. Was das Konzept angeht: Es gibt jetzt die Gründungskommission, und zu
deren Aufgaben gehört neben der Auswahl von Ort und Leitung die Formulierung des finalen Konzepts.
Was ursprünglich anders gedacht war. Sonst hätte das BMBF die Kommission viel früher berufen.
Jetzt ist sie am Arbeiten, das zählt.
Wird die DATI wenigstens gleich die Freiheitsgrade bekommen, um die die SPRIND über Jahre kämpfen musste?
Vielleicht ja, vielleicht wird sich der Kampf auch wiederholen. Wichtig ist, dass die Agentur bald loslegt und ins Ausprobieren kommt. Dann werden wir sehen.
"Wenn von oben, von der Ministeriumsspitze,
kein Druck gemacht wird, es anders zu machen,
dann sind all die Beschwörungen und Ambitionen
nichts wert. Es ist ein Drama."
Apropos: Evaluationen neuer Einrichtungen, Projekte und Förderlinien gehören inzwischen nicht nur in der Innovationspolitik zum Alltag. Nur dass sie laut Ihrem Gutachten oft nicht richtig
aufgesetzt sind.
Wir haben uns die Evaluationspraxis in zwei Ministerien angeschaut, dem BMWK und dem BMBF. In beiden Häusern existieren eigene Referate für Evaluation mit hochkompetenten Mitarbeitern, die
wissen, wie es geht. Das BMWK hat im Jahr 2013 bereits eine Richtlinie zur Durchführung von Evaluationen erstellen lassen, die stimmt Punkt für Punkt. Trotzdem sehen wir viele Evaluationen, die
nach dem Prinzip laufen: Ich gebe Geld, um zum Beispiel ein bestimmtes Technologiefeld zu fördern. Und wenn dieses Technologiefeld sich in ein paar Jahren positiv entwickelt hat, sage ich: Bingo,
hat funktioniert. Obwohl das 1000 Gründe haben kann und überhaupt nicht an der Förderung liegen muss. Aber man weiß es nicht besser, weil man die Erfolgskriterien vorher nicht richtig bestimmt,
keine Kontrollgruppe eingerichtet hat und nicht methodisch sauber misst.
Wie kann das sein?
Die Expertise im eigenen Haus wird nicht ausreichend genutzt, man hört nicht auf das, was die Fachleute im Evalutionsreferat sagen. Und den Einrichtungen und Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftlern, die extern mit der Evaluation beauftragt werden, verweigert man in der Regel die Herausgabe der notwendigen Daten, selbst wenn man sie hat. Das ist paradox. Offenbar herrscht in
vielen Referaten immer noch Angst vor zu viel Transparenz – vielleicht aus Furcht, bei einer negativen Evaluation Budget einzubüßen. Weswegen das, was ein Ministerium anstößt, per definitionem
positiv wirken muss. Wenn von oben, von der Ministeriumsspitze, kein Druck gemacht wird, es anders zu machen, dann sind all die Beschwörungen und Ambitionen nichts wert. Es ist ein Drama.
Am Ende bekommen Sie noch eine zweite Minute mit Olaf Scholz. Ihr Rat an den Bundeskanzler?
Bei der Forschungs- und Innovationspolitik unbedingt Kurs beibehalten. Die Innovationspolitik der Bundesregierung ist nicht konturenscharf, aber die prinzipielle Richtung stimmt. Sich über die
Ziele einigen, und wenn dann über den Weg und die Instrumente gestritten wird, ist das nicht schlimm. Entscheidend ist, nicht bei jeder Protestaktion zurückzuschrecken, sondern beharrlich zu
erklären und auch mal klare Ansagen zu machen. Zu Beginn des Ukrainekriegs, als Deutschland eine Energiekrise abwenden musste, hat Robert Habeck das gemacht. Er hat jeden Abend erklärt, worum es
geht und worauf es jetzt ankommt. Mittlerweile hat er das eingestellt. Wirklich schade.
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Das Copyright für das Logo (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Logo_of_the_AGROunia.svg) liegt bei Agrounia.Update vom 31.08.2023: Am 16.08.2023 wurde offiziell verkündet, dass Michał Kołodziejczak und seine Partei Agrounia bei den bevorstehenden Wahlen auf der Liste der Bürgerkoalition (Koalicja Obywatelska, KO) kandidieren werden. Kołodziejczak tritt auf der ersten Position der Wahlliste im Wahlkreis Nr. 37 (Konin, Großpolen) an. Zusammen mit der KO beabsichtigt der junge Parteiführer das ländliche Elektorat von der regierenden PiS-Partei (Recht und Gerechtigkeit) "zurückzuerobern". Obwohl Kołodziejczak in der Vergangenheit scharfe Kritik auch an der KO ausübte, sieht er in diesem Schritt die einzige Chance, die polnische Politik wirklich mitgestalten zu können und bezeichnet seine Entscheidung als "höhere Gewalt". Diese Ankündigung löste das zwei Monate andauernde und bis dahin bestehende Bündnis zwischen Agrounia und der Partei Nowa Demokracja TAK (dt. Neue Demokratie JA) auf, was laut eigenen Aussagen, für den Vertreter der Partnerpartei Marek Materek, überraschend kam. Update vom 23.5.2023: Mit dem heutigen Tag hat die Porozumienie das Bündnis mit Agrounia aufgekündigt.Selbst in einer modernen Welt, in der Technologie und Wissenschaft florieren, bleibt die Landwirtschaft für viele Länder eine der wichtigsten Branchen. Polen ist reich an landwirtschaftlichen Nutzflächen und besitzt einen lebendigen Bauernstand. Bäuerliche Familienbetriebe sind das Rückgrat der polnischen Landwirtschaft und haben in den letzten Jahren eine besondere Rolle bei politischen Entscheidungen gespielt. Die aktuelle Situation rund um die Einfuhr von Getreide und anderen Lebensmitteln aus der Ukraine sorgt für eine aufgeheizte Stimmung auf dem Land. Da die EU 2022 der Ukraine zollfreie Exporte ermöglichte, sehen sich die polnischen und andere Landwirte im östlichen Europa bedroht. Die Agrounia organisiert zurzeit Proteste gegen den Import landwirtschaftlicher Produkte aus der Ukraine und setzt sich für die Wiedereinführung von Zöllen auf ukrainische Lebensmittel ein.Mit Aktionen wie "Streik der 1000-Traktoren" oder einem elftätigen Streik in der grenznahen südostpolnischen Stadt Hrubieszów zeigt Agrounia unter Leitung von Michał Kołodziejczak ihre volle Unterstützung für die besorgten Bauern. Der Verlauf der Proteste wird auf den Kanälen der Partei in den sozialen Medien ausführlich dokumentiert, wodurch der Vorsitzende eine große mediale Präsenz erlangt hat. Kołodziejczak befürwortet ausdrücklich Hilfeleistungen für die vom Krieg betroffenen Ukrainer, solang diese nicht auf Kosten der polnischen Bauern stattfinden. Bis jetzt wird diese relativ neue Partei jedoch nicht als ein großer Player auf der politischen Bühne Polens angesehen. Ein Bündnis mit der Partei Porozumienie (Verständigung) soll helfen, die 5%-Hürde zu überwinden. Nach wie vor fehlen jedoch noch ein Programm und eine vereinte Vorgehensweise. Laut einer aktuellen Umfrage könnte Agrounia zusammen mit ihrer Partnerpartei Porozumienie gerade einmal 0,2 Prozent der Stimmen erhalten, womit das Bündnis den Einstieg in den Sejm eindeutig verpassen würde. Trotzdem kann diese Partei eine bedeutende Rolle bei den kommenden Wahlen spielen, indem sie ein paar Prozentpunkte der Partei PiS (Recht und Gerechtigkeit) oder der PSL (Polnsiche Volkspartei) mit ihrer ursprünglich vor allem bäuerlichen Klientel wegnehmen kann.Von einer sozialen Bewegung zu einer ParteiAgrounia startete als eine gesellschaftliche Bewegung, die sich ganz besonders für die Bauern einsetzte. Michał Kołodziejczak, der als Ratsmitglied der zentralpolnischen Gemeinde Blaszki auf der Liste der regierenden PiS gewählt und später aus der PiS ausgeschlossen wurde, gründete 2018 eine Bewegung namens Unia Warzywno-Ziemniaczana (Gemüse- und Kartoffel-Union). Dieser Verein brachte mit seinen Aktivitäten frischen Wind in die Bauernpolitik und verlieh den Landwirten eine Stimme, die sich seit der Wende von 1989/1990 benachteiligt sahen. Der charismatische Vorsitzende der Bewegung führte zahlreiche Gespräche mit dem Ministerium für Landwirtschaft und Ländliche Entwicklung, verhinderte die Beteiligung von Politikern an seinen Bauernprotesten und ließ die Betroffenen selbst zu Wort kommen.Protestiert wurde vor allem gegen die von Ministerpräsident Mateusz Morawiecki ergriffenen Maßnahmen gegen die Verbreitung der Afrikanischen Schweinepest. Im Dezember 2018 wurde die Stiftung Agrounia registriert, die das Werk fortsetzte. Im Mai 2021 verkündete Kołodziejczak das Vorhaben, eine sozialdemokratische Volkspartei zu gründen, da diese in der politischen Landschaft Polens dringend gebraucht wurde. Dabei betonte er, wie wichtig es sei, sich an die Verfassung und die Marktwirtschaft zu halten. Diese Entscheidung resultierte unter anderem aus der Enttäuschung über die PiS-Regierung — einer Partei, die gerne von Landwirten gewählt wurde. Kołodziejczak warf der Regierungspartei Betrug vor, da sie keine Versprechen erfüllt habe, die den ländlichen Raum und die Landwirte betrafen. Die Kritik war ebenfalls auf eine andere Bauernpartei gemünzt, die PSL (Polskie Stronnictwo Ludowe). Diese drückte sich vor allem in dem Vorwurf aus, das polnische Land verraten und es in die Hände der PiS übergeben zu haben. Somit habe die PSL ihre ländliche Wählerschaft im Stich gelassen und die Interessen der Bauern nicht stark genug vertreten. Agrounia gilt ihrem Selbstverständnis nach als eine rebellische Bauernbewegung, deren Augenmerk vor allem auf der polnischen Provinz, der Verteidigung des einheimischen Marktes und der Förderung der bäuerlichen Familienbetriebe liegt.Die Postulate der Agrounia wurden auf dem ersten Programmkongress im Dezember 2021 klar definiert. Das Programm sieht vor allem den Schutz von polnischen Lebensmitteln, Landwirten und der Landwirtschaft im breiten Sinne des Wortes als oberste Priorität. Darüber hinaus möchte die Partei die Oligopole und Monopole großer Unternehmen auf dem polnischen Lebensmittelmarkt abschaffen, um somit die Chancengleichheit für kleine landwirtschaftliche Familienbetriebe zu fördern und die Regale in polnischen Geschäften mindestens zu 51% mit heimischen Produkten zu füllen. Zu den heiß diskutierten Forderungen zählt vor allem die Zwangspensionierung von Politikern nach Erreichen einer Altersgrenze von 65 Jahren, wodurch Spielräume für Nachwuchspolitiker freigegeben werden sollen. Unter den meist konservativen Forderungen lässt sich aber auch der volkstümlich-linke Stil der Partei erkennen: Der Vorsitzende sprach sich nämlich auch für die Legalisierung des Besitzes kleiner Mengen von Marihuana aus und unterstützte die Gewerkschafter des Handelsriesen Amazon bei ihren Protesten gegen die Ausbeutung von Beschäftigten in den polnischen Logistikzentren des Unternehmens. Die Mitglieder der Agrounia, die sich in ihren Postulaten ebenfalls für das Wohlergehen der Arbeiter und Arbeiterinnen aussprechen, gingen zusammen mit den Gewerkschaftlern im November 2021 durch Warschau, um gemeinsam gegen große Unternehmen zu protestieren. Das Copyright für das Bild "Strajk kryzysowy - Michal Kolodziejczak i Agrounia.jpg" (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Strajk_kryzysowy_-_Michal_Kolodziejczak_i_Agrounia.jpg ) liegt bei Tomasz Molina. Das Bild wird im Rahmen der Creative Commons Attribution-Share Alike 4.0 International-Lizenz verwendet.Das Bild entstand während des Krisenstreiks – einer Demonstration zur Energie-und Klimasituation in Polen – am 28. Oktober 2022 in Warschau. Dieser Streik wurde zwar nicht von Agrounia organisiert, doch die Partei sicherte ihm ihre volle Unterstützung zu. Mit Postulaten wie "Dörfer und Städte: Schluss mit Armut" auf den Plakaten solidarisierten sich Michał Kołodziejczak (rechts im Bild) und andere Parteimitglieder mit Aktivisten und Aktivistinnen. Protestaktionen und das Erbe der SamoobronaMit Protestaktionen, die mit ihrer Wucht an die einstigen Proteste der rebellischen Partei Samoobrona (Selbstverteidigung) von Andrzej Lepper erinnerten, sorgte die Bewegung rund um Michał Kołodziejczak um Aufsehen. Der Anführer der Agrounia gilt seit ihrer Gründung als "zweiter Andrzej Lepper"[1] und stützt sich bei seinem Kampf um den Einzug in die Politik auf eine ähnliche Energie und ein ähnliches Umfeld wie seinerzeit Samoobrona. Einst kippte Andrzej Lepper Getreide auf Bahngleise, fast zwei Jahrzehnte später warf Kołodziejczak Kadaver vor das Haus des PiS Partei-Chefs Jarosław Kaczyński und blockierte öffentliche Plätze in der polnischen Hauptstadt. Die Vergleiche mit dem Parteiführer der Samoobrona stören Kołodziejczak nicht, er selbst sieht sich aber als Fortsetzer des Werks von Kornel Morawieckis Solidarność Walcząca (Kämpfende Solidarität), einer radikalen antikommunistischen Untergrundgruppierung aus den 1980er Jahren. Den Vater des jetzigen Premierministers Mateusz Morawiecki bezeichnet er als einen "wahren Rebellen", seinen Sohn hingegen als einen "fügsamen Teddybär", was seine Stimmung gegenüber der Regierungspartei nochmals unterstreicht. Samoobrona hat zehn Jahre gebraucht, bis sie 2001 in die polnische Regierung einzog. Kołodziejczak will bereits fünf Jahre nach Gründung seiner Agrounia in das Parlament einziehen – nur so könne etwas verändert werden. Die Ambitionen waren groß — der Parteiführer sprach von einem zweistelligen Ergebnis. Das oberste Ziel, die Probleme der polnischen Landwirtschaft zu einem zentralen Politikfeld zu machen, bleibt weiterhin bestehen. Während die Umfragen nach der Gründung der Partei mit mehr als fünf Prozent überraschend positiv ausfielen, sieht die Situation derzeit anders aus. Der Zusammenschluss mit der liberal-konservativen Partei Porozumienie (Verständigung) sollte der Abstiegstendenz vorbeugen und den Einstig in den Sejm sichern.Koalitionspotential und der Zusammenschluss mit PorozumienieAgrounia hat theoretisch eine hohe Koalitionsfähigkeit – sie könnte mit der PSL, der Linkspartei Lewica, der rechtsextremen Konfederacja oder sogar mit der PiS zusammenarbeiten. Kołodziejczak war immer offen für Gespräche mit Vertretern aller Parteien um die Postulate anderer kennen zu lernen und herauszufinden, wer als möglicher Bündnispartner in Frage käme. Da Agrounia sich für kein politisches Lager eindeutig aussprach, standen der Partei alle Türen offen – wäre da nicht die offene Kritik an den bestehenden Verhältnissen. Dies ist wahrscheinlich der Grund, warum die Vorsitzenden von Porozumienie und Agrounia – Magdalena Sroka und Michał Kołodziejczak – eine inhaltliche Erklärung zur Zusammenarbeit unterzeichnet haben. Das Dokument bildet die Grundlage für die künftige Zusammenarbeit der beiden Parteien, die ihre Kräfte im Vorfeld der Wahlen 2023 bündeln. Am 15. März 2023 wurde die neue Partei Ruch Społeczny (Soziale Bewegung) vom Warschauer Gericht registriert. Mit ihrer Gründung soll die für Koalitionen geltende Wahlhürde von 8% umgangen werden – durch die Gründung einer gemeinsamen (Schirm-)Partei sind sie nur an die 5 %-Hürde gebunden. Die Verbindung zwischen der Bauernpartei mit sozialdemokratischen Tendenzen und der konservativ-liberalen bürgerlichen Partei kam für viele überraschend.Eine Gemeinsamkeit ist sicherlich, dass beide Parteien in den letzten Jahren erhebliche Umwälzungen erlebt haben. Die Porozumienie hat die Koalition mit der PiS nach sechs Jahren gemeinsamer Regierung verlassen und kritisiert diese nun von liberalen Positionen aus. Agrounia hingegen hat sich innerhalb von drei Jahren von einer mit der extremen Rechten verkehrenden Bewegung zu einer Partei gewandelt, die ein sozialdemokratisches Modell vertritt. Den Vorwurf, solch ein Zusammenschluss sei nur ein Überlebungskampf, lehnt Kołodziejczak vehement ab – die Erweiterung der Interessengebiete sei notwendig, um eine wichtige politische Kraft Polens werden zu können. Um in den Städten nicht nur als Bauernverteter zu gelten, benötigte Agrounia einen Partner und die Wahl fiel auf Porozumienie. Darüber hinaus sollen sich beide Gruppierungen nach eigenen Aussagen gegenseitig ergänzen. Eine Auffrischung hat aber auch die Porozumienie selbst dringend gebraucht: Seit dem Ausscheiden aus der Regierungskoalition hat sie vergeblich versucht, ihren Platz auf der politischen Bühne zu finden. Und da es sich um eine Partei handelt, deren Unterstützung in den Umfragen unter einem Prozent lag, erforderte dies zwangsläufig ein Bündnis mit einer anderen Gruppierung. Die PSL hatte eine Zusammenarbeit mit Porozumienie nie ausgeschlossen, dafür aber keine Unterstützung bei den anderen Oppositionsparteien gefunden. Zumal an der Spitze bis vor kurzem Jarosław Gowin stand, der sich als einst wichtiger Koalitionspartner der PiS unter den Oppositionskollegen keiner großen Beliebtheit erfreute. Im Dezember 2022 trat Gowin als Parteivorsitzender zurück und Magdalena Sroka, die zum ersten Mal im Sejm sitzt, übernahm die Führung. Dieser Tausch bedeutet sicherlich eine gewisse Verbesserung für das Image der Porozumienie.Die Gespräche mit der PSL dürften jedoch dadurch erschwert worden sein, dass diese ihre Zusammenarbeit mit der Partei Polska 2050 intensivierte – was weithin als Vorspiel für eine gemeinsame Kandidatur bei den Wahlen angesehen wurde. Daher auch die Hinwendung der neuen Parteivorsitzenden zur Agrounia. Das Programm des neuen Bündnisses soll auf einem Parteitag vorgestellt werden, ein genaues Datum und der Ort des Geschehens wurden jedoch bis jetzt nicht bekannt gegeben. Die Hintergründe von Ruch Społeczny sind überzeugend: Porozumienie, als ein ehemaliger Koalitionspartner von PiS, und viele Aktivisten der Agrounia, die früher der PiS angehört hatten, sprechen plausibel von enttäuschten Hoffnungen. Ohne eine Wahlliste mit Gesichtern von Politikern, die eindeutig mit der Opposition verbunden sind, steigt die Chance, bisherige PiS-Wähler auf die eigene Seite zu ziehen. Da die Platforma Obywatelska (Bürgerplatform) und die Lewica (die Linken) derzeit ideologisch zu weit von "ihrer" Partei entfernt sind, würden die PiS-Wähler nicht für diese stimmen. Die Unentschiedenen brauchen eine Partei, die nicht eindeutig der Opposition zuzuordnen ist. Der Zusammenschluss von PSL und Polska 2050 erfüllt dieses Kriterium für viele nicht mehr. Daraus ergibt sich die Chance für eine neue Formation, die auch die ländliche Wählerschaft anspricht. Auf die Frage, wie Agrounia die ländliche Wählerschaft der aktuellen Regierung abwerben möchte, antwortet Kołodziejczak: Mit vertrauenswürdigen Menschen, die auf der lokalen Ebene agieren. Zwar wird Agrounia keine reale Bedrohung für die regierende Partei darstellen und mit ihrem Partner nicht das erwünschte Ergebnis erzielen können, sie könnte jedoch der PiS einen Strich durch die Rechnung machen und ein paar Prozent der Stimmen abfangen, die dann zur Bildung der Mehrheitsregierung fehlen könnten.FazitDie meisten Umfragen sehen zurzeit die Initiative unterhalb der Wahlhürde. Die Vorsitzenden der Agrounia und von Porozumienie verweisen auf die Unterstützung, die sie bei Versammlungen in ganz Polen erfahren, und bleiben weiterhin optimistisch. Bei fast allen Parlamentswahlen konnte bis jetzt eine neue Partei von außerhalb der bestehenden politischen Landschaft einen bestimmten Anteil der Stimmen für sich gewinnen, zum Beispiel die Palikot-Bewegung 2011, vier Jahre später Kukiz'15 sowie die Partei Nowoczesna von Ryszard Petru. Gelingt es den Parteien, die enttäuschten PiS-Wähler, vor allem die Bauern und die junge Generation zu überzeugen, könnten sich für sie die Sejm-Türen noch öffnen. Der Wahlkampf dauert schließlich noch mindestens fünf lange Monate.
[1] Andrzej Lepper (1954-2011) war ein polnischer Politiker und Gewerkschafter. Mit seiner Partei Samoobrona setzte er sich während der marktwirtschaftlichen Reformen der 1990er Jahre für die protestierenden Landwirte in Polen ein. Besondere Aufmerksamkeit erbrachte ihm die Organisation landesweiter Straßenblockaden und das Auskippen von importiertem Getreide auf Bahngleise. Bei den Parlamentswahlen 2001 konnte seine Partei mit 10,2% der Stimmen ins Parlament einziehen.
Forestry and the wood-based sector provide increasing contributions to the national and rural economy development. Tree plantations serve as a business opportunity to secure the livelihood of thousands of small-scale timber producer households in several tropical countries. Given that forest land and the timber production it supports is limited, sustainable management of forest-based resources including timber is required. By integrating the value chain and livelihood analysis framework, this study investigates the value chains and impacts on rural livelihoods of commercial Acacia hybrid timber in central Vietnam. Besides that, scenario analysis is applied with a view to proposing the development pathways of the timber value chains and to providing improved information for developing the plantation policy in Vietnam at large. The empirical analysis employs a case study research design to examine the transition towards higher value uses of timber resources, thereby exploring the performance of woodchip, non-FSC furniture and FSC-certified furniture value chains in Thua Thien Hue province. Furthermore, two production areas named Nam Dong and Phu Loc districts are selected as embedded cases to examine the rural development potentials of Acacia hybrid timber production and commercialization. A mix-method approach, including both qualitative such as review and analysis of secondary data and key informant interviews, and quantitative data collection methods such as producer household surveys are applied to gather primary and secondary data. Diverse qualitative and quantitative analyses including content analysis, value chain analysis, livelihood analysis, and scenario analysis are also utilized corresponding to the specific research objectives. The macro-level analysis reveals the strategic responses of Asian wood-based firms to the global economy, particularly in terms of geographical scope, governance, cooperation, and overall performance. In addition, a literature review points out the potential impacts of Asian timber VCs on the environment and livelihoods. While timber product commercialization generates benefits to the value chain actors, unsustainable forest management leads to diverse negative environmental effects. The findings demonstrate considerable knowledge gaps and call for broader geographic coverage, as well as more transparent and quantitative assessments. To deepen the understanding on timber VCs, further research efforts should scrutinize the origins, functions, operations, and interactions of firms in these chains, and incorporate environmental and social aspects. The meso- and micro-level analysis exposes the structure of Acacia hybrid timber value chains which are shaped by various socio-economic, political, and environmental conditions. All three analyzed timber value chains are buyer-driven, led by processing and exporting companies in the downstream node of chains. At the upstream node, small-scale timber producers are normally less organized and lack market access. Timber production and commercialization provide profitable business activities to timber producers, traders, and processing and exporting companies. From a chain perspective, the woodchip value chain is financially profitable. However, its contribution to the national economy is the least. In contrast, the FSC-certified furniture value chain contributes fundamentally to economic development. The micro-level analysis indicates the difference regarding the socio-economic features, resource access, and management of producer households between the two analyzed districts. Relevant findings also indicate the importance of Acacia hybrid woodlots in the current livelihood system. However, more wealthy households benefit more from the Acacia hybrid timber income, especially in a well-developed market. Timber production and commercialization contribute to rural poverty reduction. Nevertheless, it is the main driver of the overall income inequality in both districts. Results from the literature review and empirical study support to conceptualize and evaluate the three development scenarios, displaying different levels of forest transition interventions and reactions of key actors in the chains. Under the current situation, a fast transition model with strict plantation control is not advisable for timber value chains' stakeholders, especially those who operate on the ground. A slow transition scenario with a co-management model, instead, serves as a suitable development pathway. To improve the current management system, this study implies five management strategies, including (i) adaptive management; (ii) multi-stakeholder cooperation; (iii) target interventions; (iv) collaborative management and (v) integrated planning. The study can be of interest for further policy interventions focusing on sustainable reforestation and livelihood development in Vietnam. The approach of transition towards high added value products can further be applied in other comparable contextual cases searching for sustainable utilization of timber and forest-based products at large. Theoretically, the thesis highlights that sustainable management of forest-based products will not be obtained unless the related economic, social, and environmental aspects are considered in conjunction. These conditions are driven by several factors, such as national policy frame and market condition. Therefore, it is crucial to understand the interrelations within the economic-socio-ecological system to achieve long-term development targets. ; Die Forstwirtschaft und der holzverarbeitende Sektor leisten einen wachsenden Beitrag zur nationalen und ländlichen Wirtschaftsentwicklung. Baumplantagen dienen Tausenden von kleinen Holzproduzentenhaushalten in vielen tropischen Ländern als Geschäftsmöglichkeit, um ihren Lebensunterhalt zu sichern. Da die Waldflächen und die darauf gestützte Holzproduktion begrenzt sind, ist eine nachhaltige Bewirtschaftung der waldbasierten Ressourcen, einschließlich Holz, erforderlich. Diese Studie untersucht die Wertschöpfungsketten und die Auswirkungen von kommerziellem Akazien-Hybridholz auf den Lebensunterhalt der ländlichen Bevölkerung in Zentralvietnam durch Integration von Wertschöpfungsketten- und Lebensunterhaltsanalysen. Außerdem wird eine Szenarioanalyse durchgeführt, um Entwicklungswege für die Holzwertschöpfungsketten vorzuschlagen und bessere Informationen für die Entwicklung der Plantagenpolitik in Vietnam insgesamt bereitzustellen. Die empirische Analyse verwendet ein Fallstudien-Forschungsdesign, um den Übergang zu höherwertigen Nutzungen von Holzressourcen zu untersuchen und dabei die Leistung von Wertschöpfungsketten für Hackschnitzel, nicht FSC-zertifizierte Möbel und FSC-zertifizierte Möbel in der Provinz Thua Thien Hue zu analysieren. Darüber hinaus werden zwei Produktionsgebiete, die Distrikte Nam Dong und Phu Loc, als Fallbeispiele ausgewählt, um die ländlichen Entwicklungspotenziale der Akazien-Hybridholzproduktion und -vermarktung zu untersuchen. Um Primär- und Sekundärdaten zu sammeln wird ein Methodenmix aus qualitativen Methoden, wie der Sichtung und Analyse von Sekundärdaten und der Befragung von Schlüsselinformanten, sowie quantitativen Datenerhebungsmethoden, wie der Befragung von Produzentenhaushalten, verwendet. Außerdem werden diverse qualitative und quantitative Analysen wie Inhaltsanalyse, Wertschöpfungskettenanalyse, Lebensunterhaltsanalyse und Szenarioanalyse entsprechend den spezifischen Forschungszielen eingesetzt. Die Analyse auf der Makroebene zeigt die strategischen Reaktionen der asiatischen Holzfirmen auf die globale Wirtschaft, insbesondere in Bezug auf geografische Reichweite, Governance, Kooperation und Gesamtleistung. Darüber hinaus zeigt eine Literaturübersicht die potenziellen Auswirkungen asiatischer Holzwertschöpfungsketten auf die Umwelt und die Lebensgrundlagen der lokalen Bevölkerung auf. Während die Kommerzialisierung von Holzprodukten Vorteile für die Akteure der Wertschöpfungskette mit sich bringt, führt eine nicht nachhaltige Waldbewirtschaftung zu diversen negativen Umwelteffekten. Die Ergebnisse zeigen erhebliche Wissenslücken auf und fordern eine breitere geografische Abdeckung sowie transparentere und quantitativere Bewertungen. Um das Verständnis von Holz-Wertschöpfungsketten zu vertiefen, sollten weitere Forschungsarbeiten die Ursprünge, Funktionen, Abläufe und Interaktionen von Unternehmen in diesen Ketten untersuchen und dabei ökologische und soziale Aspekte mit einbeziehen. Die Analyse auf der Meso- und Mikroebene legt die Struktur der Akazien-Hybridholz-Wertschöpfungsketten offen, welche von verschiedenen sozioökonomischen, politischen und ökologischen Bedingungen geprägt sind. Alle drei analysierten Holzwertschöpfungsketten sind käufergesteuert, angeführt von Verarbeitungs- und Exportunternehmen im nachgelagerten Knotenpunkt der Ketten. Am vorgelagerten Knotenpunkt sind die kleinen Holzproduzenten in der Regel weniger organisiert und haben keinen Marktzugang. Die Holzproduktion und -vermarktung bieten profitable Geschäftsaktivitäten für Holzproduzenten, Händler sowie Verarbeitungs- und Exportunternehmen. Aus der Kettenperspektive ist die Wertschöpfungskette Hackschnitzel finanziell profitabel. Ihr Beitrag zur Volkswirtschaft ist jedoch der geringste. Im Gegensatz dazu trägt die FSC-zertifizierte Möbel-Wertschöpfungskette grundlegend zur wirtschaftlichen Entwicklung bei. Die Analyse auf der Mikroebene zeigt die Unterschiede zwischen den beiden analysierten Distrikten in Bezug auf die sozioökonomischen Merkmale, den Ressourcenzugang und das Management der Produzentenhaushalte. Relevante Ergebnisse weisen auch auf die Bedeutung von Akazien-Hybridholzplantagen im derzeitigen Lebensunterhaltssystem hin. Allerdings profitieren wohlhabendere Haushalte mehr von den Einnahmen durch Akazien-Hybridholz, insbesondere bei einem gut entwickelten Markt. Holzproduktion und Kommerzialisierung tragen zur ländlichen Armutsbekämpfung bei, dennoch ist sie der ausschlaggebende Kraft für die allgemeine Einkommensungleichheit in beiden Distrikten. Die Ergebnisse der Literaturrecherche und der empirischen Studie helfen dabei, die drei Entwicklungsszenarien zu konzipieren und zu bewerten, die unterschiedliche Ebenen der Waldumwandlungsmaßnahmen und Reaktionen der Hauptakteure in den Ketten darstellen. In der aktuellen Situation ist ein schnelles Übergangsmodell mit strikter Kontrolle der Plantagen für die Akteure der Holzwertschöpfungsketten nicht ratsam, insbesondere für diejenigen, die vor Ort tätig sind. Ein langsames Übergangsszenario mit einem Co-Management-Modell dient stattdessen als geeigneter Entwicklungspfad. Um das derzeitige Managementsystem zu verbessern, schlägt diese Studie fünf Managementstrategien vor, darunter (i) adaptives Management, (ii) Zusammenarbeit mehrerer Interessengruppen, (iii) gezielte Interventionen, (iv) kooperatives Management und (v) integrierte Planung. Die Studie kann für weitere politische Interventionen von Interesse sein, welche sich auf eine nachhaltige Wiederaufforstung und die Entwicklung der Lebensgrundlagen in Vietnam konzentrieren. Der Ansatz des Übergangs zu Produkten mit hoher Wertschöpfung kann auch in anderen vergleichbaren Fällen angewandt werden, in denen eine nachhaltige Nutzung von Holz- und Forstprodukten im Allgemeinen angestrebt wird. Theoretisch unterstreicht die Arbeit, dass eine nachhaltige Bewirtschaftung von Forstprodukten nur dann erreicht werden kann, wenn die damit verbundenen wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Aspekte in Verbindung betrachtet werden. Diese Bedingungen werden von verschiedenen Faktoren beeinflusst, wie z.B. dem nationalen politischen Rahmen und den Marktbedingungen. Daher ist es entscheidend, die Zusammenhänge innerhalb des ökonomisch-sozio-ökologischen Systems zu verstehen, um langfristige Entwicklungsziele zu erreichen.
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Unternehmerinnen und Unternehmer sind so unterschiedlich wie ihre Firmen. Ihr Erfolg am Markt ist teilweise durch ihre Persönlichkeit und ihre demografischen Merkmale bestimmt. Ein individuelles Merkmal kann dabei eine "Behinderung" sein – und auf dieses fokussiert sich die vorliegende kumulativen Dissertation. Die Rolle von Menschen mit Behinderung im Arbeitsleben hat durch das "Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen" in der gesellschaftlichen und politischen Diskussion an Bedeutung gewonnen. Daher ist das Thema hochrelevant, insbesondere vor dem Hintergrund eines selbstbestimmten Lebens mit der Möglichkeit zur Wahl der Erwerbsform: also entweder als abhängig Erwerbstätige zu arbeiten oder selbständig tätig zu werden in Form einer Unternehmensgründung. Ein Einstieg ins Unternehmertum kann für Menschen mit Behinderung Vorteile bieten: Eine größere zeitliche Flexibilität, weniger Herausforderungen mit den Kolleginnen und Kollegen sowie auch ein Weg in den Arbeitsmarkt, wenn sich keine Alternativen ergeben. Die vorliegende Promotion analysiert die Situation von Unternehmerinnen und Unternehmern mit Behinderung in Deutschland anhand von zwei quantitativen Analysen und einer Analyse der vorhandenen Literatur zur Thematik. Die Merkmale "Behinderung" im rechtlichen Sinne und "Gesundheit" in der Eigenwahrnehmung von Unternehmerinnen und Unternehmern werden dabei gesondert und kombiniert betrachtet. Das ist wichtig, denn der spezifische Kontext, den Menschen mit Behinderung in Deutschland vorfinden, könnte sie in der Berufswahl beeinflussen. "Behinderung" ist in dieser Hinsicht keinesfalls ein fester Begriff, sondern hat medizinische, rechtliche und soziologische Bedeutungen – Hintergründe, welche die zitierten Studien in der Arbeit aufzeigen. Sogenannte Nachteilsausgleiche, wie zusätzlicher Urlaub, ein erweiterter Kündigungsschutz oder kostenlose Hilfsmittel, können Menschen gewährt werden, wenn sie eine Anerkennung einer Behinderung in Deutschland beim Versorgungsamt beantragen. Der relevante Indikator für die Bewilligung ist der anerkannte Grad der Behinderung (GdB). Regressionsanalysen mit dem repräsentativen Mikrozensus Datensatz unter Berücksichtigung dieses GdB zeigen auf: In Deutschland hat eine Behinderung einen signifikant negativen Einfluss auf die Chance eines Menschen selbstständig zu sein. Auf mögliche Gründe hierfür geht die Dissertation ein. Das Alter der Individuen spielt in diesem Kontext eine wichtige Rolle. So ist zu unterscheiden zwischen Menschen, die bereits mit einer Behinderung geboren werden oder in jungen Jahren damit konfrontiert sind und solchen, die erst mit steigendem Alter von einer Behinderung betroffen werden. Viele junge Menschen mit Behinderung werden bereits während ihrer Schulzeit besonders gefördert und sind so nicht immer Teil des regulären Schulsystems. Dies kann starken Einfluss auf die weiteren Bildungswege und Erwerbswahl haben. Hingegen durchlaufen Individuen, die erst spät mit einer Behinderung konfrontiert werden, die regulären Bildungswege und üben oft bereits jahrelang auch ihren Beruf aus. Mit dem Alter steigt dann die Anzahl der Menschen mit Behinderung in einer Altersgruppe in Deutschland an und ihre Zusammensetzung verändert sich. Viele Fachkräfte oder Menschen mit Führungsfunktion mit Berufserfahrung erwerben eine Behinderung erst in diesem Status des Erwerbslebens. Dies lässt vermuten, dass dann eine Erwerbsentscheidung anders entschieden wird. Regressionsanalysen in der Arbeit zeigen (allerdings), dass in beiden betrachteten Altersgruppen (25 bis 44 Jahre und 45 bis 64 Jahre) eine Behinderung einen signifikant negativen Einfluss auf die Chance eines Menschen selbstständig zu sein hat. In vielen anderen Ländern sind Menschen mit Behinderung häufiger selbstständig als Menschen ohne Behinderung. Die Ergebnisse der Promotion zeigen jedoch: Deutschland ist hier eine Ausnahme. Ein blinder Fleck der Analyse ist die Form der Behinderung, da nur wenige quantitative Daten für eine Unterscheidung des Einflusses verschiedener Formen vorhanden sind. Das Narrativ "psychische Behinderung und "Unternehmertum" ist in den letzten Jahren vermehrt in der öffentlichen Berichterstattung gewesen, nicht zuletzt auf Grund des Selbstmordes einiger bekannter Unternehmer. Die zitierte Literatur zeigt wie schwierig das Phänomen "psychische Behinderung" zu greifen ist. In einem Literaturreview werden Studien diskutiert, die auf der persönlichen aber auch der gesellschaftlichen Ebene sowohl Chancen als auch Barrieren für eine Person mit einer psychischen Behinderung aufzeigen Unternehmer bzw. Unternehmerin zu werden. Ein Schwerpunkt wird dabei auf den deutschen Kontext gelegt und ein originäres Modell zur Berufswahl von Unternehmern mit psychischer Behinderung wird dargestellt. Das Ergebnis ist keinesfalls eindeutig und ein Zeichen dafür, dass weitere Forschung in diesem Bereich notwendig ist. Das Merkmal "Gesundheit" wird in Analysen manchmal als latente Variable zu Behinderung verwendet. In einer abschließenden multivariaten Analyse zeigt sich, dass der negative Einfluss des Merkmals "Behinderung" auf die Wahrscheinlichkeit eines Individuums selbstständig zu sein konstant bleibt, wenn das Merkmal "Gesundheit" zusätzlich in die Analyse miteinfließt. Gleichwohl wird die Eintrittswahrscheinlichkeit in das Unternehmertum vorrangig von dem Merkmal "Gesundheit" bestimmt, die Austrittswahrscheinlichkeit wiederum von dem Merkmal "Behinderung". Daraus folgt: In Deutschland sind beide Begriffe unterschiedlich auf ihre Auswirkung auf Unternehmerinnen und Unternehmer zu betrachten. Die Arbeit schließt mit einer Zusammenfassung der Ergebnisse und allgemeinen Empfehlungen, welche weiteren Forschungslücken in Angriff genommen werden und welche Ableitungen für die Praxis getroffen werden können. ; Entrepreneurs are as unique as their businesses. The success of their entrepreneurial endeavors is partly determined by their personality and their demographics. A relevant demographic attribute in this retrospect can be a "disability" – and this is the topic of the cumulative dissertation at hand. The role of people with disabilities on the labor market has become more important in public and political discussion due to the Convention on the Rights of Persons with Disabilities. Hence, the topic has a high relevance in the sense of having a self-determined life with the freedom of choosing your own type of occupation: working either as a dependent professional or being self-employed and starting your own business. Entering entrepreneurship can be advantageous for people with disabilities: An increased flexibility concerning working hours, less trouble with team members and especially a possibility to join and stay active on the labor market, if there are no other alternatives available. The dissertation at hand is an analysis about entrepreneurs with disability in Germany. The included papers consist of two quantitative analyses and one analysis of current related literature. The attributes "disability" in terms of the German law and "health" in terms of self-assessment of individuals are used in the analysis on their own as well as combined. This is important, as the specific context, which people with disabilities are facing in Germany, might influence them in their vocational choice. In this regard, "Disability" is not a fixed term, but can be interpreted from a medical, social and legal point of view – interpretations that can be found in the cited studies of the dissertation. The federal state may grant affirmative action for people with disabilities, e.g. additional paid leave, extended job protection or free disability aids, for individuals, who apply for an official status as an recognized disabled individual, which is admitted by the pension office. The relevant indicator is the recognized degree of disability. Regression analyses, including the degree of disability as an independent variable of interest, using the representative Mikrozensus dataset illustrate: In Germany a disability indicates a significant negative influence on the chance of an individual of being self-employed. The age of individuals plays a vital part in this regard. With an increasing age the number of people with a disability within an age groups rises and the distribution of the people with disability changes. Many skilled workers attain a disability later in life. One must differ between individuals, who were either already born with a disability or attained the status within their youth and individuals, who were affected by a disability in later years. Many young people with disabilities received additional support during their schooling time and were not necessarily part of the regular school system. This start in their education can have a decisive influence on their further educational career and their occupational choice. On the contrary, individuals who were affected by a disability later in life did pursue a regular educational career and often take up a profession. With rising age, the number of individuals with a disability within an age group in Germany rises and the in-group distribution changes. Many skilled workers or managers with vocational experience acquire a disability not until this state of their occupational career. This circumstance might indicate that their occupation choice changes in that case. Nonetheless, regression analyses within in the dissertation show that in both regarded age groups (25 to 44 years and 45 to 64 years) a disability has a negative significant influence on the chance of an individual on being self-employed. In many states people with disabilities have a higher self-employment rate than people without disabilities. The results of the dissertation show: Germany is an exception. A blind spot of the analysis is the type of disability, as few quantitative data is available. The narrative "mental disability" and "entrepreneurship" has been an increasing topic in recent years in media coverage, not least due to the suicide of some prominent entrepreneurs. The cited literature illustrates how difficult and fickle the phenomena of "mental disability" is. A literature review discusses studies, that describe chances but also barriers for people with a mental disability to join entrepreneurship. The studies are clustered on an individual and a societal level and the focus is set on the German context. An original model concerning the occupational choice of mentally disabled entrepreneurs is provided. The result is not clear but ambiguous and a sign, that more research is needed. The attribute "health" is sometimes used as a latent variable for "disability". A final multivariate analysis demonstrates that the negative influence of the attribute "disability" on the likelihood of an individual being self-employed stays constant, if the variable "health" is included as an additional independent variable. On the other hand, the likelihood of entering entrepreneurship is mainly determined by "health", while the likelihood of leaving "entrepreneurship" is determined by "disability". The results show that "disability" and "health" cannot be used synonymous but have their own effect on entrepreneurs in Germany. The dissertation closes with a summary of the results and general recommendations for additional research and managerial options.
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Climate change concerns have set the transportation sector under increasing pressure to reduce its fuel consumption and greenhouse gas (GHG) emissions. At the same time, economists and policy makers are concerned with the so-called energy efficiency paradox or energy efficiency gap: the notion of a gap between observed and supposedly cost-effective levels of energy efficiency. Besides environmental externalities, a number of further explanations—barriers to energy efficiency—for this seemingly suboptimal energy efficiency adoption behavior as well as policy recommendations to overcome these barriers have been brought forward. We review the academic literature on this issue and apply it to the domain of light-duty vehicle (LDV) fuel economy. The bottom line is that both theory and empirics suggest, although not entirely uncontended, that the market for fuel economy is characterized by several externalities as well as internalities (that is, welfare reductions—due to fuel cost undervaluation—consumers impose on themselves), leading to suboptimally low fuel economy levels and therefore providing a rationale for policy interventions. This thesis focusses on a policy instrument that is specifically dedicated to improving vehicle fuel efficiency and enjoys high popularity among policy-makers: mandatory standards for either fuel economy or specific carbon dioxide (CO2) emissions of passenger vehicles, which are key tools in many major automobile markets for meeting CO2 mitigation targets, for reducing dependence on oil imports, and increasing the welfare of motorists. By means of a theoretical model, we assess the relative favorability of different standard designs—uniform standards and manufacturer-specific standards based on a reference attribute such as weight (EU policy) or size (U.S. policy)—as well as the implications of credit trading across manufacturers. Uniform standards ignore heterogeneity in manufacturers' abatement costs; thus, in the absence of a credit trading mechanism, they impair the cost-effectiveness of achieving the fleetwide efficiency target and cause perceived inequities. By differentiating the manufacturer-specific emissions targets, weight- or size-based standards may then improve the economic efficiency of the regulation and balance the cost distribution through a more equitable allocation of required abatement efforts, but they distort the decision among different available abatement options. This distortion can possibly offset the gains from differentiating emissions targets to a large extent or even worsen the overall cost-effectiveness. We emphasize the crucial impact of the choice of the reference attribute on the magnitude of distortion-induced welfare losses and the regulation's overall economic efficiency properties. Making fuel efficiency standards tradable tends to improve their cost-effectiveness; yet, in case of distortionary attribute-based standards, and under certain circumstances, introducing tradability may actually have a deteriorating effect. Conducting numerical simulations, we identify the role of several structural factors (e.g., market concentration rates, technology cost structures, heterogeneity among vehicle manufacturers) for the relative cost-effectiveness and distributional equity of each kind of standard. We briefly contrast the U.S. and European policy approaches in the light of our theoretical results, arguing against the appropriateness of vehicle weight as reference parameter for attribute-based CO2 emissions or fuel economy standards. The subsequent chapters deal with the challenges arising from the upcoming, stepwise, and for ambitious GHG cuts indispensable electrification of the LDV fleet. Given growing market shares of electric drivetrains (battery-electric vehicles, plug-in hybrids, fuel cell electric vehicles), the currently widespread tailpipe CO2 emissions standards become increasingly inappropriate. With tailpipe standards implemented, electric vehicles (EV) have a large leverage on the (required) fuel economy of conventional internal combustion engine vehicles; as a consequence, uncertainty about the future market penetration of EV jeopardizes both GHG abatement targets as well as the realization of beneficial fuel cost savings. Thus, we assess potential alternative metrics for regulating vehicle efficiency—with well-to-wheel GHG standards and energy consumption standards appearing particularly promising, despite methodological challenges remaining to be resolved. In addition, we examine the interactions of vehicle efficiency standards with the broader climate policy framework—emissions trading schemes with varying sectoral scope, in particular—under consideration of different standards metrics and uncertain LDV electrification scenarios. Finally, we explore the interplay of LDV efficiency standards with other policy instruments specifically dedicated to improving new vehicles' CO2 performance or fuel economy. We show that—contingent upon the precise design of the efficiency standards—the implementation of such complementary policies can worsen the effectively realized fuel efficiency of the fleet. The simultaneous use of multiple instruments may still be beneficial and unfold synergies, however, if the regulator is aware of the instrumental interplay and adjusts the standards as well as the complementary policy instruments accordingly. ; Im Rahmen der Bemühungen um eine Begrenzung der globalen Klimaerwärmung gerät der Verkehrssektor zunehmend unter Druck, seinen Energieverbrauch und seine Treibhausgas-Emissionen zu verringern. Zugleich findet in Wissenschaft und Politik eine Diskussion um das sogenannte Energy Efficiency Gap (Energieeffizienzlücke) oder Energieeffizienz-Paradoxon statt. Das Energy Efficiency Gap beschreibt eine systematische Abweichung des tatsächlich realisierten vom vermeintlich optimalen bzw. kosteneffizienten Energieeffizienz-Niveau. Für dieses scheinbar suboptimale Verhalten hinsichtlich Energieeffizienzinvestitionen werden neben Umweltexternalitäten noch eine Reihe weiterer Gründe, sogenannte Energieeffizienz-Hemmnisse, sowie Politikempfehlungen für deren Überwindung diskutiert. In dieser Arbeit wird die wissenschaftliche Literatur zum Energy Efficiency Gap aufgearbeitet und auf den Bereich Personenkraftwagen (Pkw) angewendet. Sowohl Theorie als auch Empirie deuten darauf hin, dass der Pkw-Markt durch eine Vielzahl von Externalitäten als auch durch Internalitäten (d.h. eine dem rationalen Eigeninteresse zuwider laufende Unterbewertung der zukünftigen Kraftstoffkostenbelastung) gekennzeichnet ist, auch wenn dieser Befund nicht unumstritten ist. Resultiert hieraus eine gesamtwirtschaftlich zu geringe Kraftstoffeffizienz der Pkw-Flotte, erwächst eine grundsätzliche Legitimation für staatliche Eingriffe. Der Fokus dieser Arbeit richtet sich auf ein Politikinstrument, das gezielt die Effizienz von Pkw adressiert und in der regulatorischen Praxis weit verbreitet ist: Verbindliche Grenzwerte für den spezifischen CO2-Ausstoß bzw. den Kraftstoffverbrauch von Pkw sind in zahlreichen Ländern implementiert oder in der Planung, um die Treibhausgas-Emissionen des Verkehrssektors zu mindern, die Abhängigkeit von Ölimporten zu reduzieren und die Konsumentenwohlfahrt zu erhöhen. Mittels eines theoretischen Modells werden verschiedene Designs solcher Pkw-Effizienzstandards miteinander verglichen und bewertet. Zu unterscheiden sind hierbei insbesondere Standards mit einheitlichem Grenzwert und solche Ausgestaltungsformen, bei denen herstellerspezifische Zielwerte auf Basis eines Referenzattributs—wie beispielsweise das Fahrzeuggewicht in der EU oder der "Fahrzeug-Fußabdruck" (d.h. das Produkt von Spurweite und Radstand) in den USA—zugewiesen werden. Zudem werden die Implikationen der Einführung eines sogenannten Baseline-and-Credit-Handelsmechanismus untersucht. Standards mit einheitlichem Grenzwert vernachlässigen die Heterogenität in den Vermeidungskosten zwischen den Fahrzeugherstellern. Dies beeinträchtigt—bei Fehlen eines Credit-Handelsmechanismus—die Kosteneffizienz, mit der das flottenweite Emissionsziel erreicht wird, und kann überdies zur Wahrnehmung einer ungerecht verteilten Kostenbelastung führen. Attributbasierte Standards, die—nach Fahrzeuggewicht oder "Fahrzeug-Fußabdruck" differenzierte—herstellerspezifische Grenzwerte zuweisen, können durch eine ausgewogenere Allokation der geforderten Verbrauchsreduktionen zu einer Verbesserung der ökonomischen Effizienz der Regulierung und einer als gerechter empfundenen Kostenverteilung beitragen. Allerdings verzerren attributbasierte Standards die Entscheidung der Hersteller zwischen verschiedenen Optionen zur Verbrauchs- bzw. Emissionsreduktion. Diese Verzerrung kann die Effizienzgewinne, die zunächst aus einer verbesserten Allokation der geforderten Reduktionsleistungen resultieren, weitgehend neutralisieren oder sogar überkompensieren, sodass sich die Kosteneffizienz letztlich insgesamt verschlechtert. Die Analyse unterstreicht die zentrale Bedeutung der Wahl des Referenzattributs für die Höhe verzerrungsbedingter Wohlfahrtsverluste und die Gesamteffizienz der Regulierung. Der Handel mit Credits (bei Über- bzw. Unterschreitung der herstellerspezifischen Vorgaben) führt grundsätzlich zu einer Verbesserung der Kosteneffizienz. Im Falle verzerrender attributbasierter Standards kann die Einführung eines Handelsmechanismus unter bestimmten Bedingungen jedoch auch zu einer Verschlechterung führen. Mittels numerischer Simulationen wird der Einfluss verschiedener struktureller Faktoren (bspw. Marktkonzentration, relative Kosten verschiedener Vermeidungstechnologien, Heterogenität der Fahrzeughersteller) auf die relative Kosteneffizienz der untersuchten Standard-Designs und auf deren distributive Wirkungen analysiert. Schließlich werden in knapper Form die europäischen und die US-amerikanischen Effizienz-Standards für Pkw vor dem Hintergrund der zuvor abgeleiteten theoretischen Erkenntnisse miteinander verglichen. Hierbei ist insbesondere die—angesichts einer starken Verzerrungswirkung—mangelhafte Eignung des Fahrzeuggewichts als Referenzparameter der europäischen Regulierung hervorzuheben. Die nachfolgenden Kapitel beschäftigen sich mit den Herausforderungen, die aus der schrittweisen, klimapolitisch langfristig notwendigen Elektrifizierung des Pkw-Verkehrs erwachsen. Mit steigenden Marktanteilen elektrischer Antriebe (batterie-elektrische, Plug-in-Hybrid-, Brennstoffzellen-Fahrzeuge) wird der gegenwärtig weit verbreitete Tailpipe-Ansatz, d.h. die Regulierung der während des Betriebs im Fahrzeug selbst anfallenden CO2-Emissionen, zunehmend ungeeignet. Bei einer Regulierung durch Tailpipe-Standards hat die Zulassungszahl von Fahrzeugen mit elektrischem Antrieb eine starke Hebelwirkung auf die (geforderte) Kraftstoffeffizienz konventioneller Pkw mit Verbrennungsmotor. Unsicherheit hinsichtlich der künftigen Marktdurchdringung elektrischer Antriebe gefährdet somit einerseits die Erschließung aus gesellschaftlicher Perspektive und aus Konsumentensicht wirtschaftlicher Potenziale zur Verbesserung der Kraftstoffeffizienz und andererseits, dass die gesteckten Klimaziele erreicht werden. Daher werden im Anschluss an die kritische Bewertung des Tailpipe-Ansatzes potenzielle alternative Metriken zur Regulierung der Fahrzeugeffizienz auf ihre Eignung geprüft. Energieverbrauchs- und sogenannte Well-to-Wheel-Standards, bei denen die über den gesamten Lebenszyklus des Kraftstoffs anfallenden Treibhausgas-Emissionen erfasst werden, erscheinen dabei—trotz noch zu lösender methodischer Probleme—als vielversprechendste Alternativen. Für verschiedene Metriken und unter besonderer Berücksichtigung der Unsicherheiten von Pkw-Elektrifizierungs-Szenarien wird zudem untersucht, wie Fahrzeugeffizienz-Standards mit dem breiteren klimapolitischen Rahmen—insbesondere Emissionshandelssystemen mit unterschiedlicher sektoraler Abdeckung—interagieren. Abschließend wird das Zusammenspiel von Pkw-Effizienzstandards mit anderen Politikinstrumenten, deren explizites Ziel ebenfalls die Verringerung des spezifischen Kraftstoffverbrauchs bzw. der spezifischen Treibhausgas-Emissionen ist (z.B. CO2-basierte Kfz-Steuern, F&E-Förderung, Verbrauchsinformationen), beleuchtet. Es wird gezeigt, dass—in Abhängigkeit vom jeweiligen Design der Pkw-Effizienzstandards—die Implementierung solch komplementärer Instrumente letztlich sogar zu einer Verschlechterung des tatsächlich erreichten Effizienzniveaus der Fahrzeugflotte führen kann. Ist sich der Regulierer des instrumentellen Wechselspiels bewusst und stimmt die Effizienzstandards sowie die komplementären Maßnahmen adäquat aufeinander ab, können durch den parallelen Einsatz verschiedener Politikinstrumente hingegen Synergien erzeugt werden.
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Wie gezeigt werden konnte, wurden die westlichen Maltechniken in der ersten Phase der wirtschaftlichen Kontaktaufnahmen für die Vorbereitung der Kolonisation eingesetzt. Die Portugiesen hatten auf der Suche nach neuen Gebieten, durch deren Kolonisation und Ausbeutung sie versuchten, ihre im Zusammenbruch befindliche Vormachtstellung in Europa zu retten, im Jahr 1543 Japan entdeckt, das sich in der Endphase eines hundertjährigen Krieges (sengoku jidai) befand und ausgezehrt war. Mittels Akkomodation, profitablen Handelsangeboten, Waffenlieferungen und freundschaftlichen Kontaktangeboten verschafften sich die Eroberer schnell Zutritt zum Gebiet um Nagasaki, dessen Bevölkerung, die Europa nicht kannte, sie für chinesische Händler und Mönche hielt, die willkommene Angebote und Hilfestellungen boten. Die Ähnlichkeit der europäischen christlichen Bilder (seiga) mit einheimischen Themen bewirkte eine schnelle Akzeptanz der Fremden und ihrer Religion im ausgebluteten Land, zumal sie sich anschickten, das Land beim Aufbau zu unterstützen. Da sie ausSüdasien gekommen waren und bärtigen Randvölkern ähnlich sahen, nannte man sie "Südbarbaren" (nanbanjin). Die Absichten der Eroberer blieben unerkannt, und während das Land sich unter Toyotomi Hideyoshi, der die Landesvereinigung durchführte und von den Handelskontakten (nanbanbôeki) profitierte, allmählich erholte, versuchten die Eroberer es gezielt durch den Aufbau von Kirchen, Krankenhäusern und Unterrichtsstätten unter Kontrolle zu bekommen. An den Schulen wurden neben Religions- und Sprachunterricht auch Kulturtechniken gelehrt: Einheimische Maler der Kanô-Schule hielten auf Stellschirmen die Begegnungen mit den Eroberern fest, die sich als potente Handelspartner und Religionsstifter gaben, in Wirklichkeit jedoch den in Indien bereits etablierten kolonialen Lebensstil auch in Japan, das als Teilgebiet der "Ordensprovinz Indien und Japan" eingestuft wurde, aufbauten. An den Kollegien lehrte man die Ölmalerei; mittels Vorlagen, die abzumalen waren, vermittelten die Eroberer ihre Heimat gezielt als reich, paradiesisch und militärisch machtvoll, doch wurde von den Malern auch die um 1590 erreichte begüterte Situation der Fremden vor Ort festgehalten: Denn nach rund 40 Jahren war das avisierte portugiesische Handelsmonopol etabliert; die Europäisierung, religiöse und kulturelle Überfrachtung während des Nanbanbooms befand sich auf ihrem Höhepunkt; damit stand man kurz vor dem erhofften Übergriff. In dieser Phase stand die Dynastie der Aviz und damit das Monopol in Übersee kurz vor dem Zusammenbruch; dieser wurde 1596 durch den Vertrag von Greenwich besiegelt. Mit zunehmender Erkenntnis der Gefahr, die von den vermeintlichen Händlern und Religionsstiftern ausging, wurden 164 Extegrationsmaßnahmen ergriffen, die im vollständigen Landesabschluß (sakoku seisaku) des Jahres 1639 gipfelten. In der zweiten Phase der wirtschaftlichen Kontaktaufnahmen wurden die westlichen Malund Zeichentechniken in Japan für den Erwerb naturwissenschaftlicher praktischer Fertigkeiten benötigt. In Europa rissen nach der Zerstörung des portugiesischen Monopols die schnell zum Firmengiganten VOC zusammengeschlossenen niederländischen Kaufleute den Überseehandel monopolistisch an sich und traten die Nachfolge der Kolonialherren an. Die japanische Niederlassung der VOC wurde im Zuge der Landesabschlußmaßnahmen auf eine Insel vor Nagasaki ausgelagert. Die Tokugawa- Regierung, die nach dem Tod des Landesvereinigers Toyotomi Hideyoshi die Macht an sich gerissen hatte, bemühte sich neben profitablen Handelsmanövern von Anfang an um den Erwerb medizinischer Kenntnisse, die man durch gezielte Kontaktaufnahmen mit den Betriebsärzten der Niederländer ab 1649 gewann; früheste Lehraufzeichnungen entstanden bereits 1661, im Umkreis des Aufenthaltes Engelbert Kaempfers wurden um 1700 auch Lehrsituationen bildlich dokumentiert. Ein nach Japan verbrachtes chirurgisches Lehrbuch des Ambroise Paré wurde 1706 übersetzt, es stellt die erste theoretische Grundlage der japanischen Medizin in westlicher Manier lange vor der Herstellung des ersten Anatomiebuches Japans. Zu diesem Zeitpunkt lehnte man das definitiv empirische und praktische Vorgehen noch aus religiösen und kulturellen Gründen ab, dies bezog sich auch auf den Einsatz realistischer Maltechniken für die Herstellung von medizinischem Abbildungsmaterial. Als sich ernsthafte Versorgungsschwierigkeiten im autarken Staatsgebiet einstellten und die Gefahr erneuter Konfrontationen mit Fremden wuchs, wurde im Zuge großflächiger Reformen ab 1716 (Kyôhô-kaikaku) auch die Forschergruppe der "Niederlandforscher" (Rangakusha) aufgebaut, die sich mit der Erarbeitung europäischer Naturwissenschaftstechniken befaßte, obgleich diese die heimische Ethik und das kulturelle Selbstverständnis verletzten. Der gezieltere Erwerb der realistischen Maltechniken zu Dokumentationszwecken wurde nun unumgänglich. Durch die Aufhebung des Bücherimportverbots 1720 kamen immer wieder europäische naturwissenschaftliche Lehrwerke, darunter unterschiedliche Anatomiebücher, ins Land. Ein Lehrbuch der Malerei von De Lairesse und weiterhin Zeichnungen von Dürer vermittelten Grundlagen realistischer Darstellungsweisen, die benötigt wurden, um neben der Herstellung perfekter Kopien europäischer Vorlagen auch eigene praktische Forschungen in den Gebieten Kartographie, Astronomie, katasteramtliche Dokumentation, Biologie, Zoologie, Pharmazie und insbesondere Medizin zu dokumentieren.Nebenbei 165 wurden authentische Darstellungen der Lebensrealität der Niederländer auf der Insel hergestellt. Nachdem trotz größter ethischer Barrieren der unumgängliche praktische Schritt in die empirische medizinische Tätigkeit durch eine Obduktion 1771 getätigt war, wurden die daraus gewonnenen Erkenntnisse im 1774 erschienenen ersten Anatomiebuch Japans (kaitai shinsho) veröffentlicht. Dieses 5-bändige Werk enthielt neben perfekten Kopien europäischer Bildvorlagen auch erstmalig eigene Zeichnungen vom Präparat, die der Maler Odano Naotake anfertigte. Er ging damit noch in der japanischen Edo-Zeit und lange vor der gezielten Verwestlichung Japans, die auch die Integration der praktischen europäischen Medizin vorsah, einen Schritt, den in ähnlicher Weise Leonardo da Vinci gegangen war. Kawahara Keiga fertigte die erste topographische Karte Japans. In der dritten Phase der Kontaktaufnahmen wurde die westliche realistische Mal- und Zeichentechnik beim Aufbau eines westkompatiblen Industrie- und Rüstungsstaates eingesetzt. Die erzwungene Öffnung Japans 1853 für die westlichen Staaten, die den ungeschützten neuen Markt an sich reißen wollten, führte zu sofortigen Maßnahmen: 1855 wurden Schußwaffenfabriken gebaut und ein Amt für Westforschungen eingerichtet. Um diese Zeit und während der Hafenöffnungen (kaikoku) 1854/58 hielten Künstler der Utagawa-Schule die militärische Macht, die technischen Möglichkeiten der amerikanischen Kriegsschiffe und das selbstgefällige Verhalten der Fremden auf Drucken fest. Ab 1856 übernahm der "Pionier der Westmalerei der Moderne"(Harada Minoru), Kawakami Tôgai, im Westforschungsinstitut den Bereich Zeichnung. Ab 1861 bemühte er sich im "Amt für Malereiforschung" (gagakukyoku) um die realistische Öltechnik: Beide Techniken wurden für kartographische Zwecke und den Bau militärischer Einrichtungen benötigt. Kawakami unterrichtete und koordinierte die Nachfolgergenerationen. Die Meiji-Restauration (meiji-isshin) 1868 beendete das Tokugawa-Regime, Kaiser Meiji proklamierte das Ziel des modernen Staates: Das Land sollte vollständig umstrukturiert werden; Ziel war der Aufbau eines reichen Rüstungs- und Industriestaates (fukokukyôhei), der den Konkurrenzkampf mit den westlichen Staaten aufnehmen und die Unabhängigkeit des Landes erhalten sollte. Daraufhin wurde die Industrialisierung nach europäischem Vorbild, ab 1876 die kulturelle Umerziehung, d.h. die Europäisierung der Bevölkerung (ôkaseisaku) eingeleitet. In dieser Zeit wurden europäische Frauen und die Landwirtschaft mittels der Öltechnik positiv vermittelt. Zwei Ministerien koordinierten den Aufbau der Infrastrukturen, der industriellen Grundlagen und der zukünftigen Exportindustriezweige Seide und Baumwolle, die Finanzierung des Aufbaus und die Maßnahmen zur 166 Produktionssteigerung (shokusankôgyô). Die Masse der Bauern wurde mittels einer Landsteuerreform (chisokaisei) als finanzielle Grundlage des Staates festgelegt und durch im voraus fixierte Steuereinnahmen vollständig ausgenutzt. Die Bauerntöchter arbeiteten bereits ab 1872 zu Dumpinglöhnen in den schnell hochgezogenen staatlichen Fabriken. Sofort entbrannte ein Bürgerkrieg, der das Land in eine prowestliche und in eine traditionalistische Fraktion spaltete. Ab 1876 kam es zu wiederholten Bauernaufständen, die durch unterschiedliche Maßnahmen, die in das Parasitäre Gutsherrentum (kisei jinushisei) mündeten, unterbunden wurden. Propagandistische Malerei wurde den Entwicklungen im Land entsprechend hergestellt: Der äußerst prowestlich eingestellte Maler Goseda unterstützte den Kaiser im Bürgerkrieg durch Propagandamalereien. Das Leben der gezielt ausgenutzten Bauernschicht wurde von kaisertreuen Malern bis zum Zeitpunkt wirtschaftlicher Kompatibilität idyllisch propagiert. Nur ein Westmaler wagte um 1870 Bilder mit antiwestlichem Inhalt. Der englische Journalist und Zeichenlehrer Charles Wirgman deutete die Situation der Bauern an. An der 1876 eingerichteten "Kunstschule für das Ingenieurwesen" unterrichtete der italienische Professor für Landschaftsmalerei, Antonio Fontanesi. Dort erhielten viele Westmaler ihre Ausbildung, die westliche Zeichentechnik wurde für die Infrastrukturierung, insbesondere den Eisenbahnbau in Zusammenarbeit mit Ingenieuren benötigt. Das Tôkaidô-Hauptnetz war 1889 gelegt. Der Nachfolger des Beamten Kawakami am Amt für Malereiforschung (gagakukyoku), Koyama Shotarô, arbeitete ebenfalls an militärischen Einrichtungen. Dort unterrichtete er die Herstellung von Skizzen. Ab 1880 und in der Zeit der finanziellen Schwächung der Regierung durch Bürgerkrieg und Bauernrevolten, setzte man die Öltechnik für die Verherrlichung der ersten Ingenieursleistungen ein: Der "Erste Ölmaler Japans" (Harada Hikaru), Takahashi Yuichi, ebenfalls Schüler des Beamten Kawakami Tôgai, glorifizierte unterschiedliche Ingenieursbauten und weiterhin die Ergebnisse des Mishima-Straßenbauprojekts, das deutlich die Übernahme europäischer urbaner Strukturen zeigt. Dabei stellte er die japanische Bautradition nur noch als schmückendes Beiwerk dar. Dennoch wurde seine persönliche Begeisterung und Bestrebung, die Westmalerei als kulturelles Gut zu etablieren (Kunstausstellungen, Museen), von der Regierung, welche die Aufgaben der Öltechnik eindeutig festlegte, abgelehnt. Alle Bereiche, auch kulturelle, dienten einzig der Industrialisierung; dies betraf nicht nur die Nutzung der realistischen Westtechniken für Aufbau- und Propagandazwecke, sondern auch die Förderung des Traditionskunsthandwerks für den Verkauf auf Weltausstellungen. Zeitgleich wurde Europa propagandistisch positiv vermittelt, dies unterstützte den Verwestlichungskurs auf 167 wirtschaftlicher und sozialer Ebene. In einem Punkt jedoch setzte Yamamoto nach 10 Jahren eine erste Grenze: Er vermittelte die moralische Einstellung der Europäerin und kritisierte damit die Verwestlichung in Bezug auf die Rolle der Japanerin, ein Punkt, der den Rüstungskurs nicht gefährdete. Mit Schritt in die wirtschaftliche Kompatibilität änderte sich die Propaganda: Harada Naojirô vermittelte nun, im Jahr 1886, die männliche Bevölkerung des wirtschaftlichen Konkurrenzgebietes Europa als geschwächt und krank. Zugleich griffen er und andere prowestliche Maler innere Gegner an, die den Rüstungskurs, dem auch die kulturelle Umerziehung diente, blockierten: 1890 griff die prowestliche Regierung auf einer Industriemesse mit einem Bild Harada Naojirôs die Traditionalisten durch religiöse Tabuverletzungen an und bekundete damit ihre Macht. Ein ähnliches Ziel verfolgten auch die Mitglieder des Meiji-Kunstvereins, die in der Tradition der Malerei als Fotografieersatz standen: Sie griffen das Traditionsmonopol der Ablehnung der realistischen Malweisen an; unter dem Label einer "didaktischen Westmalerei" wurden traditionelle Themen mittels realistischer Darstellungsweisen korrumpiert. Damit drang der Verwestlichungskurs zum Zeitpunkt erster Erfolge als westkompatibler, d.h. kolonisationsfähiger Industriestaat bis in die kulturellen Tiefen des Landes vor. In dieser ersten Hälfte der Industriellen Revolution (ab 1890), die in Japan für die Zeit der bereits aufgebauten Fundamente und frühe Kolonisationen steht, transferierte Kuroda Seiki, der "Vater der modernen japanischen Westmalerei" (Harada Minoru, Miwa Hideo ), den Malstil des französischen Lehrers Raphaël Collin als repräsentativ für Europa nach Japan. Sein Abschlußwerk, das im Salon geehrt wurde, eine Aktmalerei, diskreditierte, im Taiwanjahr 1895 auf einer Industriemesse gezeigt, die Europäerin moralisch. Zugleich demonstrierte man damit die Macht der Industrie über innere Gegner, die versuchten, die als anstößig empfundene Aktmalerei in Japan zu verbieten. Auch auf privater Ebene trieb Kuroda die Verwestlichung voran: 1896 gründete er den Schimmelverein (hakubakai), in dem freiheitliche Prinzipien des französischen Realismus auf Japan übertragen wurden. Zugleich wurde auch auf die Forderungen des Takahashi Yuichi reagiert, der die Westmalerei als Möglichkeit betrachtete, weltweit über die Entwicklungen in Japan zu informieren. In diesem Verein thematisierten Westmaler die Realität der ausgebeuteten Bauern, erste Ergebnisse der Industrialisierung und den Nationalstolz, Themen, die direkt Bezug auf die Fakten nahmen. Mit Erreichen des technischen Rüstungsstandards der westlichen Länder im Jahr 1900, internationaler Konkurrenzfähigkeit im Jahr 1903 und im Vorfeld weiterer Kriege und Kolonisierungen wurde 1903 der Pazifik-Kunstverein gegründet. Gründer Mitsutani, Schüler des Koyama, arbeitete in dessen Tradition und malte kriegspropagandistische Bilder. Zugleich diskreditierte Gründer Nakamura 1903 168 nicht nur den Westen durch eine exakte Aktmalerei, sondern deutete auch die durch die Verwestlichung möglicherweise schon zerstörte moralische Einstellung der Japanerin an. Japan verdrängte zwischen 1905 und 1908 die internationalen Marktführer des Seidenhandels. In dieser Phase, als die zu Beginn festgelegten Ziele eines reichen, militärisch starken Staates (fukokukyôhei und shokusankôgyô) erreicht waren, wurde die Westtechnik, die am Aufbau des Staates beteiligt gewesen war, im Jahr 1907 als gleichberechtigte Kulturtechnik neben die einheimische Kulturtechnik Nihonga gestellt. Damit avancierte sie zum kulturellen Symbol der erfolgreichen japanischen Industrialisierung nach westlichem Vorbild, die als Selbstschutzmaßnahme nach der Demütigung des Jahres 1853 eingeleitet worden war. Zum Zeitpunkt des Schritts in den japanischen Imperialismus, der keine inneren Streitigkeiten mehr tolerierte, bekundeten die Westmaler der einstigen ausschließlich prowestlichen Fraktion, daß sie auf der Seite der Traditionalisten standen: Die traditionelle Rolle der Japanerin sollte erhalten bleiben. Mit dieser Botschaft und durch die Nebeneinanderstellung beider Kulturtechniken schlugen sie gezielt den Weg der Harmonisierung ein, um das Land für die vordringlichen politischen, außenpolitischen und wirtschaftlichen Ziele zu vereinen. Auf den ab 1907 abgehaltenen kultusministeriellen Ausstellungen (Bunten) wurden, in der Endphase der Industriellen Revolution und auf dem Weg in den japanischen Imperialismus, Bilder prämiert, welche die Arbeit allgemein und die Arbeit in der Rüstungsindustrie thematisierten. Die durch den Eisenbahnboom erwerbslos gewordene Masse der Rikschafahrer, von Kriegspropagandist und Pazifik- Kunstvereinsgründer Mitsutani in ihrer aktuellen Armut drastisch dargestellt, war prädestiniert für den Einsatz in der Rüstungsindustrie. Auch damit knüpfte man an die von dem ersten Ölmaler Japans, Takahashi Yuichi, geäußerte Aussage an, die Malerei müsse Staat und Regierung dienen.
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Die Themenschwerpunkte sind:
1. Landwirtschaft,
2. Immigration und Asyl,
3. Minderheiten,
4. Bahnfahren und Bahnservice,
5. Verbraucherschutz,
6. Internetnutzung.
Themen: Standardtrendvariablen: Einstellungen zur gemeinsamen Währung
(Euro), zu einer gemeinsamen EU-Außenpolitik und Verteidigungspolitik,
zur EU-Erweiterung und zur Konzentration von Verantwortlichkeiten auf
EU-Ebene, die auf nationaler Ebene nicht effizient gehandhabt werden
können; Einstellung zur Abdankung von EU-Regierungsmitgliedern, wenn sie
nicht die Mehrheit im Parlament haben sowie zur politischen Bildung in
Schulen in Bezug auf EU-Institutionen; Beurteilung der Rolle der USA bei
folgenden Problemen: Weltfrieden, Kampf gegen Terrorismus, Wachstum der
Weltwirtschaft, Armutsbekämpfung und Umweltschutz.
1. Landwirtschaft: präferierte Ziele einer verbraucherorientierten bzw.
produzentenorientierten EU-Agrarpolitik und Beurteilung der Umsetzung
dieser Ziele durch die EU-Agrarpolitik; Bewertung der EU-Agrarpolitik
hinsichtlich folgender Aspekte: faire Verdienstmöglichkeiten für Bauern,
Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Landwirtschaft auf dem Weltmarkt,
Unterstützung der Bauern bei einer kundenorientierten Produktion, Schutz
der Interessen der Bauern, Verbesserung der ländlichen
Lebensverhältnisse, Ausgleich von Entwicklungsunterschieden zwischen
Regionen, Verstärkung der Diversifikation der Landwirtschaft, Präferenz
von alternativen Anbaumethoden, Förderung des Umweltschutzes, Bewahrung
der Eigenheiten der europäischen Landwirtschaft, Sicherung des
Geschmacks der europäischen Agrarprodukte, Unterstützung kleiner und
mittlerer Bauernhöfe, Garantie für gesunde und sichere Agrarprodukte
sowie Sicherstellung des Tierschutzes auf den Bauernhöfen; Bewertung der
agrarpolitischen Entwicklung in der EU (weniger Subventionen für die
Produkte, mehr Gelder für den Schutz und die Entwicklung ländlicher
Regionen und mehr direkte Unterstützung der Bauern).
2. Immigration und Asyl: Persönliche Besorgnis in Bezug auf folgende
Probleme: Arbeitslosigkeit, Schwarzhandel und Schmuggel, Terrorismus,
Betrug an Verbrauchern, Drogenhandel und Drogenkonsum, Kleinkriminalität
und Gewalt in Städten, organisiertes Verbrechen, staatlicher Missbrauch
der Bürgerrechte, Korruption, Geldwäsche und Finanzverbrechen, Krieg,
illegale Einwanderung, wachsende soziale Ungleichheit und
Menschenhandel; Einstellung zu einer EU-weiten Koordination im Umgang
mit den vorgenannten Problemen; Einstellung zu verschiedenen
Sicherheitsmaßnahmen und zu einer EU-weiten Koordination folgender
Maßnahmen: mehr Polizeikräfte, mehr Befugnisse für die Polizei, mehr
Befugnisse für private Sicherheitskräfte, Bekämpfung von Korruption,
Überwachungskameras in den Straßen installieren, Einreisekontrollen
verstärken, bürgerliche Kompetenzen durch die Schule fördern, höhere
Strafen für Kleinkriminalität, mehr Training für die Polizei in
Bürgerrechten, Bekämpfung der Armut, effizientere und schnellere
Justizverfahren, mehr Sozialarbeiter, mehr Befugnisse für Sozialarbeiter
und Bekämpfung von lokaler sowie internationaler Kriminalität;
Einstellung zu EU-weiten Sicherheitsmaßnahmen: EU-weite Kooperation von
Polizei und Justiz, Schaffung einer Behörde zur EU-weiten Bekämpfung von
Kriminalität, grenzüberschreitende Einsätze der Polizei in der EU,
Schaffung einer zentralen bzw. EU-weiten Verbrecherkartei, Einführung
eines EU-weiten Haftbefehls, EU-weites Verteidigungsrecht für
Angeklagte, Verstärkung der Einreisekontrollen aus Nicht-EU-Staaten,
EU-weiter Grenzschutz, Einführung eines EU-einheitlichen Strafrechts,
EU-weites Recht auf Untersuchungshaft und Strafvollzug im eigenen Land,
EU-weite gemeinnützige Arbeit an Stelle von Freiheitsstrafen für
geringfügige Straftaten und mehr Verträge der EU mit anderen Staaten zur
Bekämpfung der internationalen Kriminalität; Zustimmung zu folgenden
Punkten: weltweit freie Wahl des Wohnorts (Niederlassung), Asylrecht als
Menschenrecht, Abschaffung aller Grenzkontrollen weltweit und
ungenügende Asylregelungen verstärken kriminelle Schlepperaktivitäten;
Zustimmung zu folgenden, die Immigration und Immigranten betreffenden
Aspekten: Armut im eigenen Herkunftsland als Ursache für
Flüchtlingsbewegungen, zu viele Immigranten im eigenen Land,
Begünstigung der kulturellen Vielfalt im eigenen Land durch Immigranten,
viel Kleinkriminalität durch Immigranten, gleiche Rechte für legale
Immigranten und Bürger, Teilnahmerecht für Immigranten an lokalen
Wahlen, Anpassung der Immigranten an die landestypischen Gepflogenheiten
(Assimilation), Nützlichkeit von Immigranten in einigen
Wirtschaftsbereichen, mehr Anstrengungen zur Integration von legalen
Immigranten, Senkung der Immigration durch mehr Entwicklungshilfe,
Verhindern von Flüchtlingsbewegungen durch die Entwicklungsländer
selbst; keine Erwartung einer zukünftigen Beendung von Immigration;
Ausweisung nicht anpassungswilliger wenn auch legaler Immigranten;
Legalisierung aller illegalen Immigranten, die einige Jahre im eigenen
Land arbeiten; Einwanderungsrecht für nahe Angehörige legaler
Immigranten; Zustimmung zu folgenden das Asyl und Asylanten betreffenden
Fragen: Beurteilung der humanitären Behandlung von Asylanten im eigenen
Land, zu lange Bearbeitungszeit von Asylanträgen, wirtschaftliche Gründe
als Hauptursache für Asylanträge, Arbeitserlaubnis für Asylanten und
Schulrecht für Asylantenkinder während der Zeit der Antragsbearbeitung,
Sicherheitsverwahrung für Asylanten während der Zeit der
Antragsbearbeitung, nur Lebensmittel und Obdach für Asylsuchende,
Sozialhilfeberechtigung für Asylanten, gleiche Rechte für anerkannte
Asylanten wie für Bürger, Rückkehrpflicht für Asylanten bei gegebener
Sicherheit im Herkunftsland, Präferenz der Asylanten für Länder mit den
besten Bewilligungsaussichten, Präferenz der Asylanten für die
wohlhabendsten Länder, Präferenz der Asylanten für Länder mit bereits
dort lebenden Menschen aus der gleichen Herkunftsregion, EU-weit
gleiches Asylrecht und Gültigkeit der Asylanträge eines EU-Landes auch
in allen anderen EU-Ländern; Einstellung zu bürgerrechtlichen Fragen:
zeitweiliger Ausschluss von EU-Ländern, die gegen Menschenrechte
verstoßen, EU-weite Richtlinien im Kampf gegen Rassismus, Harmonisierung
der Rechtsprechung in der EU zur Garantie von Rechten für Minderheiten
und Immigranten, Garantie für ein EU-weites Niederlassungsrecht für alle
EU-Bürger, gleiche soziale Sicherheiten für andere EU-Bürger im eigenen
Land, EU-weite Angleichung von Familienrecht, Zivilrecht sowie
Wirtschaftsrecht, EU-weite Richtlinien für vereinfachten Zugang der
Bürger zu den Gerichten, EU-weit gleiche Voraussetzungen für
Hilfsbedürftigkeit, Vereinfachung der Handhabung von
grenzüberschreitenden Rechtstreitigkeiten.
3. Minderheiten: Einstellung zu Fragen in Bezug auf Minderheiten:
Vorteilhaftigkeit von Diversivität in einer Gesellschaft
(Multi-Kulti-Gesellschaft), schon immer vorhandene kulturelle und
religiöse Diversivität im eigenen Land, Stärkung des eigenen Landes
durch kulturelle Vielfalt, Aufgeben der Herkunftskultur zur vollen
Integration oder Assimilation als Voraussetzung für Einwanderung,
Aufgeben von im Einwanderungsland illegalen religiösen und kulturellen
Praktiken wie Polygamie und Beschneidung von Frauen, Eingliederung der
Minderheiten geschieht im Laufe der Generationen, begrenzte
Aufnahmekapazitäten für eine Gesellschaft, maximale Aufnahmekapazität
des eigenen Landes erreicht, Integrationsverweigerung mancher Mitglieder
von Minderheiten, Abhängigkeit des Integrationswillens von der
Minderheitenzugehörigkeit und grundsätzliche Unmöglichkeit der
Integration von einzelnen Minderheiten; Zustimmung zu Aussagen, die sich
auf Immigranten beziehen: gleiche soziale Rechte für legale Immigranten
von außerhalb der EU wie für EU-Bürger, Einwanderungsrecht für
Angehörige von legalen Immigranten von außerhalb der EU, Abschiebung der
Immigranten bei Verurteilungen wegen schwerer Verbrechen und bei
Arbeitslosigkeit, grundsätzliche Abschiebung aller Immigranten,
Staatsbürgerschaft für Immigranten, Abschiebung aller illegalen
Immigranten, härtere Strafen für Anbieter von Schwarzarbeit,
Abhängigkeit der Aufenthaltserlaubnis für illegale Immigranten von deren
persönlichen Umständen, Abschiebung von allen legalen und illegalen
Immigranten einschließlich ihrer im Einwanderungsland geborenen Kinder,
Erleichterung des Asylrechts.
4. Bahnfahren und Bahnservice: Häufigkeit von Bahnreisen im eigenen
sowie anderen Ländern in den letzten zwölf Monaten; Art dieser Reisen
(geschäftlich, Tourismus); Einstellung zum Bahnservice (getrennt
ermittelt für den Service im eigenen Land sowie für den Service auf
internationalen Reisen): allgemein gute Qualität des Bahnservices,
ausreichende Frequenz der Züge, Pünktlichkeit, Kriminalität in den
Zügen, geringe Unfallquote bei Bahnreisen, Sauberkeit der Züge und
Bahnhöfe, Einfachheit von Reisen mit Gepäck, ausreichend Information in
den Zügen, gute Verpflegungsangebote in den Zügen,
Behindertenfreundlichkeit der Einrichtungen der Bahn, leichte
Erreichbarkeit von Bahnhöfen, faire Preise für Fahrkarten; benutzte
Informationsquellen für Fahrpläne (Internet, Telefon, Reiseagentur,
Bahnhof); Beurteilung der Informationsversorgung der Kundschaft der Bahn
im eigenen Land und (jeweils getrennt erfragt) der internationalen
Bahnen: allgemein gute Qualität der Informationen über das Bahnsystem,
Informationen über Fahrpläne, Informationen über Verspätungen und
Ausfälle von Zügen, Informationen über Fahrpreise, Informationen über
die Rechte und Pflichten von Bahnkunden, Informationen über
Reservierungen und Buchungen, Informationen zum Umgang mit Gepäck und
Informationen zu Beschwerdemöglichkeiten; eigene Beschwerden in den
letzten zwölf Monaten; Bewertung des Umgangs der Bahn mit diesen
Beschwerden; Zustimmung zu folgenden, das Bahnsystem im Allgemeinen
betreffenden Punkten: mehr Effizienz der Bahnen durch freien Wettbewerb,
Schaffung von international operierenden Billigfahrtanbietern,
Verstärkung der internationalen Kooperation der Bahnen, Möglichkeit der
Nutzung aller europäischen Hochgeschwindigkeitszüge mit einem Ticket,
Erhöhung der Verkehrshäufigkeit internationaler Züge, höhere Nutzung der
Bahn für Langstrecken bei Schaffung günstiger Preise für Schlafabteile
und für Autozüge, höhere Nutzung der Bahn auf Langstrecken bei Schaffung
von Transportmöglichkeiten für größere Fahrzeuge wie Wohnmobile und
Einstellung zu Subventionen für unprofitable internationale Bahnen durch
die EU.
5. Verbraucherschutz: Ausreichender Verbraucherschutz im eigenen Land
und in den anderen Ländern der EU; Einschätzung der Auswirkungen des
gemeinsamen Europäischen Marktes auf die Preise, die Qualität und
Auswahl von Produkten, Lebensmitteln und Dienstleistungen; Kauf oder
Bestellung bzw. Inanspruchnahme von Produkten oder Dienstleistungen aus
anderen EU-Ländern in den letzten zwölf Monaten; Art des Kaufs bzw. der
Bestellung (während einer Reise, im Urlaub oder auf Geschäftsreisen, im
Internet, per Post, Katalog oder Telefon, durch einen Vertreter); Höhe
des Einkaufs; Wahrnehmung von Werbung oder erbetenen Informationen durch
Anbieter aus anderen EU-Ländern und Quelle der Informationen (E-Mail,
Post, Broschüren, Telefon, Internet, Fernsehen, Radio, Zeitungen und
Zeitschriften); Erhöhung des Interesses zum Einkauf in anderen
EU-Ländern durch die Einführung des Euro; Einschätzung der Sicherheit
von Produkten und Dienstleistungen im eigenen Land und in der EU;
Einschätzung der tatsächlichen Umsetzung bzw. Beachtung von
Verbraucherrechten im eigenen Land und der EU; Einschätzung des
Verbraucherschutzes bei Einkäufen per Internet im eigenen Land und in
der EU; Zugang zu Rechtsmitteln bei Streitigkeiten beim Kauf von
Produkten und Dienstleistungen im eigenen Land und in der EU; Kenntnis
außergerichtlicher Einigungsmöglichkeiten bei Streitfragen zwischen
Konsumenten und Anbietern (Schlichtung, Schiedsverfahren); Einschätzung
der eigenen Informiertheit über Verbraucherrechte im eigenen Land und in
der EU; wahrgenommener Einfluss von Verbraucherorganisationen im eigenen
Land und in der EU; wahrgenommene Beachtung der Verbraucherinteressen
über den persönlichen Verbraucherschutz hinaus; Nutzung von
Finanzdienstleistungen in anderen EU-Ländern in den letzten drei Jahren.
6. Internetnutzung: Nutzung elektronischer Geräte (Computer, Internet,
Mobiltelefon, Mobiltelefon mit Internetzugang (WAP), organizer (PDA),
Fernsehen, Kabelfernsehen, Satellitenfernsehen, Digitales Fernsehen);
Ort der Internetnutzung (auf der Arbeit, zu Hause, in der Schule, in der
Universität, bei Freunden, an öffentlichen Zugängen, in Internetcafes);
Häufigkeit der Internetnutzung; wöchentliche Nutzungsdauer; Gründe für
nicht vorhandene Internetnutzung (keine Kenntnisse, keine Zeit, kein
Computer, kein Geld, keine öffentlichen Zugänge, zu kompliziert,
technische Schwierigkeiten, keine sinnvollen Inhalte im Internet,
mangelhafte Sicherheit im Netz, Sprachprobleme, Probleme mit dem service
provider); Anreize für zukünftige Internetnutzung (Computertraining,
billigere Computer und Internetzugänge, nahe gelegene öffentliche
Zugänge, Beseitigung technischer Probleme, einfacheres Auffinden der
nützlichen Informationen im Internet bzw. generelles Vorhandensein
nützlicher Informationen, mehr Seiten mit öffentlichen und politischen
Informationen und Möglichkeiten zur Erledigung behördlicher
Angelegenheiten, mehr Informationen in der Muttersprache); erwartete
Änderungen im persönlichen Leben bei zukünftiger Internetnutzung (mehr
oder weniger Kontakt zu Menschen, mehr oder weniger Einbindung in das
Wohnumfeld, höhere oder geringere Informiertheit über alltägliche Dinge,
leichtere oder schwerere Möglichkeiten zur Nutzung öffentlicher Angebote
und Behörden, geringere oder höhere Kosten, veränderte Partizipation in
Gruppen und Organisationen, größere Einbindung in die Gesellschaft);
gewünschte Informationen und Dienstleistungen im Internet
(Kontaktmöglichkeiten zu Regierung und Verwaltung, Jobbörsen,
Lernprogramme, Informationen und Dienstleistungen zum Thema Gesundheit,
Wohnungsinformationen, Informationen zur Gleichberechtigung,
Dienstleistungen und Hilfen für Familien und Jugendliche, für Behinderte
sowie für Geringverdiener, Informationen über Renten, Informationen über
die eigene Region, Verkehrsinformationen, kulturelle Informationen,
Touristeninformationen); Gründe für tatsächliche oder zukünftige
Internetnutzung (Beruf, Ausbildung und Lernen, Produktinformationen und
E-Shopping, allgemeine frei erhältliche Informationen wie Tourismus,
Nachrichten, Kultur, für lokale oder nationale administrative Vorgänge,
Gesundheitsinformationen, Kontakt zu Familie und Freunden sowie um neue
Bekanntschaften zu machen, Freizeit und Spiele, für Kontakte mit Gruppen
und Organisationen); bereits absolviertes Computertraining und Art der
Veranstaltung (an der Schule oder Universität, Kurs vom Arbeitgeber,
Fortbildungsmaßnahme bei verschiedenen Institutionen, durch Familie oder
Freunde sowie Kollegen).
Demographie: Nationalität; Selbsteinschätzung auf einem
Links-Rechts-Kontinuum; Familienstand; Alter bei Ende der Ausbildung;
Geschlecht; Alter; berufliche Position; Stellung im Haushalt; Beruf des
Haushaltsvorstandes; Urbanisierungsgrad; monatliches Haushaltseinkommen.
Zusätzlich verkodet wurden: Interviewdatum und Interviewbeginn;
Interviewdauer; Anzahl der beim Interview anwesenden Personen;
Kooperationsbereitschaft des Befragten; Ortsgröße; Region;
Intervieweridentifikation; Telefonbesitz (Mobiltelefon und Festnetz);
Entfernung zur nächsten internationalen Grenze.
In Luxemburg, Belgien und Finnland: Interviewsprache.
GESIS
Seit Beginn der 1990er Jahre werden in vielen europäischen Städten integrierte Entwick-lungsprogramme umgesetzt. Als politisches Instrument verfolgen sie das Ziel, neue Stadtpolitiken im Mehrebenensystem zu platzieren, die zur Lösung lokaler Probleme – wie sozialer Exklusion in benachteiligten Nachbarschaften – beitragen sollen. Heute stellen integrierte Entwicklungsprogramme eine der vielversprechenden politischen Antworten dar, um multi-dimensionale Problemlagen und "negative Diskriminierungen" der "wahrhaft Benachteiligten" zu bewältigen, die sich zunehmend in den Peripherien der Städte abspielen. Um ein solch hohes Ziel realisieren zu können, greifen integrierte Entwicklungsprogramme auf "weiche" und "kommunikative" Planungsinstrumente zurück, durch die unterschiedliche Akteure befähigt werden, in formellen Planungsprozessen zu kooperieren. Ausgehend von den eigenen empirischen Untersuchungen zwischen den Jahren 2005 und 2007, wurden in der vorliegenden Studie mittels qualitativer Forschungsmethoden die Koordinationsprozesse in zwei unterschiedlichen integrierten Entwicklungsprogrammen in Mailand und Frankfurt untersucht. An zentraler Stelle stand die Frage nach den Vertrauensbeziehungen der Akteure und deren Wirken auf das jeweilige Programm. Dabei wurde konzeptionell und empirisch zwischen personenbasiertem und institutionellem Vertrauen unterschieden. Während der täglichen Umsetzung von Governance auf der Quartiersebene konnte festgestellt werden, dass die theoretisch noch zu ziehende Trennung zwischen Formalität und Informalität in der Praxis von den Akteuren umgangen und zusehends verzerrt wurde. Auch die Zuordnung von Kompetenzen der einzelnen vertikalen Verwaltungsebenen konnte stellenweise nicht mehr eindeutig nachvollzogen werden, da durch die Kooperation unterschiedlicher Akteure auch unterschiedliche Interessen, unterschiedliche Kompetenzen und verschiedene Handlungsroutinen Einzug in das Programm gehalten hatten. Regionale und städtische Vertreter, private und öffentliche Akteure, Zivilgesellschaft und Markt stellten zusammen ein Kaleidoskop von Visionen und Interessen auf, in dem das Komplexitätsniveau derart anstieg, dass die erfolgreiche Umsetzung des Programms wiederholt gefährdet wurde. Durch das Fehlen starker, formeller Mechanismen und regelnder Strukturen fiel personenbasiertem und institutionellem Vertrauen, als informellen Mechanismen, die Bedeutung zu, die hohe Komplexität zu reduzieren. In beiden Programmen reagierten die Akteure auf die Komplexität des Programms erwar-tungsgemäß mit einem relativ hohen Niveau an personenbasiertem Vertrauen. Während aber in Frankfurt dieses personenbasierte Vertrauen durch institutionelles Vertrauen ergänzt wurde, stellte sich der Aufbau institutioneller Strukturen im Mailänder Kontext als schwierig dar. Infolge dessen war das Mailänder Programm wiederholt von schweren Problemen innerhalb des Koordinationsprozesses betroffen. Als Ergebnis kann festgehalten werden, dass institutionellem Vertrauen eine sehr viel stärkere Bedeutung innerhalb integrierter Entwicklungsprogramme zufällt, da dadurch innerhalb der Programme neue Regelungsstrukturen geschaffen werden, die dazu führen, eine neue politische Kultur zu etablieren. Integrierte Entwicklungsprogramme erscheinen damit nicht nur als lokal begrenzte politische Intervention, ihnen liegt vielmehr eine übergeordnete Bedeutung inne. Das vorliegende Werk wirft einen kritischen Blick auf integrierte Entwicklungsprogramme, indem es das hohe Komplexitätsniveau der Koordinationsprozesse betrachtet und hinterfragt. Nach mehr als zwei Dekaden der Durchführung integrierter Entwicklungsprogramme in europäischen Städten und nachdem die Europäische Kommission in der Leipzig-Charta erneut auf die Wichtigkeit von Governance in diesem Zusammenhang verwiesen hat, möchte diese Analyse dazu beitragen, mithilfe eines neo-institutionellen Ansatzes in der wissenschaftlichen Diskussion vor allem das hohe planerische Risiko eines auf Governance aufbauenden Planungswegs zu thematisieren. ; Since the 1990s integrated urban development programmes have been established in almost all European cities. They are a political instrument for implementing new urban policies in the multilevel system of urban policies and are aimed at tackling local problems such as social exclusion and urban deprivation in "deprived" neighbourhoods. Today, integrated development programmes are considered to be the most promising political answer to overcome multifaceted "negative discriminations" and to prevent further deterioration of the conditions of the "truly disadvantaged" in the urban peripheries of European cities. In order to realize this ambitious objective integrated development programmes place emphasis on "weak" and "communicative" planning tools that enable various actors to cooperate in formal planning processes. Based on empirical findings gathered between 2005 and 2007, I have analyzed coordination processes in two different integrated development programmes in the periphery of Milan (Italy) and Frankfurt (Germany). In my empirical research, I approached co-ordination processes in both case studies by interpersonal and institutional trust. Unlike traditional modes of urban planning, in both case studies coordination and cooperation included formal as well as informal mechanisms. During the daily implementation of Governance on the local level, in both case studies existing boundaries between formality and informality became blurred and even the contour of the levels of vertical political-administrational structures got increasingly fuzzy and barely traceable due to different levels of interests, different levels of authority and different routines of all actors involved. Regional and urban as well as local representatives, private and public actors, civil society and the market have built together a kaleidoscope of visions and interests, where the level of complexity repeatedly challenged the success of both programmes. Within this environment the level of trust appears as crucial. As expected, actors in both programmes have shown a relatively high degree of interpersonal trust relations. But, while in Frankfurt these relations have been supplemented by institutional trust, the Milanese programme failed in developing a stable institutional arrangement. As a result, the Milanese programme has been faced with serious problems regarding the process of coordination. Accordingly, institutional trust seems to be more important for bridging the gap caused by the absence of traditional planning processes and their structuring order. Institutional trust relates to new roles, routines and norms that are expected to establish a new political culture. As thus, local governance programmes should no longer be understood as only a territorial intervention in the neighborhood, but have a more important meaning to urban politics. This book offers a rather critical perspective of integrated development programmes by questioning the high level of complexity of coordination processes. After more than two decades of integrated planning in Europe and the European Commission's recent appeal to strengthen the governance tools for integrated programmes, the author tries to propose an alternative perspective on integrated development programmes now taking into account also the difficulties and the high level of risk within this planning process. ; Dall'inizio degli anni '90 in molte città europee sono stati messi in atto i Programmi di Sviluppo Integrato. Essi rappresentano lo strumento per l'implementazione di nuove politiche locali nel sistema multilivello delle policies urbane, e sono rivolti alla soluzione di problemi quali l'esclusione sociale e la deprivazione urbana nei quartieri svantaggiati. Oggi, i Programmi di Sviluppo Integrato sono considerati la risposta più promettente sia per la soluzione delle situazioni problematiche multidimensionali sia per la prevenzione dell'ulteriore deterioramento di quelle condizioni di reale svantaggio presenti nelle periferie urbane delle città europee. Al fine di realizzare un obiettivo così ambizioso, tali Programmi si affidano a strumenti di pianificazione "morbidi" e "comunicativi", che mettono in grado i diversi attori di cooperare nei processi formali di pianificazione. A partire dai risultati di precedenti ricerche, svolte tra il 2005 ed il 2007, nel presente studio vengono analizzati i processi di coordinamento di due diversi Programmi di Sviluppo Integrato, quello di Milano e quello di Francoforte attraverso la questione della fiducia interpersonale e istituzionale. Diversamente dalle modalità tradizionali della pianificazione urbana, nei due casi esaminati, la cooperazione e il coordinamento implicavano sia meccanismi formali che informali. Nella pratica quotidiana del doing Governance a livello locale, i confini esistenti tra informalità e formalità divengono sfumati, spesso oltrepassati o vistosamente distorti dagli attori coinvolti. Tale sovrapposizione rende persino complesso individuare in modo chiaro la suddivisione delle competenze dei singoli livelli politico-amministrativi, poiché, assieme ai diversi attori, nel programma sono coinvolti interessi, livelli di autorità e prassi differenti. I rappresentanti della politicà regionale che locale, la società civile e il mercato hanno costruito un caleidoscopio di interessi e punti di vista in cui il livello di complessità aumenta tanto da mettere a rischio l'attuazione degli stessi programmi. Il grado di fiducia è dunque cruciale. In entrambi i programmi, come prevedibile, gli attori hanno mostrato un grado relativamente alto di fiducia nelle relazioni interpersonali, ma, mentre a Francoforte queste relazioni si sono integrate con la fiducia istituzionale, nel contesto milanese la costituzione di strutture istituzionali stabili è risultata problematica. Il risultato è stato che il programma di Milano e il processo di coordinamento in particolare, hanno dovuto affrontare seri problemi. All'interno dei Programmi di Sviluppo Integrato la fiducia istituzionale ricopre un'importanza ulteriore, poiché, proprio grazie a questa, vengono create nuove strutture regolatrici, all'interno dello programma stesso, che contribuiscono a stabilire una nuova politica culturale, colmando quel gap causato dall'assenza dei processi di pianificazione tradizionali. Allo stesso modo, i Programmi di Governance locale non possono considerarsi semplicemente meri interventi politici su di un quartiere ma assumono maggiore importanza per le politiche urbane. Il filo conduttore alla base di questo testo è una prospettiva critica dei Programmi di Sviluppo Integrato che osserva e mette in discussione l'elevata complessità dei processi di coordinamento. Dopo più di due decenni di attuazione di questi Programmi nelle città europee e dopo che la commissione europea, con la Carta di Lispia, ha rafforzato l'importanza della Governance in questo ambito, questo libro fornisce, attraverso un approccio neo-istituzionale, un contributo alla discussione e alla tematizzazione dei rischi che i processi di pianificazione comportano.
BASE
In: Bachelorarbeit
Aus der Einleitung: 'Wir werden keinesfalls diese skandalöse Schleichwerbung unterstützen'! Dieser prägnante Satz beschreibt eine Sichtweise zum Thema Sponsoring in seiner Anfangszeit, so gefallen 1968 beim Formel 1 Grand Prix von Spanien. Zum ersten Mal tauchte eine Firma mit ihrem Logo auf einem Rennwagen auf, welche nicht unmittelbar mit dem Rennsport verbunden war – Sponsoring. Als Reaktion stellten die beiden Fernsehsender ARD und ZDF für den Rest der Saison, unter Ausspruch des oben genannten Zitates, die Übertragung von Formel 1-Rennen ein. Auch der erste Sportsponsor in Deutschland erregte 1973 die Gemüter von Fans, Funktionären und Medien. Auf der Suche nach neuen Wegen in Sachen Bekanntheit, Image und Öffentlichkeitsarbeit, kam die Firma Jägermeister zu dem Entschluss, mit ihrem Logo auf dem Trikot des finanziell angeschlagenen Vereins Eintracht Braunschweig zu werben. Und heute? Heute spielen die Brose Baskets in der Jako-Arena gegen ratiopharm Ulm um die Meisterschaft in der Basketball-Bundesliga. Die soziale Akzeptanz ist mittlerweile überwältigend. Bei vielen ist das Kommunikationsinstrument Sponsoring beliebter als die klassische Werbung, weil es nicht unterbricht, sich mehr zurückhält und nicht so platt ist. Daher finden selbst die typisch werbekritischen Zielgruppen Sponsoring gut. Seit den 80er Jahren ist Sponsoring ein immer beliebter werdendes Instrument der Kommunikationspolitik. Alle Sponsoren, unabhängig ob sie sich im Bereich Sport, Kultur, Kunst, Soziales oder Umwelt engagieren, haben die große Chance erkannt, etwas von den Werten, Assoziationen und Emotionen des Sponsoringobjekts in das Unternehmen zu transferieren. Auch bei Kunden, Aktionären und Mitarbeitern ist eine Imageverbesserung zu erreichen. Nach einer Studie aus dem Jahr 2008, bei der die 2500 umsatzstärksten Betriebe und Dienstleistungsunternehmen in Deutschland befragt wurden, gaben 74,7 % an, in ihrem Kommunikations-Mix auf Sponsoring zu setzen. Hierbei bindet dieses Instrument 16,6 % des gesamten Kommunikationsbudgets. Noch zehn Jahre zuvor setzten weniger Unternehmen (69,7 %) mit geringer anteiligem Kommunikationsbudget (13,0 %) auf Sponsoring. Gründe für diese Entwicklung sind vielfältig und hinreichend bekannt: Informationsüberflutung, sensibler werdende Selektionsmechanismen der Zielgruppen, Phänomene wie 'Zapping' und 'Reaktanz' einhergehend mit dem Trend der Individualisierung sind die Auslöser für neue und ergänzende Wege in der Marketing-Kommunikation. Hinzu kommt die im Zusammenhang mit der zunehmenden Homogenität der Produkte und der wachsenden Erlebnisorientierung in der Gesellschaft entstandene Notwendigkeit, neue Kommunikationskanäle zur speziellen Zielgruppenansprache zu nutzen und sich durch den Aufbau emotionaler Bindungen zum Unternehmen bzw. zu dessen Produkten von der Konkurrenz abzuheben. Sowohl die spezielle Zielgruppenansprache als auch der Erlebnisnutzen finden im Sponsoring ihren Ausdruck, so dass viele Unternehmen Sponsoring inzwischen als festen Bestandteil in ihrem Kommunikations-Mix etabliert haben. Allerdings müssen sich Unternehmen auch den Nachteilen bzw. Risiken des Kommunikationsinstruments Sponsoring bewusst sein. Neben der oft mathematischen Aktivierung ist es Sponsoren meist nicht möglich, produkt-spezifische Informationen zu übermitteln. Darüber hinaus sind Sponsoringaktivitäten zahlreichen unvorhersehbaren Störfaktoren ausgesetzt. Ebenso kann Sponsoring nur dann seine optimale Wirkung entfalten, wenn es durch die anderen Kommunikationsinstrumente gezielt unterstützt und auf entsprechende Weise in den Marketing-Mix von Unternehmen integriert wird. Problemstellung: Sponsoring ist als Instrument der Unternehmenskommunikation aktuell wie nie zuvor. Die zunehmende Professionalisierung und das Wachstum in diesem Sektor machen einen systematischen Planungs- und Entscheidungsprozess unverzichtbar. Ausschlaggebend für einen nachhaltigen Erfolg ist die ganzheitliche strategische Integration des Sponsorings in das Unternehmen. Vor diesem Hintergrund spielt aus Unternehmenssicht vor allem die Auswahl des richtigen Sponsoringpartners eine wichtige Rolle. Die Unternehmenspraxis hat in der Vergangenheit gezeigt, dass die Festlegung von Sponsorships häufig durch ein eher intuitives Vorgehen gekennzeichnet war. Vor allem hinter dem Sponsoring im Bereich Sport steht seltener ein System, dafür umso häufiger Zufall oder auch die persönliche Vorliebe von Managern und Unternehmern. Noch vor zehn Jahren war laut einer Studie jeder fünfte Sponsoringvertrag ein sogenannter 'Sweetheart-Deal', bei dem Vorstände ihre persönliche Leidenschaft aus den Kommunikationsetats ihrer Firmen finanzierten. Soll der Einsatz des Sponsorings im Rahmen der Unternehmenskommunikation jedoch dazu beitragen die festgelegten Kommunikationsziele zu erreichen, so wird es in Zukunft unerlässlich sein, das Sponsoring-Management sorgfältig zu planen und systematisch in den Kommunikations-Mix zu integrieren, ohne aber die kreative Komponente bei der Entwicklung einer Sponsoring-Konzeption zu vernachlässigen. Unternehmen, die als Sponsoren bekannt sind, haben in diesem Kontext häufig eine Vielzahl von Sponsoringanfragen zu bearbeiten. Nicht jede dieser Anfragen passt zum Unternehmensimage. Aber egal welche Sponsoringphilosophie verfolgt wird, das Unternehmen sollte jeden Anfragenden als potentiellen Partner ansehen und als solchen behandeln. Die Auswahl muss zielgerichtet stattfinden. In vielen Unternehmen ist dies leider nicht der Fall und Anfragen werden ohne sorgfältige Prüfung abgewiesen oder je nach Laune bzw. Beziehungen des Chefs zugesagt. Da aber gerade die Partnerwahl im Sponsoring einen wichtigen Grundpfeiler bildet, muss hierauf großes Augenmerk gelegt werden. Gang der Untersuchung: In Anbetracht der Notwendigkeit eines systematischen Planungs- und Entscheidungsprozesses als Grundlage eines Sponsoringengagements, zielt diese Arbeit darauf ab, sich besonders mit dem Abschnitt der Partnerauswahl genauer auseinanderzusetzen. Da der Markt eine Vielzahl an potentiellen Sponsoringpartnern für Unternehmen bietet, ist es für diesen Teilbereich des Sponsoring-Managements wichtig, zielgerichtet und systematisch zu arbeiten. Die vorliegende Arbeit soll aufbauend auf den theoretischen Grundlagen des Sponsorings Aufschluss darüber geben, welche Vorgehensweise und Kriterien zur Auswahl des passenden Partners führen. Das Ziel ist es, einen Bewertungsbogen als Hilfe für die Auswahl des Sponsorings zu erstellen. Dieser Bogen unterstützt Unternehmen bei der Bewertung von eingehenden Sponsoringanfragen sowie bei der Suche nach einem geeigneten Sponsoringpartner und systematisiert bzw. rationalisiert dabei den Prozess. Während die theoretischen Hintergründe des Sponsoringprozesses allgemein gehalten werden, beziehen sich die Ausführungen der Auswahlfaktoren speziell auf den Bereich des Sportsponsorings. Zur Illustration und Einbettung in die unternehmensspezifische Praxis dient die Staatliche Toto-Lotto GmbH Baden-Württemberg (im Folgenden STLG genannt), bei der der Verfasser im Rahmen seiner Ausbildung die Möglichkeit hatte an diversen Sponsoringaktivitäten mitzuwirken. Aus diesen Überlegungen heraus bildet sich folgender Aufbau der Arbeit: Nach Erläuterung der Problemstellung sowie Zielsetzung und Vorgehensweise, wird im zweiten Kapitel das Sponsoring als Instrument der Unternehmenskommunikation anhand einer Literaturanalyse erläutert. Dabei wird im ersten Schritt eine begriffliche Abgrenzung des Untersuchungsgegenstandes zu den verwandten Bereichen Mäzenatentum und Spendenwesen vorgenommen. Im weiteren Fortgang wird das Sponsoring als Teil der Unternehmenskommunikation eingegliedert und es findet eine kurze Betrachtung der verschiedenen Erscheinungsformen des Sponsorings statt. Im Folgenden wird auf den Managementprozess im Sponsoring eingegangen. Der Planungs- und Entscheidungsprozess im Sponsoring wird von der Situationsanalyse über die Identifizierung der Zielgruppe, der Festlegung der Ziele sowie der Strategie und Philosophie bis hin zur Budgetierung veranschaulicht. Das dritte Kapitel widmet sich dem Kernthema der vorliegenden Arbeit. Der Auswahlprozess bezieht sich auf den Bereich des Sportsponsorings und findet auf zwei Ebenen statt. Als Erstes wird die Grobauswahl des Partners mit diversen Entscheidungsfaktoren hinterleuchtet, bevor es in der Feinauswahl mit sogenannten weichen Faktoren gezielt die Entscheidungsfindung betrachtet und bewertet wird. Der so bewertete Nutzen einer Anfrage wird abschließend denn Kosten gegenüber gestellt. Als Ergebnis des Kapitels entsteht ein allgemein gehaltener Bewertungsbogen, der als Entscheidungshilfe im Sportsponsoring für Unternehmen dient. Die praktische Grundlage zur Darstellung eines solchen Auswahlprozesses bildet das vierte Kapitel. Es widmet sich der Vorstellung der Staatlichen Toto-Lotto GmbH Baden-Württemberg. Nachdem zunächst das Unternehmen portraitiert und die wirtschaftliche Situation beleuchtet wird, soll im Anschluss daran auf die Sponsoringaktivitäten der Gesellschaft eingegangen werden. Vor dem Hintergrund der in Kapitel drei erarbeiteten Auswahlfaktoren, erfolgt in Kapitel fünf die praktische Umsetzung des allgemein einsetzbaren Bewertungsbogens. Die Faktoren werden gezielt auf die Eigenheiten und die Philosophie der STLG abgestimmt. Zum Ende des Kapitels entsteht somit ein spezifizierter Bewertungsbogen, der auf die STLG zugeschnitten ist und so in der Praxis bei der Auswahl von Sponsorships verwendet werden kann. Zur Veranschaulichung der Funktionsweise dieses Bogens findet abschließend eine Analyse von drei ausgewählten Sponsoringanfragen der STLG statt.Inhaltsverzeichnis:Inhaltsverzeichnis: Abbildungs- und TabellenverzeichnisII AbkürzungsverzeichnisIII 1.Einleitung1 1.1PROBLEMSTELLUNG3 1.2ZIELSETZUNG UND VORGEHENSWEISE4 2.Sponsoring in der Unternehmenskommunikation6 2.1EINLEITENDE GRUNDLAGEN DES SPONSORINGS6 2.1.1Vom Mäzenatentum zum Sponsoring - Abgrenzungen und Begrifflichkeiten6 2.1.2Eingliederung in die Unternehmenskommunikation8 2.1.3Erscheinungsformen des Sponsoring10 2.2DAS MANAGEMENT IM SPONSORING11 2.2.1Das Sponsoring als Prozess11 2.2.2Situationsanalyse13 2.2.3Identifizierung der Zielgruppe14 2.2.4Festlegung der Sponsoringziele15 2.2.4.1Ökonomische Ziele16 2.2.4.2Psychologische Ziele16 2.2.5Festlegung der Sponsoringstrategie und -philosophie17 2.2.6Budgetierung17 3.Der gezielte Auswahlprozess im Sportsponsoring18 3.1GROBAUSWAHL DURCH AUSSCHLUSSFAKTOREN18 3.1.1Fit zur Sponsoringphilosophie19 3.1.2Rechtliche Faktoren19 3.1.3Standortbezug19 3.1.4Konkurrenzausschluss20 3.2FEINAUSWAHL MIT HILFE DES SCORING-MODELLS21 3.2.1Das Scoring-Modell als Problemlöser21 3.2.2Faktoren der Feinauswahl22 3.2.2.1Der 'Fit' zur Marke - Imagetransfer23 3.2.2.2Zielgruppenaffinität23 3.2.2.3Medienwirkung bzw. -präsenz des Sponsorships24 3.2.2.4Abhängigkeit vom Gesponserten27 3.2.2.5Lobbyarbeit bzw. Kontaktpflege29 3.2.2.6Ausgewogenheit im Vertriebs- bzw. Einzugsgebiet30 3.2.2.7Zukunftsperspektiven des Engagements31 3.2.2.8Professionalität in der Umsetzung32 3.2.2.9Vernetzung im Marketing-Mix33 3.2.3Kosten-Nutzen-Analyse35 3.3BEWERTUNGSBOGEN ZUR AUSWAHL VON SPORTSPONSORINGS36 4.Die Staatliche Toto-Lotto GmbH Baden-Württemberg37 4.1PORTRAIT UND WIRTSCHAFTLICHE SITUATION DES UNTERNEHMENS37 4.2REINERTRAG UND WETTMITTELFONDS38 4.3SITUATION DURCH DEN GLÜCKSSPIELSTAATSVERTRAG39 4.3.1Ziele des Glücksspielstaatsvertrags40 4.3.2Auswirkungen auf die Unternehmenskommunikation40 4.4SPONSORINGPHILOSOPHIE UND -STRATEGIE DES UNTERNEHMENS42 5.Bewertungsbogen für den Einsatz bei der Staatlichen Toto-Lotto GmbH Baden-Württemberg44 5.1AUSWAHLFAKTOREN BEI DER STLG44 5.1.1Grobauswahl - harte Faktoren44 5.1.2Feinauswahl - weiche Faktoren45 5.2DER SPONSORINGLEITFADEN DER STLG48 5.3BEWERTUNG AUSGEWÄHLTER ANFRAGEN48 6.Schlussbetrachtung50 Literatur- und QuellenverzeichnisIV AnhangVTextprobe:Textprobe: Kapitel 3.2.2.3, Medienwirkung bzw. -präsenz des Sponsorships: Jedes Ereignis zieht einen anderen Fokus der Öffentlichkeit auf sich. Großereignisse wie bspw. die Olympischen Spiele haben eine große öffentliche Wirkung sicher. In den anderen Bereichen des Sports, vor allem beim Sponsoring von Mannschaften bzw. Einzelsportlern, spielt der Erfolg des Partners eine entscheidende Rolle. So erzielt man als Sponsor des FC Bayern München eine höhere Medienpräsenz, wie als Sponsor eines Mittelklassevereins. Häufig zu beobachten ist auch die hohe Medienpräsenz von Underdogs, die unerwartet zu Erfolgen kommen. So zu sehen unter anderem im Jahr 2009 beim Brawn GP Team in der Formel 1. Hatte das Team zu Beginn der Saison noch Probleme Sponsoren zu finden, liegen seit Beginn der Siegesserie von Jenson Button eine Vielzahl von Angeboten vor. Grundsätzlich ist zu sagen, dass die Präsenz sowie die Wirkung in den Medien beim Sponsoring ein sehr wichtiger Aspekt ist. Umso häufiger ein Kontakt zum Konsumenten hergestellt werden kann, umso einprägsamer ist der Effekt für die Person. Es gilt bei diesem Faktor fünf Dinge zu beachten. Die Taktung der Ereignisse, die Popularität der Sportart, der Erfolg der Mannschaft bzw. des Sportlers sowie die Reichweite der Kommunikation und die vereinbarten Nutzungsrechte. Taktung der Ereignisse: Während viele Sportarten wie Eishockey, Handball, Fußball u.v.m. ihre Saison über das ganze Jahr verteilt spielen (mit mehr oder weniger längeren Pausen im Sommer und im Winter), so gibt es andere, welche nur halbjährlich in Erscheinung treten. Hierbei sind vor allem sämtliche Wintersportarten zu nennen. Skispringen, Biathlon und alle anderen winterabhängigen Sportarten treten nur in den kalten Monaten von November bis März in den Fokus der Medien. Dazwischen besteht so gut wie keine Medienpräsenz. Auch gibt es Ereignisse, welche nur in einem gewissen jährlichen Zyklus stattfinden, wie z.B. die Olympischen Spiele oder auch der America's Cup im Segeln. Popularität der Sportart: Die Medien berichten nur ausführlich von Dingen, die die Leute interessieren. So erhält Fußball, als beliebteste Sportart in Deutschland (siehe Abbildung 5), auch die meiste Aufmerksamkeit in den Medien. Neben vielen Zusammenfassungen der Spieltage, gibt es Talkrunden, Analysen und Zeitschriften, die sich maßgeblich mit dem runden Leder befassen. Fußball steht die ganze Woche über in den Medien. Hingegen haben Randsportarten wie bspw. Baseball oder Polo in Deutschland keine hohe Präsenz in den Medien. Erfolg der Mannschaft bzw. des Sportlers: Ein erfolgreicher Sportler steht in den Schlagzeilen. Wer in seinem Sport eine gute Leistung erbringt, der rückt sich damit meist automatisch in den Fokus der Öffentlichkeit. Als Fabian Hambüchen 2005 überraschend Europameister am Reck wurde, kannten ihn nur Fans der Turnszene. Sein Erfolg über die Jahre hat ihn nun zu einem Aushängeschild der gesamten deutschen Turnszene gemacht. Er steht nun durch seine Erfolge mehr in der Öffentlichkeit als zuvor. Das gleiche Schema lässt sich auf alle Sportarten anwenden. Erfolg bedeutet Medienpräsenz. Reichweite der Kommunikation: Ein weiterer Punkt, der auf die Medienpräsenz einwirkt, ist die Reichweite der Sponsorship-Kommunikation. Diese ist bspw. bei einem Fußballverein aus einer unteren Spielklasse nur regional, hingegen bei einem Top-Verein wie dem FC Barcelona weltweit. Zwischenwerte sind eine nationale bzw. europaweite Reichweite. Richtwert ist unter anderem der Bekanntheitsgrad und die Tatsache, in welchen Ländern der Partner sportlich in Erscheinung tritt. Vereinbarte Nutzungsrechte: Ein Sponsorship bietet vielfältige Möglichkeiten für ein Unternehmen oder eine Marke aufzutreten. Die meisten Partner schnüren hierfür sogenannte Sponsorenpakete, die sie in ihrer Wertigkeit bspw. in Haupt-, Premium- und Exclusive-Sponsoren aufteilen. Je mehr Nutzungsrechte ein Sponsor hierbei bekommt, umso teurer kommt ihn das Engagement. Dabei erhält er aber im Gegenzug umfangreichere Möglichkeiten zur kommunikativen Nutzung des Sponsorships. Unter anderem gehören hierzu Werberechte, Service- und Ausrüsterrechte, Teilnahmerechte, Lizenzrechte, Identifikationsrechte, Förderprädikate u.v.m. Bei der Bewertung dieses Teilaspektes muss also der Umfang der Nutzungsrechte hinterfragt werden. Da im Punkt Medienwirkung bzw. -präsenz fünf Merkmale differenzieren werden bietet es sich bei der Punktevergabe an, diese einzeln zu bewerten. Durch die Addition der fünf Merkmale erhält man einen Gesamtpunktwert für diesen Faktor. Die folgende Tabelle dient zur Veranschaulich der Punkteverteilung und liefert Anhaltspunkte für die mögliche Vorgehensweise. Im Anhang D befinden sich ausgewählte Beispiele, wie eine Umsetzung der Punkteverteilung durchgeführt werden kann.
In: Diplomarbeit
Aus der Einleitung: Technologiesprünge mit den damit verbundenen Wachstumsschüben der Wirtschaft sind in der Geschichte bekannt. Die Dampfmaschine, der mechanische Webstuhl, der Benzinmotor und die Transistortechnik sind lediglich einige dieser Technologien. Der Technologiesprung der heutigen Gesellschaft ist die Informatisierung und Digitalisierung von Daten. Diese Entwicklungen durchdringen zunehmend den Arbeitsplatz. Mit der zunehmenden Digitalisierung personenbezogener Daten wird auch die Überwachung des Arbeitnehmers (AN) erleichtert. Die Kontrolle des Arbeitnehmers in der Informationsgesellschaft ist ein Thema, dass so aktuell ist wie nie zuvor. Fragen, die immer wieder aufkommen, sind beispielsweise, ob wir heutzutage in einer Überwachungsgesellschaft leben und falls dies zutrifft, welche Arten der Überwachung existieren und vor allem wer überwacht wird. Überwachungsmechanismen im Arbeitsverhältnis sind unter anderem Videoüberwachungen, biometrische Zugangskontrollen, Internet und Intranet, E-mail, Personalinformationssysteme und Arbeitszeiterfassung. Weil ein Arbeitnehmerdatenschutzgesetz fehlt, ist die Grenze der zulässigen Überwachung durch technische Einrichtungen unklar. Jüngste Schlagzeilen, wie beispielsweise die heimliche Videoüberwachung von Mitarbeitern in LIDL-Märkten oder die Bespitzelung der Mitarbeiter der Deutschen Bahn durch technische Überwachungseinrichtungen, haben bestätigt, dass Arbeitgeber (AG) die Möglichkeit wahrnehmen ihre Mitarbeiter zu überwachen und auszuspionieren. Damit greifen Arbeitgeber in die Privatsphäre des Arbeitnehmers ein und verletzen ihre informationelle Selbstbestimmung, d.h. die eigene Bestimmung darüber, wie der Arbeitnehmer mit seinen persönlichen und privaten Informationen umgeht und an wen er sie weitergibt und zur Verfügung stellt. Der Arbeitnehmer wird zunehmend 'gläsern', d.h. transparent und durchsichtig und somit gegenüber dem Arbeitgeber zerbrechlich. Die Videoüberwachung ist lediglich ein Beispiel für eine technische Einrichtung zur Überwachung der Arbeitnehmer. Daneben können regelmäßig im Betrieb eingesetzte Kommunikationseinrichtungen wie z.B. Internet und Telefon zur Überwachung genutzt werden. Diese Einrichtungen ermöglichen es dem AG ebenso, die Leistung und das Verhalten von Mitarbeitern zu kontrollieren, obwohl der eigentliche Zweck dieser Einrichtungen lediglich dem Unternehmensziel dienen sollte. Ein eindeutiges Gesetz zum Arbeitnehmerdatenschutz liegt zurzeit nicht vor. Der rechtliche Rahmen zum Schutz des Arbeitnehmers findet sich unter anderem auf nationaler Ebene im Grundgesetz, dem Bundesdatenschutzgesetz, den Telekommunikationsgesetzen sowie dem Betriebsverfassungsgesetz wieder. Hinzu kommen europarechtliche Regelungen, wie beispielsweise die EU-Datenschutzrichtlinie 95/46/EG, die sich auf nationale Gesetze auswirken. Klärungsbedarf ergibt sich hinsichtlich der Frage, bis zu welcher Grenze die angesprochenen Gesetze die technische Überwachung des Arbeitgebers über seine Mitarbeiter erlauben. Hierbei kommt der Rechtsprechung, d.h. dem Richterspruch, ebenfalls eine bedeutende Rolle zu. Gang der Untersuchung: Ziel der vorliegenden Arbeit ist die Prüfung der rechtlichen Zulässigkeit technischer Einrichtungen, die der AG zur Kontrolle seiner Mitarbeiter im Arbeitsverhältnis einsetzt. Dabei sollen bereits im Unternehmen eingesetzte technische Kontrolleinrichtungen betrachtet und analog dazu neuere technische Entwicklungen analysiert werden. Dazu werden im zweiten Kapitel der Arbeit die thematischen Grundlagen wie der Arbeitnehmerbegriff und die Kennzeichen der Informationsgesellschaft dargestellt. Im dritten Kapitel werden Rechtsgrundlagen des Arbeitnehmerdatenschutzes, d.h. die rechtlichen Rahmenbedingungen für das vierte und fünfte Kapitel, gelegt. Im darauffolgenden vierten Kapitel werden diese Rechtsgrundlagen auf einzelne technische Kontrolleinrichtungen angewendet, um die Zulässigkeitsgrenze ihres Einsatzes im Arbeitsverhältnis zu prüfen. Anhand der in diesem Kapitel durchgeführten Analyse technischer Überwachungseinrichtungen soll die rechtliche Zulässigkeit für zukünftige technische Einrichtungen betrachtet werden. Daher wird im fünften Kapitel der Arbeit die Zukunftstechnologie, das 'Ubiquitous Computing', anhand ihrer Basistechnologie, der RFID-Technik, dargestellt und analytisch betrachtet. Wenn möglich sollen in diesem Abschnitt der Arbeit Gestaltungsvorschläge für entsprechende Zukunftstechnologien unterbreitet werden, damit ihr Einsatz im Unternehmen zulässig wird. Im letzten Kapitel erfolgen die Zusammenfassung der Ergebnisse und ein Ausblick für eine rechtliche Zulässigkeit von zukünftigen Überwachungstechnologien.Inhaltsverzeichnis:Inhaltsverzeichnis: InhaltsverzeichnisI AbkürzungsverzeichnisV AbbildungsverzeichnisVIII 1Einleitung1 1.1Einführung1 1.2Zielsetzung und Aufbau der Arbeit2 2Thematische Grundlagen4 2.1Arbeitnehmerbegriff4 2.1.1Definition4 2.1.1.1Privatrechtlicher Vertrag5 2.1.1.2Verpflichtung zur Erbringung der Arbeitsleistung6 2.1.1.3Im Dienste eines anderen und Unselbstständigkeit6 2.1.2Begriff des 'gläsernen' Arbeitnehmers8 2.2Kennzeichen der Informationsgesellschaft9 2.2.1Grundlegendes zur Informationsgesellschaft10 2.2.2Innovationen, Trends und neuere Technologien11 2.3Informationsgesellschaft und Arbeitnehmerüberwachung13 3Rechtsgrundlagen des Arbeitnehmerdatenschutzes15 3.1'Datenschutz ist zugleich Arbeitnehmerschutz'15 3.2Grundrechte16 3.2.1Arbeitsrechtlich relevante Grundrechte auf Arbeitnehmerseite18 3.2.1.1Schutz der Menschenwürde Art 1 GG18 3.2.1.2Grundrecht der allgemeinen Persönlichkeitsentfaltung Art. 2 Abs.1 GG19 i)Schutz der Intim- und Privatsphäre20 ii)Recht am eigenen Bild20 iii)Recht am gesprochenen Wort21 iv)Recht am geschriebenen Wort22 v)Recht auf informationelle Selbstbestimmung23 vi)Recht auf Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme26 3.2.1.3Gleichheitsgebot Art. 3 Abs. 1 GG26 3.2.1.4Fernmeldegeheimnis Art. 10 GG27 3.2.2Arbeitsrechtlich relevante Grundrechte auf Arbeitgeberseite29 3.2.2.1Informationsfreiheit Art. 5 Abs. 1 GG29 3.2.2.2Recht auf Entfaltung der unternehmerischen Freiheit und des freien Produktionsmittelgebrauchs Art. 12 Abs. 1 und 14 GG30 3.3Telekommunikationsgesetze31 3.4Betriebsverfassungsgesetz32 3.4.1Betrachtung auf technische Überwachungseinrichtungen32 3.4.2Mitbestimmung des Betriebsrates nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG34 3.4.3Bestimmung zur Überwachung36 3.4.4Umsetzung der Mitbestimmung durch den Betriebsrat37 3.4.5Mitwirkungspflichtige technische Einrichtungen gem. § 87 Abs. 1 Nr. 6 BVerfG38 3.4.6Betriebsvereinbarung als vorrangige Zulässigkeitsnorm40 3.4.7Konsequenzen unterlassener Mitbestimmung41 3.5Bundesdatenschutzgesetz43 3.5.1Betrachtung auf technische Überwachungseinrichtungen43 3.5.1.1Subsidiarität43 3.5.1.2Zweck und Auslegung45 3.5.2Zulässigkeit der Datenerhebung, -verarbeitung und -nutzung47 3.5.3Konsequenzen bei Verstoß51 3.5.4Ausblick auf die BDSG-Novelle 200952 3.6Regelungen des Europarechts53 3.6.1Grundrechte-Charta der Europäischen Union54 3.6.2EU-Datenschutzrichtlinie 95/46/EG55 3.6.3Datenschutzrichtlinie zur Elektronischen Kommunikation57 3.6.4Datenschutz bei Organen und Einrichtungen der Gemeinschaft58 3.6.5Verbesserung des Datenschutzes durch Technologien zum Schutz der Privatsphäre58 3.6.6Verbesserung des Datenschutzes durch Technologien zum Schutz der Privatsphäre58 3.6.7Internationale Vereinbarungen und Leitlinien zum Datenschutz59 3.7Zwischenfazit60 4Zulässigkeit technischer Überwachungseinrichtungen62 4.1Personalinformationssysteme63 4.1.1Funktionsweise63 4.1.2Rechtliche Betrachtung63 4.2Elektronische Zeiterfassungs- und Zugangssteuerungsgeräte66 4.2.1Funktionsweise66 4.2.2Rechtliche Betrachtung66 4.3Biometrische Zugangskontrollen67 4.3.1Funktionsweise67 4.3.2Rechtliche Betrachtung68 4.4Einwegscheiben71 4.4.1Funktionsweise71 4.4.2Rechtliche Betrachtung72 4.5Digitaler Tachograph72 4.5.1Funktionsweise72 4.5.2Rechtliche Betrachtung74 4.6Location Based Services74 4.6.1Funktionsweise74 4.6.2Rechtliche Betrachtung75 4.7Global Positioning System78 4.7.1Funktionsweise78 4.7.2Rechtliche Betrachtung80 4.8Telefon81 4.8.1Funktionsweise81 4.8.2Rechtliche Betrachtung82 4.9Internet und Intranet86 4.9.1Funktionsweise86 4.9.2Rechtliche Betrachtung88 4.10E-Mail93 4.10.1Funktionsweise93 4.10.2Rechtliche Betrachtung94 4.11Videoüberwachung96 4.11.1Funktionsweise96 4.11.2Rechtliche Betrachtung98 4.12Zwischenfazit103 5Ubiquitous Computing- RDID als Basistechnologie105 5.1Definition105 5.2Funktionsweise UbiComp108 5.3Pioniertechnik des UbiComp – RFID als Basistechnologie109 5.4RFID-Technologie111 5.4.1Funktionsweise111 5.4.2Beispielhafte Anwendungsfelder im Arbeitsverhältnis112 5.5Zulässigkeit von RFID-Systemen114 5.5.1Rechtliche Betrachtung114 5.5.2Technische Sicherheitsrisiken117 5.6Gestaltungsvorschläge für RFID-Systeme118 5.6.1Betrachtungsgrundlage118 5.6.2Lösungsansätze für Sicherheitsrisiken und Datenschutz119 5.7Zwischenfazit124 6Zusammenfassung und Ausblick125 Literaturverzeichnis129 Entscheidungsregister145 Anhang151Textprobe:Textprobe: Kapitel 3.5.3, Konsequenzen bei Verstoß: Das BDSG ist demnach ein Schutzgesetz, wodurch sich beim Verstoß gegen die Normen des Gesetzes, den Arbeitnehmer in seinem Persönlichkeitsrecht zu schützen, vielfältige Konsequenzen ergeben. Gem. § 7 BDSG ist die verantwortliche Stelle, d.h. der Arbeitgeber, bei Missachtung der Rechte des Arbeitnehmer zum Schadenersatz verpflichtet. Dementsprechend können bei einem Verstoß Schadenersatzansprüche gem. § 823 BGB Abs. 2 geltend gemacht werden. Denn nichtöffentliche Stellen sind gem. § 9 BDSG dazu verpflichtet, bei der Erhebung personenbezogener Daten die Vorschriften des BDSG zu erfüllen. Nach Sicht des Landesgerichts Köln handelt es sich bei datenschutzrechtlichen Vorschriften ebenso um gesetzliche Regelungen im Sinne des § 307 BGB, wodurch bei Nichterfüllen der Vorschriften Unterlassungsansprüche entstehen. 'Daraus könnte abgeleitet werden, dass die Datenerhebung ebenso wie beim BetrVG zulässig wäre, wenn eine Gruppe von Arbeitnehmern überwacht wird und kein Arbeitnehmer als ein einzelnes Überwachungsobjekt fungiert. Eine Zusammenfassung von Mitarbeitern in Arbeitsgruppen kommt häufig in Betriebsvereinbarungen vor, da dadurch die Einzelbeobachtung ausgeschlossen wird und konkrete Informationen über das Arbeitsverhalten nicht möglich sind. Ebenso wird eine einzelne Überwachung ausgeschlossen, wenn Daten in anonymer Form vorliegen, da ihr Personenbezug in dem Sinne nicht existiert und sich die Aussagen auf Personenmehrheiten, d.h. einer Gruppe von Arbeitnehmern, beziehen'. Die §§ 34 und 35 BDSG gewähren dem Arbeitnehmer ein Recht auf Auskunft über seine gespeicherten Daten und bei gegebenem Anlass einer Berichtigung, Löschung und Sperrung der Daten. Wichtig ist hier, dass der Arbeitnehmer jederzeit die Löschung seiner personenbezogenen Daten verlangen kann, wenn die Speicherung unzulässig ist. Zudem besteht gem. § 9a BDSG für den Anbieter von Datenverarbeitungssystemen und -programmen, in dem Fall für den Arbeitgeber, die Möglichkeit, durch unabhängige und zugelassene Prüfer die technischen Einrichtungen prüfen zu lassen, um den Datenschutz und die Datensicherheit zu verbessern. Ausblick auf die BDSG-Novelle 2009: Das neue BDSG soll ab Juli 2009 in Kraft treten, wodurch Unternehmen weitere Pflichten auferlegt werden. Geplant ist unter anderem, einen § 32 'Datenerhebung, -verarbeitung und -nutzung für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses' einzuführen. Beim neuen BDSG wurden Vorfälle in der Vergangenheit, wie beispielsweise die Datenskandale bei der Bahn oder der Telekom, mitberücksichtigt. So werden Unternehmen und Arbeitgeber dazu verpflichtet, bei einem datenschutzrechtlich relevanten Vorfall den Mitarbeiter umgehend zu informieren, wie beispielsweise bei der Erhebung personenbezogener Daten ohne die Einwilligung des Mitarbeiters. Falls das Informieren auf Grund der großen Anzahl der Mitarbeiter nicht möglich ist, müssen sie direkt an die Öffentlichkeit gehen, um den Vorfall einer breiten Masse bekannt zu geben. Dies kann geschehen, indem eine Anzeige in zwei bundesweit erscheinenden Tageszeitungen aufgegeben wird, die mindestens eine halbe Seite umfasst. Damit soll sichergestellt werden, dass nicht allein Datenschutzverstöße von großen Konzernen bekannt werden, sondern tatsächlich jeder Arbeitnehmer den Missbrauch seiner Daten erfährt. Die Folge für Unternehmen ist, dass ihnen dadurch ein erheblicher Imageschaden widerfährt. Beabsichtigt wird damit, dass Unternehmen die Benachrichtigung der Öffentlichkeit meiden und ihre Mitarbeiter direkt über den Datenschutzverstoß informieren. Falls der gewünschte Effekt durch diesen Paragraphen nicht eintrifft, entsteht für Mitarbeiter keine Verbesserung durch das neue BDSG. Regelungen des Europarechts: Internationale Regelungen nehmen zunehmend Einfluss auf das nationale Recht. Das Gemeinschaftsrecht hat gegenüber den nationalen Bestimmungen Vorrang. Die europäischen Richtlinien sind bei der Auslegung des nationalen Rechts in erster Linie richtungweisend. Das zu erreichende Ergebnis mit der Richtlinie wird jedoch verbindlich vorgegeben. Ein gewisses Maß an Handlungsspielraum bleibt dem Mitgliedstaat trotzdem, damit der Staat die Form und Mittel zur Zielerreichung selbst wählen kann. Zu prüfen ist, ob sich der Sachverhalt der vorliegenden Arbeit trotz der Tatsache, dass sie nicht grenzüberschreitend ist, von europäischen Regelungen erfasst wird. Auf europäischer Ebene existiert genauso wie in der Bundesrepublik kein explizites Arbeitnehmerdatenschutzgesetz zum Schutz der Arbeitnehmer vor technischen Überwachungseinrichtungen. Der Schwerpunkt des europäischen Datenschutzrechts liegt primär darin, wie mit erhobenen Daten von Mitarbeitern grenzübergreifend, insbesondere bei der Übermittlung in andere Länder, umgegangen wird. Bezüglich grenzübergreifendem Datenverkehr personenbezogener Daten erfolgt die entsprechende Beurteilung durch die übermittelnde Stelle selbst, wobei die EU- Kommission ebenso allgemeine Feststellungen treffen kann. Im Falle dessen, dass kein ausreichendes Datenschutzniveau festgestellt wird und keine dem Willen des Betroffenen entsprechende Übermittlungsbefugnisse gem. § 4c BDSG vorliegen, kann sich die übermittelnde Stelle den grenzübergreifenden Datenverkehr von der obersten Aufsichtsbehörde genehmigen lassen. Diesbezüglich kann auf die Datenschutz-Konvention des Europarats hingewiesen werden, die nach Verabschiedung des Ratifizierungsgesetzes seit dem 01.10.1985 in der Bundesrepublik geltendes Recht ist und den Schutz sowie den grenzüberschreitenden Austausch personenbezogener Daten regelt. Das Datenschutzrecht wird zudem durch Rechtsentscheidung in der Europäischen Gemeinschaft mitbestimmt. Des Weiteren sind Einzelbestimmungen, wie z. B. die Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 des Rates vom 20. Dezember 1985 über Kontrollgeräte im Straßenverkehr und die Datenschutzrichtlinie der EU, die Richtlinie 95/46/EG zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr vom 24. Oktober 1995, von Bedeutung. Ziel der vorliegenden Ausarbeitung ist es jedoch zu prüfen, inwiefern Gesetze, Regelungen, Vorschriften oder die Rechtsprechung auf die Zulässigkeit von technischen Kontrolleinrichtungen im Betrieb wirken. Daher soll im weiteren Verlauf der Arbeit primär dieser Gesichtspunkt betrachtet werden. Da Richtlinien und Verordnungen der Europäischen Union weitestgehend in die nationalen Rechtsnormen übernommen worden sind und sich dadurch auswirken, ist es nicht Ziel dieses Abschnittes, den genauen Inhalt der Richtlinien und Verordnungen zu beschreiben. Es soll lediglich ein Überblick darüber gegeben werden. Grundrechte-Charta der Europäischen Union: Der Persönlichkeitsschutz des Einzelnen auf europäischer Ebene ist ebenfalls in der im Dezember 2000 verabschiedeten Grundrechte-Charta der Europäischen Union verankert. Art. 8 der Grundrecht-Charta behandelt in erster Linie den Umgang mit den bereits erhobenen Daten und lautet: 'Schutz personenbezogener Daten: (1) Jede Person hat das Recht auf Schutz der sie betreffenden personenbezogenen Daten. (2) Diese Daten dürfen nur nach Treu und Glauben für festgelegte Zwecke und mit Einwilligung der betroffenen Person oder auf einer sonstigen gesetzlich geregelten legitimen Grundlage verarbeitet werden. Jede Person hat das Recht, Auskunft über die sie betreffenden erhobenen Daten zu erhalten und die Berichtigung der Daten zu erwirken. (3) Die Einhaltung dieser Vorschriften wird von einer unabhängigen Stelle überwacht'. Der Artikel hat als Grundlage den Art. 286 des EG-Vertrages, die EU-Datenschutzrichtlinie, Art. 8 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) und das Übereinkommen des Europarates vom 28.01.1981. Die Grundrechte-Charta entfaltet zum aktuellen Zeitpunkt keine unmittelbare Rechtswirkung. Erwartet wird aber, dass der Europäische Gerichtshof sie in die ständige Rechtssprechung einbeziehen wird.
In: Diplomarbeit
Inhaltsangabe: Einleitung: In den vergangenen 18 Jahren musste der Wohnungsmarkt in den neuen Bundesländern eine einschneidende Trendwende erleben, die gleichermaßen Politik, Wohnungswirtschaft und Versorgungsunternehmen vor große Veränderungszwänge stellte und auch noch heute noch stellt. Im Zuge des Zusammenbruchs vieler Industriezweige der ehemaligen DDR wuchsen die Arbeitslosenzahlen in den 90er Jahren drastisch an. Fernwanderungsbewegungen setzten ein, da viele Menschen auf der Suche nach Arbeit Ostdeutschland verließen. Hinzu kam ab ca. 1995 eine starke Regionalwanderung, ausgelöst von Menschen, die sich beispielsweise ein Eigenheim im 'Speckgürtel' großer Städte wie Leipzig, Halle oder Dessau bauten. Eine dritte Entwicklung, die städtische Binnenwanderung hält bis heute an. Sie ist Ausdruck eines gewandelten Nachfrageverhaltens auf dem Wohnungsmarkt. Hierbei profitieren vor allem innenstadtnahe, rekonstruierte Altbauquartiere, die in der DDR-Zeit zu Gunsten der Errichtung von Plattenbauten vernachlässigt wurden. Alle drei Entwicklungen wirkten und wirken sich auf die Plattenbaugebiete der ostdeutschen Kommunen besonders negativ aus. Auch kommt als problematischer Fakt hinzu, dass die ca. 1,46 Mio. Plattenbauwohnungen die bis 1990 in der ehemaligen DDR gebaut wurden, meist (wie in Abbildung 1 zu sehen) als größere Wohnquartiere (Großwohnsiedlungen) punktuell verdichtet fast in jeder größeren Stadt der fünf neuen Bundesländer zu finden sind.1 Weithin bekannte Beispiele sind Berlin- Marzahn, Leipzig-Grünau, Halle- Neustadt oder Rostock- Lichtenhagen. Direkte Auswirkung der genannten Faktoren war der immer weiter zunehmende Leerstand in den Großwohnsiedlungen ab ca. 1996, wobei dabei die Tendenz zur allgemeinen Haushaltverkleinerung, also der Trend hin zu Singlehaushalten und kinderlosen Paaren, noch als verzögernde Stellgröße im Prozess wirkte. Erst die 2000 von der Bundesregierung einberufene Kommission 'Wohnungswirtschaftlicher Strukturwandel in den neuen Bundesländern' konnte dieses Thema auf die politische Agenda bringen. Wichtige Feststellungen waren u. a. dass bis 2010 in den neuen Bundesländern ca. 300.000 bis 400.000 Wohnungen durch Abriss vom Markt genommen werden müssen und dass dies erst die erste Welle der 'Schrumpfung' ist, da ab 2015 die geburtenschwache 'Nach- Wende- Generation' zu Haushaltsgründern wird und somit die Zahl der Haushalte ab dann rückläufig sein wird. In Folge des Berichtes sahen viele ostdeutsche Städte die Notwendigkeit des Stadtumbaues und gingen das Problem des Leerstandes konzeptionell an. An dieser Stelle muss angemerkt werden, dass sich der Leerstand nicht auf die 'Platte' beschränkte, sondern auch in den Altbauvierteln vieler Innenstädte gravierend war. Durch die Verabschiedung von integrierten Stadtentwicklungskonzepten (ISEK) setzten sich alle beteiligten Akteure mit der von statten gehenden Entwicklung auseinander und schufen sich auf Basis dieser informellen Planung Ziele für den Stadtumbau. Auch wurde seitens der Länder und des Bundes das Problem erkannt, dass die Kommunen zum Stadtumbau finanzielle Hilfen benötigen, was zur Initiierung zweier Förderprogramme führte. Das erste Förderprogramm'Soziale Stadt' lief 1999 an und verfolgte vor allem das Ziel, in von Arbeitslosigkeit, Schrumpfung und sozialer Segregation betroffenen Stadtteilen neue Steuerungsmodelle zu finden, bei denen auch die Bürgerbeteiligung angeregt werden soll. Als zweites Programm wurde das Förderprogramm 'Stadtumbau Ost' ins Leben gerufen, welches bedrohte Stadtgebiete durch finanzielle Hilfen beim Abriss und bei der Wohnumfeldverbesserung stabilisieren soll. Vorreiter im Stadtumbau, besonderes aber im Umgang mit dem Leerstandsproblem in ihren Großwohnsiedlungen (GWS) sind Städte wie Schwedt (Oder) und Leinefelde in Thüringen. Schwedt setzt beim Stadtumbau beispielsweise auf eine Misch- Strategie von Aufwertung, Stabilisierung, Renaturierung und Aufforstung und erhielt für sein ISEK beim Bundeswettbewerb 'Stadtumbau Ost' 2002den 1. Preis. Auch Leinefelde geht neue Wege was den Stadtumbau betrifft und vereinbarte frühzeitig für den Stadtteil Leinefelde- Südstadt eine zukünftige Grundstruktur und leitete daraus die benötigten Wohnungskapazitäten ab, so dass für alle Akteure ein Höchstmaß an Planungssicherheit im Umgang mit Rückbau- und Aufwertungsflächen gegeben ist. Auch die in Sachsen- Anhalt gelegene Stadt Halle (Saale), welche 1990 nach dem Zusammenschluss mit Halle-Neustadt ca. 309.000 Einwohner hatte, verlor durch die umrissenen Entwicklungen bis Ende 2007 rund ein Viertel seiner Bevölkerung und zählt heute noch ca. 232.0006 Einwohner.7 Ein besonderer Faktor der die Schrumpfung in Halle noch begünstigte, war der weitgehende Zusammenbruch der südlich der Stadt gelegenen chemischen Industriekombinate 'BUNA' und 'LEUNA', die zu DDR- Zeiten jeweils mehrere 10.000 Menschen beschäftigten. In Halle hinterließ der DDR- Wohnungsbau zwei Relikte. Zum einen die vier ab 1964 errichteten Großwohnsiedlungen Halle- Neustadt, Südstadt, Silberhöhe und Heide- Nord und zum anderen eine durch den Bau der GWS`en vernachlässigte Baustruktur in Innenstadtlagen. 1990 lebten rund 50 % der halleschen Bevölkerung in Plattenbauwohnungen, was die Größenordung der durchgeführten Bauvorhaben im DDR- Wohnungsbau erahnen lässt.8 Durch die Abwanderung der Bevölkerung wuchs nach und nach in den GWS, wie auch in der halleschen Innenstadt der Leerstand. Im Zuge der Rekonstruktionsmaßnahmen an vielen Altbauten im Zentrum und der dadurch verstärkten innerstädtischen Wanderungsbewegungen wuchs der Leerstand in den GWS ab ca. 1997 immer gravierender an. Auch in Halle erkannten die betroffenen Akteure den Handlungsbedarf. Neben informellen Gremien, in den sich die Wohnungswirtschaft, die Stadtverwaltung und entsprechende Versorgungsunternehmen über die hallesche Stadtentwicklung verständigten, wurde 2001 auch ein erstes Stadtentwicklungskonzept verabschiedet.Inhaltsverzeichnis:Inhaltsverzeichnis: 1.Einleitung und Erkenntnissinteresse1 2.Schrumpfung in Ostdeutschland und deren Auswirkungen auf Halle (Saale)8 2.1Ursachen der Schrumpfungsprozesse8 2.1.1Politischer und wirtschaftlicher Wandel nach 19899 2.1.2Wanderungsbewegungen11 a) Ost-West- Wanderung11 b) Suburbanisierung12 2.2Zukünftige demografische Entwicklungen in Ostdeutschland13 2.3Folgen für die Großwohnsiedlungen der ostdeutschen Städte14 2.4Auswirkungen der Entwicklungen auf Halle (Saale)15 2.4.1Politisch- Administrative Folgen der Wende15 2.4.2Deökonomisierung und Schrumpfung einer Industriestadt16 2.4.3Selektivität der Schrumpfungsprozesse im Stadtgebiet17 3.Die aktuelle Situation in Halle-Silberhöhe18 3.1Historische Entwicklung des Stadtteiles bis heute18 3.2Individuelle Ursachen der Schrumpfung in der Silberhöhe21 3.2.1Lage21 3.2.2Wohnbebauung22 3.2.3Bevölkerungszusammensetzung vor 198924 3.3Akteure in Stadtteil Silberhöhe25 3.3.1Stadtverwaltung25 3.3.2Wohnungswirtschaft26 3.3.3Bürger des Stadtteiles Silberhöhe28 3.3.4Andere Akteure - Versorgungsunternehmen und Polizei31 3.4Reaktionen Stadtverwaltung32 3.4.1Initiierung von informellen Gremien32 a) Netzwerk 'Stadtentwicklung' (vormals Netzwerk 'Stadtumbau')32 b) Arbeitskreis Silberhöhe33 3.4.2Das Neuordnungskonzept für die Silberhöhe 200134 3.4.3Das Stadtentwicklungskonzept für das Stadtumbaugebiet Halle- Silberhöhe 200736 3.5Hilfen für den Stadtumbau aus Förderprogrammen37 3.5.1Bund- Länderprogramm Stadtumbau Ost37 3.5.2Bund- Länderprogramm Soziale Stadt39 4.Methode und Erhebung der Befragung und der Interviews39 4.1Episodische Interviews40 4.1.1Auswahl der Interviewteilnehmer41 4.1.2Art der Auswertung42 4.1.3Methodenkritik42 4.2Bürgerbefragung43 4.2.1Erhebungsort und Zusammensetzung der Zufallsstichprobe44 4.2.2Art der Auswertung44 4.2.3Methodenkritik45 5.Auswertung und Interpretation der Ergebnisse46 5.1Auswertung der narrativen Interviews46 5.1.1Bewertung des Stadtentwicklungskonzeptes durch die Interviewten46 a) Stadtumbau als gesteuerte Entwicklung oder flexible Reaktion46 b) Problemlösungspotential des Konzeptes in der Silberhöhe47 5.1.2Beurteilung der Zusammenarbeit zwischen den Akteuren49 a) Netzwerk Stadtentwicklung49 b) Arbeitskreis Silberhöhe50 c) Stadtteilkonferenzen51 5.1.3Mögliche Alternativen zur 'Waldstadt' Silberhöhe52 a) Kernstadtteillösung WK 1-452 b) Totalabriss53 5.1.4Mögliche zukünftige Entwicklungen in der Silberhöhe53 5.2Auswertung der Bürgerbefragung55 5.2.1Bewertung des Stadtteiles nach Vor- und Nachteilen55 5.2.2Bewertung des Stadtumbaues und des Konzeptes 'Waldstadt'57 5.2.3Temporäres Quartier oder Stadtteil mit Zukunft58 6.Fazit und Schlussfolgerungen59 7.Abbildungs- und Tabellenverzeichnis64 8.Literatur- und Quellenverzeichnis66 9.Anhang71 9.1Interviewverzeichnis71 9.2Interviewleitfäden*72 9.3Fragebogen zur Bürgerbefragung78 9.4Ergebnisse der Bürgerbefragung in Tabellenform80Textprobe:Textprobe: Kapitel 5, Auswertung und Interpretation der Ergebnisse: Nachdem nun in den vergangenen Kapiteln relevante Informationen über den Stadtteil und die am Stadtumbauprozess beteiligten Akteure gesammelt wurden, sollen diese nun mit Hilfe der aus den Interviews und der Bürgerbefragung gewonnenen Informationen geprüft werden. In einem zweiten Schritt werden die in der Einleitung formulierten Thesen dann auf ihre Richtigkeit geprüft. Auswertung der narrativen Interviews: Bewertung des Stadtentwicklungskonzeptes durch die Interviewten: Gerade die Beurteilung der selbst geschaffenen konzeptionellen Planung gibt einen Einblick, ob und in wie weit die Interviewten diese akzeptieren und für umsetzbar halten. Im Hinblick auf die zukünftige Notwendigkeit weiterer Abrissmaßnahmen (Hypothese 1) und die bewusste konzeptionelle Offenheit beim Stadtumbau (Hypothese 3) können aus den Antworten der Interviewpartner Rückschlüsse gezogen werden. Wird beispielsweise der Stadtumbau auf Basis von Stadtentwicklungskonzepten als Reaktion auf laufende Prozesse verstanden, so schließt dies klar eine planerische, auf die Zukunft ausgerichtete Komponente aus. a) Stadtumbau als gesteuerte Entwicklung oder flexible Reaktion Ob eine Entwicklung wie die Schrumpfung bewusst gesteuert werden kann oder man auf diese ausschließlich reagieren kann, hängt von der Größenordnung der entsprechenden Planungseinheit ab. Herr Dr. Busmann verwies auf diesen Fakt in Zusammenhang mit dem Begriff 'Steuerung' und stellte dabei heraus, dass es einfacher wäre, einen einzelnen Wohnblock zu steuern, als einen ganzen Stadtteil bzw. im Fall der Silberhöhe eine ganze Großwohnsiedlung.169 Daraus ableitend wäre die Steuerung der Stadtentwicklung auf Ebene der Wohnkomplexe leichter zu handhaben. Der Umfang der zu beplanenden Wohneinheiten wäre bei dieser Planungseinheit kleiner, der Leerstand nicht so heterogen verteilt wie im Gesamtstadtteil und die Zahl der im Wohnkomplex vertretenen Wohnungsunternehmen ist ebenfalls geringer, was Entscheidungsfindungen vereinfachen würde. Die anderen 4 Interviewpartner aus der Stadtverwaltung und der Wohnungswirtschaft sahen den Stadtumbau und das Stadtentwicklungskonzept zunächst als eine reaktive Maßnahme auf die stattfindenden Schrumpfungsprozesse. Hier galt es zunächst, die Folgen zu begrenzen und Lösungen für die hohen Leerstände zu finden.170 Die beiden Vertreter der Wohnungsunternehmen, Herr Sydow und Herr Ohm verweisen auf die abnehmende Geschwindigkeit des Prozesses und die damit verbundene Steuerbarkeit des Stadtumbaues.171 Ableitend daraus sind also rasant ablaufende Schrumpfungsprozesse, wie sie in der Silberhöhe Ende der 90er Jahre stattgefunden haben, nach Ansicht beider kaum steuerbar. Bezogen auf die in Hypothese 1 in Aussicht gestellte Notwendigkeit, auch zukünftig Wohneinheiten im Stadtteil rückzubauen, stellt sich die Frage, wie schnell diese Entwicklung verlaufen wird. Nur wenn der demografische Wandel die Silberhöhe langsamer trifft als die Abwanderung und die Suburbanisierung, kann also der Prozess teilweise gesteuert ablaufen. Damit könnte auch die im heutigen ISEK enthaltene Wohninselgliederung auf die Gefahr der zunehmenden Zersplitterung des Stadtteiles hin geprüft werden. In wie weit nun die Stadtentwicklung in der Silberhöhe steuernde bzw. reaktive Ausprägungen hat, versucht Frau Häußler mit dem Beispiel der aktiven, steuernden Stadtentwicklung in Heide-Süd zu erläutern. Dort entstand gezielt ein neues Stadtviertel.172 So effektiv kann man allerdings die Entwicklung in einem bestehenden Stadtteil wie der Silberhöhe nicht steuern. Instrumente der Steuerung sind dort Fördermittel und die Einrichtung komplexer Abstimmungsgremien. Folglich ist dort der Stadtumbau auf konzeptioneller Basis von ISEK`s sowohl als reaktives, wie auch als steuerndes Instrument anzusehen, da bestimmte Prozesse nicht beeinflussbar sind. Beispielsweise kann kaum in die zunehmende Segregation des Stadtteiles eingegriffen werden, da es nicht realisierbar ist, bestimmte Bevölkerungsschichten im Stadtteil anzusiedeln bzw. dort zu halten. Hier stoßen alle Akteure an die Grenze ihrer Möglichkeiten. Damit wird allerdings die in Hypothese 3 angesprochene Planung für die Zukunft obsolet, denn ohne gezieltes, steuerndes Eingreifen ist eine solche nicht umsetzbar, obwohl die Rahmenbedingungen der weiteren Bevölkerungsentwicklung zumindest auf die Gesamtstadt bezogen weitgehend klar sind. Herr Dr. Busmann sagte dazu im Interview als persönliches Fazit: 'Stadtumbau lässt sich nicht steuern.'. b) Problemlösungspotential des Konzeptes in der Silberhöhe: Wie in den vorangegangenen Kapiteln bereits erläutert, haben sich die Akteure auf eine Strategie des Rückbaus und der Freiflächengestaltung hin zu einer Waldstadt verständigt. Diese Strategie fand im Neuordnungskonzept wie auch im neuen ISEK ihre Berücksichtigung. Damit sollten und sollen drei Standortnachteile des Stadtteiles gemindert werden. Der erste Faktor, die verdichtete Bebauung, wurde bis zum heutigen Tage durch den Abriss der 11-geschossigen Bebauung quasi vollständig neutralisiert. Ein zweiter Faktor, der Leerstand, ist bis zum heutigen Tage trotz umfangreicher Rückbaumaßnahmen auf einem hohen Niveau. Der dritte Nachteil, die fehlende Freiflächengestaltung bzw. die Frage, was mit den durch Abriss entstehenden Freiflächen passiert, soll durch das Leitbild der Waldstadt gelöst werden. Bei den Interviews wurde deutlich, dass es Unterschiede in der Einschätzung der Problemlösungsfähigkeit des Stadtentwicklungskonzeptes gibt. Einzig das Waldstadtkonzept als Ansatz für eine qualifizierte Grünflächengestaltung und Freiflächennutzung wird durchweg positiv bewertet, da es äußerst flexibel auf den Schrumpfungsprozess anzuwenden ist und das direkte Wohnumfeld der verbliebenen Wohnquartiere verbessert.173 Herr Sydow und Herr Effertz, die Interviewpartner aus der Wohnungswirtschaft, verwiesen in diesem Zusammenhang auf das immer noch schlechte Image der Silberhöhe und die weitere Notwendigkeit zu handeln.174 Herr Sydow betonte im Gespräch dazu: 'Wenn man diesen Wechsel hinbekommt und sagt, hier ist ein entdichtetes Wohnen im Grünen möglich mit entsprechenden Versorgungseinrichtungen in der Nähe, dann hat dies doch schon einiges bewirkt'. Was die konzeptionelle Herangehensweise an das Problem des Leerstandes angeht, wird rückblickend die Verständigung auf einen Bestand an verbleibenden Wohnquartieren positiv eingeschätzt.176 Momentan scheinen die Leerstände seitens der Wohnungswirtschaft eher durch individuelle Konzepte angegangen zu werden, was Frau Neubert am Beispiel des Teilrückbaues durch die WG 'Freiheit' auf drei Geschosse im Wohnpark Elsteraue verdeutlichte.177 Herr Sydow und Herr Effertz vertreten diesen Ansatz für ihre Unternehmen nicht, sehen aber dennoch das wachsende Problem des Leerstandes in hohen Etagen. Insgesamt fällt bei der Beurteilung der Leerstandsproblematik durch die Wohnungswirtschaft eine abwartende Haltung.
In: Diplomarbeit
Inhaltsangabe: Einleitung: Eine der stärksten Volkswirtschaften der Europäischen Union steht vor großen Herausforderungen. Seit längerem ist bekannt, dass in steuerlicher Hinsicht der Wirtschaftsstandort Deutschland nicht mehr den internationalen Wettbewerbsstandards entspricht. Gründe hierfür liegen in einer, im internationalen Vergleich, zu hohen nominalen bzw. effektiven Steuerbelastung und in einem unübersichtlichen Steuersystem. Nationale als auch internationale Investoren orientieren sich bei ihrer Standort- und Finanzplatzwahl nicht zuletzt an den Gegebenheiten des jeweiligen Besteuerungssystems. Für Deutschland ergeben sich hieraus, trotz ansonsten guter Standortvoraussetzungen, wie etwa Infrastruktur, Qualifikationsniveau der Arbeitnehmer oder Rechtssicherheit, erhebliche Wettbewerbsnachteile. Folge der hohen Steuerbelastung und Vielschichtigkeit des Besteuerungssystems: Unternehmen sorgen durch wirtschaftliche und rechtliche Gestaltung dafür, dass ein erheblicher Teil der in Deutschland erwirtschafteten Gewinne in Ländern mit niedrigeren Steuersätzen versteuert werden. Sie nutzen die gegebenen Standortvorteile, entziehen sich aber durch Gewinnverlagerungen der Besteuerung. Die Herausforderungen der heutigen Zeit bestehen des Weiteren in der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, der Schaffung von Ausbildungsplätzen, dem Abbau der Staatsverschuldung, der Bewältigung des demografischen Wandels und einer vernunftgeprägten Reaktion auf den Veränderungsdruck der Globalisierung. Diese Gegebenheiten begründen unter anderem eine tiefgreifende Veränderung des Besteuerungssystems, zugleich aber auch unseres Gemeinwesens, um die wirtschaftliche Anziehungskraft des Standortes Deutschland zu sichern. Es geht sowohl um die Wiederherstellung der finanziellen Handlungsfähigkeit des Staates für notwendige Zukunftsinvestitionen, als auch um die Verbesserung der Rahmenbedingungen für mehr Wachstum und Beschäftigung. Zur nachhaltigen Sicherung der deutschen Steuerbasis muss der Abwanderung von Unternehmen und des damit verbundenen Kapitals ins Ausland langfristig konsequent entgegengewirkt werden. Nicht allein durch die Verlagerung von Unternehmensgewinnen verliert Deutschland seine Steuergrundlagen, sondern auch durch die Übertragung von Kapitalvermögen der privaten Haushalte in Länder mit einer günstigeren Besteuerungsmodalität. Das deutsche Abgabensystem wird von vielen Bundesbürgern, sowie von in- und ausländischen Investoren, als undurchsichtig, investitionsfeindlich und kompliziert bewertet. Diese Empfindungen spiegeln sich wieder in hohen Tarifsätzen, einer Vielzahl von Gestaltungsvarianten und komplexen Rechtsnormen, wobei verschiedene Steuerarten in vielfältiger Weise miteinander verknüpft werden. Die zahlreichen Sonder- und Ausnahmeregelungen führen dabei nicht zuletzt zu Hemmnissen bei wirtschaftlichen Entscheidungen. Auch die ausufernde Bürokratie wird, in Bezug auf Wachstum und Flexibilität, nicht nur aus Sicht der Wirtschaft, als einengender Faktor erlebt. Selbst nach Ansicht des Bundesrechnungshofes ist eine generelle Vereinfachung des Steuerrechts unerlässlich, da die Steuerverwaltung längst nicht mehr in der Lage ist, die Vielfalt der verflochtenen Regeln entsprechend dem Willen des Gesetzgebers umzusetzen. Deutschland braucht neue Attraktivität im internationalen Wettbewerb um Investoren. Die Steuerbelastung von Unternehmen und privaten Haushalten ist dabei ein nicht zu vernachlässigender Parameter. Eine Neuordnung u. a. im Bereich der Besteuerung von Unternehmen und im Bereich privater Kapitaleinkünfte erscheint dringend geboten. Zur Ingangsetzung der notwendigen Modernisierung wurde bereits im Koalitionsvertrag der Regierungsparteien vom 11.11.2005 die Ausarbeitung einer weitgehend rechtsform- und finanzneutralen Unternehmensteuerreform vereinbart. Ein transparentes, wettbewerbsfähiges Unternehmensteuerrecht auf einer rechtsformneutralen Basis und ein modernes Besteuerungssystem, unter anderem im Bereich der Kapitalerträge, kann die notwendigen Impulse für Investoren und somit für Wirtschafts- und Beschäftigungswachstum geben. Eine wichtige Voraussetzung ist ein international attraktiver und leistungsfähiger 'Finanzplatz Deutschland'. Angesichts der europäischen und weltumspannende Vernetzung sämtlicher Märkte und des immer schärfer werdenden globalen Wettbewerbs müssen alle Kräfte zusammengeführt werden, die zur Förderung des Standorts Deutschland beitragen können. Nach langer und kontroverser Diskussion wurde mit Beschluss des Bundestags vom 25. Mai 2007 und der Zustimmung des Bundesrats am 6. Juli 2007 das Unternehmensteuerreformgesetz 2008 (UntStRefG 2008) auf den Weg gebracht. Die Ausfertigung durch den Bundespräsidenten erfolgte am 14.08.2007. Mit der Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt am 17. August 2007 trat das Gesetz rechtsverbindlich in Kraft (Artikel 14 UntStRefG 2008). Das Thema Unternehmensteuerreform 2008 (UntStRef. 2008) ist derzeit nicht nur in der Fachpresse allgegenwärtig. Bislang lag der Schwerpunkt in der öffentlichen Diskussion hinsichtlich der UntStRef. 2008 vor allem auf den Änderungen der Unternehmens-besteuerung, insbesondere der Absenkung der Unternehmensteuersätze. Es sei kritisch darauf verwiesen, dass sich hingegen erheblich größere Auswirkungen für die Mehrzahl der Steuerpflichtigen ab dem 1.1.2009 aus der Einführung einer Abgeltungsteuer (AbgSt) auf Kapitalerträge ergeben. Die steuerberatenden Berufe, aber auch Berater im Finanzdienstleistungssektor, werden zunehmend mit Fragen rund um das UntStRefG 2008 konfrontiert. Neben Problemstellungen zu Gestaltungsfragen der Gewinnbesteuerung bei Unternehmen, treten vor allem und aktuell verstärkt Nachfragen in Bezug auf die AbgSt in den Vordergrund. Hierbei reicht das Informationsbedürfnis von der Wirksamkeit der neuen Regelungen, dem Umfang der Besteuerung, dem Steuersatz bis hin zu steueroptimierenden Lösungen. Mit Umsetzung der AbgSt ist für Anleger, deren steuerliche Berater und Finanzdienstleister ein aktuell umfassendes Wissen über den bevorstehenden Systemwechsel im Steuerrecht und den sich daraus ergebenden Konsequenzen unentbehrlich. Gang der Untersuchung: Die vorliegende Diplomarbeit beschäftigt sich mit dem Themenkomplex der UntStRef. 2008 und dem hierdurch verwirklichten UntStRefG 2008. Im Mittelpunkt der Betrachtungen steht die Einführung einer AbgSt auf Einkünfte aus Kapitalvermögen. Das Ziel ist es, das System der AbgSt in Deutschland innerhalb des Einkommensteuergesetzes (EStG) kritisch kompakt darzustellen, die Auswirkungen auf einzelne Kapitalerträge darzulegen und Lösungsansätze zur steuerlichen Optimierung im Blick auf die kommenden Veränderungen zu erarbeiten. Die Arbeit ist in fünf Kapitel untergliedert. Der Einleitung folgt im zweiten Kapitel zunächst die Schaffung der theoretischen und begrifflichen Grundlagen, wobei systematisch an das Kernthema herangeführt wird. Ausgangspunkt bilden dabei das allgemeine Einkommensteuerrecht sowie im speziellen der steuerliche Umfang und die steuerliche Behandlung von Erträgen aus Kapitalvermögen. Mit der Verabschiedung des UntStRefG 2008 wurde implizit die Umsetzung einer AbgSt zum 1.1.2009 auf Kapitaleinkünfte begründet. Nach Darstellung der gesetzlichen Rahmenbedingungen ab diesem Zeitpunkt und einer eingehend kritischen Wertung zur Einführung der AbgSt, beschäftigt sich Kapitel drei mit den sich daraus ergebenden steuerlichen Konsequenzen für ausgewählte Kapitalerträge. Daraufhin werden im vierten Kapitel konkrete Lösungsansätze, unter Berücksichtigung der Ergebnisse der vorangestellten Abschnitte, zur steuerlichen Vorbereitung und steuerlichen Optimierung, unter dem Gesichtspunkt der AbgSt, erarbeitet. Kapitel fünf schließt die Arbeit mit einer kritisch würdigenden Zusammenfassung und einem weiterführenden Ausblick ab. Ein dem Anhang folgendes Glossar erläutert zusätzlich Fachbegriffe aus dem Finanzdienstleistungsbereich (Anlageprodukte), um das Sachverständnis über den Steuersektor hinaus zu erhöhen.Inhaltsverzeichnis:Inhaltsverzeichnis: AbkürzungsverzeichnisVI TabellenverzeichnisIX AbbildungsverzeichnisX Verzeichnis des AnhangsXI 1.Rechtfertigung der Themenwahl1 1.Aktuelle Problemstellung1 1.2Ziel der Arbeit und Gang der Umsetzung4 2.Theoretische und begriffliche Grundlagen5 2.1Einkommensteuer5 2.1.1Bedeutung und Grundlagen der Einkommensteuer5 2.1.2Ermittlung der Einkommensteuer6 2.2Einkünfte aus Kapitalvermögen8 2.2.1Grundsätze und Umfang der Besteuerung8 2.2.2Verhältnis zu anderen einkommensteuerlichen Normen9 2.2.3Kapitalertragsteuer und Zinsabschlag10 2.2.4Investmentsteuergesetz (InvStG)11 2.3Wesentliche Änderungen durch das Unternehmensteuerreformgesetz 200812 2.3.1Ziele der Unternehmensteuerreform 200812 2.3.2Kernpunkte des Unternehmensteuerreformgesetzes 200813 2.3.2.1Gewinnsteuersätze der Einkommen- und Körperschaftsteuer13 2.3.2.2Gewerbesteuer14 2.3.2.3Dividendeneinkünfte im Einkommensteuerrecht15 2.3.2.4Abgabenordnung16 2.3.2.5Überblick weiterer Änderungen16 2.4Die Abgeltungsteuer nach dem Unternehmensteuerreformgesetz 200818 2.4.1Ziel der Einführung und Eckpunkte der Abgeltungsteuer18 2.4.2Abgeltung durch gesonderten Steuersatz19 2.4.3Persönlicher und sachlicher Anwendungsbereich21 2.4.4Ausnahmetatbestände zur Abgeltungsteuer22 2.4.5Einkunftsermittlung im Rahmen der Abgeltungsteuer26 2.4.6Abgeltungsteuer - Kritische Wertung zur Einführung29 3.Steuerliche Behandlung ausgewählter Kapitalerträge32 3.1Besteuerung von Kapitalerträgen im Privatvermögen32 3.1.1Dividendenerträge im Privatvermögen32 3.1.1.1Besteuerung von Dividenden im Veranlagungszeitraum 200832 3.1.1.2Besteuerung von Dividenden ab Veranlagungszeitraum 200933 3.1.1.3Steuerbelastung im Vergleich34 3.1.2Veräußerung von Beteiligungen an Kapitalgesellschaften35 3.1.2.1Veräußerung von Beteiligungen an Kapitalgesellschaften 200835 3.1.2.2Veräußerung von Beteiligungen an Kapitalgesellschaften 200936 3.1.2.3Steuerbelastung im Vergleich37 3.1.3Zinsbesteuerung37 3.1.3.1Besteuerung von Zinsen im Veranlagungszeitraum 200837 3.1.3.2Besteuerung von Zinsen ab Veranlagungszeitraum 200938 3.1.3.3Steuerbelastung im Vergleich38 3.1.4Besteuerung von Investmentfondsanteilen39 3.1.4.1Besteuerung von Investmentfondsanteilen 200839 3.1.4.2Besteuerung von Investmentfondsanteilen 200941 3.1.4.3Einschätzung steuerlicher Auswirkungen42 3.1.5Besteuerung von Lebens- und Rentenversicherungen 2008/200943 3.1.5.1Besteuerung von Altverträgen (Abschluss vor 1.1.2005)43 3.15.2Besteuerung von Neuverträgen (Abschluss nach 31.12.2004)44 3.1.5.3Veräußerung von Versicherungsansprüchen45 3.2Besteuerung von Kapitalerträgen außerhalb des Privatvermögens46 3.2.1Dividendenerträge im Betriebsvermögen (Personenunternehmen)46 3.2.1.1Besteuerung von Dividenden im Veranlagungszeitraum 200846 3.2.1.2Besteuerung von Dividenden ab Veranlagungszeitraum 200946 3.2.1.3Steuerbelastung im Vergleich47 3.2.2Besteuerung von Kapitalanteilsveräußerungen und Zinserträgen 2008/2009 im Betriebsvermögen (Personenunternehmen)48 4.Steueroptimierende Lösungsansätze zur Abgeltungsteuer49 4.1Grundsätzliche Überlegungen49 4.2Steueroptimierende Lösungsansätze vor dem 1.1.200950 4.2.1Bestandsschutz – Kauf von Aktien und Fondsanteilen50 4.2.2Steuerstundung – kurzfristige Verlagerung von Zinserträgen51 4.2.3Steuerstundung – Abschluss vermögensbildender Versicherung52 4.2.4Werbungskostenabzug – Umqualifizierung von Erträge54 4.2.5Weitere Empfehlungen vor dem 1.1.200955 4.3Steueroptimierende Lösungsansätze ab dem 1.1.200956 4.3.1Steueroptimierung mit Hilfe eines Freistellungsauftrages56 4.3.2Vermögenstransfer auf Kinder58 4.3.3Veränderung des Beteiligungsumfangs an Kapitalgesellschaften60 4.3.4Steueroptimierende Immobilieninvestitionen63 4.3.5Weitere Empfehlungen ab dem 1.1.200964 5.Zusammenfassung und Ausblick66 Anhang71 Glossar (Anlageprodukte)103 LiteraturverzeichnisXIIITextprobe:Textprobe: Kapitel 3.1.2, Veräußerung von Beteiligungen an Kapitalgesellschaften: Veräußerung von Beteiligungen an Kapitalgesellschaften 2008: Grundsätzlich sieht das EStG 2008 eine Belastung von Erträgen aus der Veräußerung u. a. von Wertpapieren aus dem Privatvermögen nicht vor. Eine Ausnahme erfährt dieser Grundsatz durch den Katalog privater Veräußerungsgeschäfte des § 23 EStG (siehe 2.2.2). Der Verkauf von Anteilen an Kapitalgesellschaften (Wertpapiere) wird hier explizit aufgeführt. Werden Anteile an einer Kapitalgesellschaft innerhalb eines Zeitraumes von nicht mehr als einem Jahr zwischen Anschaffung und Veräußerung verkauft, so sind diese steuerpflichtig. Unerheblich hierbei ist, in welcher Höhe der Verkäufer an der Kapitalgesellschaft beteiligt ist und in welchem Umfang der Verkauf erfolgt. Ein so entstandener Veräußerungsgewinn unterliegt dem HEV und ist somit nur hälftig steuerpflichtig. Tatsächliche Werbungskosten können gesetzeskonform zur Hälfte in der Einkunftsermittlung Berücksichtigung finden. Der steuerpflichtige Gewinn unterliegt dem persönlichen ESt-Satz, eine KapESt-Abzug erfolgt nicht. Etwaige Verluste können bis zur Höhe der Gewinne aus privaten Veräußerungsgeschäften des gleichen Kalenderjahres ausgeglichen werden. Ein Verlustausgleich gemäß § 10d EStG ist nicht möglich. Eine Verrechnung von Verlustrück- bzw. Verlust-vorträgen ist ausschließlich innerhalb der privaten Veräußerungsgeschäfte zulässig. Erfolgt der Verkauf nach einer einjährigen Behaltefrist (Spekulationsfrist), bleiben Gewinne steuerfrei. Gleiches gilt bei einem Veräußerungsgewinn im Kalenderjahr unter 512,00 EUR innerhalb der Einjahresfrist (§ 23 Abs. 3 S. 6 EStG). Diese Freigrenze wird erst nach Gewährung der hälftigen Steuerbefreiung berücksichtigt, so dass sich diese Grenze faktisch verdoppelt. Anzumerken sei noch, dass auf die Vorrangigkeit des § 23 EStG vor den Regelungen des§17EStGzuachtenist(siehe 2.2.2). Liegt eine wesentliche Beteiligung i. S .d. § 17 EStG vor und erfolgt ein Verkauf innerhalb der Spekulationsfrist, greift die Besteuerung nach dem Grundsatz des § 23 EStG. Werden Anteile außerhalb dieser Frist verkauft unterliegen sie, im Falle der gewerblichen Zuordnung, dem HEV im Rahmen der Veranlagung zum persönlichen ESt-Satz. Gewinne sind unter der Maßgabe des Freibetrags nach § 17 Abs. 3 EStG zur Besteuerung heranzuziehen. Veräußerungsverluste bleiben hierbei unter Beachtung der Missbrauchsregelung des § 17 Abs. 2 S. 6 EStG unbeschränkt ausgleichs- und abzugsfähig. Veräußerung von Beteiligungen an Kapitalgesellschaften 2009: Durch das UntStRefG 2008 erfolgt eine Überführung der privaten Wertpapierveräußerungsgeschäfte in den Bereich der Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20 Abs. 2S. 1 Nr. 1 EStG F. 09) ab 2009. Diese Norm korrespondiert mit § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG F. 09, der die laufenden Erträge aus Kapitalbeteiligungen erfasst. Zukünftig unterliegt der Verkauf von Anteilen an Kapitalgesellschaften im Privatvermögen, bei einer nicht wesentlichen Beteiligung, unabhängig einer Haltefrist, grundsätzlich dem Steuerabzug mit Abgeltungswirkung. Das HEV wird ersatzlos gestrichen. Diese Neuerungen gelten allerdings erst für nach dem 31.12.2008 angeschaffte Beteiligungen (§ 52a Abs. 10 EStG). Als BMG gilt der Unterschiedsbetrag zwischen Einnahmen der Veräußerung, nach Abzug der im unmittelbaren sachlichen Zusammenhang mit dem Verkauf stehenden Aufwendungen und den Anschaffungskosten (§ 20 Abs. 4 EStG F. 09). Des Weiteren sind massive Einschränkungen in Bezug auf die Verlustverrechnung zu verzeichnen (siehe 2.4.5). Unter bestimmten Voraussetzungen haben Steuerpflichtige aber die Möglichkeit, sich vom System der AbgSt befreien zu lassen (§ 32d Abs. 2 S. 1 Nr. 3 EStG F. 09). Dies gilt allerdings nicht für Verkaufsgewinne, sondern nur für Erträge im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 und 2. Eine Freigrenze wie die des § 23 EStG F. 09 kennt § 20 EStG F. 09 nicht. Anwendung indessen findet der neue Sparer-Pauschbetrag. Bei einer wesentlichen Beteiligung i. S. d. § 17 EStG werden gewerbliche Einkünfte begründet, die dem neuen TEV unterliegen. Vorteilhaft erscheint, dass eine Gewinn- bzw. Verlustverrechnung, im Gegensatz zu § 20 EStG F. 09, mit anderen Einkunftsarten statthaft ist. Die Freibetragsregelung des § 17 Abs. 3 EStG besteht unverändert fort. Steuerbelastung im Vergleich: Für das Kalenderjahr 2008 ergibt sich durch den Verkauf einer im Privatvermögen gehaltenen Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft eine Steuerbelastung von 23,74 %, wohlgemerkt innerhalb der Ein-Jahres-Frist und unabhängig der Beteiligungshöhe, bei einem Steuersatz von 45 % zzgl. SolZ. Außerhalb der Haltefrist sind Gewinne bei einer Beteiligung unter 1 % steuerfrei. Bei einer Mindestbeteiligung von 1 % (§ 17 EStG) entsteht dagegen ebenfalls eine steuerliche Belastung von 23,74 % (Steuersatz 45 %). Diese Last vermindert sich, sofern§ 17 Abs. 3 EStG zu einer Verringerung des steuerpflichtigen Gewinns führt. Mit Wegfall der Spekulationsfrist und Aufhebung des HEV im Jahr 2009 unterliegt der Verkauf von Beteiligungen unter 1 % an einer Kapitalgesellschaft im Privatvermögen, unabhängig vom Zeitpunkt, grundsätzlich der AbgSt. Durch eine Steuerlast von26,38 % wird das Anlagerisiko von Privatanlegern in diese Form von Kapitalanlagen nicht mehr belohnt. Auch die Besteuerungslast von Beteiligungen im Privatvermögen von mindesten 1 % wird zukünftig steigen. Durch Einführung des TEV wächst die Steuerbelastung 2009 auf 28,49 % (Steuersatz 45 %) an. (Anh. XVI) Hieraus ableitend ergeben sich ab dem Jahr 2009 deutliche Verschlechterungen in diesem Bereich, wobei der schmerzlichste Eingriff in die privaten Vermögensanlagen und -planungen zweifelsohne der Verlust der Spekulationsfrist darstellen dürfte. Dieser Fakt ist gerade auch im Hinblick auf Maßnahmen der privaten Altersvorsorge nicht unerheblich. Profiteure sind dagegen 'Kurzfristspekulanten' (Verkauf < 1 Jahr), deren Steuerbelastung sich ab 2009 auf maximal 25 % beschränkt.