Die Zuständigkeit für Gesundheit wird immer stärker individuellem Verhalten zugeschrieben. Wie andere Politikfelder ist das Gesundheitssystem Gegenstand sozialstaatlicher Deregulierung, einhergehend mit neoliberalen Ideologien von "Eigenverantwortung". Zugleich gibt es zunehmend staatliche Interventionen, die direktiv individuelles Gesundheitsverhalten beeinflussen wollen. Die Bandbreite gesundheitspolitischer Regulierung reicht von staatlichen Festlegungen (Rauchverbot) über Gesetze, die allen Kassen erlauben, mittels finanzieller Anreize zu agieren (Bonusprogramme), und individuelle Beratungsangebote (Gesundheitscoaching) bis zur gezielten Propagierung neuer Leitbilder für gesundes Verhalten (Kampagnen z.B. gegen Übergewicht). JKMG 46 geht den Fragen nach: Welche Motive, Interessen, strategischen Bedeutungen liegen der Orientierung auf individuelles Gesundheitsverhalten zugrunde? Wie korrelieren die Trends mit anderen sozialpolitischen Entwicklungen? Was für Auswirkungen sind zu erwarten? Welche empirischen Befunde liegen dazu vor? Wie sind die Trends unter Public-Health-Kriterien zu bewerten?
Der mündige Patient ist populär. Verschiedenste gesundheitspolitische Akteure verwenden diesen Begriff überraschend einhellig. Auffällig ist, dass dem mündigen Patienten ein breites Spektrum an Aufgaben und Eigenschaften zugewiesen wird, z. B. mehr Partizipation, mehr finanzielle Verantwortung oder mehr Compliance. Es ist zu vermuten, dass der mündige Patient als strategischer Begriff dient, hinter dem inhaltlich heterogene Konzepte stehen. Die Studie fokussiert auf die ärztliche Perspektive: Wie wird der mündige Patient von der Ärzteschaft bewertet? Welche Eigenschaften und Aufgaben werden ihm zugesprochen? Welche Interessen und Ziele werden verfolgt? Die empirische Grundlage bilden Artikel aus dem Deutschen Ärzteblatt, zentralem Publikationsorgan von Bundesärztekammer und Kassenärztlicher Bundesvereinigung. Mit einer systematischen Literaturrecherche wurden im Zeitraum 1996-2005 insgesamt 73 Artikel einbezogen, die den mündigen Patienten thematisieren. Die Textanalyse erfolgte mit Methoden qualitativer Sozialforschung, die Untersuchungsperspektive orientierte sich an der Diskursanalyse nach Keller, 2004. Die gefundenen Einschätzungen des mündigen Patienten sind heterogen. In den vier abgrenzbaren Diskurssträngen 'Recht und Ethik', 'Wissen und Information', 'Strukturprobleme' und 'Finanzierungsfragen' finden sich jeweils charakteristische Positionierungen: Idealbildern von aktiven und eigenverantwortlichen PatientInnen, die mit ihren ÄrztInnen kooperieren, stehen bedrohlichere Szenarien gegenüber, in denen per Internet informierte, anspruchsvolle PatientInnen ihre ÄrztInnen fachlich infrage stellen. Wesentliche Gemeinsamkeit der gefundenen Positionierungen ist es, dass sie das individuelle Handeln von PatientInnen in den Mittelpunkt stellen und es in eine gewünschte Richtung verstärken oder schwächen, fördern oder modifizieren wollen. Damit fügt sich der Diskurs um den mündigen Patienten in übergeordnete gesellschaftliche Modernisierungsprozesse ein, die neue Entfaltungsmöglichkeiten, aber auch neue Formen der Einbindung und Zwänge zur selbstverantwortlichen Lebensgestaltung mit sich bringen. ; In German health policy debates the idea of the modern patient (mündiger Patient) has been receiving increasing attention. Various actors refer to this keyword, which is surprising, since policy debates in recent decades have tended to be controversial. It seems striking that the modern patient is linked with a broad spectrum of characteristics (e.g. more participation, more financial responsibility, more self determination or more compliance). This confluence suggests that the idea of the modern patient may be a strategic concept that can serve heterogeneous goals. This study focuses on physicians' perspectives and examines how the German professional medical community employs the idea of the modern patient: How is the image of the modern patient being used by physicians? Which specific descriptions, attributes, characteristics are used? Which interests and goals can be found? The weekly journal Deutsches Ärzteblatt, the opinion-leading publication of the German medical community, was systematically searched for articles addressing the topic of the modern patient over a period of ten years (1996-2005). A total of 73 articles were analyzed with qualitative research methods and a perspective of discourse analysis (Keller, 2004) Physicians' perspectives on patients' attributes are heterogeneous. Four definable discourses ('Law and Ethics', 'Knowledge and Information', 'Structural Health Care problems' and 'Funding issues') are each positioning the modern patient in characteristic ways: Visions of well-informed patients who cooperate actively as partners of their physicians are confronted with more threatening scenarios of self-confident and demanding patients who challenge their physicians and critically question their decisions. As a common element the different positions share their focus on patients' individual attributes and actions: they all aim to reinforce or weaken, support or modify patients' behaviour. This way the discourse on the modern patient fits into broader modernisation processes, accompanied by new opportunities for patients' empowerment, but at the same time by new forms of involvement and forces to accept selfresponsibility.
Intro -- Vorwort -- Inhaltsverzeichnis -- Herausgeber‐ und Autorenverzeichnis -- Teil I Einführende Beiträge -- Das deutsche DRG-System: Vorgeschichte und Entwicklung seit seiner Einführung -- Zusammenfassung -- 1 Einleitung -- 2 Die Vorgeschichte des deutschen DRG-Systems -- 2.1 Das Krankenhausfinanzierungsgesetz 1972 -- 2.2 Erste Schritte zu einer grundlegenden Reform in den 1980er Jahren -- 2.3 Die 1990er Jahre: Budgetdeckelung und Neues Entgeltsystem -- 3 Einführung und Entwicklung des DRG-Systems -- 3.1 Vorbereitung und Einführung des DRG-Systems -- 3.2 Das deutsche DRG-System im Regelbetrieb -- 4 Diskussion -- Literatur -- Steuerungsmedien und -instrumente in der Versorgung mit Krankenhausleistungen -- Zusammenfassung -- 1 Einleitung -- 2 Informationsasymmetrie, professionelle Autonomie und Partikularinteresse: Das Prinzipal-Agenten-Problem in der Krankenversorgung -- 3 Finanzielle Anreize -- 4 Vorschrift und Kontrolle -- 5 Intrinsische Motivation zur Orientierung am Patientenwohl -- 6 Schluss -- Literatur -- DRG oder Markt? Zum Ambivalenzdruck im deutschen Krankenhauswesen -- Zusammenfassung -- 1 Einleitung -- 2 Das Krankenwesen als Markt -- 3 Ambivalenz ohne Ende -- 4 Was nun? -- Literatur -- Teil II Auswirkungen des DRG-Systems auf den ärztlichen Dienst, den Pflegedienst und die Qualität der Patientenversorgung -- Das Innenleben des Krankenhauses - zwischen Bedarfsorientierung, Überversorgung, Personalmangel, professionellen Logiken und Strukturdefiziten -- Zusammenfassung -- 1 Einleitung -- 2 Art und methodische Qualität der Kenntnisse über das Innenleben von Krankenhäusern -- 3 Innenleben und die personelle Ausstattung der Krankenhäuser -- 3.1 Personalausstattung und interprofessionelle Verteilungsprozesse -- 3.2 Personalausstattung und Teilzeitarbeit im Krankenhaus -- 3.3 Personalausstattung und Arbeitsbedingungen.
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