"Die Gesellschaft Südafrikas hat sich nach der Überwindung der Apartheid mit der Einrichtung einer Wahrheits- und Versöhnungskommission auf eine wichtige öffentliche Debatte über ihre Vergangenheit eingelassen. Der Kontext dieser Debatte und die Vorgabe, dass die Beschäftigung mit der Vergangenheit in die Bildung einer neuen Nation münden solle, führten indes dazu, dass sich neue Formen von Inklusion und Exklusion entwickelten. Da Identität nur über die Betonung von Differenz möglich ist, lässt sich 'nation-building', selbst in seiner inklusiven Form, nur über die Ab- und Ausgrenzung anderer erreichen. Aufgrund dessen wurden bestimmte Themen und Konflikte aus der Arbeit der Kommission weitgehend ausgeklammert, während andere besonders betont wurden. Trotz aller Kritik an der Arbeit der Kommission war sie für einen Neuanfang dennoch wichtig, wie die Entwicklung in Zimbabwe zeigt, wo eine öffentliche Debatte über die Konflikte der Vergangenheit von der Regierung bewusst verhindert wurde." (Autorenreferat)
'Die Gesellschaft Südafrikas hat sich nach der Überwindung der Apartheid mit der Einrichtung einer Wahrheits- und Versöhnungskommission auf eine wichtige öffentliche Debatte über ihre Vergangenheit eingelassen. Der Kontext dieser Debatte und die Vorgabe, dass die Beschäftigung mit der Vergangenheit in die Bildung einer neuen Nation münden solle, führten indes dazu, dass sich neue Formen von Inklusion und Exklusion entwickelten. Da Identität nur über die Betonung von Differenz möglich ist, lässt sich 'nation-building', selbst in seiner inklusiven Form, nur über die Ab- und Ausgrenzung anderer erreichen. Aufgrund dessen wurden bestimmte Themen und Konflikte aus der Arbeit der Kommission weitgehend ausgeklammert, während andere besonders betont wurden. Trotz aller Kritik an der Arbeit der Kommission war sie für einen Neuanfang dennoch wichtig, wie die Entwicklung in Zimbabwe zeigt, wo eine öffentliche Debatte über die Konflikte der Vergangenheit von der Regierung bewusst verhindert wurde.' (Autorenreferat)
In: Comparativ: C ; Zeitschrift für Globalgeschichte und vergleichende Gesellschaftsforschung, Band 14, Heft 5-6, S. Verschweigen - Erinnern - Bewältigen
Der Beitrag fragt nach dem Nutzen, aber auch den Kosten, die eine staatlich verordnete Versöhnung wie die "Wahrheitskommission" in Südafrika mit sich bringt. Die dafür nötige Zustimmung aller Beteiligten wird in der Regel mit dem Verschweigen bestimmter Verbrechen erkauft. Eine Gefahr liegt auch in der pauschalen Entsorgung der Vergangenheit - eine Entwicklung die sich auch in anderen Ländern beobachten lässt, wie die verschiedenen "Schlussstrichdebatten" belegen. Die Konstruktion der Unvermeidlichkeit eines Sieges einer bestimmten Befreiungsorganisation ist Resultat ihrer exklusiven Kontrolle über das Bild der Geschichte. Trotz der fatalen Verquickung von Zeitgeschichtsforschung und nation-building, von Vergangenheit und wünschenswerter Zukunft im Arbeitsauftrag der Wahrheits- und Versöhnungskommission kann die durchaus kritische Haltung, die die Kommission gegenüber dem ANC einnahm, immerhin ein Korrektiv zu dessen Bestrebungen darstellen, einen afrikanischen Kulturnationalismus als neue exkludierende Ideologie einer Staatselite zu begründen. Gleichwohl ist nicht zu übersehen, dass eine engagierte Geschichtswissenschaft mehr zu einer notwendigen Vielfalt der Geschichtsbilder beiträgt als ein auf Versöhnung erpichter staatlicher Untersuchungsausschuss, der sich auf die Suche nach "der Wahrheit" begibt. (ICA2)
Post-apartheid South Africa has seen a resurgence of cultural nationalism, presenting itself in the form of Ubuntu. Instead of developing democratic institutions and a viable democratic culture, an obsession with nation building has developed, the nature of which, and the strategies of exclusion that are employed to promote it, is contrary to the development of democracy. The continuities from cultural nationalist ideologies of the apartheid era into the post-apartheid present reveal this clearly. The nationalist ideology of Ubuntu glorifies an imagined past. With its emphasis on community values, it promotes an attitude of conformity. The ambivalent relationship between the process of truth and reconciliation and the project of nation building is also analysed in this article. (Politikon - www.tandf.co.uk /journals DÜI)