Die negativen Vorurteile betreffend Ineffizienz der Verwaltung und Behördenfaulheit stehen in krassem Gegensatz zum Einfluss, den die Verwaltung in der Regelung des alltäglichen Lebens einnimmt. Die Rolle der Verwaltung nahm parallel zur Entwicklung des modernen Staats laufend an Bedeutung zu. Dabei verschob sich zunehmend der Gestaltungsraum von den politischen zu den administrativen Institutionen. Die Verwaltungswissenschaft setzt sich mit diesem Wandel auseinander. Daraus folgen verschiedene Fragestellungen: Gibt es ein genug, ein zu viel oder zu wenig an Staat? An wessen Interessen sollte sich die Verwaltung orientieren, wenn sie ihre Aufgaben gut erfüllen wollte: Dem Souverän oder der Exekutive? Dem Monarchen, dem Volk oder der stärksten Partei? Oder soll sie sich auf das Gemeinwohl ausrichten – so undefiniert dieser traditionsreiche Begriff ist und auch ausschliessende, z.B. völkische, Prinzipien zu umfassen vermag? Oder gelten für die Verwaltung eher abstrakte Maximen wie Rechtsstaatlichkeit, Effektivität oder Effizienz? Die bekanntesten Schlagworte der Verwaltungswissenschaft dürften "Bürokratie" und "New Public Management" sein. Beide Begriffe sind stark politisiert und auch in ihrer Bedeutung umstritten, wobei letztere auch nicht der Verwendung im wissenschaftlichen Diskurs entspricht. Dies ist aus bedauerlich, weil es die gesellschaftliche Auseinandersetzung betreffend dieses wichtigen Faktors staatlicher Organisation verhindert. Für die verwaltungswissenschaftliche Auseinandersetzung bedeutet dies vor allem eines: Sich der divergierenden Bedeutungen von Begrifflichkeiten bewusst zu sein. Hier stösst man allerdings auf ein wesentliches Problem: Während die Bedeutung in der öffentlichen Diskussion notorisch unscharf ist, kennt auch der wissenschaftliche Diskurs keine klare Definition der Verwaltung, der Verwaltungswissenschaft oder verschiedener verwaltungswissenschaftlicher Konzepte. Die Schwierigkeit, die Verwaltung und ihre Bereiche zu definieren, kann als Versagen der Wissenschaft verstanden werden (Ellwein, 1966: 15; von Stein, 1965: 2384) oder auch daran liegen, dass das Unterfangen prinzipiell unmöglich ist (Forsthoff, 1973: 1). Auf jeden Fall zeigt die komparative Verwaltungswissenschaft, dass Begriffe und Konzepte aus fremdsprachigen Publikationen und deren Kontext übernommen wurden. Besonders deutlich wird dies darin, dass in der Management-Literatur oder der Policy-Forschung die ursprünglich englischen Begriffe im deutschen Sprachgebrauch ebenfalls verwendet werden. Aber die Bedeutungen der ursprünglichen Ideen haben sich während des Transfers in den neuen wissenschaftlichen und politischen Zusammenhang geändert. Daraus folgt eine zweite Problemdimension, die bereits von Woodrow Wilson (1941 [1887]) im Gründungsdokument der US-Verwaltungswissenschaft aufgeworfen wurde: Für welchen Bereich kann die Verwaltungswissenschaft eine Gültigkeit beanspruchen? Wilson argumentiert, dass die Verwaltung als eine Technik zu betrachten sei. Als solche sei sie unabhängig vom politischen Kontext gültig, weswegen er vorschlug, die USA sollten sich in der Suche nach der besten Staatsverwaltung am preussisch-deutschen Modell zu orientieren. Analoge Gedankengänge können auch in der deutschen Verwaltungswissenschaft festgestellt werden, wenn sich die Forschenden auf ausländische Inspirationen beziehen. Die Forschenden suchen dabei Antworten, die unabhängig von ihrer Herkunft auf die eigenen politischen, ökonomischen oder sozialen Problemstellungen gemünzt sind. Diese Probleme – genauso wie die Lösungsansätze – können globale sein, orientieren sich in der Regel jedoch an den eigenen nationalen Institutionen. Denn nur von diesen können sich die Forschenden erhoffen, dass ihre Lösungsvorschläge in die Praxis umgesetzt werden. Basierend auf dieser Argumentation schliesst die aktuelle komparative Verwaltungswissenschaft auf nationale Traditionen der Verwaltungswissenschaften, die den spezifischen Staatsverständnissen entsprechen (Raadschelders und Rutgers, 1996; Rutgers, 2001b; Stillman, 2001). Dabei werden zwei wesentliche Faktoren ausgeblendet: Erstens wandelte sich das Staatsverständnis im Verlauf der Zeit. Zweitens sind und waren die Verwaltungsforschenden trotz ihrer Ausrichtung an einer nationalen Institution nicht in einem nationalen Diskurs isoliert. In den modernen und zeitgenössischen verwaltungswissenschaftlichen Publikationen wird die internationale Einbettung sowohl in den referierten Werken als auch in den Moden der behandelten Themen und angewandten Methoden evident. Diese Einsicht gilt aber nicht erst ab der Globalisierung in den 1990er Jahren, sondern lässt sich bereits in der Zeit vor der deutschen Staatenbildung aufzeigen. Gerade die Kameralisten reisten häufig zwischen den europäischen Fürstenhäusern umher und sorgten dadurch nicht nur für eine weite Verbreitung ihrer Ansätze, sondern kamen selbstverständlich auch mit fremden Ideen in Kontakt (Wakefield, 2009). Und die Entwicklung in der deutschen Verwaltungswissenschaft nach dem Zweiten Weltkrieg kann ohne eine tiefere Betrachtung der Entwicklungen in den USA nicht verstanden werden. Aus diesem Grund wird hier ein Versuch unternommen, die Entwicklung der deutschen Verwaltungswissenschaft von der Gründung Deutschlands 1871 bis in die 1970er Jahre auf den Einfluss US-amerikanischer Ideen hin zu untersuchen. Dazu werden zuerst in der Sektion I der Untersuchungsgegenstand und die theoretischen Grundlagen eingeführt, anhand derer der Import von Ideen aus den USA durch die deutsche Verwaltungswissenschaft untersucht wird. Sektion II zeigt anhand von Primärquellen die Entwicklung der deutschen Verwaltungswissenschaft. Die Struktur folgt dabei den Phasen sozialer und politischer Umbrüche: Gründung des deutschen Reiches (Kapitel II.1), Zwischenkriegsperiode (Kapitel II.2), Nachkriegszeit (Kapitel II.3) sowie die 1960er und 1970er Jahre (II.4). In Sektion III wird der Ideentransfer analysiert und danach in IV die Konklusionen betreffend die deutsche Tradition der Verwaltungswissenschaft präsentiert.
Die negativen Vorurteile betreffend Ineffizienz der Verwaltung und Behördenfaulheit stehen in krassem Gegensatz zum Einfluss, den die Verwaltung in der Regelung des alltäglichen Lebens einnimmt. Die Rolle der Verwaltung nahm parallel zur Entwicklung des modernen Staats laufend an Bedeutung zu. Dabei verschob sich zunehmend der Gestaltungsraum von den politischen zu den administrativen Institutionen. Die Verwaltungswissenschaft setzt sich mit diesem Wandel auseinander. Daraus folgen verschiedene Fragestellungen: Gibt es ein genug, ein zu viel oder zu wenig an Staat? An wessen Interessen sollte sich die Verwaltung orientieren, wenn sie ihre Aufgaben gut erfüllen wollte: Dem Souverän oder der Exekutive? Dem Monarchen, dem Volk oder der stärksten Partei? Oder soll sie sich auf das Gemeinwohl ausrichten – so undefiniert dieser traditionsreiche Begriff ist und auch ausschliessende, z.B. völkische, Prinzipien zu umfassen vermag? Oder gelten für die Verwaltung eher abstrakte Maximen wie Rechtsstaatlichkeit, Effektivität oder Effizienz? Die bekanntesten Schlagworte der Verwaltungswissenschaft dürften "Bürokratie" und "New Public Management" sein. Beide Begriffe sind stark politisiert und auch in ihrer Bedeutung umstritten, wobei letztere auch nicht der Verwendung im wissenschaftlichen Diskurs entspricht. Dies ist aus bedauerlich, weil es die gesellschaftliche Auseinandersetzung betreffend dieses wichtigen Faktors staatlicher Organisation verhindert. Für die verwaltungswissenschaftliche Auseinandersetzung bedeutet dies vor allem eines: Sich der divergierenden Bedeutungen von Begrifflichkeiten bewusst zu sein. Hier stösst man allerdings auf ein wesentliches Problem: Während die Bedeutung in der öffentlichen Diskussion notorisch unscharf ist, kennt auch der wissenschaftliche Diskurs keine klare Definition der Verwaltung, der Verwaltungswissenschaft oder verschiedener verwaltungswissenschaftlicher Konzepte. Die Schwierigkeit, die Verwaltung und ihre Bereiche zu definieren, kann als Versagen der Wissenschaft verstanden werden (Ellwein, 1966: 15; von Stein, 1965: 2384) oder auch daran liegen, dass das Unterfangen prinzipiell unmöglich ist (Forsthoff, 1973: 1). Auf jeden Fall zeigt die komparative Verwaltungswissenschaft, dass Begriffe und Konzepte aus fremdsprachigen Publikationen und deren Kontext übernommen wurden. Besonders deutlich wird dies darin, dass in der Management-Literatur oder der Policy-Forschung die ursprünglich englischen Begriffe im deutschen Sprachgebrauch ebenfalls verwendet werden. Aber die Bedeutungen der ursprünglichen Ideen haben sich während des Transfers in den neuen wissenschaftlichen und politischen Zusammenhang geändert. Daraus folgt eine zweite Problemdimension, die bereits von Woodrow Wilson (1941 [1887]) im Gründungsdokument der US-Verwaltungswissenschaft aufgeworfen wurde: Für welchen Bereich kann die Verwaltungswissenschaft eine Gültigkeit beanspruchen? Wilson argumentiert, dass die Verwaltung als eine Technik zu betrachten sei. Als solche sei sie unabhängig vom politischen Kontext gültig, weswegen er vorschlug, die USA sollten sich in der Suche nach der besten Staatsverwaltung am preussisch-deutschen Modell zu orientieren. Analoge Gedankengänge können auch in der deutschen Verwaltungswissenschaft festgestellt werden, wenn sich die Forschenden auf ausländische Inspirationen beziehen. Die Forschenden suchen dabei Antworten, die unabhängig von ihrer Herkunft auf die eigenen politischen, ökonomischen oder sozialen Problemstellungen gemünzt sind. Diese Probleme – genauso wie die Lösungsansätze – können globale sein, orientieren sich in der Regel jedoch an den eigenen nationalen Institutionen. Denn nur von diesen können sich die Forschenden erhoffen, dass ihre Lösungsvorschläge in die Praxis umgesetzt werden. Basierend auf dieser Argumentation schliesst die aktuelle komparative Verwaltungswissenschaft auf nationale Traditionen der Verwaltungswissenschaften, die den spezifischen Staatsverständnissen entsprechen (Raadschelders und Rutgers, 1996; Rutgers, 2001b; Stillman, 2001). Dabei werden zwei wesentliche Faktoren ausgeblendet: Erstens wandelte sich das Staatsverständnis im Verlauf der Zeit. Zweitens sind und waren die Verwaltungsforschenden trotz ihrer Ausrichtung an einer nationalen Institution nicht in einem nationalen Diskurs isoliert. In den modernen und zeitgenössischen verwaltungswissenschaftlichen Publikationen wird die internationale Einbettung sowohl in den referierten Werken als auch in den Moden der behandelten Themen und angewandten Methoden evident. Diese Einsicht gilt aber nicht erst ab der Globalisierung in den 1990er Jahren, sondern lässt sich bereits in der Zeit vor der deutschen Staatenbildung aufzeigen. Gerade die Kameralisten reisten häufig zwischen den europäischen Fürstenhäusern umher und sorgten dadurch nicht nur für eine weite Verbreitung ihrer Ansätze, sondern kamen selbstverständlich auch mit fremden Ideen in Kontakt (Wakefield, 2009). Und die Entwicklung in der deutschen Verwaltungswissenschaft nach dem Zweiten Weltkrieg kann ohne eine tiefere Betrachtung der Entwicklungen in den USA nicht verstanden werden. Aus diesem Grund wird hier ein Versuch unternommen, die Entwicklung der deutschen Verwaltungswissenschaft von der Gründung Deutschlands 1871 bis in die 1970er Jahre auf den Einfluss US-amerikanischer Ideen hin zu untersuchen. Dazu werden zuerst in der Sektion I der Untersuchungsgegenstand und die theoretischen Grundlagen eingeführt, anhand derer der Import von Ideen aus den USA durch die deutsche Verwaltungswissenschaft untersucht wird. Sektion II zeigt anhand von Primärquellen die Entwicklung der deutschen Verwaltungswissenschaft. Die Struktur folgt dabei den Phasen sozialer und politischer Umbrüche: Gründung des deutschen Reiches (Kapitel II.1), Zwischenkriegsperiode (Kapitel II.2), Nachkriegszeit (Kapitel II.3) sowie die 1960er und 1970er Jahre (II.4). In Sektion III wird der Ideentransfer analysiert und danach in IV die Konklusionen betreffend die deutsche Tradition der Verwaltungswissenschaft präsentiert.
Die Dissertation ?Das Prinzip Widerstand? entwickelt eine geschichtstheoretische Perspektive, die soziale Kämpfe und soziale Bewegungen als die entscheidenden Momente gesellschaftlicher Veränderung begreift. In diesen Kämpfen und Bewegungen bedienen sich Menschen einer Vielzahl an unterschiedlichen Formen des Widerstands. Besonderes Augenmerk gilt den sogenannten ?Weapons of the Weak?, also Formen des Widerstands, die sich erst bei näherem Hinsehen als solche entpuppen. Diese Perspektive wird über mehrere Etappen entwickelt. Am Beginn steht eine intensive wie kritische Auseinandersetzung mit dem Werk von Karl Marx, vor allem in den Aspekten, die den historischen und umkämpften Charakter unserer Gesellschaft betonen.Breiter Raum wird der Tradition des Operaismus eingeräumt, und dem Ansatz des ?Arbeiterstandpunkts?, also dem konsequenten Versuch gesellschaftliche Veränderungen aus der Sicht der Kämpfe zu analysieren. Der klassische Operaismus entwickelte zwar ein feines Sensorium zum Verständnis der Kämpfe in der Fabrik, scheiterte aber teilweise darin dieses Verständnis auch für andere gesellschaftliche Bereiche aufzubringen. Befruchtend war hier der das Aufeinandertreffen mit dem poststrukturalistischen Denken, wie es sich zeitgleich in Frankreich entwickelte. In der Auseinandersetzung mit den Arbeiten von Michel Foucault, der insbesondere im Hinblick auf ein neues Verständnis von Herrschaft, Macht und Widerstand grundlegende Arbeit geleistet hat, werden diese unterschiedlichen theoretischen Stränge zusammengebracht. Der Foucaultsche Widerstandsbegriff bietet die Grundlage für den abschließenden Teil, in dem angesichts der neuesten Publikationen aus dem Bereich der Weltsystemtheorie und des Postoperaismus ein Widerstandsbegriff entwickelt wird, der die Mängel der früheren Konzeptionen überwindet, und zugleich eine Geschichtstheorie schafft, die das ?Prinzip Widerstand? als den Schlüssel zum Verständnis gesellschaftlicher Veränderungen setzt. ; The doctoral thesis "The Principle of Resistance? developes a historical and theoretical perspective, that understands social struggles and social movements as the crucial elements for social change. In these struggles and movements people use a multiplicity of different forms of the resistance. In particular the thesis is focussing on the so-called "Weapons of the Weak?, forms of the resistance, that dont appear as such in the first moment. The whole perspective is developed over several stages. It starts with an intensive and critical re-thinking and re-reading of the work of Karl Marx, especially the aspects, where he describes our societies as the result of historical developments and a product of social struggles. An important aspect in this context is the operaistic tradition, and their concept of writing history starting from the viewpoint of the workers themselves, and taking this as the starting point to analyze social change. The classical Operaism developed a very keen understanding of the struggles in the factories, but they had problems to apply these concepts to struggles in other parts of society. A stimulating experience was the interchange with the post-structuralist thinkers in France. So it is important to bring these different theoretical traditions together, particularly with regard to the work of Michel Foucault and his conceptualisation of domination, power and resistance.The Foucauldian term of resistance is the basis for the last part, where Im connecting his concept with the newest works in the field of Post-Operaism and the World-System-Theory. The goal is to overcome the deficiencies of the former conceptions, and to establish a theory of history, that sets the ?Principle of Resistance? as the key for the understanding of social development and social change. ; eingereicht von Leopold Kühlberger ; Abweichender Titel laut Übersetzung der Verfasserin/des Verfassers ; Graz, Univ., Diss., 2011 ; OeBB ; (VLID)213668
Postkoloniale Studien zählen aktuell zu den einflussreichsten kritischen Interventionen, was angesichts der massiven Effekte des Kolonialismus nicht verwundern kann. Postkoloniale Theorie zielt darauf ab, die verschiedenen Ebenen kolonialer Begegnungen zu analysieren und dabei die sozio-historischen Interdependenzen und Verflechtungen zwischen den Ländern des »Südens« und des »Nordens« herauszuarbeiten. Diese Einführung erschließt das weite Feld postkolonialer Theoriebildung über eine kritische Debatte der Schriften der drei prominentesten postkolonialen Stimmen – Edward Said, Gayatri Spivak und Homi Bhabha. Die aktualisierte dritte Auflage unterzieht insbesondere die neuen Schriften Spivaks und Bhabhas einer kritischen Würdigung, setzt sich aber auch mit den gegenwärtigen Diskussionen um Globalisierung, Religion, Menschenrechte und Dekolonisierung auseinander.
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Bis 1993 im Staatenbund mit Tschechien eher wenig beachtet, entwickelt sich die Slowakische Republik seit Ende der 90er zu einem beliebten Investitionsland. Vor allem Automobilhersteller sehen in der Slowakei einen idealen Standort: Der französische PSA-Konzern errichtet dort ein Werk, Volkswagen gilt inzwischen als größter Exporteur des Landes und Hyundai will 2006 mit der Produktion beginnen. Wichtigster Wirtschaftspartner der Slowakei ist Deutschland. Allein im Jahre 2002 investierte Deutschland in der Slowakei 80 Milliarden SK (knapp 2 Milliarden €) und verzeichnet mit 26% traditionell den höchsten Anteil an Auslandsinvestitionen. Gegenwärtig werden rund 400 deutsche Firmen registriert. Namenhafte Unternehmen wie Deutsche Telekom, Siemens, EON, Leoni und Degussa sind in der Slowakei ebenso aktiv wie kleine und mittlere Betriebe aus Deutschland. Gründe für die hohen Auslandsbeteiligungen liegen in der konsequent investitionsfreundlichen Steuer- und Wirtschaftspolitik der slowakischen Regierung, die ausländischen Firmen die Möglichkeit bietet, unter sehr günstigen Bedingungen eine starke Stellung in der Slowakei und damit günstige Ausgangspositionen auf den zukünftigen Märkten Europas aufzubauen. Die mittel- und osteuropäischen Wirtschaftsstrukturen wurden schrittweise an das westeuropäische System der Marktwirtschaft angepasst – ein Prozess der noch nicht abgeschlossen ist, aber durch die europäische Integration am 01. Mai 2004 wichtige Impulse erhalten hat. Aktuell suchen in zunehmendem Umfang kleine und mittlere Unternehmen (KMU) Kooperationsbeziehungen mit Unternehmen aus Mittelosteuropa. Dies sind zum einen Unternehmen, die in noch ungesättigten Märkten der neuen EU-Mitgliedstaaten ihre Chancen nutzen wollen – und zum anderen vor allem die mittelständische Zulieferindustrie, die ihren Großkunden in die osteuropäischen Märkte folgt. Mit der zunehmenden Internationalisierung der Wirtschaft stehen somit auch immer mehr mittelständische Unternehmen vor der Entscheidung bzw. der Notwendigkeit ihre Mitarbeiter und Führungskräfte ins osteuropäische Ausland zu entsenden. Obwohl die Bedeutung des Personalmanagements für den Erfolg des Auslandsengagements nahezu allen international tätigen Unternehmen bewusst ist, scheitern zwischen 13 und 30% aller Auslandsentsendungen. Häufig genannte Ursachen sind neben kulturellen Konflikten dabei gerade bei kleineren Unternehmen der Mangel an personellen Alternativen und die Umsetzung der Entsendung im Alltagsgeschäft. Gegenüber international tätigen Großunternehmen ist festzustellen, dass KMU nicht über die finanziellen und personellen Ressourcen verfügen um uneingeschränkt auf bestehende Instrumente zur Gestaltung von Auslandseinsätzen zurückgreifen zu können. Für diese Arbeit stellt sich die Frage, welche Antworten mittelständische Unternehmen gefunden haben, um die Herausforderungen von Mitarbeiterentsendungen in die Slowakische Republik zu meistern. Inwieweit greifen sie dabei auf bestehende Instrumente des internationalen Personalmanagements zurück, modifizieren diese bzw. welche individuellen Lösungen entwickeln sie? Die Arbeit knüpft dabei an Forschungsergebnisse zur Internationalisierung des Mittelstandes an und gründet im Forschungsgebiet des Internationalen Personalmanagements. Sie erforscht den Entsendungsprozess von deutschen Arbeitskräften in den Ländermarkt Slowakei sowie typische Lösungsstrategien des Mittelstandes bei der Gestaltung dieser Mitarbeiterentsendung. Die Datenbasis, auf die sich diese Arbeit stützt, besteht aus einer Befragung von 27 mittelständischen Unternehmen sowie aus sieben Interviews, die nach Auswertung des Befragungsbogens geführt wurden. Im Rahmen der Interviews wird eine Bestandsaufnahme hinsichtlich Ausgestaltung von Auslandsentsendungen und Einsatz von Personalmanagement-Instrumenten im Mittelstand durchgeführt. Untersuchungsbefunde werden vorgestellt, die Aufschlüsse über praktische Erfahrungen der befragten Unternehmen geben. Seit den 90er Jahren rückt die Internationalisierung des Mittelstandes zunehmend ins Blickfeld der Wissenschaft und wird auch in der Praxis ausgiebig thematisiert und diskutiert. Bisher standen vor allem Internationalisierungsstrategien und ihre Anwendung im Mittelstand im Vordergrund, aussagekräftige Studien zum internationalen Personalmanagement im Mittelstand sind nach wie vor rar. Verschafft man sich einen Überblick über die Forschung zur Auslandsentsendung von Mitarbeitern und Führungskräften, so fällt auf, dass der Betrachtungsfokus bisher ausschließlich auf Großunternehmen liegt. Obwohl bis dato bereits eine erhebliche Anzahl von Publikationen zum Thema "Auslandsentsendungen" existiert, wurde der Mittelstand bisher vernachlässigt. Ebenso ist auch die Auswahl an empirischen Erhebungen zum Themenkomplex klein. Nach Ansicht des Verfassers klafft hier eine Lücke zwischen Konzepten in der Theorie zur Gestaltung von Auslandsentsendungen und deren Einsatz in der Praxis mittelständischer Unternehmen. Es liegt die Vermutung nahe, dass theoretische Ansätze für eine Anwendung im Mittelstand noch zu wenig gereift sind. Weber/Kabst resümieren, dass hier ein besonders hoher Forschungsbedarf besteht. Mit dieser Studie wird ein deskriptiv-deduktiver Forschungsansatz verfolgt. Die Arbeit teilt sich in drei methodische Schwerpunkte auf: Mit Hilfe eines konzeptionellen Bezugsrahmens im ersten Teil der Arbeit wird das Forschungsproblem konkretisiert und vorstrukturiert. Auf dem Gebiet der Internationalen Personalmanagementforschung und der Mittelstandsforschung erzielte Erkenntnisse zu Auslandsentsendungen werden als Ansatzpunkt für die empirische Untersuchung gewählt. Datenerhebung und -analyse im zweiten Teil der Arbeit erfolgen iterativ, indem die Analyse unmittelbar nach der Erhebung des ersten Materials mit ersten Hypothesenbildungen beginnt und sich die nächsten Datenerhebungsschritte daran ausrichten. Methodisch wird auf Basis der qualitativen Sozialforschung mit Hilfe von problemzentrierten Interviews in mittelständischen Unternehmen gearbeitet. Der Methodenmix setzt sich aus Leitfadeninterviews mit Personalverantwortlichen und entsandten Mitarbeitern zusammen, denen eine Kurzbefragung vorangestellt wurde. Basierend auf der inhaltsanalytischen Auswertung der Interviews werden im dritten Teil Erkenntnisse zur Gestaltung von Auslandsentsendungen im Mittelstand diskutiert und Gestaltungsempfehlungen formuliert. Gang der Untersuchung: Die Arbeit ist in fünf Kapitel unterteilt. Nachdem im ersten Kapitel eine Einführung in Problemstellung, Ziel und Methodik der vorliegenden Arbeit gegeben wurde, befasst sich das zweite Kapitel mit den theoretischen Grundlagen für Auslandsentsendungen im Mittelstand. Neben der Erklärung zentraler Begriffe zu Mittelstand, Internationalisierung und Auslandsentsendung wird die Entsendung von Mitarbeitern im Kontext der internationalen Unternehmensstrategie von kleinen und mittleren Unternehmen erfasst. Dabei wird auf die damit verbundenen Entsendungsziele sowie auf Rahmenbedingungen in der Slowakischen Republik, die in Beziehung mit dem Entsendungsprozess stehen, eingegangen. Weiterhin vermittelt dieses Grundlagenkapitel einen Überblick darüber, welche Konzepte, Instrumente und Modellvorstellungen zu den verschiedenen Phasen der Auslandsentsendung bereits bestehen. Forschungsfragen und Vorannahmen, die der empirischen Untersuchung zu Grunde liegen, beschließen das Kapitel. Das dritte Kapitel wird zur ausführlichen Diskussion der gewählten Untersuchungsmethodik verwendet, wobei Erhebungsinstrumente und Auswertungsstrategien ausführlich beschrieben werden. Das vierte Kapitel nimmt eine empirische Bestandsaufnahme hinsichtlich der Gestaltung von Auslandsentsendungen im Mittelstand vor. Die erhobenen Daten werden präsentiert und bilden somit die Grundlage für den interpretativen Teil. Hier wird veranschaulicht, welche Lösungskonzepte in der Praxis mittelständischer Unternehmen Anwendung finden. Die Ergebnisse aus der qualitativen Inhaltsanalyse nehmen insbesondere Bezug auf: - Voraussetzungen, die Mitarbeiterentsendungen in KMU bedingen. - Die Ausgestaltung von Auslandsentsendungen und evtl. eingesetzte Personalmanagement-Instrumente zur Sicherstellung des Erfolges von Auslandsentsendungen in die Slowakei. - Erfolgsfaktoren und Defizite in der Entsendungsgestaltung. In Kapitel fünf erfolgt zunächst eine kurze Zusammenfassung und theoretische Einordnung der wesentlichen Untersuchungsergebnisse. Anschließend werden praktische Implikationen der Ergebnisse dargestellt. Methodenkritische Aspekte der Studie und ein Ausblick auf zukünftige Forschungsmöglichkeiten beschließen dieses Kapitel.
Am Beginn seines Buches beschreibt Michael Brenner das geläufige Bild der Juden in der Weimarer Republik: das Bild von "Juden ohne Judentum", von Juden, die einerseits die Kultur der Weimarer Zeit entscheidend mitprägten, andererseits keine Bindung zu ihrem Judentum und dessen Kultur hatten. Im Buch wird dieses Bild revidiert. Im ersten Teil, betitelt - Auf der Suche nach Gemeinschaft - beschreibt der Autor die Änderungen im Leben der Juden im 19. Jahrhundert, die Befreiung aus der Enge der Ghetti, die zunehmende Rezeption von weltlichem Wissen und deutscher Literatur, die dazu führten, daß das Judentum mehr und mehr auf eine Konfession reduziert wurde. Der jüdische Alltag wurde immer weniger von den Geboten der jüdischen Gesetze geprägt, die Zuordnung zum Judentum war auf den Synagogenbesuch beschränkt. Brenner: "Einhergehend mit diesem Prozeß der Konfessionalisierung schufen deutsche Juden säkulare Kulturformen, um ihre jüdische Eigentümlichkeit auszudrücken. [.] Die deutschen Juden wählten bestimmte Aspekte des reichen jüdischen Erbes aus und integrierten sie in die moderne europäische Kultur, wie sie sich in Wissenschaft, Kunst und Literatur artikulierte. Das Ergebnis war die Bildung einer neuen Tradition, die bleibenden Einfluß auf die jüdische Existenz in der modernen Welt ausübte." (S. 22) Die Entwicklung säkularer jüdischer Kultur in Deutschland wird in drei Phasen beschrieben. Die erste setzt der Autor von 1819 (Gründung des "Vereins für Cultur und Wissenschaft der Juden" in Berlin) bis in die 90er Jahre des 19. Jahrhunderts an. In dieser Phase entwickelte sich die Wissenschaft vom Judentum, die eine der beliebtesten Mittel zur Selbsterforschung im 19. Jahrhundert war; eine Vielzahl von Erzählungen, Romanen und Theaterstücken mit jüdischen Themen entstand; und Moritz Oppenheim, der erste professionelle jüdische Maler in Deutschland, schuf seine populären "Bilder aus dem altjüdischen Familienleben". Die zweite Phase wurde, so Brenner, durch die Gründung neuer Organisationen und die Herausbildung neuer politischer Parteien möglich und nötig. 1893 wurde der "Centralverein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens" (= CV) zur Abwehr des Antisemitismus und zur Förderung jüdischer Kultur gegründet; 1897 fand der 1. Zionistenkongreß in Basel statt, bei dem Theodor Herzl seine Forderung nach einem jüdischen Staat vertrat. Demgegenüber betonten die Kultur-Zionisten eher die spirituellen Bedürfnisse des jüdischen Volkes. Man suchte nach einer nationalen jüdischen Kultur in deutscher Sprache - Martin Buber konnte die Grundlagen für eine solche Aufgabe legen, er wurde in den nächsten Jahren ein aktiver Proponent der jüdischen Kultur in Deutschland, wo er etwa 1902 den Jüdischen Verlag gründete und ab 1916 die Zeitschrift Der Jude herausgab. Buber und seinen Mitstreitern war es vor allem wichtig, nicht nur die Vergangenheit zu erforschen, sondern auch eine moderne und überwiegend säkulare jüdische Kunst zu schaffen. Dabei ist zu betonen, daß diese Bestrebungen nur von einem kleinen Teil der Juden in Deutschland ausgingen, ein weit größerer stand ihnen eher gleichgültig gegenüber. Diese Situation änderte sich im Verlauf des Ersten Weltkriegs, als viele Juden erfahren mußten, daß sie keineswegs als "Deutsche" akzeptiert waren; Antisemitismus herrschte in den Schützengräben, 1916 gab es eine eigene "Judenzählung" in der Armee. Desillusionierung und die Begegnung mit dem Ostjudentum in den besetzen Gebieten brachten junge, assimilierte Juden dazu, sich mit den Grundlagen des Judentums auseinanderzusetzen, und die dritte Phase der Herausbildung einer säkularen jüdischen Kultur in Deutschland begann. Nach dem Ersten Weltkrieg wurden die Juden zwar einerseits wieder stärker in die deutsche Gesellschaft integriert, andererseits wuchs das Bewußtsein ihrer Eigentümlichkeit. Wie in der deutschen Gesellschaft im allgemeinen entwickelte sich auch innerhalb der jüdischen Gemeinde ein Bedürfnis nach Gemeinschaft. Geistig und spirituell flossen vor allem mystische Denkweisen, die Kabbala und der Chassidismus in die jüdische Renaissance ein - man denke nur an die euphorische Rezeption von Bubers Ostjüdischen Legenden. Nicht nur das Bedürfnis nach "Irrationalismen und Heilslehren" aller Art teilten die deutschen Juden mit ihrer nichtjüdischen Umwelt, sondern auch die Entstehung der jüdischen Jugendbewegung, die schon vor dem Ersten Weltkrieg eingesetzt hatte und in der "das neue Gemeinschaftsgefühl unter deutschen Juden erstmals institutionellen Ausdruck" gefunden hatte. (S. 61) Auch innerhalb der jüdischen Gemeinden änderte sich vieles, mit dem Erstarken des Zionismus konnte die Frage "liberal oder konservativ" nicht mehr als einziger großer Konflikt der Gemeinden gelten. Die neuen jüdischen Parteien gingen von politischen Entwicklungen aus, 1926 stand erstmals ein Zionist an der Spitze der jüdischen Gemeinde in Berlin. Nicht nur aufgrund der neuen Parteien änderten sich die jüdischen Gemeinschaften, der Trend ging viel mehr allgemein "von der Kultusgemeinde zur Kulturgemeinde" (S. 66). Um ihre Mitglieder zu erreichen, gaben die jüdischen Gemeinden vermehrt Zeitungen und Zeitschriften heraus, Bibliotheken und jüdische Schulen entstanden und wurden genutzt. Auch assimilierte jüdische Familien schickten ihre Kinder an jüdische Schulen, da sie hier die jüdischen Feiertage sowie den Sabbath einhalten konnten und zudem vor antisemitischen Beschimpfungen geschützt waren. Die Wiederaneignung jüdischen Wissens, wie der zweite Teil des vorliegenden Buches heißt, beschäftigt sich mit der Erwachsenenbildung, der Wissenschaft des Judentums und ihrer Popularisierung. Im Zentrum der Erwachsenenbildung stand das Freie Jüdische Lehrhaus Frankfurt, das 1920 von Ranz Rosenzweig gegründet wurde und in dem großteils nach dem von ihm vertretenen Konzept des "Lernens in umgekehrter Richtung" gearbeitet wurde. Doch nicht nur dieses gut erforschte Frankfurter Institut wird hier beschrieben, sondern auch die weniger bekannte Freie Jüdische Hochschule Berlin, die ab 1919 interessierte Juden und Nichtjuden über jüdische Themen und Belange mit dem Schwerpunkt auf zeitgenössischen Fragen informierte. Im Zentrum des Lehrhauses Stuttgart stand ein ganz anderer Ansatz, nämlich eine Annäherung zwischen Juden- und Christentum, die durch Diskussionen zwischen Martin Buber und christlichen Intellektuellen gefördert werden sollte; ein Anspruch, der auch innerhalb dieser Debatten nicht erfüllt werden konnte. Eine weitere Grundlage für die "Wiederaneignung jüdischen Wissens" legten anspruchsvolle Übersetzungen der Bibel und des Talmuds. Ein interessantes Detail gibt es in Zusammenhang mit der Entwicklung der jüdischen Wissenschaft in der Weimarer Zeit: Erstmals beschäftigten sich auch jüdische Frauen damit, etwa Rachel Wischnitzer, die über jüdische Kunst schrieb, und Bertha Pappenheim, die die (jiddischen) Erinnerungen der Glückel von Hameln sowie die (ebenfalls jiddische) Frauenbibel Zeena u-reena ins Deutsche übersetzte. Einen Beitrag zur Verbreitung jüdischen Wissens leistete ferner die Herausgabe von Lexika: das Jüdische Lexikon, das 1927 bis 1930 in vier Bänden (in fünf gebunden) erschien, und die Encyclopaedia Judaica, von der zwischen 1928 und 1934 zehn Bände herausgegeben wurden. Innerhalb der Geschichtsschreibung versuchte man nun nicht nur, Vergangenes zu bewahren, sondern auch das lebendige Judentum zu fördern und sich mit aktuellen Tendenzen auseinandersetzen. Im dritten Teil des Buches stellt Brenner das Ringen um Authentizität der jüdischen Künstler dar, ihre Suche nach Vorbildern und Idealen im Bereich der Literatur, Kunst und Musik. In vielen Romanen, Theaterstücken und Erzählungen, die in der Weimarer Republik erschienen, wurden die assimilierten deutschen Juden als "unjüdische" Juden gezeichnet; ihnen wird das Bild eines scheinbar "authentischen" Juden gegenübergestellt. Dieser "authentische" Jude hatte seine Vorbilder im "orientalischen" Juden und im Ostjuden, in beiden glaubte man ein "echtes Judentum" zu erkennen. Gestalten aus der Bibel wurden Gestalten der deutsch-jüdischen Literatur der Weimarer Zeit, etwa in Else Lasker-Schülers Werken und in Moritz Heimanns Drama Das Weib des Akiba (1922); auch berühmte Häretiker wie Sabbatai Zwi, Spinoza und Uriel da Costa avancierten zu beliebten Roman- und Bühnenfiguren. Musiker und bildende Künstler verwendeten "moderne Kunststile - Jugendstil, Expressionismus und Neue Sachlichkeit, Lehrkantate -, um der jüdischen Kultur in der Weimarer Republik eine neue Gestalt zu geben." (S. 172) Als Grundlage ihrer eigenen kulturellen Identität diente ihnen - wie den Schriftstellern - die angeblich authentische jüdische Welt orientalischer und osteuropäischer Juden. Traditionelle jüdische Kunst und modernes Design neben- und miteinander zu zeigen, war der Anspruch des Jüdischen Museums Berlin, das am 24. Jänner 1933 eröffnet wurde. Die Sammlung war in den Jahren vor der Eröffnung des Museums gewachsen, Kultgegenstände in modernem Design waren dafür gestaltet worden. Auch jüdische Buchillustration und der Synagogenbau waren von der Kombination aus Modernismus und dem Streben nach Authentizität geprägt. Die deutsch-jüdischen Schriftsteller strebten nach einem "authentischen" Judentum - die hebräischen und jiddischen Künstler, die sich zumindest vorübergehend in Deutschland aufhielten, boten dieses, hatten aber geringen Einfluß auf die Entwicklung einer säkularen jüdischen Kultur. Die Begegnungen mit jiddischer Kultur mehrten sich im und nach dem Ersten Weltkrieg. Während der Besetzung Polens sahen deutsche Juden die sogenannten Ostjuden in ihrer Umgebung, sie hörten Jiddisch und begannen, das Jiddische als Sprache zu akzeptieren. Nach Deutschland gebracht wurde die jiddische Sprache und Kultur durch Flüchtlinge während des Krieges und durch Gastspiele jiddischer Ensembles in den 20er Jahren. Diese Gastspiele verliefen zwar erfolgreich, ein beständiges jiddisches Ensemble konnte sich aber in Berlin - im Gegensatz etwa zu Wien - nicht etablieren. Zur jiddischen Sprache gab es - durch die Nähe zum Deutschen? - oftmals eine weit größere Distanz als zum modernen Hebräisch. Hebräischkurse wurden ganz gut besucht, und, was für die Entwicklung der jüdischen Kultur wichtiger war, hebräische Schriftsteller lebten und publizierten auch in Deutschland, von 1920 bis 1924 galt Berlin als das Zentrum der hebräischen Kultur, 1909 und 1931 gab es eine Konferenz über hebräische Kultur in Berlin. Den "Epilog" des Buches sowie der Geschichte der jüdischen Kultur in Deutschland bildet die Geschichte des Kulturbundes Deutscher Juden (ab 1935 Jüdischer Kulturbund). Die Organisation und Inhalte des Kulturbundes basierten auf dem kulturellen Leben der Juden in der Weimarer Republik, standen aber unter vollkommen anderen Vorzeichen, nämlich der Hinausdrängung der Juden aus allen Bereichen des Lebens in Deutschland. Brenner weist in diesem Buch nach, daß es entgegen einer weitverbreiteten Ansicht vor 1933 sehr wohl jüdische Kultur in Deutschland gegeben hat. Sehr interessant wird gezeigt, wie Intellektuelle und Künstler, die einerseits von der deutschen Kultur geprägt waren, sich dessen bewußt waren und zu ihr standen, nun versuchten, eine jüdische Kultur zu schaffen. Ein wichtiger Aspekt des Buches ist auch, daß nicht nur die Entwicklung der jüdischen Kultur beschrieben wird, sondern auch die geistigen und künstlerischen Voraussetzungen und Tendenzen der nichtjüdischen Umwelt miteinbezogen werden. In der Weimarer Republik schufen jüdische Schriftsteller, Künstler, Musiker und Architekten - unter Einbeziehung traditioneller jüdischer Kunst und mit bezug auf "authentische" jüdische Lebensformen - eine moderne, säkulare jüdische Kultur, und diese wurde, zumindest von einem Teil der Juden, auch interessiert angenommen. Michael Brenner zeigt in diesem Buch ein bisher vergessenes, aber wichtiges und interessantes Kapitel der Geschichte der Juden in Deutschland; ein Kapitel, dessen Aufarbeitung auch in Österreich höchst wünschenswert wäre.
Einmal bemerkte Antonioni, er wolle das 'Fahrrad' (aus De Sicas Meisterstück Ladri di Biciclette) loswerden, und zielte damit auf all die sozialen, psychischen und ästhetischen Dringlichkeiten des italienischen Neorealismus. Weil sich sein Diktum einer so griffigen Synekdoche bedient, gehört es zu den meistzitierten der Antonioni-Forschung (im hier besprochenen Band etwa auf S. 42, 69 und 116), zumal in ihm der sehr moderne Anspruch laut wird, mit dem Überkommenen Schluss zu machen und etwas radikal Neues zu versuchen. Das wiederum wirft die Frage auf, ob hundert Jahre nach der Geburt des inzwischen unangreifbar kanonisierten Regisseurs ein Buch über sein Œuvre dessen Modernität und Erneuerungsanspruch vermitteln oder gar aufgreifen, ob es vielleicht die etablierten Topoi filmwissenschaftlicher Untersuchungen hinter sich lassen, ob es den 'Tennisball' (aus Antonionis Meisterstück Blow-up) loswerden kann. Herausgeber und AutorInnen sind sich der Obliegenheit bewusst, ihren Gegenstand nicht nur zu restaurieren, sondern ihn zu wenden und zu entwickeln; bereits die Einleitung konstatiert darum nach der zitatenspielerischen Postmoderne die erneute Aktualität der ernsten Avantgarde und des Autorenprinzips Antonionis. Diesem Come-back tragen die Beiträge des Buchs dann auf dreierlei Weise Rechnung: zuerst indem sie andere Filme, Regisseure, Genres neben Antonioni stellen, um in solcher Kontaktnahme neue Facetten seines Werks freizulegen, indem sie außerdem in exemplarischen Analysen die 'genetischen Sequenzen' eines größeren Werkabschnitts zu isolieren suchen, schließlich – dies wohl die ehrgeizigste Aufgabe – indem sie Aspekte aufspüren, die der bisherigen Forschung entgangen oder aber in den Kontexten und Diskursen der Gegenwart gerade erst entstanden sind. Mithin zieht der von Daniel Illger verfasste Beitrag Verbindungslinien, die von Antonionis frühen Spielfilmen I Vinti und Cronaca di un amore zurückreichen zum amerikanischen Gangsterdrama der dreißiger Jahre und zugleich hinleiten zum Subgenre des italienischen 'Giallo': Während der Gangsterfilm Aufstieg und Fall des Helden als eine vertikale Reise aus der Öde in den (verheißungs-)vollen Stadtraum und zurück in die Gosse inszeniert, entzaubert und fragmentiert Antonioni derlei ideologische Topographien. Seine nüchternen Gefüge aus urbaner Leere und Fülle stellen dem amerikanischen Mythos ein soziohistorisch desillusioniertes Nachkriegsitalien entgegen und dem tragischen Gangster ohnmächtige Kleinkriminelle und scheiternde Liebesbeziehungen. Derweil spinnt Jörn Glasenapps Text zu La notte ein noch feiner verzweigtes Netz von kultur- und filmgeschichtlichen Assoziationen. Vor dem Hintergrund des wirtschaftlichen Aufschwungs, wuchernder Industrialisierung und ihrer prägnanten Architektur portraitiert Antonioni eine in Dekadenz erstarrte Mailänder Gesellschaft. Dabei gewinnen die in strenge Bilder gefassten Motive zielloser Flânerie, desinteressierter Erotik oder des erschöpften Lebenssinns gerade in ihren intertextuellen Verwebungen – im Dialog nämlich mit Ruttmanns Sinfonie der Großstadt, Renoirs La règle du jeu, Malles Les amants, Fellinis La dolce vita oder auch Romeros Night of the Living Dead – neue Kontur. Betont systematisch zeichnen währenddessen die Beiträge von Michaela Krützen und Elisabeth Paefgen Verknüpfungen und Schnittmengen nach: Der erste der beiden Texte nimmt neben Antonionis Lʹeclisse einerseits das Melodram An Affair to Remember, andererseits die romantische Komödie Sleepless in Seattle in den Blick, um in detailgenauem Vergleich vorzuführen, wie die psychologischen Dramaturgien, 'sensomotorischen Verkettungen' und 'Heldenreisen' des klassischen Hollywood-Kinos zunächst vom modernen Autorenfilm unterminiert werden, bis das – freilich nun milde ironische und selbstreflexive – neoklassische Erzählen die alten Sicherheiten romantischer Genre-Codes wiedereinsetzt. Im zweiten Text widmet sich Elisabeth Paefgen der filmischen Dreierkonstellation Blow-up, Rear Window, Peeping Tom und den Machtverhältnissen, die die jeweilige Hauptfigur durch ihren Kamerablick etabliert (wobei sich die Eingangsthese einer irgend subtilen 'Täterschaft' des Fotografen zuweilen in der Vielzahl angesprochener Aspekte zu verlieren scheint). Schließlich untersucht Oliver Fahle Antonionis Polit- und Wüstenelegie Zabriskie Point als Derivat des Road Movie und legt nuanciert dar, wie das genuin amerikanische Genre durch die Hand des europäischen Regisseurs eine sowohl konkretisierende als auch abstrahierende Bedeutungsweitung erfährt. Entgegen der raunenden Evokation von Raum, Freiheit und Counterculture im traditionellen Road Movie bindet Antonioni seine kritischen Bilder zurück an die reale Protestbewegung und Konsumsphäre der späten sechziger und frühen siebziger Jahre. Zugleich aber erscheinen hier Stadt- und Felslandschaften als geologische Formationen, die alle Tagespolitik und nationalen Mythen in Richtung anthropologischer oder gar kosmologischer Visionen übersteigen. Eine Farbstudie führt die zweite Gruppe von Beiträgen an, die grundlegende Kategorien im Schaffen Antonionis herauszustellen suchen: Im Rückgriff auf Latour zeigt Beate Ochsners Text (der sich leider mit Abbildungen in Schwarzweiß begnügen muss), wie sich die Farben in Antonionis Gemälden und Filmen einer naturgerechten Wiedergabe von Wirklichkeit entziehen und zum reinen Kolorismus finden; sie sind nicht länger Attribute der Gegenstände, sondern Aktanten eigenen Rechts. Während sich dieses freie Potential in Antonionis erstem Farbfilm Il deserto rosso bereits deutlich abzeichnet, gewinnt es mit Il mistero di Oberwald eine neue Qualität. Im gleichzeitigen Verweis auf frühes handkoloriertes Kino und seine digitale Zukunft vermittelt das 'schillernde' Kostümdrama die Regeln des Farbensehens und seine medialen Grundlagen. Ähnlich Basales verhandelt Uta Felten, wenn sie in Blow-up und Zabriskie Point die Denkfiguren von Spur, Riss und Kreis ausmacht, die blanke Indizienhaftigkeit der vormals greifbaren Realität, ihre Lücken, die den Betrachter in einen Detektiv verwandeln, und die so ziel- wie endlosen epistemologischen und ästhetischen Kreisbewegungen (manches Mal allerdings droht hier die "lettura plurale" (S.249) in hastiger Methodenvielzahl und allzu knappen Seitenblicken aufzuspleißen.) Schließlich widmet sich Lisa Gottos feinnervige Analyse der letzten Regiearbeit Antonionis, Jenseits der Wolken, den Aspekten von Bewegung, Oberfläche, Bildlichkeit: Angeleitet vom 'Dazwischen', vom Unabgeschlossenen und Unentscheidbaren fokussiert der Film auf Wegstrecken und leere Räume wie den winterlichen Strand von Portofino, der als Feld von Transformationen und Mikrobewegungen dient. Ähnlich siedeln Antonionis Oberflächen – Fenster, Glas, Windschutzscheiben – zwischen Transparenz und Opazität, Licht und Material, Blick und Berührung, und auch seine Kadrierungen und Rahmungen altermedialer Bilder gehen auf die stets geformte und verformende Repräsentation von Wirklichkeit ein. Drittens dann befassen sich einzelne Beiträge mit selten beachteten Facetten oder aktuellen Kontexten der Filme Antonionis: Claudia Öhlschläger etwa sieht die leere Nervosität der Figuren in Il grido als Zeichen kultureller Depression, die im Verlust eines stabilen Familienbilds wurzelt. Was nach dem Scheitern dieses Modells in den Nachkriegsjahren bleibt, das sind untüchtige Mütter, beschädigte Väter und elternlose Kinder, die Antonioni auseinandertreibt, bis die Familie nur mehr als Zitat, als Heiligenbild oder Pietà existiert. Im Anschluss an jene konzise kulturhistorische wie bildästhetische Diagnose nimmt Judith Wimmer die wohl erste systematische Engführung von Georg Simmels Kapitalismuskritik und der Austrocknung menschlicher Beziehungen im Werk Antonionis vor. Am Beispiel von L'eclisse erläutert die Autorin, wie die Geldwirtschaft – indem sie Werte nivelliert, den Rhythmus des Daseins und alle moralischen Relevanzen tilgt – die "Bedeutsamkeiten alles Menschlichen" (S. 134) aushöhlt. Der Aktienhandel infiziert Ethik und Liebe, setzt sie der Bindungslosigkeit aus und lässt am Ende, in der berühmten 7-minütigen Schlusssequenz des Films, die Subjekte verschwinden. Einen psychologisch ebenso tiefen und geologisch fraglos noch tieferen Blick in die Verfasstheit der Moderne wirft dann Georgiana Banita. Angesichts des Erdöls als italienischem Wirtschafts- und Kulturphänomen, das hineinreicht in den gleichsam von Petrochemie durchtränkten Neorealismus, sondiert Banita die manifesten wie subliminalen Bedeutungsspuren des Öls und Energiekonzepts im Werk Antonionis. Indem es sich als schwere Masse oder flüchtiges Destillat auf allen – filmmateriellen, psychoerotischen, chromatischen, narrativen – Ebenen absetzt, vermag der höchst differenzierte und einfühlsame Text den Blick für die ökonomischen Bedingungen, den seelischen und politischen Trieb-Stoff, die Ölbilder und -metaphern von Il grido über Il deserto rosso bis hin zu Professione: reporter zu öffnen. Wie also steht es um die Aktualität der Moderne und Antonionis, um die kritische Rückschau jenseits der Musealisierung und das mögliche Neuerungspotential des Bandes? Zunächst rekurrieren die hier versammelten Arbeiten über einen Regisseur, der weit jenseits bloßer 'brand recognition' zur ikonischen Bestandsmasse des 20. Jahrhunderts gehört, durchaus – und am Ende sicher nicht zu Unrecht – auf mancherlei Legenden, Kollektivbilder und Standardwerke. Das betrifft richtungsweisende Exegeten (William Arrowsmith, Seymour Chatman, Lorenzo Cuccu und stets Deleuze und dessen Zeit-Bild) ebenso wie unumgängliche Bilder und Szenen, Jeanne Moreaus melancholischen Streifzug durch die Randbezirke Mailands in La notte, das Zeitlupenballett der explodierenden Pueblo-Villa in Zabriskie Point und eben auch Blow-up und das Pantomimenspiel mit unsichtbarem Tennisball (den man nie loswerden darf). Neben den Beiträgen, die Vertrautes kompilieren, stehen freilich zahlreiche, deren vielsagende Inter- und Kontextualisierungen allemal ungewohnte Blickwinkel einnehmen. Und dann sind da solche, die hellsichtig vermitteln, wie Antonioni weniger als zeitlos denn als zeitgenössisch zu verstehen ist, als Autor, der einiges und Wichtiges vorzubringen hat über den Zustand der Gegenwart, ihre medialen wie psychischen Komplexe, ihre Ethik und Ästhetik, ihre Handels- und Energieströme. Einmal also Antonioni als Altmeister des europäischen 'Kunstfilms', zugleich aber Antonioni als nachgerade akutes Zeitphänomen, das man nicht los- und mit dem man auch nicht fertigwerden kann.
Ergebnis des Forschungsprojekts ist eine monografische Studie über einen bisher von der Kunstgeschichte vernachlässigten Bereich in Leben und Werk Oskar Kokoschkas. Die Jahre seines Exils in Prag und vor allem in London, in denen er unter erschwerten Bedingungen arbeitete und lebte, sind die Entstehungszeit seiner politischen Allegorien. Da diese Werke außerhalb des Kanons der allgemeinen kunstgeschichtlichen Entwicklung liegen, und weder zum Surrealismus noch zur abstrakten Kunst in Affinität stehen, hat die Forschung ihnen bisher vergleichsweise geringe Aufmerksamkeit gewidmet. Die nun vorliegende Untersuchung nähert sich der Werkgruppe der politischen Allegorien aus interdiziplinärer Perspektive. Die beiden Verfasser - G. Sultano ist Historikerin, P. Werkner Kunsthistoriker - gingen von unterschiedlichen Fragestellungen aus, sodaß als Ergebnis des Projekts sowohl ein zentraler Werkabschnitt des Künstlers beleuchtet wird, wie auch ein biographischer Abschnitt Kokoschkas zeitgeschichtlich aufgefächert wird. Die Jahre 1937 und 1950 wurden hier als ungefähre Grenzen für jenen Lebens- und Arbeitsabschnitt Oskar Kokoschkas gewählt, in dem er durch die weltpolitischen Vorgänge aufs stärkste betroffen war. 1937 ergab sich als Grenze nach unten, insbesondere im Blick auf die Zäsur dieses Jahres aufgrund zweier wichtiger Ausstellungen: der Kokoschka-Ausstellung im Österreichischen Museum für Kunst und Industrie in Wien und der fast gleichzeitigen Wanderausstellung "Entartete Kunst", die von München aus ihren Anfang nahm und in der der Künstler prominent vertreten war. Für die Grenze nach oben gibt es mehrere markante Einschnitte, u. a. die große Werkübersicht von Kokoschkas Schaffen im Münchner Haus der Kunst von 1950, die bis dahin bedeutendste im Deutschland der Nachkriegsjahre, womit der Künstler am Ort seiner einstigen Diffamierung gleichsam rehabilitiert wurde. Innerhalb dieses Zeitrahmens wird kunsthistorische Werkanalyse mit politischer Geschichte, Rezeptionsgeschichte, Betrachterforschung und Institutionengeschichte verschränkt. Die Wiener Ausstellung von 1937 wird u. a. mit Blick auf den Kurator der Präsentation, Carl Moll, den Mäzen Ferdinand Bloch-Bauer und den Direktor des Museums, Richard Ernst, analysiert. Die Ausstellung "Entartete Kunst" wird zunächst im Blick auf den Prototyp derartiger "Schandausstellungen" untersucht und anschließend die Kokoschka zugewiesene Rolle in der Schau behandelt. Die Luzerner Auktion, in der auch hochbedeutende Werke des Künstlers aus deutschen Museen versteigert wurden, zeigt sich als Parallelaktion seiner Diffamierung im "Reich". Der anschließende Abschnitt thematisiert die politische Tätigkeit Kokoschkas zunächst im Prager und dann im Londoner Exil, wo er zu einer der führenden Figuren der Exilkreise und des Antifaschismus wurde. Der Abschnitt über die politischen Allegorien behandelt die Werkgruppe der entsprechenden Gemälde und bringt eine ikonographisch fundierte Gesamtsicht. Die Ära des Kalten Kriegs, die seit einigen Jahren auch Eingang in kunsthistorische Betrachtungsweisen gefunden hat, spielt bei Kokoschkas Rezeption in der unmittelbaren Nachkriegszeit eine wesentliche Rolle. Hier wird sowohl das problematische Verhältnis von Wiener Kunst- und politischen Instanzen zum Künstler behandelt wie auch die Geschichte des Bildnisses des Wiener Bürgermeisters Theodor Körner. Schließlich wird die Frage des Verhältnisses zum Salzburger Galeristen Friedrich Welz untersucht und die konservative Wende Kokoschkas in den späten 40er Jahren behandelt. Eine wesentliche Rolle in der Studie kommt dem Bildmaterial zu, das die Publikation der Ergebnisse anschaulich macht und Zusammenhänge vielfach schlagartig erhellt. Der Briefeschreiber Kokoschka kommt in ausführlichen Zitaten zu Wort. Eine Synchronopsis führt politische und kulturelle Chronik des behandelten Zeitraums zusammen. Im Anhang bieten Ausstellungschronik, Presseecho und Bibliografie wertvolle Grundlagen für weiterführende Analysen und Forschungen. ; Result of our research is a monographic study dealing with a prominent part of Kokoschka's life and work which has hitherto been regarded too little by scholars. The years of his exile in Prague and particularly in London, where he had to work under a lot of stress and pressure, are the time in which his political allegories came to be. As these works are outside the established canon of art historical development, and as they have no affinity to Surrealism or to Abstract art, scholars have so far spent comparatively less effort to analyse them. This study approaches the group of these works from a transdisciplinary perspective. The authors (G. Sultano is trained historian, P. Werkner art historian) set out from different questions with regard to his oevre and his life. This results in combining the view of a prominent body of Kokoschka's paintings with a biographical perspective set against a political-historical background. The years between 1937 and 1950 were chosen as preliminary structure for a segment of a part of Kokoschka's life and work, in which he was hit to the utmost by the politcal changes of the time. 1937 was picked because of the prominent exhibition which Kokoschka had in that year at the Österreichische Museum für Kunst und Industrie in Vienna and also in the travelling exhibition "Degenerate Art", which was first opened in Munich. 1950 was picked for various reasons, among them the large overview of Kokoschka's work in the "Haus der Kunst" in Munich. By this, the artist was rehabilitated, as it was, at the place of his former degradation. Art historical analysis of Kokoschka's paintings is combined here with poltical history, with reception history and history of institutions, and also with questions regarding the role of the audience. The Viennese exhibition is analysed including studies of some of its proponents, among them the curator Carl Moll, Ferdinand Bloch-Bauer, the maecenas, and the museum's director, Richard Ernst. The show "Degenerate Art", which was held at nearly the same time in Munch, is looked upon with reference to the prototype of such "exhibitions of disgrace". The role attributed to Kokoschka in the show is also analysed. The auction in Lucerne, in 1939, in which highly prominent works from German museums were sold, shows itself as another variation of his defamation in the "Reich". Kokoschka had a prominent role in exile, first in Prague, then in London, where he became a leading figure among emigrants and in antifascist circles. The chapter on the poltical allegories both treats the allegorical group of his works and provides an elemental iconographical view in context. The era of the Cold War, which has also become prominent among art historians in recent years, plays an important role in the reception of Kokoschka's work after WW II. The artist's strenuous relationship to Viennese poltical and art circles is treated here, as well as the story of Kokoschka's portrait of the Viennese mayor Theodor Körner. Finally, the question of the artist's relationship to the Salzburg-based art dealer Friedrich Welz is examined, and also his conservative turnaround in the late 40's. The illustrations of the study are also of considerable interest, as they provide another form of insight at several occasions. Kokoschka, the letter-writer, is also being presented in a variety of long quotations. A synchronoptic presentation of political and cultural developments provides with a panorama of the time. A list of the artist's exhibitions, a selection of contemporary critiques in the press, and the literature list provide the scholar with material for further research.
Die Dissertation "Hey! I'm an Angel! Zum Verhältnis von Medium, Subjekt und Wirklichkeit in Eija-Liisa Ahtilas Videoinstallationen" untersucht in der Hauptsache vier zentrale Videoinstallationen Ahtilas aus den Jahren 1995 bis 2014. Grundlegend ist die These, dass Ahtilas Arbeiten nicht, wie bisher angenommen, in den Kontext einer medien-, erkenntnis- und subjektkritischen Videokunst einzuordnen sind. Stattdessen werden sie als mediale Vehikel intersubjektiv geprägter Wirklichkeitserfahrungen für das Subjekt bereitgestellt: Entgegen dem aktuellen Forschungsstand arbeitet sich Ahtila nicht an der Kritik des Mediums Film/Video ab, das einen wirklichkeitsverfälschenden oder -ersetzenden Einfluss auf das manipulierte Subjekt nimmt. Vielmehr nutzt die Künstlerin das Potenzial des Mediums Film/Video aus, um einem relativ stabilen Subjekt die Wirklichkeitserfahrungen Anderer zu öffnen und auf diese Weise seinen Erfahrungshorizont zu erweitern. Der systematische Schwerpunkt der Arbeit liegt erstens darauf, ein sich durch Ahtilas bisheriges Schaffen ziehendes 'Ziel' der Integration der Betrachterin in eine intersubjektive Erfahrungssphäre nachvollziehbar zu machen. Hierfür wird insbesondere eine Perspektive auf die frühen Arbeiten entwickelt, in der die Brüche in Ahtila Arbeiten integrative statt distanzierende Wirkung haben. Zweitens wird in eingehenden Analysen der Wandel verständlich, der sich zwischen Ahtilas früher Schaffensphase (1995 – 2002) und der aktuellen Schaffensphase (seit 2010) hinsichtlich der Art und Weise vollzieht, wie diese Integration gelingt. Es zeigt sich, dass der Einstieg in die intersubjektiv geprägten Erfahrungssphären in der frühen Phase ästhetisch konstituiert ist. Mit der aktuellen Schaffensphase werden hingegen alltägliche Formen der Empathie und Mimesis zentral, sowie deren leibliche Konsequenzen für die Betrachterin. Drittens wird eine zunehmende pragmatische Tendenz darin deutlich, die Integration der Betrachterin in die Erfahrungen Anderer zu ermöglichen. Dies wird vor dem Hintergrund eines allgemeinen pragmatischen Zuges aktueller zeitgeistiger Bewegungen erläutert. Viertens wird gezeigt, dass Ahtilas Arbeiten auf der Annahme einer Kontinuität in gewisser Hinsicht von der außerfilmischen Wirklichkeit in die filmische Fiktion hinein basieren, sowie auf dem Verständnis filmischer Fiktionen als virtuelle Weltfassungen. Ahtila fragt auf der Grundlage dieses Verständnisses filmischer Fiktion nicht nach der Wahrheit dieser Fiktion als These über die Wirklichkeit, wie es dem Forschungskanon über die Künstlerin zu entnehmen ist. Sondern nach der Wirksamkeit der filmischen Fiktion für die Wirklichkeit. ; In meiner Dissertation "Hey! I'm an Angel! Zum Verhältnis von Medium, Subjekt und Wirklichkeit in Eija-Liisa Ahtilas Videoinstallationen" untersuche ich in der Hauptsache vier zentrale Videoinstallationen Ahtilas aus den Jahren 1995 bis 2014. Grundlegend ist die These, dass Ahtilas Arbeiten nicht, wie bisher hauptsächlich angenommen, in den Kontext einer medien-, erkenntnis- und subjektkritischen Videokunst einzuordnen sind. Stattdessen werden sie als Vehikel intersubjektiv geprägter Wirklichkeitserfahrungen in der Fiktion für das Subjekt bereitgestellt: Entgegen dem aktuellen Forschungsstand arbeitet sich Ahtila mit ihren Installationen meines Erachtens nicht an der Kritik des Mediums Film/Video ab, das einen wirklichkeitsverfälschenden oder -ersetzenden Einfluss auf das manipulierte Subjekt nimmt. Vielmehr nutzt die Künstlerin die Videoinstallation, um das Potenzial des Mediums Film/Video zu heben, einem relativ stabilen Subjekt die Wirklichkeitserfahrungen Anderer zu öffnen und auf diese Weise seinen Erfahrungshorizont zu erweitern. Das Subjekt erfährt mithilfe des Mediums anders und dadurch anderes von der Wirklichkeit. Dabei ist der Gedanke rahmengeben, dass Ahtila das ihren Arbeiten zugrundeliegende Verhältnis von Medium, Subjekt und Wirklichkeit nicht etwa der medien-, erkenntnis- und subjektkritischen Fassung dieses Verhältnisses entgegenhält. Sondern dass ihre Videoinstallationen im Ausgang von Moderne und Postmoderne Teil einer aktuellen, eigentlich pragmatisch orientierten Bewegung des Zeitgeistes sind, die skeptische Zweifel nicht überwindet sondern beiseitelässt, um Handlungsfähigkeit zu propagieren. Im Zentrum von Ahtilas Arbeiten steht die Wirksamkeit der in der Fiktion eröffneten gemeinsamen Erfahrung von Wirklichkeit für die Wirklichkeit. Und nicht die Frage nach der Wahrheit der Fiktion über die Wirklichkeit. In meiner Arbeit verfolge ich im Rahmen dieser Überlegungen vier systematische Schwerpunkte. Erstens mache ich das sich durch Ahtilas bisheriges Schaffen ziehende 'Ziel' der Integration der Betrachterin in eine intersubjektive Erfahrungssphäre nachvollziehbar. Ich konzentriere mich hierfür zunächst auf die narrativen Brüche in Ahtilas frühen Arbeiten hinsichtlich der Einheit von Zeit, Raum und personeller Identität sowie der Genrezugehörigkeit, die sich u.a. im Zusammenspiel von Schauspiel und Kameraarbeit ergibt. Ich zeige, dass die meisten der bisherigen Interpretationen von Ahtilas Videoinstallationen das bloße Vorkommen solcher Brüche zum Anlass nehmen, um die Arbeiten als medienkritisch einzuordnen: Die Deutungen orientieren sich dabei an einem Deutungsparadigma des Bruchs im Kunstwerk, das sich im Laufe des 20. Jahrhunderts etabliert hat und insbesondere zu Beginn von Ahtilas Schaffen als Videokünstlerin Mitte der 1990er Jahre in der (Video-)Kunstkritik noch weitgehend unhinterfragt galt. Brüche im Kunstwerk sollen diesem Paradigma nach die Betrachterin irritieren und von der selbstvergessenen Immersion ins Werk distanzieren, um eine kritisch reflektierende Position gegenüber der manipulativen Macht des Mediums einzunehmen. In der eingehenden Auseinandersetzung mit zwei frühen Arbeiten Ahtilas (If 6 Was 9 von 1995 und Today von 1995/96) im 2. und 3. Kapitel zeige ich demgegenüber, dass die Brüche in Ahtilas Arbeiten zum einen zentrale kompositorische Bedeutung haben. Sie sind an der Konstitution einer in jeder Arbeit spezifischen ästhetischen Ausdrucksbewegung durch Rhythmus, Tempo und Struktur beteiligt. Diese Ausdrucksbewegung führt in der ästhetischen Erfahrung zur Mobilisierung eines besonderen Erfahrungsmodus der Betrachterin in sich selbst: desselben Erfahrungsmodus, von dem die Protagonist_innen in Ahtilas frühen Arbeiten jeweils kollektiv bestimmt sind. Und zum anderen provozieren die Brüche in der narrativen Kohärenz auf der Grundlage des besonderen Erfahrungsmodus einen ständigen Perspektivwechsel der Betrachterin. Durch ihn wird sie jedoch nicht (wie es das Deutungsparadigma des Bruches vorsieht) von der Immersion in das Geschehen distanziert, sondern im Gegenteil immer tiefer in die in je spezifischer Weise intersubjektiv geprägte Erfahrungssphäre der Protagonist_innen integriert. Solche Sphären sind in den genannten Arbeiten die der Pubertät und die der innerfamiliären Trauer. Sie sind bei Ahtila wie ich zeige als spezifische Fassungen der Wirklichkeit zu erleben, und nicht als Wirklichkeitsverzerrungen, -bruchstücke oder parallele Wirklichkeiten. Ich zeige dann, dass Ahtila das 'Ziel' der Integration der Betrachterin in intersubjektive Erfahrungssphären auch über einen Wandel hinweg verfolgt, der sich etwa zwischen 2002 und 2010 vollzieht: Im 4. Kapitel stelle ich in der Auseinandersetzung mit der Arbeit The Annunciation von 2010 heraus, dass Ahtila sich in ihrer jüngeren oder aktuellen Schaffensphase von der betont ästhetischen Integration entfernt. Vielmehr lockert sie die Form und kompositorische Dichte ihrer Arbeiten vergleichsweise auf und ermöglicht so eine besondere Intimität zwischen der Betrachterin und den einzelnen Protagonistinnen. Ihre Arbeiten handeln nun von Akten intensiver Empathie und körperlicher Mimesis zwischen Individuen, an denen die Künstlerin die Betrachterin durch Aufbau und Struktur ihrer Arbeiten so unmittelbar wie möglich zu beteiligen sucht. Das Ergebnis ist, dass die Betrachterin nicht mehr Teil einer besonderen, kollektiven und intersubjektiv geprägten Erfahrungssphäre wird. Stattdessen erschließt sie sich die Erfahrungssphären einzelner Subjekte auf eine eher unspektakuläre Art und Weise, die sich von der Interaktion mit Anderen außerhalb des filmischen Geschehens nicht grundlegend zu unterscheiden scheint. Im 5. Kapitel zeige ich im Zuge der Diskussion der jüngsten Arbeit Ahtilas, dass die Künstlerin dort etwas ausbuchstabiert, was in The Annunciation bereits angelegt war: In Studies on the Ecology of Drama I (2014) versucht sie die Integration der Betrachterin in die Erfahrungssphäre Anderer mithilfe ihres Mediums auf die Wirklichkeitserfahrungen von Tieren auszuweiten. Dabei wird in systematischer Hinsicht zweitens der Wandel verständlich, der sich zwischen der frühen und der aktuellen Schaffensphase hinsichtlich der Art und Weise vollzieht, wie diese Integration gelingt. An den eingehenden Analysen der künstlerischen Mittel Ahtilas mache ich deutlich, dass in den frühen Arbeiten der Einstieg der Betrachterin in die kollektive intersubjektive Erfahrungssphäre der Protagonist_innen wie angedeutet betont ästhetisch ist, dabei aber bereits auf eine körperliche Resonanz der Betrachterin für die ästhetische Ausdrucksbewegung der jeweiligen Arbeit setzt. In den jüngeren Arbeiten inszeniert und provoziert Ahtila alltägliche Mechanismen der Empathie beziehungsweise des Fremdverstehens. In den Vordergrund rücken dabei die leiblichen Konsequenzen der empathischen und mimetischen Integration in die Erfahrungssphären Anderer: Indem Ahtilas aktuelle Arbeiten Übungen thematisieren oder selbst darstellen, an denen die Betrachterin teilhaben zu lassen die Arbeiten in all ihren Mitteln ausgelegt sind, wird die Veränderung thematisch, die ihr Leib im Zuge dieser Übungen erfährt. Und es wird deutlich, dass diese Veränderungen Konsequenzen für ihre Erfahrung der Wirklichkeit haben. Für den Forschungskanon zu Ahtilas Videokunst ist der Wandel von den vielfach gebrochenen frühen Arbeiten hin zu den buchstäblich einladenden aktuellen Installationen schwer zu deuten: Es scheint, als ob Ahtilas Videokunst seit 2010 plötzlich hinter die Notwendigkeit zurückfiele, die Betrachterin von den manipulativen Manövern des Mediums zu distanzieren. Innerhalb der Perspektive, die ich auf das künstlerische Schaffen einnehme, erweist sich der Wandel hingegen als veränderte Herangehensweise an dasselbe Ziel: die Integration der Betrachterin in die Erfahrungssphären Anderer mithilfe des Mediums beziehungsweise der filmischen Fiktion. Ein dritter systematischer Schwerpunkt liegt darauf zu zeigen, wie sich im Laufe der Jahre eine pragmatische Tendenz Ahtilas darin verstärkt, solche Integration künstlerisch zu ermöglichen, auch vor dem oben angedeuteten Hintergrund eines pragmatischen Zuges aktueller zeitgeistiger Bewegungen. Während angesichts der früheren Arbeiten noch kein besonderer Nachdruck dahinter auszumachen ist, die Betrachterin in die intersubjektive geprägten Erfahrungssphären der Anderen zu integrieren, scheint Ahtila nach dem Wandel in der Weise, wie diese Integration seit 2010 ermöglicht wird, auch stärker einen über das künstlerische Gelingen hinausgehenden Zweck zu verfolgen. Der Arbeit The Annunciation wird zwar mit einem radikalkonstruktivistisch inspirierten Motto ein expliziter Zweifel darüber vorangestellt, dass wir in der Lage seien, die Erfahrungen der Anderen zu machen. Ich verteidige jedoch die These, dass Ahtila diesen Zweifel nur anmeldet, um die Betrachterin in der Auseinandersetzung mit ihrer Arbeit darüber hinweggehen zu lassen. Die Frage nach dem Gelingen oder Nichtgelingen der bisher praktizierten Integration wird dabei in jedem Fall thematisch. Und zusätzlich ist die Betonung der leiblichen Veränderung durch die empathische und mimetische Teilhabe an den Erfahrungen der Anderen meiner Analyse nach nun stark auf ihre Wirksamkeit für die außerfilmische Welt bezogen: Es soll eine Wirkung auf die Wirklichkeit jenseits des filmischen Geschehens deutlich werden. Studies on the Ecology of Drama I schließlich macht im Hinblick auf den Versuch der Integration der Betrachterin in die Erfahrungssphären von Tieren nicht nur die Ziele der Arbeit, sondern auch ihre Mittel explizit: Form und Inhalt sind auf möglichst unmittelbare Verständlichkeit hin angelegt. Nicht nur werden lehrfilmartig Übungen mit der Betrachterin darin durchgeführt, nichtmenschliche Protagonist_innen anders zu betrachten, sowie darum, sich ihre Weise der Existenz durch Einübung in ihr leibliches Dasein zu erschließen. Es wird zusätzlich erläutert, wie die Mittel des Mediums hierfür eingesetzt werden und welche Vorstellung etwa von körperlicher Imitation und filmischer Fiktion dem zugrunde liegen. Meine Analyse der Arbeit macht deutlich, inwiefern in ihr nachdrücklich suggeriert wird, dass die gemeinsame Erfahrung von Mensch und Tier beispielsweise durch die leiblichen Konsequenzen von Empathie und Mimesis möglich ist. Ich zeige jedoch auch, dass es meines Erachtens bei der atmosphärischen Suggestion dieses Gelingens bleibt, während sich die Perspektiven der Tiere tatsächlich nicht für die Betrachterin öffnen. Insbesondere hierin, im Explizitmachen eines Ziels, das die Arbeit selbst nicht erreicht, sehe ich den Nachdruck, mit dem Ahtila heute die Integration der Betrachterin ihrer Arbeiten in die Erfahrungssphären der Anderen zu integrieren versucht. In der Auseinandersetzung mit einigen in den sog. Animal Studies zentralen Positionen zum Verhältnis von Mensch und Tier zeige ich, dass Ahtilas 'Position' derjenigen Bruno Latours besonders gut vergleichbar ist: Vor dem Hintergrund eines durch das anthropozentrische Wirken des Menschen mittlerweile akut gefährdeten Planeten geht Latour über Zweifel daran hinweg, ob Menschen dazu geeignet sind, in einem Parlament der Dinge die Anliegen und Perspektiven nichtmenschlicher Wesen adäquat zu vertreten. In Ahtilas Studies on the Ecology of Drama I wird wie ich zeige versucht, der Betrachterin die tierischen Perspektiven durch deren Vermenschlichung zu öffnen. Dass ihr dabei keine perspektiverweiternde Erfahrung eröffnet wird, scheint angesichts der Notwendigkeit einer über die menschliche Spezies hinausgehenden Handlungsgemeinschaft vernachlässigt werden zu können. So ist am aktuellen Punkt des künstlerischen Schaffens Ahtilas der pragmatische Zug darin, die Betrachterin in die Erfahrungssphären Anderer zu integrieren, am deutlichsten spürbar. Der vierte systematische Schwerpunkt meiner Arbeit besteht darin zu zeigen, dass Ahtilas Arbeiten auf der Annahme einer Kontinuität in gewisser Hinsicht von der außerfilmischen Wirklichkeit in die filmische Fiktion hinein basieren. Diese Kontinuität erläutere ich anhand einer Konzeption der filmischen Illusion und vor allem der filmischen Fiktion nach Gertrud Koch. Mit ihr wird deutlich, dass die Betrachterin nicht nur die filmischen Fiktionen Ahtilas als Fassungen beziehungsweise Perspektivierungen der außerfilmischen Welt erfährt, und nicht etwa als Fassungen paralleler oder künstlicher Wirklichkeiten. Koch erläutert die filmische Fiktion darüber hinaus als wirksam (virtuell) für unsere Erfahrungen unserer einen gemeinsamen Welt beziehungsweise Wirklichkeit. Diese Wirksamkeit steht für Ahtila, so meine These, im Zentrum: Sie ist es, die insbesondere seit The Annunciation nachdrücklich verfolgt wird, im Zuge der Verstärkung einer pragmatischen Tendenz in Ahtilas künstlerischem Schaffen. In Studies on the Ecology of Drama I, wo die Wirksamkeit der filmischen Fiktion als Weltfassung meiner Analyse nach zweckmäßig für eine die verschiedenen Spezies übergreifende Handlungsgemeinschaft eingesetzt werden soll (verständlich gemacht am Vergleich mit Latour), wird diese Wirksamkeit auf die Probe gestellt: Für die gemeinsame Erfahrung von Mensch und Tier will sich dort meines Erachtens keine tierische Erfahrungsperspektive für die menschliche Betrachterin öffnen. Deutlich wird aber in der Auseinandersetzung mit der Erläuterung der filmischen Fiktion als virtuelle Weltfassung als Grundlage der spezifischen virtuellen Weltfassungen Ahtilas, dass die Künstlerin tatsächlich in den vergangenen 20 Jahren nicht nach der Wahrheit dieser Fiktionen als Thesen über die Wirklichkeit fragt. Im Verhältnis von Medium, Subjekt und Wirklichkeit, wie es dem Forschungskanon über Ahtilas Videoinstallationen zugrunde liegt, ist das anders: Dort verfälscht das Medium Film/Video recht grundsätzlich die Wirklichkeit für das Subjekt. Und Ahtilas Videoinstallationen distanzieren dieses Subjekt von seiner manipulativen Immersion in das wirklichkeitsverfälschende Geschehen – um ihm zur Reflexion und damit zur Emanzipation von den Wirkungen des den Installationen zugrundeliegenden Mediums Film/Video zu verhelfen. In meiner Deutung des Verhältnisses von Medium, Subjekt und Wirklichkeit in den Videoinstallationen Ahtilas aber steht nicht die Wahrheit der Fiktion über die Wirklichkeit im Zentrum, sondern die Wirksamkeit der filmischen Fiktion für die und in der Wirklichkeit. Die filmische Fiktion erweist sich als das zentrale Vehikel der Integration der Betrachterin in die Wirklichkeitserfahrung der Anderen. Diese Erfahrungen verändern die Weise, wie die Betrachterin Wirklichkeit erfährt. Und lassen sie dadurch schließlich Anderes und Neues erfahren. Ich beschließe meine Arbeit mit einer kurzen Abgrenzung Ahtilas von den posthumanistischen Bewegungen, die eine Welt vor oder nach dem Menschen in den Blick nehmen. Ahtila ist Posthumanistin in einem integrativen Sinne, indem sie die Perspektiven der nichtmenschlichen Wesen aus pragmatischen Gründen den menschlichen anzunähern sucht.
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Die Fragestellung "Auf dem Weg zur Comeniologie als Wissenschaft - Diskussionen - Polemik - Dilemmata" beinhaltet wissenschaftliche Analysen, Diskussionen, Stellungnahmen zu aktuellen Forschungsfragen und zur wissenschaftlichen Anwendung der wissenschaftlichen Werke des Theologen, Philosophen und Pädagogen Jan Amos Komenskỳ. Die "Comeniologie" integriert und verwendet die Forschungserkenntnisse wissenschaftlicher Fachdisziplinen in Bezug auf die Erforschung, Dokumentation und Anwendung im Hinblick auf die Biographie, Familiengeschichte, Ideengeschichte, auf die die Bezugspunkte zu Ländern, Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Politik, Gesellschaft, auf die geistigen Tendenzen, Positionen und Einflüsse und auf die Einordnung und Auswertung der Schriften und Werke von Jan Amos Komenskỳ als Quellen für die Erforschung der Entwicklung von Kultur, Wissenschaft und Gesellschaft. Die Begründung einer menschlichen Allweisheit »Pansophia Humana« als Befähigung des Menschen zur Vervollkommnung seiner wahren Menschlichkeit stellt für Jan Amos Komenskỳ eine notwendige Voraussetzung zur Verbesserung der Welt dar. Das Zusammenwirken von »Wissen, Handeln, Glauben« besteht in der Zielsetzung durch das Erkenntnis der Zusammenhänge der Ordnung des ganzen Kosmos universale Weisheit zu erlangen, durch gutes Handeln ein Leben in Tugend und Sittlichkeit zu führen und durch einen lebendigen Glauben das eigene Leben in Frömmigkeit und im Vertrauen auf die Liebe und Gnade Gottes sinnvoll zu gestalten. Der Theologe, Philosoph und Pädagoge Jan Amos Komenskỳ erklärt das Zusammenwirken von »Wissen – Handeln – Glauben« in den menschlichen Aufgabenbereiche und Handlungsfelder Wissenschaft/Philosophie – Religion – Politik, als Voraussetzung für die Gewinnung von philosophischer Erkenntnis bei der wissenschaftlichen Suche nach Weisheit und Wahrheit, als Grundlage in Bezug auf religiöse Frömmigkeit und christliche Lebensführung bei der menschlichen Verantwortung für die göttliche Schöpfung und als Wirkungskraft für das politische und gesellschaftliche Handeln des Menschen zur Beratung,Verbesserung und Lösung aller Probleme, Schwierigkeiten und zum Nutzen der ganzen Menschheit. Komenskỳ fordert, dass alle Menschen Zugang zum Wissen erhalten, um Erkenntnisse über den Menschen und die Welt zu gewinnen, das Wesen und den Sinn aller Dinge in der Grundordnung des Kosmos zu verstehen und ein friedliches Zusammenleben mit anderen Menschen zu erlernen. Für die Verbesserung der Welt ist ein gutes Handeln erforderlich, deshalb sollen Menschen befähigt werden, Verantwortung für die Welt zu übernehmen, friedlich miteinander umzugehen und für alle Probleme und Schwierigkeiten durch sachkundige Gespräche und gemeinsame Beratungen miteinander gute Lösungen zu finden. Durch den Glauben besteht die Hoffnung, dass die Welt zum Guten verbessert werden kann. Gott, als der Ursprung, Grund und Ziel allen Seins, hat bei der Erschaffung der Welt eine Idealordnung, vollzogen hat. Durch sein Streben nach Macht, Herrschaft, Gewinn, Einfluss, Geltung und die dadurch entstehenden Konflikte, Streit, Hass, Neid, Kriege zerstört der Mensch diese Idealordnung der Welt. Für Jan Amos Komenskỳ besteht die Hoffnung, dass die Welt als Ganzes wiederhergestellt werden kann. ; The question of "On the way to the Comeniology as a science -discussions -polemics -dilemmas" includes scientific analyses, discussions, and opinions on current research issues and scientific application of the scientific works of the theologian, philosopher and pedagogue Jan Amos Komenskỳ. The "Comeniology" built-in and uses the research findings to the scientific disciplines related to the exploration, documentation, and application in terms of biography, family history, history of ideas, on the points of reference to countries, personalities from science, politics, society, on the mental tendencies, positions, and influences, and on the classification and analysis of the writings and works of of Jan Amos Komenskỳ as sources for the study of the development of culture, science and society. The creation of a human wisdom »Pansophia Humana« as the ability of the people to the perfection of his true humanity, represents for John Amos Comenius a necessary prerequisite for the improvement of the world. The interacting of »Knowledge, Action, Faith« consists in the objective to gain the knowledge of the correlations of the order of the whole cosmos, a universal wisdom, to lead by good acting is a life of virtue and morality and by living your life in devotion and in trust to the love and grace of God, given sense. The theologian, philosopher and pedagogue John Amos Comenius explains the interaction of the "Knowledge –Action –Faith" in the human areas of responsibility and fields of action of science/philosophy –religion –politics, as a prerequisite for the production of philosophical knowledge in the scientific search for wisdom and truth, as a basis, in terms of religious piety, and Christian conduct in the case of human responsibility for the divine creation and as a force for political and social actions of the people to the advice, improvement and solution of all problems, difficulties and for the benefit of all mankind. John Amos Comenius demands that all people get access to Knowledge, to gain insights about the people and the world to understand the essence and meaning of all things in the fundamental order of the cosmos and peaceful, to learn to live together with other people. For the improvement of the world good acting is necessary, tere fore, people are to be empowered to take responsibility for the world peacefully deal with each other and to find all the problems and difficulties through informed discussions and joint deliberations with each other to find good solutions. Through Faith is the hope that the world can be improved. God, as the origin, ground and goal of all being, in the case of the creation of the world has completed a perfect order. By pursuit of power, domination, profit, influence, validity, and the resulting conflicts, quarrels, hatred, envy, wars the human being destroyes this perfect order of the world. For John Amos Comenius exists the hope, that the world as a whole can be restored
Inhaltsangabe: Einleitung: Das Phänomen der Ständestaatsideen von 1918 bis 1933: 'Alle Deutschen sind vor dem Gesetze gleich. Öffentlich-rechtliche Vorrechte oder Nachteile der Geburt oder des Standes sind aufzuheben.' Dieser Satz des Art. 109 der Weimarer Reichsverfassung (WRV) sollte ab dem 11.August 1919 eine neue politische Epoche manifestieren: Alle Menschen sind gleich, die Überbleibsel der alten Stände sind Vergangenheit. Das 3-Klassen-Wahlrecht des Kaiserreiches wurde abgeschafft. Der Art. 21 lässt die Abgeordneten des Reichstages Vertreter des ganzen Volkes sein und nicht Vertreter eines Standes, ferner verspricht der Art.22 die freie und gleiche Wahl, unabhängig von Standeszugehörigkeiten: 'eDie Abgeordneten werden in allgemeiner, gleicher, unmittelbarer und geheimr Wahl von den über zwanzig Jahre alten Männern und Frauen nach den Grundsätzen der Verhältniswahl gewählt.' Die reaktionäre konservative Monarchie wurde durch die Novemberrevolution beseitigt. Sozialisten, Sozialdemokraten, Liberale und Demokraten arbeiteten an einer neuen Republik. Nur die Republikgegner und Antidemokraten beriefen sich noch auf die konstitutionelle Monarchie des Kaiserreiches oder suchten das Heil in neuen völkischen, nationalen Bewegungen. Ein einfaches 'zurück' war nach der Flucht des Kaisers am 10. November 1918 nur für wenige eine realistische Alternative. Egal ob das Ziel die Rätedemokratie, eine parlamentarische Monarchie oder den Ausbau des Weimarer Parlamentarismus darstellte: Die modernen demokratischen Ideen, die politische Gleichheit der Staatsbürger und der Parlamentarismus schienen nicht nur auf dem Papier in Deutschland angekommen zu sein. Auch die ersten Wahlergebnisse zeigten eine demokratische Mehrheit, während gemäßigte und radikale antidemokratische Gruppen nur mäßigen Erfolg hatten. Da scheint es wie ein Paradoxon der Ideengeschichte: Plötzlich erblüht eine Begrifflichkeit neu, auf ein Mal werden Buchtitel veröffentlicht, die fernab demokratischer Ideen eigentlich dem Spätmittelalter zuzurechnen sind: der Ständestaat. Zwischen 1918 und 1933, den ersten Anfängen (Abdankung des Kaisers am 9.November 1918) und dem Ende (Ermächtigungsgesetz am 23.März 1933) der ersten deutschen Republik, gibt es eine beachtliche Anzahl von Konzepten, die eine neue ständestaatliche Ordnung formulierten. All jene Ständestaatskonzepte unterliegen einem Konsens: Staat und Gesellschaft sollen in Glieder eingeteilt werden und diese Glieder werden zu einem Bestandteil der staatlichen Ordnung. Der Staat ist kein Vertrag zwischen Einzelindividuen, Ausdruck einer Aristokratie oder Resultat des Willens eines Königs, sondern eine Summe von Gliedern, evtl. selbst nur ein staatstragender Teil des Gesellschaftsganzen. Der Einzelne ist kein Teil des Staates, sondern Teil eines Standes. Diese Stände sind Glieder des Staates und haben mehr oder weniger an der staatlichen Hoheit teil. Viele dieser Ideen brachen mit allen Idealen der modernen Demokratie: Georg Weipperts 'Prinzip der Hierarchie' oder Othmar Spanns 'wahrer Staat' sind hierarchische Ständestaaten ungleicher Menschen. Bei anderen Konzepten hingegen (zum Beispiel der so genannte 'Werksgemeinschaftsgedanke' oder bei den berufsständischen Gesetzgebungsausschüssen von Heinrich Herrfahrdt) trägt die ständische Selbstverwaltung fast schon wieder moderne, auf Partizipation orientierte Züge. Es existiert ein breites Spektrum weiterer Ständestaatskonzepte, die in der Forschung weitestgehend vernachlässigt wurden. Ziel dieser Magisterarbeit soll es deshalb sein, die Spannbreite dieser Ständestaatskonzepte aufzuzeigen sowie eine kurze Ideengeschichte dieser Ständestaatskonzepte zu bieten. Dabei wird eine möglichst vollständige Darstellung aller Konzepte angestrebt und die Frage gestellt, was wirklich neu an diesen Ideen ist und wo simple ideengeschichtliche Rückgriffe neu verpackt wurden. Es ist ebenso Anspruch dieser Arbeit, eine umfassende Literaturliste zum Forschungsthema vorzustellen. Dabei sollen nicht nur die im Sinne der Forschungsfrage untersuchten Werke aufgeführt werden, sondern auch all jene Werke, die nur Teile einer neuen ständestaatlichen Ordnung behandeln oder ein unvollständiges Ständestaatskonzept formulieren. Es ist nicht das Ziel dieser Arbeit, soziologische oder biografische Hintergründe der Autoren zu erfassen, die Wirkung und Bedeutung der genannten Ständestaatskonzepte zu analysieren, Ursachenforschung für antidemokratisches Denken zu betreiben oder sozialpsychologische Gründe für das Aufkommen der Ständestaatsideen zu finden. Die moderne wissenschaftliche Literatur zeigt ein gespaltenes Bild: Die einen offenbaren einen einheitlichen Ständestaatsgedanken unter dem Paradigma des 'gliedhaften Organismus'. Dabei werden die Ständestaatsideen als organische Staatsauffassungen beschrieben, die sich gegen den mechanischen und künstlichen demokratischen Liberalismus stellen. Der Staat wird hier 'Idee und Leben', der 'Inbegriff physischen und geistigen Lebens' mitsamt allen notwendigen Gegensätzen. Ohne Gegensätze, ohne eine Gliederung von Staat und Gesellschaft, wäre der Staat leblos. Doch kann man die Ständestaatskonzepte nach 1918 einfach unter der Formel des 'lebendigen Staates' vereinen? Die andere Richtung der Fachliteratur tendiert dazu, die Idee vom ständisch gegliederten Staat als Randphänomen unterschiedlicher antidemokratischer Zirkel zu betrachten. Diese stellten dem demokratischen Ideal ein hierarchisches Staatsbild gegenüber, das sich gegen jede Form der Gleichheit wehrte. Die demokratische Verirrung politischer Gleichheitsrechte, insbesondere das Recht der freien und gleichen Wahl, werde von diesen Zirkeln durch autoritäre Ständestaatsmodelle mit völkischem Hintergrund ersetzt. Der Ständestaatsgedanke wird hier als Hilfskonstrukt konservativrevolutionärer, nationalkonservativer, deutschvölkischer oder nationalrevolutionärer Ideologien vorgestellt. Die Vorherrschaft des Ökonomischen im staatlichen Bereich sollte gebrochen werden. Der Staat würde durch das Leitbild des ständisch gegliederten Staates seine Autorität und politische Hoheit zurückerhalten. Während letztere Exponenten wissenschaftlicher Literatur kaum Gemeinsamkeiten zwischen den Ständestaatsideen sehen und eher die Neuartigkeit korporativer und berufsständischer Ideen betonen, ziehen es die Erstgenannten vor, den Ständestaatsgedanken als unbeholfenen Rückgriff in die mittelalterliche und romantische Ideenwelt zu betrachten. Lässt sich bei diesem Zwiespalt überhaupt eine Ideengeschichte beschreiben? Und wenn ja, vollzieht diese nur Neuauflagen alter Gedankenwelten oder stellt sie fernab der Begriffsverwendung unabhängige Neuentwicklungen des Ständestaatsgedankens dar? Kann man die Ständestaatskonzepte der Weimarer Republik wirklich pauschal beurteilen als antidemokratische, antimoderne Rückgriffe fast schon mittelalterlicher Ständestaatsideen? Gab es hierbei auch Weiterentwicklungen überkommener Ständestaatsideen? Sind die Ständestaatskonzepte zwischen 1918 und 1933 Neuauflagen, Weiterentwicklungen oder Neuentwicklungen?Inhaltsverzeichnis:Inhaltsverzeichnis: 1.Einleitung1 1.1Das Phänomen der Ständestaatsideen von 1918 bis 19331 1.2Aktueller Forschungsstand, Quellenlage und Hinweise zur Quellenrecherche4 1.3Vorgehensweise7 2.Vorbetrachtungen12 2.1Begriffsbestimmungen12 2.1.1Ständestaat12 2.1.2Gliederung, Hierarchie und Organismus13 2.1.3Stand und ständische Staatsordnungen16 2.1.4Berufsstand und berufsständische Staats- oder Wirtschaftsordnungen19 2.1.5Korporationen, Korporativismus und korporative Staats- oder Wirtschaftsordnungen22 2.2Die Ständestaatsideen und Konzepte bis 191826 3.Die deutschen Ständestaatskonzepte von 1918 bis 193332 3.1Theoretisch und wissenschaftlich begründete Konzepte32 3.1.1Der Universalismus (1921)33 3.1.2Das 'Prinzip der Hierarchie' bei Georg Weippert (1932)39 3.1.3Paul Karrenbrock und der völkische Berufsständestaat (1932)42 3.1.4Der 'Drang zur Gemeinschaft' bei Franz Jerusalem (1925)46 3.2Konfessionell begründete Konzepte48 3.2.1Der berufsständische Gedanke in der katholischen Soziallehre48 3.2.1.1Der Solidarismus bei Oswald Nell-Breuning (1932)49 3.2.1.2Die katholische Romantik bei August Pieper (1926)55 3.2.2Der protestantische Ständestaat bei Rudolf Craemer (1933)59 3.3Politisch begründete Konzepte62 3.3.1Altkonservative und Monarchisten62 3.3.1.1Der Ständestaat im altkonservativen und monarchistischen Kreis62 3.3.1.2Der monarchistische Ständestaat bei Max Wundt (1925)63 3.3.1.3Edgar Tatarin-Tarnheydens berufsständisches Rätesystem (1922)66 3.3.1.4Die Stein'sche Selbstverwaltungsidee bei Wolfgang Freiherr von Dungern (1928)70 3.3.1.5Friedrich Everling und die Rückkehr zum 'gesunden Mittelalter' (1924)74 3.3.1.6Die 'Steuergemeinschaften' bei Julius Bunzel (1923)78 3.3.2Jungkonservative81 3.3.2.1Der ständische Gedanke unter Einfluss von Arthur Moeller van den Bruck81 3.3.2.2Der Korporativismus im Sinne von Max Hildebert Boehm (1920)83 3.3.2.3Die konservative 'neuständische Verfassung' nach Heinz Brauweiler (1925)88 3.3.2.4Die berufsständischen Gesetzgebungsausschüsse bei Heinrich Herrfahrdt (1919/1932)91 3.3.2.5Autoritarismus und ständische Gliederung bei Edgar Jung (1927)96 3.3.2.6Der deutsche 'stato corporativo fasci' nach Carl Düssel (1933)99 3.4Nationalökonomisch begründete Konzepte: Die Werksgemeinschaftsideen104 3.4.1Ständestaat und Werksgemeinschaft104 3.4.2Die Werksgemeinschaften bei Paul Bang(1927)105 3.4.3Die berufsständische Weiterentwicklung des Werksgemeinschaftsgedankens bei Gerhard Albrecht (1932)108 4.Schlussbetrachtung: Die Ständestaatskonzepte von 1918 bis 1933 zwischen Neuauflagen, Weiterentwicklungen und Neuentwicklungen.111 4.1Entwicklungsgeschichtliche und inhaltliche Gemeinsamkeiten111 4.2Die wesentlichsten Unterschiede114 4.3Alternative Klassifizierungsmöglichkeiten115 4.4Neuauflagen ständestaatlicher Konzepte: Typen und ihre Merkmale118 4.5Weiterentwicklungen ständestaatlicher Konzepte: Typen und ihre Merkmale120 4.6Neuentwicklungen ständestaatlicher Konzepte: Typen und ihre Merkmale122 4.7Fazit und Ausblick125 5.Abbildungsverzeichnis127 6.Literaturverzeichnis128 6.1Die deutschen Ständestaatskonzepte von 1918 bis 1933128 6.2Abhandlungen zu Teilfragen einer neuen ständestaatlichen Ordnung sowie unvollständige Ständestaatskonzepte aus dem Zeitraum von 1918 bis 1933131 6.3Weiterführende und zeitgenössische Literatur bis 1945 im Kontext der untersuchten deutschen Ständestaatskonzepte von 1918 bis 1933134 6.4Weiterführende Literatur nach 1945141Textprobe:Textprobe: Kapitel 3.1.1, Der Universalismus (1921): Der Universalismus, aufbauend auf dem Werk Othmar Spanns, ist die wohl bekannteste und umfangreichste Ständestaatskonzeption aus dem untersuchten Zeitraum. Die von Spann begründete Schule umfasst ein umfangreiches Bild verschiedener Autoren, die jedoch alle auf seinen Gedankengängen aufbauen. Er entwickelte nicht nur ein umfangreiches und in sich geschlossenes Ständestaatskonzept, sondern auch ein Gesellschafts- und Weltbild. Obwohl Österreicher, hatte Spann auch in Deutschland einen enormen Einfluss. Zunächst zur Genealogie. Othmar Spann bekennt sich zur romantischen Geisteshaltung und bezieht mittelalterlich-universalistische Ideen mit ein. Von der Scholastik übernimmt er den Satz 'Das Ganze ist vor dem Teil' sowie das Bild von einer Gesellschaft als göttliche Schöpfungsordnung. Vom deutschen Idealismus übernimmt er die These 'Gesellschaft ist Geist' und das Bild vom Staat als Ganzheit, von der Romantik übernimmt er unter anderem die Kritik an der Aufklärung, Rationalismus und Individualismus. Der Universalismus selbst ist in Methodik und Inhalt deutlich vom mittelalterlich-kirchlichen Weltbild geprägt. So ist die Nähe zu Thomas von Aquin und seiner metaphysischen hierarchischen Weltordnung deutlich. Mehrfach erwähnte er den Aufbau der katholischen Kirche als ideales Vorbild der Gesellschaft. Seine Philosophie basiert auf der Ganzheitslehre. Demnach definiert er das Ganze nach vier Lehrsätzen : 'Das Ganze als solches hat kein Dasein (1); es wird in den Gliedern geboren (2); darum ist es vor den Gliedern (3); es geht in den Gliedern nicht unter (4).' Diese Lehrsätze werden nun auf Staat und Gesellschaft übertragen. Der Staat als solcher, als Organismus, ist nicht zu finden. Der Organismus ist nur in seinen Gliedern erkennbar. Die Glieder wiederum bestehen nur als Ganzes. Sie können nur sein als Darstellungen der ihnen übergeordneten Ganzheit. Durch die Geburt des Ganzen aus den Gliedern folgt logisch die Gliederung des Staates und der Gesellschaft. Alles Erkennbare in Staat und Gesellschaft, auch der Bürger an sich, sei nur Ausgegliedertes, das dem Ganzen als Glied angehöre. Diese bei Spann noch umfangreichere 'Ganzheitslehre' ist die Grundlage seiner Ständestaatskonzeption und Vorlage des Universalismus. Ein Stand ist nach Spann ein Glied der geistigen Gemeinschaft, der Ganzheit: 'Die Stände sind die Sendlinge und Schößlinge einer Stammeinheit, die sich in vereinzelt-selbstständige Organe spaltet und scheidet (differenziert). Sie sind Bestandsformen eines Urstandes, des geistigen Lebens, sie sind das Mannigfaltige in der Einheit.' Walter Heinrich formuliert Stände als 'organisierte Lebenskreise mit ihren arteigenen Verrichtungen für das Ganze.' Sie sind 'Leistungsgemeinschaften auf Grund von Lebensgemeinschaften.' Diese Lebenskreise bestehen in jeder Gesellschaft, unabhängig davon, ob sie einen ständischen Status besitzen. Und gerade diese Lebenskreise sind es, die erst die Vielfalt der Gesellschaft ausmachen. Der Einzelne ist nicht autark, sondern ist Teil einer Einheit. Die Gestalt der Stände ist bestimmt durch die Ausgliederungsordnung. Das Ganze stellt sich in verschiedenen Teilinhalten und Teilganzen dar. Teilganze der Gesellschaft sind z.B. Religion, Wissenschaft, Kunst, Sinnlichkeit; Sittlichkeit, Sprache oder Recht. Diese Ausgliederung findet aber ausschließlich in einer Stufenordnung (Hierarchie) statt und nicht in einem Nebeneinander: 'Die Glieder der Ganzheit haben nicht alle den gleichen Ganzheitsgehalt, somit nicht alle die gleiche Ganzheitsnähe – also verschiedenen Rang.' Die Folgerung für die Gesellschaft: Organische Ungleichheit statt atomistischer Gleichheit der Teile. Das gesamte Gesellschaftsbild Othmar Spanns kennt nur Rangordnungen. Das Ganze der Gesellschaft gliedert sich in 'Gezweiungen' und Gemeinschaften, Stand bedeutet für ihn zuerst die Eigenschaft als Glied des Ganzen. Durch verschiedene widersprüchliche Folgerungen dieser Ausgliederung definiert Spann die Stände später nur noch nach ihren Verrichtungserfordernissen: Artgleiche Verrichtungen werden in einem Stand zusammengefasst. Die Stände sind zunächst geistige Stände, nicht reale Stände, die nur geistigen Inhalt haben. Er unterteilt auch noch den 'Vollstand', zu dem ein geistiger Stand wird, wenn er anfängt zu handeln ('handelnder Stand'). Der geistige Stand bleibt 'VorStand'. Spann unterscheidet die Stände nach dem Grad ihrer Geistigkeit. Dabei kennt er drei Stufen geistiger Gemeinschaften: Jene mit vitalem Inhalt, höhere geistige aber reproduzierende und die geistig schöpferischen Gemeinschaften. Er unterteilt den Stand der niederen Handarbeiter, den Stand der höheren Arbeiter und den schöpferischen Stand. Jeder Stand und zusätzliche 'besondere Stände' werden ebenfalls vielfach unterteilt. Diese äußerst vielfältige Unterteilung gibt er in späteren Werken auf. So fasst er die niederen Handarbeiter, den Stand der höheren Arbeiter und den Stand der Wirtschaftsführer in einen rein wirtschaftlichen 'Nährstand' zusammen. Zu diesem kommen ein allgemeiner politischer Stand (Staat) mit dem Wehrstand und Priesterstand (Kirche) sowie der schöpferische Lehrstand hinzu. All diese Unterteilungen differenziert er in Neuauflagen seines Werkes 'Der wahre Staat' neu. Er führt schlussendlich auch die 'Berufsstände' ein, jedoch ohne den Beruf als ausschlaggebendes Kriterium zu nutzen. Die Berufsstände sind dabei, anders als bei den berufsständischen Konzepten, keine eigenständigen Stände, sondern Teilstände des Gesamtstandes der Wirtschaft. Da Sachfragen nur von den Fachleuten erledigt werden können, sollen auch nur jene die 'Sachsouveränität' ausüben, also die Selbstregierung innerhalb der Stände ausüben. Innerhalb der Stände definiert sich auch die Freiheit des Einzelnen. An Stelle der liberalen Freiheiten entsteht die organische Freiheit innerhalb der ständischen Bindung. An Stelle der 'Freiheit und Gleichheit' des Naturrechts tritt das Prinzip 'Gleichheit unter Gleichen' mit einer 'verhältnismäßigen Gleichheit'. Rechte und Pflichten sind je nach Stand unterschiedlich. Der Universalismus sieht sich als Antipode zu Demokratie und Parlamentarismus . Es bedürfe einer Gegenrenaissance zum Individualismus. Damit verbunden ist die Ungleichheit der Menschen: 'Gleichheit unter Gleichen. Unterordnung des geistig Niederen unter das geistig Höhere – Das sind die Baugesetze des wahren Staates.' Hinzu kommt die Ablehnung des gleichen Stimmrechts: 'Jeder Einzelne ist ein gleichwertiges Atom, Nietzsche und sein Stiefelputzer haben dieselbe Stimme, jeder wird mit gleichem Gewicht in die Waagschale geworfen und mitgewogen: die Mehrheit soll herrschen!' und weiter: 'Man soll die Stimmen nicht zählen, sondern wägen, nicht die Mehrheit soll herrschen, sondern das Beste.' Die beste politische Gestaltung der Stände unterliegt der Maßgabe, dass auch die besten Herrschen. Die ideale Staatsform ist folglich jene, 'welche die Besten zur Herrschaft bringt' , die eine Herrschaftshierarchie der Glieder und eine weitgehende Dezentralisation vorsieht. Statt einem Volk und einer Regierung gelte der Satz 'Viele Teilstände und Volkskreise, viele Teilregierungen und Standesgewalten.' Dies beinhalte jedoch auch die begrenzte Selbstbestimmung, Selbstverwaltung und Selbstregierung der Stände. Der Staat selbst wird nach Spann nicht durch ein Parlament oder eine demokratisch legitimierte Regierung geführt, sondern durch einen staatstragenden, 'politischen Stand' . Dieser ist vergleichbar mit einem Adel. Der Staat selbst ist Höchststand und 'Oberleiter der Stände' : 'Der Staat kommt von sich her; er beruht weder auf einem berufsständischen Wirtschaftsparlament, noch auf einem Parlament, das 'alles Volk' umfasst; er beruht, wie jeder Stand, auf einem eigenen Kreis von Menschen, die sich seinen arteigenen Aufgaben widmen und ihn tragen.' Diese Staatsführung ist betont autoritär und folgt dem Führerprinzip. Lediglich die berufsständisch organisierte Wirtschaft solle von einem wirtschaftlichen Ständehaus vertreten werden, in dem jedoch nur allgemeine Angelegenheiten der Wirtschaft behandelt werden. Er formuliert dabei einen dualen, doppelständischen Aufbau: Es gibt wirtschaftliche Stände und politische Stände, die jedoch keine strukturellen Unterschiede aufweisen.
"Kann der Kapitalismus weiterleben? Nein, meines Erachtens nicht."Schumpeters Beschäftigung mit dem Sozialismus hat nicht zuletzt angesichts des schier unaufhaltsamen Aufstiegs Chinas nichts an Aktualität eingebüßt. Er wagt die Auseinandersetzung mit großen gesellschaftspolitischen Fragen imSinne einer histoire raisonnée als Schlüssel zum Verständnis geschichtlicher Prozesse. Die 10. Auflage enthält erstmals auch Teil V des Werks, in dem Schumpeter Gemeinsamkeiten, vor allem aber Unterschiede zwischen sozialistischen Strömungen und Parteien in Europa, Russland und den USA herausarbeitet und den Aufstieg derSowjetunion kritisch erörtert. Eine Einführung in Schumpeters Thesen und deren Verortung in der zeitgenössischen und aktuellen Diskussion sowie eine Auswahlbibliografie erleichtern den Zugang zu diesem Standardwerk. Dieser Klassiker der Gesellschaftswissenschaften liegt in der 10. Auflage nunmehr erstmals vollständig übersetzt vor.
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