Sammelwerksbeitrag(gedruckt)2008

Seebeben mit Zuschauer: die Tsunami-Katastrophe als Weltereignis

In: Weltereignisse: theoretische und empirische Perspektiven, S. 227-247

Abstract

Es wird gezeigt, dass die Berichte über die Tsunami-Katastrophe und die sich anschließenden Diskussionen nicht nur in dem Sinn "international", dass an mehreren Orten der Welt und in vielen Sprachen über ein und dasselbe Thema geredet wurde. Vielmehr wurde im Rahmen dieses Diskurses die Weltgesellschaft selbst thematisch. Das ist insofern bemerkenswert, als die "Weltgesellschaft" oft einen eher diffusen - und nach Meinung einiger Beobachter: hoffnungslos abstrakten - Hintergrund sozialen Handelns abgibt. Für einen beschränkten Zeitraum aber wurde die Semantik der Weltgesellschaft gleichsam zur Praxis: Sowohl in der Gegenüberstellung mit der äußeren Natur als auch in der Reflexion interner Differenzen wurde die Einheit eines globalen Gesellschaftssystems kommunikativ zugänglich gemacht und damit selbst zum Thema. Man könnte auch von einem Fall akuter oder "heißer" Kosmopolitisierung sprechen - im Unterschied zur "banalen", unbemerkt bleibenden Kosmopolitisierung des Alltags. Bevor diese Hypothese im letzten Teil des Artikels anhand der Darstellung des Tsunamis und seiner Folgen in den Massenmedien überprüft wird, wird der Stellenwert dieser Katastrophe in der Weltgesellschaft des beginnenden 21. Jahrhunderts in drei Schritten präzisieren: Zunächst wird die Tsunami-Katastrophe als ein "Weltereignis" dargestellt, das durch die globale Teilnahme Betroffener einerseits und nicht betroffener Zuschauer andererseits konstituiert wurde. Im Anschluss wird gezeigt, an welchen Punkten der Kontext einer entwickelten Weltgesellschaft dieses Ereignis von früheren Naturkatastrophen, insbesondere dem Erdbeben von Lissabon, abhebt. Drittens wird die Rolle von Hilfsorganisationen und spontanen Hilfsprojekten für die episodische Realisierung und zeitweise "Eskalation" transnationaler Solidarität herausgestellt. Abschließend wird untersucht, in welcher Form "Weltgesellschaft" im Rahmen der Tsunami-Berichterstattung konkret thematisiert und damit performativ ins Zentrum der Solidaritätskundgebungen und Spendenrituale gestellt wurde. (LO2)

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