Open Access BASE2006

Hans Rietschel (1878-1970) - Direktor der Universitäts-Kinderklinik Würzburg von 1917-1946 ; Hans Rietschel (1878-1970) - Director of Pediatrics at the University Hospital Würzburg

Abstract

Hans Rietschel (1878-1970), Sohn des Leipziger Theologieprofessors Georg Rietschel Rietschel wurde am 11. September 1878 in Wittenberg (Kreis Wittenberg) geboren. Von 1897 – 1902 studierte er Humanmedizin in Leipzig und Tübingen. 1902 trat er nach bestandener Ärztlicher Prüfung und Promotion "Ueber verminderte Leitungsgeschwindigkeit des in 'Ringer'scher Lösung' überlebenden Nerven" seine erste klinische Stelle als Assistenzarzt an der Medizinischen Klinik der Universität Leipzig und dem Städtischen Krankenhaus St. Jakobus an. Seine pädiatrische Ausbildung erhielt Rietschel von 1904-1907 an der Kinderklinik der Charité in Berlin unter der Leitung von Otto Heubner, welcher das erste Ordinariat für dieses Fach im Deutschen Reich innehatte. Rietschels Arbeiten aus dieser Zeit beschäftigen sich schwerpunktmäßig mit der Ernährung des Säuglings. Von 1907-1917 war Hans Rietschel Dirigierender Arzt des Dresdner Säuglingsheimes. Für die Hygiene-Ausstellung 1911 verfasste er den Katalog für die Gruppe Säuglingsfürsorge, wofür ihm der Professorentitel verliehen wurde. 1917 wurde Rietschel als Extraordinarius für Kinderheilkunde an die Universität Würzburg berufen. 1921 wurde das Extraordinariat in ein planmäßiges Ordinariat umgewandelt. Unter seiner Leitung bezog die Kinderklinik 1923 neue Räumlichkeiten im Luitpoldkrankenhaus. Neben der Versorgung der kranken Kinder, welche sich besonders in den Jahren des zweiten Weltkrieges als schwierig erwies, zeichnen sich die Jahre unter Rietschel durch eine Vielzahl von wissenschaftlichen Arbeiten und Publikationen von ihm und seinen Mitarbeitern aus. Schwerpunkte waren neben der Säuglingsernährung vor allem die Infektiologie und die Vitaminforschung. Die "Ära" Rietschel von 1917-1946 beinhaltet auch die Zeitepoche des "Dritten Reichs". In dieser Zeit ergaben sich tiefgreifende Veränderungen der Rahmenbedingungen für die Pädiatrie in Form der Verfolgung der jüdischen Kinderärzte und der sogenannten "Euthanasie" selektierter Kinder. Die zugrunde liegenden Dokumente erwähnen drei jüdische Kinderärzte in Rietschels Abteilung vor 1933 und keinen danach. Eine Beteiligung von Rietschel oder seiner Abteilung an der Kindereuthanasie konnte nicht nachgewiesen werden. Die Sterilisation von Kindern wurde im Rahmen dieser Arbeit nicht systematisch aufgearbeitet. In den vorliegenden Dokumenten erscheint Hans Rietschel nicht als überzeugter Nationalsozialist, Antisemit oder als Mensch, welcher mit sogenannten eugenischen Ideen sympathisierte, die ab Ende des 19. Jahrhunderts mehr und mehr Verbreitung fanden. Von 1933-1938 war Rietschel Vorstandsmitglied und von 1934-1936 Vorsitzender der DGfK (Deutsche Gesellschaft für Kinderheilkunde). In dieser Position tritt er als Dulder nationalsozialistischer Politik, insbesondere bei der Verfolgung jüdischer Pädiater auf. Die Alliierten entließen Rietschel 1946, nach dem 2. Weltkrieg, von seiner Position. Weiterhin wurde er als Mitläufer von der Spruchkammer entnazifiziert. Bis 1953 kämpfte er, letztendlich mit Erfolg, um seine Emeritierung. 1958 wurde ihm der Ehrendoktor von der Universität Dresden, 1965 die Rinecker-Medaille in Gold von der Medizinischen Fakultät der Universität Würzburg verliehen. 1970 starb Hans Rietschel nach kurzer Krankheit in Wertheim, Bayern. ; Hans Rietschel (1878–1970), son of Georg Rietschel, Professor of Theologie at the University of Leipzig, was born on 11 September 1878 in Wittenberg (Wittenberg county). From 1897–1902 he studied medicine at the Universities of Leipzig and Tübingen. Having passed his medical degree and thesis "Ueber verminderte Leitungsgeschwindigkeit des in 'Ringer'scher Lösung' überlebenden Nerven" in 1902 he started his career as a clinician at the Medizinischen Klinik, University of Leipzig and the Municipal Hospital St. Jakobus, Leipzig. From 1904-1907 his specialisation in Paediatrics was supervised by Otto Heubner Department of Paediatrics at the Charité in Berlin. Otto Heubner was the first "Ordinarius" for Paediatrics in Germany. Rietschels scientific publications dating from those years deal with problems concerning the nutrition of neonates and infants. From 1907-1917 Hans Rietschel was the directing physician at an institution for ill neonates and infants in Dresden. As a reward for his work during the exhibition for Hygiene in 1911 in Dresden he was honoured with the title of a professor. In 1917 Rietschel became "Extraordinarius" in Paediatrics at the Universitiy of Würzburg. 1921 the University changed this into a "planmäßiges Ordinariat". In 1923 the department moved into the newly built Luitpold- hospital. Besides patient care, which was difficult during the years of World War II, Rietschel supervised a great number of scientific projects in the fields of paediatric nutrition, infectiology and the role of vitamin C and D. The "era" Rietschel from 1917-1946 includes also the era of the "3rd Reich". During this period the pediatricians and the children were submitted to new difficult circumstances as persecution of the Jewish paediatricians und the so called "Euthanasia" of selected children. Regarding the documents which where accessible, it can be stated that there were three Jewish paediatricians in Rietschels department before 1933, but none after 1933. There was no proof found of any participation of Rietschel or his department in "Euthanasia" of children. The sterilisation of children was not investigated systematically. According to the documents available, Rietschel does not appear to be convinced of the ideas of nationalsocialism or anti-Semitism or so called "eugenic ideas" which were quite popular from the end of the 19th century onwards. From 1933-1938 Rietschel was part of the leading committee, from 1934-1936 chairman of the German society of Paediatricians (DGfK). In this position he tolerated the politics of nationalsocialism, especially the persecution of the Jews in the community of the paediatricians. In 1946, after World War II, Rietschel was dismissed from his position by the allied forces. The board of denazification classfied him as a nominal member of the fascist regime. Until 1953 he fought for his pension, finally with success. In 1958 he was honoured with the doctor of honours by the University of Dresden, 1965 with the "Rinecker Medal" in gold by the Medical Faculty of the University of Würzburg. In 1970 Hans Rietschel died after a short period of illness in Wertheim, Bavaria.

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