Der Gottesknecht als anthropologische Figur in der Bildungswissenschaft ; The Servant of God as an Anthropological Figure in Theory of Education
Abstract
Die Bezeichnung "Gottesknecht" begegnet überraschenderweise auch in der Bildungswissenschaft, und zwar als anthropologische Metapher für das mittelalterliche Menschenbild. Mit diesem Begriff verbindet sich nicht nur ein negatives Menschenbild, sondern auch ein ebensolches Gottesbild: Der Mensch unterwirft sich Gott als seinem Herrn. Damit verliert der Mensch auch seine Würde, insofern er auf eigenständigen Vernunftgebrauch verzichtet (sacrificium intellectus). Erst die Aufklärung habe darauf mit einer konsequenten Detheologisierung reagiert. Nur so könne der Mensch seine Würde verteidigen, gestützt auf die eigene Vernunft. – Wie kann die alttestamentliche Bibelwissenschaft darauf reagieren? Ist Detheologisierung notwendig zur Verteidigung der Menschenwürde? Oder gibt es auch eine theologisch begründete Menschenwürde? Klassische biblische Zeugnisse (Gen 1,26; Ps 8) bieten ein nahezu postmodern anmutendes theologisches Konzept der Menschenwürde. Sie besteht darin, dass Gott den Menschen zu seinem Stellvertreter auf Erden einsetzt. Die deuteronomische Rechtsordnung kann so verstanden werden: Das Gottesrecht sichert in Gestalt der Menschenrechte die Würde aller Menschen. Die Anerkennung der Menschenrechte zeichnet eine "gebildete Gesellschaft" aus. Laut Weisheitstradition (Spr; Sir) setzt die Anwendung der Tora übrigens die menschliche Vernunft voraus. Von der Notwendigkeit einer Detheologisierung zur Wahrung der Menschenwürde kann also keine Rede sein, im Gegenteil: Das Gottesrecht (Tora) sichert die allgemeine Menschenwürde. Die Würde des biblischen Gottesknechts (DtJes) besteht schließlich in seinem Auftrag, die Tora zu universalisieren. ; Surprisingly, the term "servant of God" is also used in educational science, namely as an anthropological metaphor for the medieval image of man. This term is not only associated with a negative image of man, but also with a similar image of God: man submits to God as his master. With this, man also loses his dignity, insofar as he renounces the independent use of reason (sacrificium intellectus). Only the Enlightenment reacted to this with a consistent detheologisation. Only in this way man is said to defend his dignity, based on his own reason. ‒ How can Old Testament biblical scholarship react to this? Is detheologisation necessary for the defense of human dignity? Or is there also a theologically based human dignity? Classical biblical testimonies (Gen 1:26; Ps 8) offer an almost postmodern theological concept of human dignity. It consists in God appointing man as his representative on earth. The Deuteronomic legal order can be understood in this way: God's law secures the dignity of all human beings in the form of human rights. The recognition of human rights characterises an "educated society". According to the wisdom tradition (Prov; Sir), the application of the Torah presupposes human reason. So there is no question of the necessity of detheologisation to preserve human dignity, on the contrary: God's law (Torah) secures universal human dignity. The dignity of the biblical servant of God (DtJes) ultimately consists in his mission to universalise the Torah.
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Herausgeberin: Arbeitsgemeinschaft der Assistentinnen und Assistenten an bibelwissenschaftlichen Instituten in Österreich (ArgeAss)
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