Ausländische Direktinvestitionen in Slowenien: Diplomarbeit
In: Wirtschaft
Als am 26. Juni 1991 die Gunst des "Wind of Change" genutzt wurde, den Michail Gorbatschow mit seiner Reformpolitik in der UdSSR ausgelöst hatte, und die Unabhängigkeit vom jugoslawischen Vielvölkerstaat erklärt wurde, kannte der Optimismus bei den ca. 2 Millionen Einwohnern der Alpenrepublik Slowenien kaum mehr Grenzen. Zum einen konnte der alte Traum von nationaler Selbstbestimmung zum ersten Mal in der Geschichte realisiert werden, nachdem man mehrere Jahrhunderte lang als Spielball der umliegenden Mächte fungieren musste und eine mehr als wechselvolle Geschichte der Fremdbestimmtheit hinter sich hatte. Zum anderen kam man aus den Wirren eines auseinander brechenden Jugoslawiens, mit all seinen ethnischen und wirtschaftlichen Problemen, mehr als glimpflich heraus, obwohl man eigentlich zusammen mit Kroatien Initiator eben dieses Zusammenbruchs war. Zum Dritten wurden die ökonomischen Ausgangsbedingungen im eigenen Land geradezu euphorisch positiv eingeschätzt. Immer wieder tauchte in der öffentlichen Diskussion der Begriff "Schweiz der Reformstaaten" auf. Dies stützte sich einerseits auf die Tatsache, dass man in fast allen Belangen im ehemaligen Jugoslawien als Musterschüler gegolten hatte und eine gut ausgebaute Infrastruktur besaß, andererseits auf die traditionell guten Beziehungen zu den westlichen Industrienstaaten – vor allem zu Österreich, Deutschland, Frankreich und der Schweiz. Innerhalb der sozialistischen Staaten kam es schon sehr früh zu einem Bruch des jugoslawischen Staatsgründers Josip Broz Tito mit der Sowjetunion und infolgedessen zu einer eigenen Interpretation sozialistischen Wirtschaftens, die sich im so genannten "jugoslawischen Modell der Arbeiterselbstverwaltung" manifestierte. Dieses enthielt, im Gegensatz zu den sozialistischen Satellitenstaaten, die unter sowjetischem Einfluss standen, marktwirtschaftliche Elemente und ließ Privatbesitz innerhalb definierter Grenzen zu. Obwohl das "jugoslawische Modell" letztlich infolge systembedingter Schwächen landesweit kollabierte, funktionierte es in der nördlichsten Teilrepublik aufgrund immer wieder eingeleiteter marktwirtschaftlicher Reformen noch am effektivsten, so dass Slowenien mit einen Gesamtbeitrag von 11 % zu den wesentlichen Nettobeitragszahlern innerhalb des jugoslawischen Bundeshaushalts gehörte. Beinahe 18 % der jugoslawischen Wirtschaftsleistung wurde von Slowenien erwirtschaftet, dessen Bevölkerungsanteil kaum 8 % betrug. Mit einem Pro-Kopf Einkommen von ca. 6.000 USD lag man bereits zum Zeitpunkt der Sezession über den Werten der EU-Staaten Portugal und Griechenland. Während südliche Republiken wie bspw. das Kosovo 27 % des durchschnittlichen jugoslawischen Pro-Kopf- Sozialproduktes erwirtschafteten, steigerte Slowenien seine Werte zum Zeitpunkt der Sezession auf 203 %. Das zunehmende Nord-Süd-Gefälle versuchte die jugoslawische Zentralregierung durch eine immer stärkere Umverteilung zu bekämpfen, was jedoch zu erheblichen Spannungen und Unmut bei der slowenischen Führung und der Bevölkerung führte. Im Gegensatz zu den südslawischen Nachbarrepubliken verbrachte Slowenien mehr als 1000 Jahre seiner Geschichte unter deutscher Oberherrschaft, was seine Spuren in puncto Fleiß und Ordnungsliebe derart hinterließ, dass die Slowenen als die Preußen Jugoslawiens galten und innerhalb Jugoslawiens oft als Sonderlinge angesehen wurden. Aber genau dieses Wissen um die eigene Stärke und Leistungsbereitschaft nährte den Optimismus nach der Sezession. Nachdem man sich des Klotzes der Transferleistungen gen Süden entledigt hatte, deuteten scheinbar alle Indikatoren auf ein Erfolgsmodell hin. Der Euphorie folgte jedoch, analog zu den anderen Transformationsstaaten Mittel- und Osteuropas, eine tief greifende Transformationskrise, die durch folgende Charakteristika gekennzeichnet werden kann: - Wegfall traditioneller Absatzmärkte in den postkommunistischen Staaten. - starker Anstieg der Inflation, ausgelöst durch binnenwirtschaftliche Liberalisierung und monetäre Reformen. - rapide Verringerung der Industrieproduktion und des Bruttoinlandsproduktes. - sinkende Arbeitsproduktivität durch die nicht erfolgte Anpassung der Beschäftigtenzahlen, danach zunehmende Arbeitslosigkeit, sinkende Reallöhne und abnehmender Lebensstandard. - starke Verschuldung der Betriebe. Obwohl auch Slowenien all diese Begleiterscheinungen der Transformationskrise durchlaufen hat, gab es signifikante Unterschiede in der Umsetzung der zentralen Elemente des Transformationsprozesses gegenüber anderen Reformstaaten, worauf im Folgenden noch näher eingegangen wird. Grundsätzlich ist der Transformationsprozess von einer sozialistischen Planwirtschaft zu einer freiheitlich orientierten Marktwirtschaft im Wesentlichen gekennzeichnet durch: - die Freigabe der Planpreise. - den Abbau makroökonomischer Ungleichgewichte durch eine restriktive Geld- und Fiskalpolitiksierung der Staatsbetriebe, bzw. die Liberalisierung der Wirtschaft. - die außenwirtschaftliche Öffnung. Relevant in diesem Zusammenhang ist die Frage, welche Reformkräfte den Transformationsprozess leiten und welche Geschwindigkeit bei der Implementierung marktwirtschaftlicher Strukturen gewählt wird. Dabei stehen sich die Befürworter einer radikalen Schocktherapie, also einer zügigen und parallelen Implementierung demokratischer und marktwirtschaftlicher Strukturen bzw. die Anhänger einer graduellen und partiellen Transformation argumentativ unvereinbar gegenüber. Im konkreten Falle Sloweniens wurde der "weiche" Weg eingeschlagen, was nicht zuletzt damit zusammenhing, dass die Träger des Reformprozesses im Wesentlichen Reformkommunisten, also die alten Eliten, waren. Im Gegensatz zu anderen postkommunistischen Staaten entwickelte sich in Slowenien keine nennenswerte politische Gegenkultur, die von prominenten Dissidenten angeführt worden wäre. Vielmehr war das Scheitern des jugoslawischen Modells Ende der 80er Jahre so evident, dass die kommunistische Führung Sloweniens die ökonomische Notwendigkeit marktwirtschaftlicher Reformen und demokratischer Strukturen von sich aus erkannte. Dies brachte sie allerdings in erhebliche Konflikte mit den restlichen Republiken Jugoslawiens, die unter Führung Serbiens die wirtschaftlichen Probleme innerhalb des alten Systems lösen wollten. Als immer deutlicher wurde, dass eine liberale Wirtschaftsordnung innerhalb der jugoslawischen Föderation nicht umzusetzen war, erfolgte der Austritt aus dem Bund der Kommunisten Jugoslawiens und als letzte Konsequenz die Sezession. Die politische Elite verteilte sich daraufhin auf die ca. 20 Gruppierungen und Parteien, die sich nun neu gründeten. Zwar gewann bei den ersten slowenischen Parlamentswahlen im April 1990 mit DEMOS ein konservativ orientiertes Mitte-Rechts-Bündnis, welches sozialistische Neu- oder Nachfolgeparteien ausschloss, doch waren auch die meisten der führenden Politiker von DEMOS in verschiedensten Funktionen bereits im alten System aktiv. Das Bündnis zerbrach im April 1992, und unter Ministerpräsident Janez Drnovšek, der im Zuge des Rotationsprinzips von 1989 bis 1990 bereits jugoslawischer Staatspräsident gewesen war, wurde eine Linksregierung gebildet, die hauptsächlich aus sozialistischen Reformparteien bestand. In wechselnden Koalitionen und mit einer kurzen Unterbrechung blieb Drnovšek als Vorsitzender der Liberaldemokratischen Partei bis 2002 Ministerpräsident, war also als zentrale politische Figur für den Transformationsprozess verantwortlich. Charakteristisch für den slowenischen Weg der Transformation ist einerseits das offensichtliche Bemühen, extreme soziale Härten zu verhindern, andererseits ein ausgeprägter globalisierungskritischer Protektionismus, dessen Hauptursache in der öffentlich immer wieder diskutierten Befürchtung vor einem "Ausverkauf" der slowenischen Wirtschaft zu sehen ist, so dass in der ersten Phase der Privatisierung kaum ausländische Investoren berücksichtigt wurden. Allerdings ergaben sich aus den Besonderheiten des jugoslawischen Modells der Arbeiterselbstverwaltung zum Teil recht komplexe Konstellationen, da die Betriebe konzeptionell weder staatliches noch privates Eigentum waren, sondern genau genommen gesellschaftliches Eigentum. Belegschaften und Pensionäre vertraten sehr lautstark ihre Interessen und forderten eine angemessene Partizipation am Privatisierungsprozess. Die Politik reagierte, indem ein regelrechter "Spagat" zwischen wirtschaftlichen, sozialen und politischen Interessen vollzogen wurde. Im Gegensatz zu anderen Transformationsstaaten wurde ein Unternehmen erst dann privatisiert, wenn es als wettbewerbsfähig eingestuft wurde. So sollten Spekulanten abgeschreckt und größere Pleiten verhindert werden. Auf ausländische Investoren wirkte diese Vorgehensweise zunächst jedoch abschreckend, so dass ausländische Direktinvestitionen (ADI) mit ca. 1 % des BIP lange auf einem sehr schwachen Niveau stagnierten und kaum frisches Kapital ins Land floss. Mit einem entschiedeneren Vorantreiben der Privatisierung und Liberalisierung seit 1998 sowie diversen flankierenden Maßnahmen wurden die Aktivitäten jedoch intensiviert, so dass sich die erhöhten Investitionsanreize mittlerweile auch in höheren Direktinvestitionen ausländischer Investoren widerspiegeln. Begünstigt wurden diese positiven Entwicklungen nicht zuletzt auch durch das Bemühen um einen Beitritt zur EU, der am 1. Mai 2004 realisiert werden konnte. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, die grundsätzlichen Determinanten der Standortwahl zu bestimmen und die bisherigen Direktinvestitionsströme sowie die Standortqualität Sloweniens zu analysieren. Als Basis werden deshalb in Kapitel zwei die Motive und die ökonomischen Theorien untersucht, die die Beweggründe für das Tätigen von Direktinvestitionen näher beleuchten. Ausgehend von diesen Erkenntnissen werden Einflussgrößen und Faktoren, die für eine internationale Investitionsentscheidung maßgebend sind, sowie die Auswirkungen auf das Ziel- und Geberland analysiert. Kapitel zwei legt also die theoretische Grundlage für die weitere Analyse fest. Kapitel drei beschäftigt sich mit den realen Direktinvestitionsströmen in Slowenien und deren struktureller und regionaler Verteilung. Gegenstand des Kapitels vier ist eine umfassende Analyse der konkreten Rahmenbedingungen für Investoren in Slowenien anhand der in Kapitel zwei entwickelten Einflussgrößen. Vor dem Hintergrund dieses Soll- Ist-Vergleiches werden in Kapitel fünf die wichtigsten Erkenntnisse der Arbeit zusammengefasst, die Lehren aus dem bisherigen Transformationsprozess gezogen sowie ein Ausblick formuliert. Inhaltsverzeichnis: ErklärungII InhaltsverzeichnisIII AbbildungsverzeichnisV TabellenverzeichnisVII AbkürzungsverzeichnisVIII 1.Problemstellung1 2.Theorie der Direktinvestitionen, Einflussgrößen und Wirkungen6 2.1Definitorische Begriffsabgrenzung6 2.2Erscheinungsformen und Arten von Direktinvestitionen9 2.3Voraussetzungen und Motive von Direktinvestitionen10 2.4Ökonomische Partialtheorien13 2.4.1Entscheidungsbegründende Ansätze13 2.4.2Standorttheoretische Ansätze15 2.5Eklektischer Ansatz nach Dunning18 2.6Einflussgrößen und Wirkungen von Direktinvestitionen19 2.6.1Determinanten des Entscheidungsprozesses19 2.6.1.1 Politische, rechtliche und institutionelle Rahmenbedingungen19 2.6.1.2Infrastruktur, Privatisierungs- und Restrukturierungsmaßnahmen22 2.6.1.3Fiskalische Stabilität und steuerliche Rahmenbedingungen24 2.6.1.4Marktgröße und Marktwachstum26 2.6.1.5Arbeitskosten und Humankapital27 2.6.1.6Außenhandelspolitik und wirtschaftspolitische Anreize29 2.6.2Grundsätzliche Wirkungen auf das Zielland30 2.6.3Grundsätzliche Wirkungen auf die Geberländer31 3.Wirtschaftsstruktur und ADI in Slowenien32 3.1Ausgangssituation und Wirtschaftstruktur32 3.2Direktinvestitionsströme in Slowenien37 3.2.1Sektorale Analyse39 3.2.2Regionale Analyse43 4.Analyse der Einflussgrößen und ihrer Wirkungen in Slowenien47 4.1Politische, rechtliche und institutionelle Rahmenbedingungen47 4.2Infrastruktur, Privatisierungs- und Restrukturierungsmaßnahmen53 4.3Fiskalische Stabilität und steuerliche Rahmenbedingungen58 4.4Marktgröße und Marktwachstum63 4.5Arbeitskosten und Humankapital66 4.6Außenhandelspolitik und wirtschaftspolitische Anreize72 5.Resumee74 5.1Zusammenfassung und Schlussfolgerungen74 5.2Ausblick79 Literaturverzeichnis81 Internetverzeichnis90