Falsche Erinnerungen in der Forschung und der Glaubhaftigkeitsbegutachtung: Ein Kommentar zum Beitrag von Jäckel & Orth (2021)
In: Rechtspsychologie: RPsych ; Zeitschrift für Familienrecht, Strafrecht, Kriminologie und soziale Arbeit, Band 10, Heft 2, S. 205-226
ISSN: 2942-335X
Unsere kürzlich veröffentlichte Studie zur Reversibilität suggestiver Einflüsse auf autobiographische Erinnerungen (Oeberst et al., 2021) nahmen Jäckel und Orth (2021) zum Anlass, deren Bedeutung für die forensische Praxis der Glaubhaftigkeitsbegutachtung zu diskutieren. Dabei kommen sie zu dem Ergebnis, dass "eine praktische Verwendung der Techniken noch nicht hinreichend genug untersucht und empirisch abgesichert ist" (S. 113). Vielmehr bedürfe es der Replikation unserer Befunde sowie auch der Sicherstellung der Reliabilität und externen Validität unserer Ergebnisse. Diesem Fazit stimmen wir uneingeschränkt zu, selbst wenn wir die meisten der angeführten Kritikpunkte—aus unserer Sicht—entkräften können. Wir plädieren allerdings auch dafür, dieselben Anforderungen an die bereits bestehende Praxis der Glaubhaftigkeitsbegutachtung anzulegen: Bislang wurde keine Studie publiziert, welche die Reliabilität und Validität der Analyse der Aussageentstehung und -entwicklung untersucht hat, sodass keinerlei Gütekriterien für diese Praxis existieren. Mehr noch, verschiedene empirische Befunde werfen durchaus Zweifel an einer akzeptablen Reliabilität—und damit auch hinreichenden Validität—des Vorgehens auf.