Früher waren das Leben und Sterben von Tieren in engster Nachbarschaft zum Menschen selbstverständlich. Zahl und Stellenwert der gehaltenen Tiere hingen von ihrer Bedeutung für das menschliche Überleben ab. Fleisch war und blieb damit für sehr viele Menschen bis ins 20. Jahrhundert hinein ein rares Gut, zumal angesichts einer wachsenden Bevölkerung sowie Kriegs- und Krisenzeiten.
Barbara Wittmann: Intensivtierhaltung: Landwirtschaftliche Positionierungen im Spannungsfeld von Ökologie, Ökonomie und Gesellschaft. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2021. 978-3-525-31727-3
In den vier Jahrzehnten nach 1945 lösten Schweinebauern und -bäuerinnen, Agrarplaner/innen und -politiker/innen sowie Ingenieur/innen und Wissenschaftler/innen in staatlichem Forschungsauftrag die Haltung von Schweinen aus ihren ortsgebundenen landwirtschaftlichen Bedingungen. In beiden deutschen Staaten machten sie aus ihr eine ortsunabhängig reproduzierbare und technikgestützte Unternehmung. Dieser Aufsatz untersucht, welche Verschiebungen dieser Prozess im Verhältnis zwischen Mensch, Tier und Technik auslöste. Technische Veränderungen transformierten das Verhältnis zwischen Mensch und Tier in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts grundlegend. Das tägliche "doing technology" im Stall änderte das Selbstkonzept der im Schweinestall arbeitenden Menschen und ebenso das Konzept, das diese Menschen von den Tieren hatten, die sie bewirtschafteten. Anhand von drei Fallbeispielen technischer Veränderung im Schweinestall, dem Kastenstand in der Ferkelaufzucht, Fütterungsautomaten und dem Spaltenboden, werden die Auswirkung der Technisierung auf das Arbeiten im Schweinestall und auf die ökonomische Effektuierung der Produktion nachgezeichnet. Eine Wissensgeschichte der technischen Transformation, der sich dieser Text zurechnen lässt, löst die Dichotomie zwischen Expert/inn/en auf der einen und Praktiker/inne/n auf der anderen Seite auf, verdeutlicht die Relevanz von auch praktischem Wissen und legt die Auseinanderentwicklung der technikbezogenen Wissenshorizonte zwischen den Akteuren der Schweinehaltung und der außerlandwirtschaftlichen Gesellschaft offen.
Current discussions of the conditions in industrialized farming, particularly those of animal husbandry, are often polemical and fixate on deficiencies. The story of how animal farming developed has so far largely remained untold, although it is precisely the historical perspective that could add depth to the discussion. This article makes the case for a social history of animal farming in Europe in the twentieth century. This history took place on two levels;on the farm and in society at large. Industrialized animal farming produced economic and socio-cultural transformations and thus allows an understanding of the changing human-animal relationships. What happened on the farm between animals, humans and technology is closely entangled with how society conceptualized farm animals: It led to a politico-economic reality that in turn shaped human imagination. This article attempts to write a history of animal production by shedding light on cattle farming in the 1970s in both German states. ; Current discussions of the conditions in industrialized farming, particularly those of animal husbandry, are often polemical and fixate on deficiencies. The story of how animal farming developed has so far largely remained untold, although it is precisely the historical perspective that could add depth to the discussion. This article makes the case for a social history of animal farming in Europe in the twentieth century. This history took place on two levels;on the farm and in society at large. Industrialized animal farming produced economic and socio-cultural transformations and thus allows an understanding of the changing human-animal relationships. What happened on the farm between animals, humans and technology is closely entangled with how society conceptualized farm animals: It led to a politico-economic reality that in turn shaped human imagination. This article attempts to write a history of animal production by shedding light on cattle farming in the 1970s in both German states.
Im Stall von 1990 erinnerte wenig an das dortige Geschehen vierzig Jahre zuvor. Neue Tiere produzierten die begehrtesten Lebensmittel der Konsumgesellschaft, Fleisch, Milch und Eier, so günstig wie noch nie. Gleichzeitig verschwanden sie hinter die Kulissen des gesellschaftlichen Lebens. In beiden deutschen Staaten sahen Agrarpolitik, Tierzucht, Tiermedizin, Agrarwissenschaft und die Bauern und Bäuerinnen vor Ort in einer Rationalisierung der Tierhaltung die vielversprechendste Möglichkeit, Anschluss an die Entwicklungen der Wohlstandsgesellschaft zu halten. Veronika Settele untersucht die Entwicklung der industrialisierten Massentierhaltung und zeigt dabei zugleich, warum sie trotz ihrer enormen ökonomischen Erfolge seit den 1970er Jahren Gegenstand einer kritischen Diskussion wurde.
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Intro -- Title Page -- Copyright -- Table of Contents -- Body -- Vorwort -- Einleitung: Tier, Stall und Gesellschaft -- 1. Rinder: Optimierung von Körpern -- 1.1 Arbeit am Tier I: Wiederaufbau im Stall -- 1.1.1 Kuhlose Neubauern und die fehlenden Tiere der DDR -- 1.1.2 Transatlantische Geschenkrinder und Wiederaufbau in der Bundesrepublik -- 1.1.3 Kranke Tiere im Stall -- 1.2 Arbeit am Tier II: Füttern, Melken und die tägliche Arbeit im Stall -- 1.2.1 Füttern: Kampf dem Luxuskonsum! -- 1.2.2 Melken: Eine Maschine verändert Mensch und Tier -- 1.2.3 Zusammenfassung: Füttern, Melken und der Alltag im Rinderstall -- 1.3 Arbeit am Tier III: Züchten und die stetige Umgestaltung des Rindes -- 1.3.1 Gott und Staat, Prestige und Regulierung: Die Erfindung der Rassen im 19. Jahrhundert -- 1.3.2 Rinder züchten in der Bundesrepublik -- 1.3.3 Das Schwarzbunte Milchrind, Masthybriden und Populationsgenetik in der DDR -- 1.3.4 Künstliche Besamung: Neue Praktiken im Stall und die Internationalisierung der Rinderreproduktion -- 1.3.5 Zusammenfassung: Neue Tiere für eine neue Landwirtschaft -- 1.4 Zwischenfazit: Staat, Stall, Tier und ihre bioökonomische Verquickung -- 2. Hühner: Rentabilisierung des Wirtschaftens -- 2.1 Früher war auch keine Idylle: Vorindustrielles Wirtschaften in den 1950er Jahren -- 2.1.1 Hühnerhaltung in weiblicher Tradition -- 2.1.2 Internationale Inspiration: Deutsche Hühnerexperten in den USA -- 2.1.3 Leistung und Spezialisierung in Deutschland -- 2.2 Volkswirtschaft: Huhn und Handelsliberalisierung im Chicken War, 1961-1963 -- 2.2.1 Der Deutschen Hähnchenhunger und die überseeische Karriere der US-Broiler, 1956-1961 -- 2.2.2 Das US-Import-Huhn als Gegenstand diplomatischer Verwicklung, 1961-1963 -- 2.3 Betriebswirtschaft: Kostenrechnung als neues Bekenntnis im Stall -- 2.3.1 Economies of Scale I: Raum.
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Ernährung ist in Mode. Gerade in Verzicht und Vermeidung von Nahrungsmitteln liegt heute das Heil für Mensch und Gesellschaft. Wie kam es, dass Essen entgegen seiner physiologischen Funktion zur Bedrohung von Gesundheit und Gesellschaft wurde?Ende des 19. Jahrhunderts verbesserte sich die Verfügbarkeit von Lebensmitteln in Industrieländern derart, dass die zuvor periodisch wiederkehrenden Hungersnöte überwunden waren. Nicht-Essen stand nicht länger allein für Knappheit und Armut, sondern bekam als Ausdruck bewussten Handelns eine neue Bedeutung. Gesellschaften begannen, sich entlang des Essensverzichts sozial und kulturell zu organisieren. Diäthalten und Schlanksein, Hungerstreik und Vegetarismus, Knappheit und Mangel, Gesundheitsvorsorge und Rationalisierung sind nur einige der im Band behandelten Themen, in denen das Nicht-Essen historisch relevant wurde. Alle Spielarten des Nicht-Essens erhellen Praktiken der Selbstverantwortung, staatliche Regulierung sowie individuelle und kollektive Sinnbildung und ermöglichen so, gesellschaftliche Wandlungsprozesse zu entziffern.Der Band schreibt mit seinem kulturhistorischen Zugriff auf das "Nicht-Essen" ein neues Kapitel der Essensgeschichte. Er richtet sich sowohl an Historiker und Historikerinnen als auch an all diejenigen Leserinnen und Leser, die sich für das Verhältnis von Individuum, Nahrung und Gesellschaft interessieren.
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