Martin Lennings und das Rätsel des Reichstagsbrandes
In: Geschichte in Wissenschaft und Forschung
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In: Geschichte in Wissenschaft und Forschung
Hauptbeschreibung: "Man hat mich gewarnt, dass mir Gefahr drohe. Aber ein preußischer Offizier fürchtet sich nicht!" (Kurt von Schleicher am Tag vor seiner Ermordung). Kurt von Schleicher war der wohl glückloseste Kanzler, den Deutschland je hatte: Nach einer Amtszeit von nicht einmal zwei Monaten musste er am 28. Januar 1933 seinen Platz räumen und Adolf Hitler die Bahn frei machen, der ihm am 30. Januar 1933 im Amt des Regierungschefs des Deutschen Reiches nachfolgte. Der Mord an Hitlers Amtsvorgänger als Reichskanzler gehört zu den bisher ungeklärten Kriminalfällen nach der Machtergreifung de
In: De Gruyter eBook-Paket Geschichte
Werner von Rheinbaben (1878–1975) entstammte einer der führenden Familien des Wilhelminischen Deutschlands. Nach einer steilen Karriere in der kaiserlichen Marine trat er 1912 in den diplomatischen Dienst ein. Als Sekretär der deutschen Gesandtschaft in Brüssel übergab er im August 1914 das Ultimatum an die belgische Regierung, das den Beginn des Ersten Weltkriegs im Westen markierte. Der Zusammenbruch der Monarchie veranlasste Rheinbaben 1919 dazu Berufspolitiker zu werden: Als außenpolitischer Experte der Deutschen Volkspartei (DVP) und rechte Hand ihres Vorsitzenden und langjährigen deutschen Außenminister Gustav Stresemann verfasste er das außenpolitische Grundsatzprogramm seiner Partei: Von 1920 bis 1930 saß er als Abgeordneter im Reichstag, 1923 wurde er Chef der Reichskanzlei, später deutscher Deputierter beim Völkerbund und zuletzt Leiter der deutschen Delegation bei der Internationalen Abrüstungskonferenz in Genf (1932/1933). Von Hitler als ein "international verseuchter ehemaliger kaiserlicher Marineoffizier" geschmäht und vom Regime als enger Vertrauter von Hitlers Vorgänger als Reichskanzler Kurt von Schleicher - dem letzten Hindernis das der "Machtergreifung" im Frühjahr 1933 noch im Wege gestanden hatte - mit Soupçon betrachtet, wurde Rheinbaben 1933 von den Nationalsozialisten in den Ruhestand versetzt. Trotz dieser Zurückweisung diente er der NS-Diktatur später als Privatdiplomat, Publizist und Sondergesandter in Lissabon, wo er angeblich die Aktivitäten der Auslands-Gestapo leitete. Nach dem Zweiten Weltkrieg verfasste Rheinbaben seine Memoiren und beriet er Politiker wie Franz Josef Strauß. Ziel der vorliegenden Studie ist es das außenpolitische Wollen und Wirken dieser vergessenen Schlüsselfigur der Weimarer Außenpolitik nachzuzeichnen. Zu diesem Zweck werden Rheinbabens politische Gedankenwelt rekonstruiert, seine außenpolitischen Ziele dargestellt und analysiert, und schließlich seine Vorstellungen und seine praktische Politik in den zentralen Politikfeldern der Weimarer Außenpolitik (Revision des Versailler Vertrags, Beziehungen zu den wichtigsten deutschen Nachbarstaaten, Völkerbundpolitik und Rüstungspolitik) in den Blick genommen. Besonderes Augenmerk wird dabei auf die Jahren 1925 bis 1933 gelegt, in denen, nach dem Heraustreten Deutschlands aus der außenpolitischen Isolation der ersten Nachkriegsjahre, mit Rheinbabens Worten "deutsche Außenpolitik erst recht eigentlich wieder stattfinden konnte".
Inhaltsangabe: Mit Blick auf die soziale Zusammensetzung des diplomatischen Korps des Deutschen Reiches ist vielfach von der Auswärtigen Politik als einer 'Adelsdomäne' gesprochen worden. Und tatsächlich, einer der ersten Aspekte, die dem Betrachter ins Auge stechen, der nach Kontinuitätslinien zwischen den unterschiedlichen Formen deutscher Staatlichkeit in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts sucht, ist das außerordentlich hohe Maß an sozialer Homogenität, das die höhere Mitarbeiterschaft des Auswärtigen Amtes in der Berliner Wilhelm-Straße in dieser Zeit kennzeichnete: Ungeachtet aller politischen Umwälzungen, die das Reich in den ersten fünf Jahrzehnten des Säkulums durchmachte, die Wahrnehmung der außenpolitischen Geschäfte blieb immer das beinahe selbstverständliche Vorrecht der Herren 'von' und 'zu'. Die Männer mit dem 'blauen Blut' und den klangvollen Namen bildeten stets das unverzichtbare Rückgrat, das das außenpolitische Getriebe zusammenhielt - egal ob das Reich gerade als halbautokratische Monarchie (wie unter Wilhelm II.), als demokratische Republik (wie in den 1920er Jahren) oder als totalitär- anarchistischer Führerstaat existierte (wie in den 1930er und 1940er Jahren). Dank ihrer 'gut verschanzten Positionen' im Apparat der Wilhelmstraße, waren die Adeligen für seinen reibungslosen Betrieb praktisch 'unentbehrlich'. Dementsprechend tauchen Namen, wie von Bülow, von Bismarck oder von Weizsäcker über alle Epochenzäsuren hinweg zu praktisch jeder Zeit in den Namensregistern des Auswärtigen Amtes auf. Ein prominenter Vertreter dieses außenpolitischen Establishments, der in allen drei Inkarnationen des Deutschen Reiches diplomatisch tätig war, war der ehemalige Marineoffizier und Legationssekretär Werner von Rheinbaben. Als außenpolitischer Sprecher seiner Partei - der von Gustav Stresemann geführten Deutschen Volkspartei (DVP) – im Berliner Reichstag, als Vertreter seiner Fraktion im Auswärtigen Ausschuss des Parlaments, und als Mitglied der deutschen Delegationen beim Völkerbund in Genf zwischen 1926 und 1933, und bei der Genfer Abrüstungskonferenz der Jahre 1932 und 1933 avancierte von Rheinbaben in der Weimar er Zeit zu einem der maßgeblichen Außenpolitiker des Reiches. Das Anliegen der vorliegenden Arbeit ist es nun, sein außenpolitisches Wirken in den Jahren 1925/1926 bis 1933 genauer in den Blick zu nehmen. Das Augenmerk gilt dabei in erster Linie Rheinbabens außenpolitischem Streben auf theoretischer Ebene, also den Ideen, Vorstellungen und Anschauungen, denen er in diesen Jahren anhing sowie den von ihm verfolgten Plänen und Zielen. Seiner praktische Tätigkeit auf den außenpolitischen Bühnen von Berlin und Genf in ihrer stückwerkhaften Tagesroutine soll demgegenüber eine nur mehr untergeordnete Rolle eingeräumt werden. Die Darstellung von Rheinbabens außenpolitischer Gedankenwelt orientiert sich im Nachfolgenden in erster Linie an den bestimmenden Themenfeldern der deutschen Auswärtigen Politik jener Jahre: Das Streben nach einer Revision der Versailler Vertragsbestimmungen von 1919 und dem Wiederaufstieg des Reiches in den Rang einer Großmacht, dann, die bilateralen Beziehungen des Reiches zu seinen wichtigsten Nachbarn (Frankreich, Großbritannien, Polen und der Sowjetunion) und seine Rollenfindung in der neuartigen Institution des Völkerbundes sowie schließlich die Konflikte, die sich um die Frage der Auf- bzw. Abrüstungspolitik entsponnen. Um die Gedankenwelt Rheinbabens besser verstehen, und in ihren Sinnzusammenhängen begreifen, zu können, wird Abschnitt I.2. eine kurze biografische Skizze bieten, die den Lebenshintergrund nachzeichnet, vor dem er als Außenpolitiker agierte. Während ihn die Erfahrungen in den Jahren 1878 bis 1919 sozusagen geistig vorprägten, also bestimmte Denk- und Wahrnehmungsmuster in ihm dispositionierten, ohne die auch sein Handeln und Urteilen in zahlreichen außenpolitischen Fragen kaum verständlich ist, stellen die Ereignisse der späteren Jahre - in die seine aktive Politikerzeit fällt - Einflüsse dar, die schon aufgrund der Unmittelbarkeit mit der sie auf ihn einwirkten nicht unerwähnt bleiben dürfen. Um der, sich aus der Natur dieser Arbeit - die ja auf die Wiederzutageförderung der subjektiven Sichtweisen einer einzelnen Person abhebt - ergebenden Gefahr einer 'perspektivischen Verengung' vorzubeugen, soll ihr analytischer Horizont dadurch erweitert werden, dass Rheinbabens Blickpunkte beständig in einen größeren Gesamtkontext eingereiht werden. Als Mittel zu diesem Zweck soll die beständige Einbettung von Rheinbabens Anschauungen und Deutungen in den Chor der Meinungen seiner Zeitgenossen und der Urteile von nachbetrachtenden Forschern dienen. Seine Ideen, Standpunkte und Ziele sollen schließlich, auf der Grundlage dieser kontrastiven 'Gegenzeichnung', auf ihren Realismus und ihre Tragfähigkeit hin überprüft werden. Die chronologischen Eckpunkte dieser Arbeit, 1925/1926 und 1933, ergeben sich dabei geradezu von selbst: Die Jahre 1925/1926 markieren, mit dem Abschluss des Vertrages von Locarno und dem Eintritt Deutschlands in den Genfer Völkerbund, faktisch nichts anderes als das Heraustreten des Reiches aus der Isolation. Sein Dasein als europäischer Paria, das es in den ersten Jahren nach dem Ende des Ersten Weltkrieges gefristet hatte, findet mit diesen Schritten ein Ende. Mit der Rückkehr in das 'Konzert der europäischen Großmächte' beginnt gerade für Rheinbabens außenpolitisches Wirken die interessanteste Zeit: Während seine Gedanken zur Außenpolitik in den vorangegangenen Jahren im Großen und Ganzen nichts weiter waren als 'Theoretereien' ohne eine Möglichkeit zu ihrer Verwirklichung, erhalten seine Gedanken ab 1925/1926 eine ganz neue Qualität, da sie nun mit Blick auf ein völlig gewandeltes Maß an Realisierbarkeit gedacht werden. Das Jahr 1933 ist eine noch einfacher zu begründende Zäsur: Mit Rheinbabens Entlassung aus dem diplomatischen Dienst, gemäß Artikel §6 des nationalsozialistischen 'Gesetzes zur Wiedereinführung des Berufsbeamtentums', unmittelbar nach dem deutschen Austritt aus dem Völkerbund im Oktober 1933, endet seine Tätigkeit im Umfeld der Schaltstellen der deutschen Außenpolitik. Da er fortan nur noch als Privatdiplomat tätig ist, und somit keinen Hebel mehr in er Hand hat, um die Gestaltung der internationalen Beziehungen in seinem Sinne zu beeinflussen, sind seine Ansichten zu den außenpolitischen Ereignissen der anbrechenden Jahre meist ohne Folgen, und daher an dieser Stelle nur von untergeordnetem Interesse.
In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte: das zentrale Forum der Zeitgeschichtsforschung, Band 63, Heft 2, S. 259-288
ISSN: 2196-7121
Vorspann
Franz von Papens Bild in der Geschichte ist nicht zu retten. Auch die hier präsentierten, bisher nur in Auszügen bekannten Briefe an Hitler vom Sommer 1934 werden an diesem Befund nichts ändern. Historisch uninteressant sind sie dennoch nicht, wie André Postert und Rainer Orth zeigen. In ihnen spiegeln sich die letzten Rückzugsgefechte und Hoffnungen des jungkonservativen Lagers, die taktische Schläue Hitlers und - erneut - die Naivität von Papens, die allerdings nicht umstandslos mit Feigheit und Unterwürfigkeit gleichgesetzt werden kann. Ganz einfach war seine Lage nach der "Marburger Rede" vom 17. Juni und nach dem "Röhm-Putsch" ja nicht.