Untersuchung der Machbarkeit einer schweizweiten PPP zum Aufbau und Betrieb eines "Health Information Clearinghouses" (Gesundheitskarte)
Ausgangslage: Daten spielen im Gesundheitswesen eine grosse Rolle. Das Datenmanagement hat Einfluss auf Kosten und Qualität der Gesundheitsversorgung. EHealth befasst sich mit dem integrierten Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologie (ICT) und bezweckt, die verschiedenen Akteure im Gesundheitswesen durch standardisierte elektronische Prozesse miteinander zu verbinden. Durch diese Standardisierung und Elektronisierung von Versicherten- respektive Patientendaten verspricht man sich positive Effekte für das gesamte Gesundheitswesen. Art. 42a KVG ermächtigt den Bundesrat eine Versichertenkarte einzuführen. Per 1. Januar 2006 erhielten die Versicherten von 63 schweizerischen Krankenversicherungen bereits eine Karte zugestellt, die jedoch noch nicht über alle in Art. 42a KVG vorgesehenen Eigenschaften der Versichertenkarte verfügt. In der Praxis wird allerdings bereits diese Karte als Versichertenkarte bezeichnet. Gegenwärtig läuft eine Diskussion über die Frage, in welche Richtung die Entwicklung weiter getrieben werden soll. Die Versichertenkarte könnte grundsätzlich zu einer Gesundheitskarte ausgebaut werden indem entweder auf der Karte direkt zusätzliche Patientendaten gespeichert werden oder die Karte als Schlüssel für den Zugriff zu einem zentralen oder dezentralen Datenpool dienen kann. Die so verfügbaren Daten können sowohl in anonymisierter Form für Forschungs- und Statistikzwecke als auch für dementsprechende Public Health-Fragen genutzt werden. Das System der Gesundheitskarte mit der Karte als Zugriffsschlüssel sowie allen Datenströmen, Zugriffsrechten, Prozessen und erweiterbaren Nutzungsmöglichkeiten nennen wir Health Information Clearinghouse (HIC). In diesem Projekt geht es um die Darstellung der aktuellen Situation in der Schweiz und das Aufzeigen von zukünftigen Möglichkeiten aus einer möglichst umfassenden Sicht. Insbesondere werden im Bericht drei Punkte in Bezug auf die zu untersuchende Entwicklung der Versicherten- zur Gesundheitskarte / Health Information Clearinghouse bearbeitet. Methoden und Vorgehen: Folgende Methoden wurden für die Ausarbeitung dieser Studie gewählt. Zur Abbildung der Perspektiven der verschiedenen Akteure wurden anhand eines Interviewleitfadens strukturierte Befragungen durchgeführt. Zusätzliche Gespräche mit Fachexperten, vorhandene Literatur, schriftliche Stellungnahmen sowie Besuche von Tagungen und Messen wurden soweit relevant mit einbezogen. Ergebnisse: Befragt wurden Exponenten der folgenden Akteure: FHM, GDK, Gesundheits- und Sozialdepartement, H+, Vertreterin der Politik, santésuisse, SAV/Ofac, SPO, SUVA. Bezüglich des erwarteten Nutzens einer Gesundheitskarte sind sich alle Befragten einig, dass vor allem eine Vereinfachung administrativer Prozesse mit den entsprechenden Einsparungen resultieren würde. Im Vergleich zur heutigen Situation erwartet man eine Verbesserung im Bereich der Datensicherheit. Auch der Nutzen für den Patienten durch eine Koordination der Prozesse durch Knowledge-Sharing und die Datenverfügbarkeit werden erwartet. Einige Akteure sehen einen Nutzen in den verbesserten statistischen Auswertungen der Daten, welche besser verfügbar sein würden. Unter Berücksichtigung des Datenschutzes wird angezweifelt, wie weit hier die technischen Möglichkeiten tatsächlich vorhanden sind. Vor allem die rechtliche Betrachtung zeigt klar auf, dass mit dem momentanen gesetzlichen Rahmen relativ enge Grenzen gesetzt sind und die Grundlagen für die Umsetzung einer Gesundheitskarte / Health Information Clearinghouse sowie einer Public Private Partnership (PPP) in diesem Zusammenhang erst geschaffen werden müssen. Eine Stärkung der Selbstbestimmung des Patienten (Patient-Empowerment) wird in den Interviews immer wieder genannt, aber nur von wenigen Akteuren als Anreiz für eine Steigerung der Akzeptanz angesehen. Interessanterweise wird der Begriff von der Patientenorganisation kritisch hinterfragt mit dem Hinweis auf eine mögliche Überforderung des Patienten. Bisher laufende Projekte im Tessin (rete sanataria) und in Deutschland budgetieren Netto-Einsparungen aufgrund administrativer Vereinfachungen, Vermeidung unnötiger Leistungen (z.B. Doppeluntersuchungen) und aufgrund verbesserter Qualität (z.B. Medikamentensicherheit). Umfassende Daten liegen noch keine vor. In der Expertenbefragung uneinheitlich ist die Einschätzung, ob Doppeluntersuchungen tatsächlich verhindert werden könnten. Damit bleibt trotz, den zu erwartenden administrativen Vereinfachungen denn auch die Frage der Kostenersparnis offen. Datenschutz, Föderalismus und hohe Investitionen bei noch nicht näher bezifferbarem Nutzen werden für die Schweiz als grösste Hürden und Risiken für die Entwicklung der Versichertenkarte in Richtung Gesundheitskarte / Health Information Clearinghouse bezeichnet. Als Voraussetzungen für die Akzeptanz sowohl bei der Bevölkerung als auch bei den Akteuren werden eine klare Strategie, der Einbezug aller in transparente und klare Prozesse, finanzielle Anreize, klare Regelungen gegen Missbrauch und eine umfassende und zeitnahe Kommunikation genannt. Von Seiten der Ärzte und Patienten ist in Bezug auf die Akzeptanz eher Skepsis zu spüren. Sie betonen die Risiken im Vergleich zu den anderen Akteuren stärker. Die mittels eines «Request for Information» kontaktierten Technologie-Anbieter zeigten sehr grosses Interesse an dieser Thematik. Rund zehn Unternehmen haben ausführliche Dokumentationen und Systemvorschläge zur Verfügung gestellt. Es ist nicht zu erwarten, dass ein weiterführendes Projekt mangels technischer Umsetzbarkeit scheitern würde. Die Ziele der Gesundheitskarte lassen sich am besten mit einer Public Private Partnership als Modell für die Trägerschaft umsetzen. Dies haben die Interviews mit den verschiedenen Akteuren aufgezeigt. Auch aus rechtlicher Sicht ist eine solche Kooperationsform grundsätzlich möglich und umsetzbar. Voraussetzung dafür ist jedoch die Schaffung der erforderlichen gesetzlichen Grundlagen. Schlussfolgerungen: Der Erfolg eines solchen Projektes hängt wesentlich von der Strategie, den entsprechenden Rahmenbedingungen und der Akzeptanz der verschiedenen Akteure ab. Aus diesem Grund ist in jeder Projektphase auf eine transparente Kommunikation und den Einbezug aller relevanten Akteure zu achten. Daneben spielen medizinische (Qualitätsverbesserung), ökonomische (Kosten-Nutzen-Verhältnis) und rechtliche Fragen (insbesondere Datenschutz) eine entscheidende Rolle. Für die Einführung einer Gesundheitskarte / Health Information Clearinghouses wird eine konkrete Definition eines Modells (Businesscase) vorausgesetzt. Dabei sollten die relevanten Parteien einbezogen werden. Für den Erfolg des weiteren Vorgehens von grosser Bedeutung sind die Klärung der Führungsrolle sowie ein klarer Zielkatalog und Zeitplan. Eine erfolgreiche Fortsetzung der Versichertenkarte Richtung Gesundheitskarte / Health Information Clearinghouse bedingt ein Vorgehen, welches von Anfang an von den wichtigsten Akteuren akzeptiert, verstanden und unterstützt wird.