Gemeinschaft und ihr Eigentum
Bei kaum einem Thema prallen Privateigentum und Konzepte gemeinschaftlichen Eigentums kontroverser aufeinander als beim Wohnen. Das hat vielfältige Gründe. So wurden in den letzten Jahrzehnten immer mehr Wohnungen der Logik des Markts unterstellt und in manchen Städten überstieg die Nachfrage das Angebot. Verdrängung und Mietsteigerungen waren die Folge. Konflikte zwischen jenen, die auf bezahlbares Wohnen angewiesen sind, und jenen, die dieses Bedürfnis zum Mittel ihrer Altersvorsorge oder zur Renditesteigerung nutzen, polarisieren die Stadtgesellschaften. Vor diesem Hintergrund erklärt sich der erbittert geführte Streit um die Wohnungsfrage: Soll der Staat eingreifen und neben anderen Regulierungsinstrumenten kommunales, genossenschaftliches und selbstverwaltetes Wohnen fördern oder soll der Staat Anreize setzen für privates Bauen, Vermieten bzw. Verkaufen? Unabhängig davon, wie diese Frage im Detail und am Beispiel Wohnen diskutiert wird, steht dahinter mal mehr, mal weniger explizit der Streit darum, welches Eigentum dem Gemeinwohl dienen könne. Gemeineigentum in seinen unterschiedlichsten Formen und Begriffen – staatlich, kommunal, öffentlich, kollektiv etc. – wird bescheinigt, sozialen Kriterien wie zum Beispiel niedrigschwelliger Zugang und demokratische Mitbestimmung besser genügen zu können als Privateigentum. Andererseits wird unterstellt, dass in solchen Eigentumsformen aufgrund fehlender privater Anreizstrukturen Wirtschaftlichkeit und Effizienz vernachlässigt werden. Vorliegender Artikel möchte dieser weit verbreiteten Entgegensetzung nachgehen und zeigen, dass privat nicht das jeweils ganz andere von gemeinschaftlich ist. Vielmehr ist Privateigentum ohne Formen gemeinschaftlichen Eigentums gar nicht denkbar. Diese Abhängigkeit ist allerdings nicht ohne Spannung. Sie tendiert dazu, die Grundlagen des gesellschaftlichen Zusammenhangs zu gefährden. Gemeineigentum wiederum beruht auf der gleichen Rechtsordnung wie Privateigentum, stößt aber mit seinen gesellschaftspolitischen Idealen stets an die Grenzen genau dieser Ordnung. Um diesen Zusammenhang zu durchdringen, bedarf es eines größeren Anlaufs, genauer: einer grundsätzlichen theoretischen Ortsbestimmung. Das Thema Wohnen dient hierbei an ausgewählten Stellen zwar der Illustration, im Kern des vorliegenden Textes steht jedoch die Frage: Was ist Eigentum? ; 55 ; 64 ; 10