While the risk of poverty increased quite markedly around the turn of the millennium, a further but flatter increase can be subsequently observed. The development was also accompanied by a stronger increase in the at-risk-of-poverty threshold, particularly in the wake of the positive income trend in the years prior to the coronavirus pandemic. The extent to which the corona pandemic influenced poverty cannot yet be assessed, as the results published so far are not comparable with previous years due to a break in the available time series. However, first indications of simulation studies suggest that the relative risk of poverty and the distribution of disposable income may have changed only slightly.
Befragungsdaten deuten auf einen mehrheitlichen Wunsch hin, der Staat solle die Einkommensunterschiede in Deutschland verringern. Besonders im vergangenen Jahrzehnt hat sich die subjektive Umverteilungspräferenz weiter erhöht. Der verstärkte Wunsch nach sozialem Ausgleich vollzog sich losgelöst von der tatsächlichen Entwicklung der Verteilungsverhältnisse, die sich seit 2005 kaum verändert haben. Zwar sieht auch in anderen Ländern die Mehrheit der Bürger den Staat in der Verantwortung, die Einkommensunterschiede zwischen Arm und Reich abzubauen. Unter den Ländern mit hohem Wohlstand ist der Wunsch in Deutschland allerdings überdurchschnittlich ausgeprägt - und das, obwohl es unter den OECD-Staaten nur wenige Länder gibt, die faktisch eine höhere Umverteilung durch staatliche Abgaben und Transfers erreichen. Bei detaillierter Betrachtung der Umverteilungspräferenzen zeigt sich ein vergleichsweise geringes Interesse für die Ausweitung von Ausgaben, von denen zielgerichtet weniger privilegierte Gruppen profitieren würden. Auf der Abgabenseite wird von der Breite der Bevölkerung zwar eine höhere Progression der Belastung gewünscht. Jedoch deuten weitere Umfrageergebnisse darauf hin, dass die bisherige Umverteilungswirkung des Einkommensteuersystems deutlich unterschätzt wird. Gleichzeitig weisen Umfragen durchaus auf eine ausgeprägte Präferenz für erkennbare Einkommensunterschiede hin, wenn diese für leistungsgerecht gehalten werden. Neben den konventionellen Ungleichheitskennziffern wäre ein stärkerer Fokus auf Maße der Chancen- und Leistungsgerechtigkeit somit sinnvoll, da sich darin eher widerspiegeln kann, ob die umgesetzten Politiken die wahrgenommene Ungerechtigkeit im Sinne der Wahlberechtigten adressieren. ; Survey data suggest that a majority of Germans want the government to reduce income disparities. This subjective preference for redistribution has increased markedly in the past decade, regardless of the actual development of distribution ratios, which have hardly changed since 2005. Germany is by no means the only country in which the majority of citizens hold the state responsible for reducing the income gap between rich and poor. Yet in Germany this desire for equality is above the rich-country average, even though few OECD countries actually achieve a greater level of redistribution through government levies and transfers. A detailed examination of redistribution preferences reveals little interest in expanding expenditure expressly designed to benefit less privileged groups. Where taxes are concerned, the broad population favours a greater degree of progression. However, further survey results suggest that the redistributive effect already achieved by the income tax system is considerably underestimated. At the same time, polls indicate a marked preference for recognisable income differences as long as they are seen to be justified by performance. It would therefore make sense, while not ignoring conventional inequality indicators, to focus more closely on measures of equality of opportunity and rewards for performance, as this would make clearer whether the policies implemented really address the perceived deficits in fairness that interest voters.
Das Thema Ungleichheit nimmt einen immer größeren Raum in der öffentlichen und medialen Debatte ein. Vor allem in der Zeit vor der Bundestagswahl 2017 zeichneten Studien und die Berichterstattung ein düsteres Bild der Einkommensund Ungleichheitsentwicklung in Deutschland. Der viel zitierte und alarmierend interpretierte Befund, dass die ärmeren 40 Prozent der Bevölkerung seit der Wiedervereinigung kaum reale Einkommenszuwächse verbuchen konnten, stellt sich bei genauerer Betrachtung allerdings als wenig robust heraus. Bei geringfügiger Verschiebung des Startpunkts der Betrachtung und bei einer Berücksichtigung von Stichprobenveränderungen wird aus einem realen Zuwachs von 1 Prozent bereits ein Zuwachs von immerhin knapp 8 Prozent über den Zeitraum der letzten 20 Jahre. Es zeigt sich vor allem, dass in den Zeiten positiver Wirtschaftsentwicklung im vergangenen Jahrzehnt die unteren Einkommensgruppen relativ in gleichem Maß wie die mittleren und oberen Einkommensgruppen am Wohlstand partizipiert haben. Dies spiegelt sich auch in der stabilen Einkommensverteilung seit 2005 wider - nach einem vorherigen Anstieg zwischen 1999 und 2005. Anders als bei der Ungleichheit deutet sich bei der Entwicklung der Armutsgefährdung seit etwa 2010 ein erneuter Anstieg an. Dieser sollte in der Debatte allerdings gesondert beurteilt werden, da er unter anderem mit der Flüchtlingsmigration der vergangenen Jahre zusammenhängt. Insgesamt werden in der Ungleichheits- und Armutsdebatte zunehmend Zeitreihenbrüche unkritisch als tatsächliche Veränderungen dargestellt. Der vorliegende Beitrag wirbt für einen kritischeren Umgang mit den zugrunde liegenden Datensätzen und für Plausibilitätstests. ; The issue of inequality has been receiving more and more attention in public and media debates. This was especially the case in the run up to the 2017 Bundestag elections, when academic studies and reports in the media drew a gloomy picture of how incomes and inequality were developing in Germany. However, the much cited and particularly alarming finding that since reunification the poorest two quintiles of the population had registered hardly any real income growth does not stand up to scrutiny. With a slight shift in the start of the monitoring period and adjustment for changes in the sampling method, what was presented as a real rise of only 1 per cent turns into growth of nearly 8 per cent over the last 20 years. Most importantly, in relative terms the lower income groups have shared the positive economic development of the past decade equally with the middle and upper income groups. This is also reflected in the stable income distribution since 2005. Unlike inequality, the risk of poverty has been on the rise again since about 2010. However, this issue needs to be evaluated separately as it is linked, among other things, with the influx of refugees over the past few years. In general, the debate on inequality and poverty is being increasingly marred by the uncritical representation of discontinuities in the time series as real changes. The present paper promotes a more critical approach to the underlying data sets and advocates the use of plausibility tests.
Die Armuts- und Reichtumsberichterstattung und die damit einhergehenden umfassenden Gutachten sind wichtige Instrumente der Abbildung und Begutachtung der sozialen Lage in Deutschland. Der kürzlich veröffentlichte Fünfte Armuts- und Reichtumsbericht (ARB) der Bundesregierung wie auch andere Studien zeigen eindrücklich, dass Befunde zentraler verteilungspolitischer Indikatoren seit 2005 - und somit seitdem die tiefgreifenden Reformen um die Agenda 2010 wirksam wurden - eine durchgängige Stabilisierung und Verbesserung aufweisen. Die Ungleichheit hat sich nicht erhöht, die Reallöhne und die realen Renten steigen, gleiches gilt für die Zahl der Normalarbeitsverhältnisse. Der Anteil der Menschen mit (erheblichen) materiellen Entbehrungen ist leicht rückläufig, der Anteil derjenigen, die sich große Sorgen um ihre wirtschaftliche Situation machen, ist in der vergangenen Dekade sogar deutlich gesunken. Die in großen Teilen positive Entwicklung rechtfertigt somit keineswegs den Bedarf an neuen Großsystemen oder einen grundsätzlichen Umbau bestehender institutioneller Strukturen. Allerdings deutet die Datenlage auch auf einige zentrale gerechtigkeitspolitische Herausforderungen hin, die eine differenzierte und sachgemäße Problemlösung erfordern. Denn trotz der weitläufig positiven Entwicklung konnte die relative Armut sowie die Spreizung der Markteinkommen nicht zentral reduziert werden, die Aufstiegsmobilität hat sich nicht strukturell verbessert, und es kann weiterhin eine verfestigte Langzeitarbeitslosigkeit beobachtet werden. Durch diese Problemfelder sind individuelle Chancen und Perspektiven bestimmter Personengruppen beeinträchtigt. Vor diesem Hintergrund identifiziert das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) zentrale Herausforderungen und wirtschaftspolitische Ableitungen in drei verteilungspolitisch relevanten Bereichen. [.]
Die Bewertung von Einkommensungleichheit und die damit einhergehenden Umverteilungspräferenzen spielen eine entscheidende Rolle für die Gestaltung von Steuer- und Transfersystemen. Deutschland und die Schweiz haben zwar eine sehr ähnliche Einkommensverteilung. Es herrschen jedoch sehr unterschiedliche Meinungen darüber vor, wie kritisch die Einkommensdifferenzen beurteilt werden. Dies ist wenig überraschend, da es im Ländervergleich nahezu keinen Zusammenhang zwischen der tatsächlichen Verteilung der Einkommen und der subjektiven Bewertung der Einkommensunterschiede gibt. Ein wesentlich besserer Erklärungsfaktor für die Bewertung der Verteilung ist die subjektive Einschätzung der Ungleichheit innerhalb einer Gesellschaft. Ebenso werden auch die Umverteilungspräferenzen nicht durch die tatsächliche Verteilung, sondern vorwiegend durch die wahrgenommene Ungleichheit beeinflusst.
"Sind die Sorgen der Mittelschicht begründet? Aus ökonomischer Perspektive geht die Zugehörigkeit zur Mitte mit einer beachtlichen wirtschaftlichen Sicherheit einher. Bei der Durchlässigkeit 'nach oben' besteht noch Verbesserungspotenzial." (Autorenreferat, IAB-Doku)
"Sind die Sorgen der Mittelschicht begründet? Aus ökonomischer Perspektive geht die Zugehörigkeit zur Mitte mit einer beachtlichen wirtschaftlichen Sicherheit einher. Bei der Durchlässigkeit 'nach oben' besteht noch Verbesserungspotenzial." (Autorenreferat)
Over the last two decades, income inequality has increased in most developed welfare states. Therefore, redistributive policies are high on the political agenda of many countries. From a policy perspective, the correct empirical assessment of the redistributive effects of taxes and benefits is important to develop a well-designed redistributive policy mix. This thesis contributes to the understanding and measurement of redistribution by examining redistributive policies and income inequality and their interdependencies. The first empirical analysis explores the size and structure of effective redistribution in a broad sample of European welfare states. Besides answering the question of how different components of the tax and transfer system contribute to disposable income inequality, it also investigates whether the findings are sensitive to the underlying measurement method. Chapter 3 presents two detailed case studies of Germany and the United Kingdom and examines whether the structure of fiscal policies has changed over the last two decades. The analysis provides a comprehensive dynamic analysis of effective progressivity and redistribution by including all major fiscal elements: direct taxation, pay roll taxes, indirect taxes and benefits. Chapter 4 focuses on the identification of the causal effect of redistributive spending policies on income inequality by using a dynamic panel approach and some exogenous variation in social spending levels as an instrument. In contrast to the previous chapters, it explicitly discusses possible second-order effects of redistributive policies. Chapter 5 introduces the concept of inequality of opportunity instead of the traditional inequality of outcome approach. Given that previous estimates of unfair inequality could only provide lower bounds, the study suggests a new panel estimator which additionally allows identifying an upper bound of inequality of opportunity. The approach is illustrated by comparing Germany and the United States based on harmonized micro data. Overall, the book shows that tax benefit systems substantially reduce income inequality in all EU member states, with distinct redistributive capacities of different welfare state instruments. The amount of effective redistribution is significantly reduced when considering indirect taxes and second-order effects. Finally, while tax benefit systems equalize outcomes, they do not reveal a differential impact on unequal opportunities.
Abstract The observation of the remarkably stable development of inequality indicators in Germany in the relevant period suggests that it is unlikely that they represent a major explanatory factor for the rise of the AfD. Furthermore, in an EU comparison, the success of radical right-wing parties appears to be quite independent of the classification of their level of inequality. In Germany, AfD supporters are also rather critical of a (flat-rate) expansion of redistribution policies. Their view of the welfare state is characterised by welfare chauvinism and status orientation, and therefore their view of socio-economic indicators is rather pessimistic. A more powerful reception of positive outcomes may help to develop a socio-politically stabilising effect.
The literature on immigration and the welfare state describes a trade-off between immigration and welfare support. We argue for a more nuanced view of welfare chauvinism that accounts for different motivational channels, specific welfare programs and particular population subgroups. First, we identify two separate characteristics of hostility towards immigrants that trigger welfare chauvinism: affective anti-migration sentiment that combines economic and cultural motives; and a 'putative rational anti-migration sentiment' that is driven by the fear that immigration could overburden the welfare state although immigrants themselves are not disliked or even appreciated. Second, running a program-specific analysis, we find that affective and 'putative rational' opposition to migration lower redistributive preferences towards the unemployed. On the contrary, affective anti-immigration sentiment even increases welfare affinity towards the elderly. We interpret this finding not as preferences for or against a specific welfare program but as implicit sympathy or antipathy for its recipients. Third, investigating the role of Populist Radical Right Parties (PRRPs) as the main source of welfare chauvinism, we find that PRRP supporters strongly prefer more redistribution towards a perceived native in-group: the elderly.