Operationalisierung von Qualitätsindikatoren mittels Routinedaten am Beispiel der Evaluation der "Integrierten Versorgung Gesundes Kinzigtal"
In: Das Gesundheitswesen: Sozialmedizin, Gesundheits-System-Forschung, public health, öffentlicher Gesundheitsdienst, medizinischer Dienst, Band 83, Heft S 02, S. S87-S96
ISSN: 1439-4421
Zusammenfassung
Ziel Für die 10-Jahres-Evaluation der Integrierten Versorgung
"Gesundes Kinzigtal" (IVGK, Innovationsfonds-Projekt 01VSF16002)
konsentierte eine multidisziplinäre Expertengruppe 101
Qualitätsindikatoren (QI), mit denen die Qualität der regional
integrierten Versorgung mit ihrer Ausrichtung auf Gesundheits- und
Präventionsprogramme evaluiert werden sollte. Ein Kriterium war, dass
sich diese QI prinzipiell für eine Abbildung mittels Routinedaten eignen
sollten. Ziel der Studie war es, zu prüfen, wie viele der und auf welche
Weise die entwickelten QI in Deutschland tatsächlich mit Routinedaten
abgebildet werden können und aus welchen Gründen eine
Operationalisierung eingeschränkt oder nicht möglich war.
Material und Methode Die Operationalisierung der QI erfolgte mittels
pseudonymisierten Abrechnungsdaten der AOK Baden-Württemberg der Jahre
2006–2015, die das Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO) dem
Evaluationsteam zur Verfügung stellte. Alle operationalisierten
Indikatoren waren binär kodiert (Kriterium erfüllt
ja/nein). Die in den Zähler- und Nennerdefinitionen benannten
Diagnosen, Prozeduren oder Arzneimittel wurden über ICD-10-Kodes (Ein-
und Ausschlussdiagnosen), EBM-Kennziffern, OPS-Schlüssel und ATC-Kodes
operationalisiert. Indikatorprävalenzen wurden im zeitlichen Verlauf zur
Prüfung von Auffälligkeiten als Hinweis auf mögliche
Fehlkodierung untersucht.
Ergebnisse 90 der 101 Indikatoren waren mit Routinedaten
operationalisierbar. 14 der 90 Indikatoren konnten nur mit
Einschränkungen operationalisiert werden, da entsprechende
Leistungsziffern erst im Beobachtungszeitraum eingeführt oder bestehende
Ziffern verändert wurden. 76 der 90 Indikatoren konnten
uneingeschränkt operationalisiert werden, davon waren bei 15 Indikatoren
Vor- und Nachbeobachtungszeiten notwendig, wodurch sie nicht für alle
Jahre dargestellt werden konnten. 11 von 101 QI waren nicht operationalisierbar,
da EBM-Ziffern erst nach 2015 eingeführt oder nicht als Einzelleistung
für alle Arztgruppen erfasst wurden (z. B. Spirometrie und
Langzeit-EKG). Auffällige Verläufe in den
Indikatorprävalenzen waren erklärbar.
Schlussfolgerung Routinedaten ermöglichen ein ressourcensparendes
Qualitätsmonitoring. Eine Veränderung der Datengrundlage im
Beobachtungszeitraum, wie etwa durch Neueinführung oder Streichung von
Abrechnungsziffern, erschwert die longitudinale, routinedatenbasierte
Qualitätsbewertung, ermöglicht aber ggfs. für
spätere Zeiträume die Operationalisierung weiterer oder neuer
Indikatoren.