Wünschen sich unverheiratete Eltern in Deutschland die gemeinsame elterliche Sorge, so müssen sie heiraten oder Sorgeerklärungen zur Erlangung der gemeinsamen Sorge abgeben. Dem rechtlichen Begriff der gemeinsamen Sorge stellt Alexandra N. Langmeyer in der vorliegenden Studie das psychologische Pendant der elterlichen Zusammenarbeit in der Erziehung gegenüber, die in den letzten Jahren zunehmend unter dem Begriff des elterlichen Coparenting in der Familienforschung berücksichtigt wird. Anhand von drei Teilstudien wird aus einer systemischen Perspektive die gemeinsame elterliche Sorge, die Bedeutung des elterlichen Coparenting und des Erziehungsverhaltens sowie deren Zusammenhang zum Kindeswohl beleuchtet.
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Die vorliegende Studie untersucht den bislang kaum gemeinsam analysierten Zu-sammenhang struktureller (z. B. Armut, Sorgerechtsregelung) sowie intrafamilialer Prädiktoren (z. B. Zeit seit Trennung, Coparenting) und der in der Literatur selten differenziert betrachteten Dimensionen (1) des Kontaktabbruchs und (2) der Kontakthäufigkeitgetrenntlebender Väter und ihrer Kinder in Trennungsfamilien. Auf Datenbasis der DJI-Alleinerziehendenstudie (N=1261 Mütter mit einem Kind unter 15 Jahren) kann gezeigt werden, dass 85 % der Väter den Kontakt zu ihren Kindern aufrecht hielten und überwiegend (73 %) mindestens ein- bis zweimal pro Woche (persönlich, telefonisch o.ä.) Kontakt hatten. Das alleinige Sorgerecht der Mutter, eine vormals nichteheliche Beziehung und eine aktuelle neue Partnerschaft des Vaters erhöhten das Risiko für einen Kontaktabbruch. Die Kontakthäufigkeitwurde hingegen durch eine geringe Wohnentfernung, ein höheres Kindesalter, eine gute Vater-Kind-Beziehung sowie positives aber auch konflikthaftes elterliche Coparenting positiv vorhergesagt. Entsprechend sollten zukünftige Studien den Kontaktabbruch und die Kontakthäufigkeit klaer differenzieren und stets beide Gruppen von Faktoren berücksichtigen.
"In diesem Beitrag wird rekonstruiert, welch zentrale Bedeutung der Fertilitätsintention zur Erklärung der Anzahl und des Timing von Geburten beigemessen wird. Auf der Basis vorliegender empirischer Befunde wird auf die Grenzen der entsprechenden Ansätze aufmerksam gemacht: die Theorie der Nutzenmaximierung, die Theorie des geplanten Verhaltens und das traits-desires-intentions-behavior framework. Anschließend werden eigene Auswertungen zum Zusammenhang von vorgängigen Kinderwunschkonstellationen von Paaren und anschließenden Geburten vorgelegt. Diese basieren auf aktuellen Daten einer deutschen Längsschnittstudie (pairfam). Dabei zeigt sich, dass ein bis zwei Jahre vor der Geburt eines Kindes nur bei drei Viertel aller Paare eine konsensuelle positive Fertilitätsintention bestand. Bei Paaren mit geringer Bildung liegt dieser Anteil bei nur 65%. Im Durchschnitt werden 8,1% der Kinder geboren, obwohl sich ihre Eltern ein Jahr zuvor noch beide gegen ein Kind in den nächsten zwei Jahren ausgesprochen hatten, weitere 17%, obwohl das Paar noch keinen Konsens in der Kinderfrage erzielt hatte. Bei Dissens ist es von der Kinderwunschkonstellation in der Paarbeziehung abhängig, ob sich mit der Geburt die egalitarian rule bestätigt oder nicht. Die Autorinnen sehen die Notwendigkeit, ein neues bzw. erweitertes Verständnis für Fertilität zu entwickeln. Sie plädieren dafür, das Leben von Paaren nicht nur als eine Verknüpfung von Intentionen und Rahmenbedingungen für deren Umsetzung zu betrachten, sondern auch als eine Verknüpfung von Alltagspraxen. Im Alltag von Paaren aber dient Sexualität nicht nur dem Zweck der Zeugung von Nachwuchs. Schwangerschaften entstehen deshalb regelmäßig auch als nicht intendierte Folgen von Sex bei Paaren, die sich zu einer gemeinsamen Zukunft mit Kind noch gar nicht entschieden haben." (Autorenreferat)
Objective: Our study aims to examine whether and how pre-pandemic conditions shaped change in well-being among partnered and lone mothers in Germany. Background: The lives and daily routines of parents changed dramatically because of the pandemic, which affected their mental health. Particularly mothers reported increased psychological distress during the pandemic, which is likely related to the higher load of care responsibilities mothers shouldered to compensate for pandemic-related childcare and school closures. Yet mixed findings emerged on the pandemic's impact on lone mothers, who were already suffering from poorer mental health compared to partnered mothers. Method: We use longitudinal data from a probability sample surveyed before and during the pandemic to examine changes in maternal well-being (i.e., subjective psychological well-being and general life satisfaction), and differences between lone and partnered mothers in Germany (N = 3,578; 14.3% lone mothers at baseline). Results: Socioeconomic status was positively associated with changes in maternal well-being, but no difference emerged between lone and partnered mothers. Although levels of pre-pandemic social support and parenting stress did not affect changes in maternal well-being among partnered mothers, these factors were associated with a less pronounced decline in maternal well-being among lone mothers. Conclusion: The lack of differences between lone and partnered mothers could be due to implemented institutional safety nets for lone mothers, and increased relationship strain for partnered mothers, during the pandemic.
Das sogenannte Wechselmodell, bei dem die Kinder nach einer elterlichen Tren-nung zu annährend gleichen Teilen bei beiden Elternteilen leben, wird aktuell in vielen Ländern diskutiert. Allerdings gibt es bislang in Deutschland nur wenige empirische Befunde zur Verbreitung des Wechselmodells. Die vorliegende Studie untersucht anhand der zweiten Welle des repräsentativen Surveys "Aufwachsen in Deutschland: Alltagswelten" (2013-2015), wie häufig das (symmetrische bis asy-metrische) Wechselmodell praktiziert wird und welche Prädiktoren dessen Wahl beeinflussen. Die Stichpobe umfasst 1.042 minderjährige Kinder mit getrennten Eltern. Gemessen an den Übernachtungen der Kinder bei jedem Elternteil (im Ver-hältnis 50:50 bis 70:30) leben lediglich 5 % dieser Kinder im Wechselmodell (An-gaben der Mütter). Das Wechselmodell wird häufiger beigeringer Wohnentfernung der Eltern und höherem Bildungsniveau der Mutter gewählt. Nicht nur ein kooperatives Coparenting der Eltern, sondern auch Coparenting-Probleme scheinen das Wechselmodell zu begünstigen. Dies legt nahe, dass das Wechselmodell teilweise in Konfliktfällen als Kompomisslösung gewählt wird. Die vorliegenden Befunde verdeutlichen die Notwendigkeit nachfolgender (prospektiver) Längsschnittstudien.
Die kindliche Erlebniswelt hat sich im Laufe des letzten Jahrhunderts massiv gewandelt. Immer stärker greifen staatliche Institutionen wie Schule und Kindergärten in das Leben der Kinder ein und ersetzen vormals elterliche Pflichten. Doch was passiert, wenn die Institutionen diese Aufgaben nicht mehr erfüllen können, wie es im Zuge der Corona-Pandemie der Fall war? Unter Hinzunahme von aktuellen Studien gehen die Autor*innen den Effekten der Rücklagerung von Betreuung in die Hände der Eltern und der neuen Form von Homeschooling sowie der Einsamkeit in der sozialen Isolation auf die kindliche Erfahrung nach.
Familienverhältnisse sind heute komplexer und die Ansprüche an eine 'gute' Elternschaft größer geworden. Dazu kommt, dass der familiale Alltag heute auch in mediatisierten Lebenswelten stattfindet. Zahlreiche Strategien des Doing Family erfolgen daher heute über digitale Medien. Insbesondere die Alltagsorganisation, aber auch die Herstellung von Gemeinsamkeit über den Austausch emotionaler Botschaften oder Nachfragen dazu, wo sich die*der andere gerade aufhält, sind wichtige Funktionen digitaler Kommunikation, die den familialen Alltag heute prägen. Eltern sind die zentralen Figuren in der Vermittlung von Medienerfahrungen und -kompetenzen ihrer Kinder, äußern jedoch häufig Unsicherheiten, was die richtige Strategie sein könnte. Der Blick pädagogischer Fachkräfte und der Familienbildung sollte sich daher mehr denn je für die Auseinandersetzung mit medienpädagogischen Themen öffnen, um die elterliche Erziehung hier mit pädagogischem Fachwissen, aber auch (familien-)wissenschaftlichen Perspektiven zu unterstützen.
Most children continue to live with their mother after a divorce or separation, yet paternal involvement in post-separation families has increased substantially in many Western nations. This shift has contributed to a growing share and more diverse set of post-separation parents opting for shared physical custody (SPC), which typically means that children alternate between the parental residences for substantive amounts of time. Profiling the case of Germany, where no legal regulations facilitating SPC are implemented to date, we examine the prevalence of SPC families, sociodemographic correlates of SPC, and its associations with parental coparenting and child adjustment. Using representative survey data sampled in 2019 (N = 800 minors of 509 separated parents), results revealed that only 6–8% of children practiced SPC. SPC parents were more likely to hold tertiary levels of schooling and to report a better coparenting relationship with the other parent. There was no link between SPC and child adjustment, yet conflictual coparenting was linked to higher levels of hyperactivity among SPC children. We conclude that the social selection into SPC and linkages between conflictual coparenting and hyperactivity among SPC children likely stem from the higher costs and the constant level of communication between the ex-partners that SPC requires.
Den Umgang mit digitalen Medien lernen Kinder im Grund- und Vorschulalter im Wesentlichen in der Familie, wo sie bereits in sehr frühem Alter damit konfrontiert werden. Für Deutschland gibt es aktuell nur wenig bevölkerungsrepräsentative Forschung, aus der sich systematische Erkenntnisse dazu ableiten lassen, in welchem Umfang digitale Technologien in Familien genutzt und wie die Kinder in ihrer Medienaneignung begleitet werden. Das Papier nutzt die Daten des DJI-Surveys AID:A 2019 und nimmt die Mediennutzung und -erziehung in Familien mit Kindern unter 12 Jahren in den Blick (N = 1.945 Zwei-Eltern-Familien). Eine latente Profilanalyse führte zu einer 4-Klassen-Typologie familialer Digitalmediennutzung, die sowohl die absoluten Mediennutzungsdauern aller Familienmitglieder, als auch die gemeinsame Mediennutzung als Form medienerzieherischen Handelns berücksichtigt. Die Befunde legen zwei starke Hauptgruppen nahe: Während die Gemeinschaftsorientierte Fernseh-Familie (49,2 %) am häufigsten das Medium Fernsehen nutzt und dies auch am häufigsten zusammen (Eltern und Kinder), werden in Familien mit Solitären Internet-Eltern (36,9 %) stärker andere Medien (Internet, Gaming) und diese seltener gemeinsam genutzt. Ein multinomiales Logit-Modell bringt anschließend die Typologie in einen Zusammenhang mit wesentlichen, soziodemographischen Faktoren. Für die Fachpraxis ergeben sich aus diesen Differenzierungen möglicherweise je unterschiedliche Konfliktlagen und Beratungsbedarfe.
Objective: The aim of the present work is to analyse families' coping with the COVID-19 pandemic depending on available resources by examining the family as a cohesive system. Background: The COVID-19 pandemic has affected families in several ways, with many studies reporting a decreased well-being of children and parents. How families cope with the new situation is dependent on family resources and personal resources. Method: A mixed-method approach combines data from an online survey (N = 11,512) and complementary qualitative interviews. The study was conducted in spring 2020 during the initial COVID-19 lockdown in Germany. The study analyses how familial and individual resources affect the family climate and child well-being. Results: The study uncovered that although structural conditions, processes within the family, and individual ressources, especially the mothers working situation, are relevant for the COVID-19 experience. Family processes are the essential factor for positive family well-being. However, these processes meet their limits if the pre-existing conditions in the families are unfavorable. Nonetheless, children are also capable of developing their coping strategies. Conclusion: Future studies should examine families and their available resources as a whole system and include the children's perspective.