Quo Vadis SGB II? –: die Neuorganisation der Grundsicherung für Arbeitsuchende im Spannungsfeld zwischen politischen, wissenschaftlichen und pragmatischen Interessen: ein Lösungsweg unter Einbeziehung der regionalen Strukturen Bodensee-Oberschwabens
Einleitung: Die Verfassungswidrigkeit der ARGEn und das Erfordernis, die Grundsicherung für Arbeitsuchende neu zu regeln: Eine der umfangreichsten Sozialreformen in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland trat in Form des Sozialgesetzbuches II, der Grundsicherung für Arbeitsuchende, am 01.01.2005 in Kraft und führte die vormals bestehende Sozialhilfe nach dem BSHG mit der Arbeitslosenhilfe nach dem SGB III zusammen. Ziel der Reform war unter anderem, das Nebeneinander mehrerer Transferleistungen zu beenden und die Hilfen aus einer Hand zu gewährleisten. Der während des Gesetzgebungsverfahrens entbrannte politische Streit, wer Träger dieser neu geschaffenen Leistungen sein sollte und wie die organisatorische Umsetzung auszusehen habe, konnte nur durch einen Kompromiss im Vermittlungsausschuss zwischen Bundestag und Bundesrat beigelegt werden, mit dessen Folgen sich diese Masterthesis in weiten Teilen beschäftigt. Während die damalige Regierungskoalition die Bundesagentur für Arbeit als alleinigen Grundsicherungsträger in den Gesetzesentwurf einbrachte, sah die Opposition die Aufgabe bei den Kommunen besser aufgehoben. Das verabschiedete Gesetz schrieb in der Folge sowohl dem Bund als auch den Kommunen Aufgaben nach dem SGB II zu, was zu gemeinsamen Grundsicherungsstellen, den so genannten Arbeitsgemeinschaften (ARGEn) als Regelmodell im Rahmen einer Mischverwaltung führte. Zusätzlich, als zunächst zeitlich begrenztes Experiment, wurde 69 Kommunen die alleinige Grundsicherungsträgerschaft als zugelassene kommunale Träger (zkT) übertragen, um Aussagen darüber gewinnen zu können, welche Trägerform die bessere sei. Vom Gesetzgeber ungewollt, etablierte sich eine dritte Umsetzungsform in Gebieten, in denen sich Kommunen und lokale Agenturen für Arbeit nicht auf eine Arbeitsgemeinschaft einigen konnten: die Aufgabenwahrnehmung in getrennter Trägerschaft (gAw), bei denen jeder Grundsicherungsträger die ihm jeweils zugeschriebenen Aufgaben in eigener Zuständigkeit erbringt. Knapp drei Jahre nach Einführung dieser Organisationsmodelle erklärte das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 20.12.2007 die Mischverwaltung, und damit das im Bundesgebiet weit überwiegend umgesetzte Regelmodell der ARGE, für verfassungswidrig und gab dem Gesetzgeber bis zum 31.12.2010 Zeit, um unter Einbeziehung der Ergebnisse der gesetzlich verankerten Wirkungsforschung die Betreuung der Hilfebedürftigen neu zu regeln. Seitdem entstehen in schneller Abfolge sich je nach politischer Grundposition gegenseitig ausschließende Umsetzungsvarianten, die alle dem Prinzip des alten Weins in neuen Schläuchen, also der Beibehaltung der bisherigen Positionierungen zu folgen scheinen. Aus Sicht der Verfasser nähern sich die politischen Haltungen kaum an und es steht zu befürchten, dass die Grundsicherung für Arbeitsuchende wiederum Opfer eines Kompromisses wird, der inhaltlich kaum besser ausgestaltet ist als bisher und dem Willen des Gesetzes nach einheitlicher und bürgernaher Leistungsgewährung nach wie vor nicht gerecht wird. Es gilt deshalb, und das ist das Anliegen dieser Masterthesis, einen vom bisherigen, mittlerweile mehr als fünf Jahre andauernden politischen 'Machtgerangel' unabhängigen, überwiegend an inhaltlichen Kriterien orientierten Lösungsansatz für eine neue Organisationsform des SGB II zu entwickeln. Konkretes Vorgehen bei der Entwicklung einer funktionierenden Organisation: Ausgehend von den rechtlichen Hintergründen der Verfassungswidrigkeit der ARGEn, über die das Urteil des Bundesverfassungsgerichts Auskunft gibt, wird zunächst der Gesetzentwurf ('Hartz IV-Gesetz') und damit verbunden der ursprüngliche Wille des Gesetzgebers untersucht, der in dem neu zu entwickelnden Umsetzungsmodell Berücksichtigung finden soll. Des Weiteren wird die Entstehungsgeschichte der Grundsicherung für Arbeitsuchende beschrieben und die normative Kraft des Faktischen in Bezug auf die etablierten drei Umsetzungsmodelle kritisch hinterfragt. Es folgt eine differenzierte Analyse des bisherigen Standes der Evaluations- und Wirkungsforschung, aus der sich folgende zentrale Zwischenergebnisse ableiten lassen: Es lassen sich auf Bundesebene bislang keine systematischen Vorteile eines bestimmten Umsetzungsmodells erkennen. Die Unterschiede innerhalb jedes der drei Umsetzungsmodelle sind mindestens so vielfältig wie zwischen den Formen der Aufgabenwahrnehmung. Unterschiedliche Wirtschaftsräume scheinen einen größeren Einfluss auf die operativen Ergebnisse zu haben als die Modelle selbst. Zum einen veranlassen diese Resultate die Verfasser zu der Annahme, dass ein 'Festhalten' der Entscheidungsträger an Option, ARGE oder getrennter Aufgabenwahrnehmung unter wissenschaftlichen Aspekten wenig sinnvoll erscheint; zum anderen wird der Frage nachgegangen, inwiefern sich auf der Mikroebene in einem möglichst homogenen Wirtschaftsraum unterschiedliche Rahmenbedingungen minimieren und Vorteile entweder eines Modells oder bestimmter organisatorischer Ausgestaltungsformen finden lassen. Anhand der Resultate verschiedener Studien wird in einem ersten Schritt die Region Bodensee-Oberschwaben (speziell die Landkreise Ravensburg, Konstanz und Bodenseekreis) als weitgehend homogener Wirtschaftsraum identifiziert, in dem zudem alle drei Organisationsformen in unmittelbarer Nachbarschaft vorzufinden sind. Um vergleichbare operative Ergebnisse der drei Grundsicherungseinheiten zu erhalten, werden die umfangreichen statistischen Datenbanken der Bundesagentur für Arbeit genutzt, ausgewertet und aufbereitet, dabei die Parameter 'Aktivierung der Hilfebedürftigen' und 'Übergang in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung' als wesentliche Indikatoren für erfolgreiche Arbeit der Grundsicherungseinheiten herangezogen. Festzustellen ist, dass bezüglich der gewählten Erfolgsparameter in allen drei Kreisen bei vergleichbarem Mitteleinsatz vergleichbar erfolgreich gearbeitet wird, also wiederum keine systematischen Unterschiede zwischen den Umsetzungsmodellen erkennbar sind. Es erscheint daher legitim, sich in der Folge mit der inhaltlichen Arbeit vor Ort im Jobcenter Konstanz, in der gAw in Ravensburg und im Amt 'Hilfen für Arbeit' in Friedrichshafen auseinanderzusetzen und inhaltliche Erfolgsfaktoren sowie hemmende Faktoren zu identifizieren, die sich in ein neues 'funktionierendes' Modell für die Region Bodensee-Oberschwaben integrieren lassen. Eine Erhebung in Form teilstrukturierter Leitfadengespräche bei den drei Grundsicherungsstellen führt zu Aussagen bezüglich der konkreten Ausgestaltung der jeweiligen Organisation und den subjektiv wahrgenommenen Erfolgs- und hemmenden Faktoren bei der Umsetzung des SGB II. Unter Einbeziehung der deskriptiven Forschungsergebnisse sowie organisations- und managementtheoretischer Aspekte wird darauf ein neuartiges regionales Umsetzungsmodell aufgesetzt, das möglichst vielen Kriterien einer erfolgreichen Aufgabenerledigung in Bodensee-Oberschwaben weitgehend Rechnung trägt. Das Modell erscheint durch seine Flexibilität sowohl im Rahmen einer bundesunmittelbaren als auch einer kommunalen Aufsicht funktionsfähig. Methodischer Ansatz: Ansatz dieser Arbeit ist es, einen zum Verständnis der Thematik erforderlichen Überblick über die Chronologie der Ereignisse, die (politischen) Grundpositionen sowie die Zwischenergebnisse der Forschung zu bieten und letztere nicht nur darzustellen, sondern teilweise auch zu integrieren, also als erweiterte Datenbasis für eine eigene, kleinräumige und als solche nicht repräsentative Erhebung bei drei Grundsicherungseinheiten in Bodensee-Oberschwaben zu nutzen. Neuartig ist in diesem Zusammenhang u. a. die Einbeziehung verschiedener operativer Ergebnisse als Indikatoren für die Qualität der Arbeit der drei Organisationseinheiten. Dadurch wird eine Verbindung zwischen einzelnen Forschungsansätzen, die sich entweder auf deskriptive Aussagen oder einzelne operative Ergebnisse beschränken, hergestellt. Es zeigen sich dabei Zusammenhänge; Kausalschlüsse können jedoch nicht gezogen werden. Das auf diese Weise anschließend erarbeitete regionale Lösungsmodell erscheint auf den Bund übertragbar; der Versuch, sowohl die Erfahrungen aus der Praxis als auch die Evaluationsforschung sowie management- und organisationsentwicklungstheoretische Aspekte bei der Entwicklung einer tragfähigen Lösung zu integrieren, stellt dabei die Einzigartigkeit dieses Ansatzes dar. Trotz des relativ hohen Umfangs dieser Arbeit handelt es sich – angesichts Hunderter allein in den letzten Jahren veröffentlichter, inzwischen weit mehr als 50.000 Seiten umfassender Fachbeiträge aus Wissenschaft, Politik und Gesellschaft – um einen Ansatz zur Reduktion von Komplexität und zur Rückbesinnung auf pragmatische Prinzipien des Managements bei der Umgestaltung sozialer Dienstleistungsorganisationen. Der Sachverstand, die Professionalität und die kreativen Denkansätze der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die täglich ihren Dienst in den Grundsicherungsstellen verrichten und dadurch wirkliche Experten sind, bilden dabei die Basis für bislang im politischen Dialog fast unbeachtete bottom up-Prozesse, die die Diskussion um inhaltliche und insbesondere 'unpolitische' Lösungsansätze bereichern und weiterbringen könnte.Inhaltsverzeichnis:Inhaltsverzeichnis: Danksagungii Inhaltsverzeichnisiii Abkürzungenvii Abbildungen und Tabellenix 1.Einleitung und Problemstellung1 1.1Die Verfassungswidrigkeit der ARGEn und das Erfordernis, die Grundsicherung für Arbeitsuchende neu zu regeln1 1.2Konkretes Vorgehen bei der Entwicklung einer funktionierenden Organisation2 1.3Methodischer Ansatz4 2.Das Bundesverfassungsgerichtsurteil vom 20.12.075 3.Die Geschichte des SGB II und der verschiedenen Umsetzungskonstellationen8 3.1Der Reformbedarf und der Wille der Regierung: Der Gesetzesentwurf zum 'Hartz IV-Gesetz'8 3.2Modifikationen des Gesetzes bis zur Verabschiedung15 3.3Der politische Weg: Neue Modelle seit dem Verfassungsgerichtsurteil vom 20.12.200720 3.3.1Das kooperative Jobcenter (KJC) – BMAS/BA20 3.3.2Zentrum für Arbeit – Deutscher Städte- und Gemeindebund21 3.3.3Die Bundesauftragsverwaltung (das 'Bayernmodell')22 3.3.4Aktueller Stand der politischen Diskussion – Modell 'ZAG' mit Verfassungsänderung und Festschreibung der Option24 3.4Die alles beherrschende Frage: Wer kann es besser? Der Bund oder die Kommunen?25 4.Evaluation der Experimentierklausel und allgemeine Wirkungsforschung29 4.1Wirkungsforschung zur Experimentierklausel im Auftrag des BMAS: ISG – Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik30 4.1.1Ergebnisse aus den Untersuchungsfeldern des ISG-Forschungsverbundes33 4.1.2Wer ist besser? ARGE, zkT oder gAw?37 4.2ISE – Internationales Institut für Staats- und Europawissenschaft im Auftrag des DLT (Deutscher Landkreistag)39 4.3Bundesagentur für Arbeit (BA): Sonderbericht – 'Übergänge aus Grundsicherung in Beschäftigung'42 4.4Weitere Forschungsansätze44 4.5Zusammenfassung des aktuellen Forschungsstandes46 5.Die Ausgestaltung des SGB II im regionalen Kontext 'Bodensee-Oberschwaben'49 5.1Methodische Erläuterungen49 5.2Überprüfung der Vergleichbarkeit des Landkreises Ravensburg, des Bodenseekreises und des Landkreises Konstanz50 5.2.1SGB II-Vergleichstypen nach IAB50 5.2.2Regionenmatching des ZEW im Rahmen der Evaluation der Experimentierklausel des § 6c SGB II51 5.2.3Deskriptive Analyse des regionalen Arbeitsmarkts54 5.3Zeitreihen zur Entwicklung der Arbeitsmarktlage sowie der Situation im SGB II – Bereich der untersuchten Kreise56 5.4Erfolgsparameter: Aktivierungs- und Integrationsquoten62 5.5Fazit aus dem Vergleich der Erfolgsparameter72 5.6Die organisatorische Ausgestaltung der drei Grundsicherungsträger ARGE Konstanz, zkT Bodenseekreis und gAw Ravensburg – Vorstellung der dazu verwendeten Methode (Befragung)75 5.6.1Umsetzung des SGB II in der gAw Ravensburg77 5.6.1.1Entstehungsgeschichte und organisatorische Ausgestaltung77 5.6.1.2Ausgestaltung des Fallmanagements und der Vermittlung88 5.6.1.3Qualitätsmanagement92 5.6.1.4Einsatz der Arbeitsmarktinstrumente ('Maßnahmemix')94 5.6.1.5Bewertung der getrennten Aufgabenwahrnehmung und der Umsetzung des Gesetzes durch die befragten Mitarbeiter96 5.6.2Die Umsetzung des SGB II beim zkT Bodenseekreis99 5.6.2.1Entstehungsgeschichte und organisatorische Ausgestaltung100 5.6.2.2Ausgestaltung des Fallmanagements und der Vermittlung105 5.6.2.3Qualitätsmanagement109 5.6.2.4Einsatz der Arbeitsmarktinstrumente ('Maßnahmemix')110 5.6.2.4Bewertung der kommunalen Option und der Umsetzung des Gesetzes durch die befragten Mitarbeiter112 5.6.3Die Umsetzung des SGB II in der ARGE Konstanz115 5.6.3.1Entstehungsgeschichte und organisatorische Ausgestaltung115 5.6.3.2Ausgestaltung des Fallmanagements und der Vermittlung125 5.6.3.3Qualitätsmanagement127 5.6.3.4Einsatz der Arbeitsmarktinstrumente ('Maßnahmemix')128 5.6.3.5Bewertung der ARGE und der Umsetzung des Gesetzes durch die befragten Mitarbeiter130 5.7Gemeinsamkeiten und Unterschiede bezüglich der Erfolgsfaktoren bei der Umsetzung des SGB II in den befragten Grundsicherungsstellen der Region Bodensee-Oberschwaben134 5.7.1Organisatorische Ausgestaltung134 5.7.2Wahrgenommene Erfolgsfaktoren138 5.7.3Wahrgenommene hemmende Faktoren143 5.7.4Zusammenfassung der bisherigen Ergebnisse147 6.Entwicklung eines regionalen Trägermodells für Bodensee-Oberschwaben150 6.1Die Entscheidungsgremien des regionalen Modells150 6.2Die Aufbau- und Ablauforganisation des regionalen Modells151 6.3Fallmanagement und Vermittlung156 6.4Der 'Maßnahmemix'159 6.5Das Qualitätsmanagement160 6.6Die trägerübergreifende IT-Lösung163 7.Übertragung des regionalen Modells auf den Bund164 7.1Einbettung des regionalen Modells in die Kompetenzordnung des Bundes und der Länder165 7.2Alles schon mal da gewesen…? – ein möglicher Ausweg166 8.Schlussbemerkung und Ausblick167 9.Literatur169 AnhangI–XVITextprobe:Textprobe: Kapitel 5.7.4, Zusammenfassung der bisherigen Ergebnisse: Betrachtet man die Darstellungen in den letzten Abschnitten zusammenfassend, so ist festzustellen dass sich in einer kleinräumigen Wirtschaftsregion mit ähnlichen Rahmenbedingungen im Rahmen einer 'Mikroanalyse' die bisherigen Forschungsergebnisse im Wesentlichen replizieren lassen. So fallen kontinuierliche organisatorische Veränderungsprozesse ins Auge sowie die Tatsache, dass sich unterschiedliche organisatorische Ausgestaltungen angesichts der zu verzeichnenden 'atypischen' Ausprägungen größtenteils nicht auf die Art des Trägermodells zurückführen lassen. Unabhängig vom Trägermodell und der (sich noch immer im Wandel befindlichen) Organisationstypologien entwickeln sich im Zeitverlauf in einigen Aspekten anscheinend unterschiedliche, in anderen Aspekten ähnliche Strukturen, Erfolgsfaktoren und Problematiken, unabhängig davon, ob die Organisationsform nun zentral vorgegeben ist, sich dezentral entwickelt hat oder eine 'Mischform' darstellt. Dazu gehört der bei allen Befragten geäußerte Wunsch bzw. die als Erfolgsfaktor benannte Individualisierung im Leistungsprozess, einerseits bei den eingesetzten Maßnahmen, andererseits im persönlichen Beziehungsaufbau zum Kunden, der letztlich auch entgegen vorgegebener Strukturen 'durchgesetzt' wird. Das weiter oben angeführte 'Baden-Württemberg-Paradox' zeigt sich in hohem Maße: Deutlich die Mehrheit der eHb werden als nicht direkt vermittelbar eingestuft und die Notwendigkeit sozial stabilisierender und nicht ausschließlich beschäftigungsorientierter Maßnahmen für diese Klientel in den Vordergrund gerückt. Individualisierung als Erfolgsfaktor im Prozess der Erbringung sozialer Dienstleistungen zeigt sich nicht nur im direkten Umgang mit dem Kunden, sondern ist auch in Aspekten der Mitarbeiterzufriedenheit bzw. der Mitarbeitermotivation, Engagement und Identifikation mit der Aufgabe zu finden, und zwar um so mehr dort, wo Mitarbeitern Gestaltungs- und Entscheidungsfreiheiten eingeräumt werden. Dem stehen andererseits Bemühungen des Gesetzgebers in Richtung zunehmender und größtmöglicher Standardisierung und 'Entpersonalisierung' der Leistungsprozesse entgegen, die durchweg als hemmend und die Arbeit beeinträchtigend erlebt werden. Transparenz, Einheitlichkeit und Einfachheit der Aufbau- und Ablaufstrukturen in der Organisation werden dagegen, ebenso wie eine komfortable und einheitliche EDV-Lösung und transparente, realisierbare geschäftspolitische Ziele als Erfolgsfaktoren wahrgenommen bzw. vermisst, wenn sie nicht vorhanden sind. Eher bzw. 'zu' informelle Strukturen, zu viele Ansprechpartner für die Mitarbeiter innerhalb der Organisation oder für die Kunden werden dagegen wegen der zu verzeichnenden Reibungsverluste und 'Brüche' in der Beziehung zum Kunden sowie der schwierigen Einarbeitung neuer Mitarbeiter eher als hemmend erlebt. Kommunale Strukturen und Netzwerkarbeit werden als Erfolgsfaktoren benannt, am Beispiel der gAw Ravensburg zeigt sich dabei, dass trotz institutionell bedingter Nachteile und entgegen anders lautender bundesweiter Evaluationsergebnisse dennoch ein relativ hohes Maß an Kooperation und Kundenfreundlichkeit sowie auch Netzwerkarbeit möglich ist, wenn die beteiligten Akteure entsprechende Handlungsspielräume erkennen und nutzen. Ganz deutlich wird dem Bedürfnis nach Individualisierung im zkT Bodenseekreis Rechnung getragen, was sich für die Mitarbeiter in einem hohen Beteiligungsgrad einerseits sowie andererseits in einem kaum vorzufindenden quantitativen Controlling zeigt. Auch die 'echte' Sozialarbeit und die wahrgenommene Unterstützung durch die Leitung hinsichtlich der Nicht-Quantifizierbarkeit vieler Ziele werden hervorgehoben. Andererseits sind hier dann auch die Befürchtungen, Gestaltungsspielräume künftig abgeben und sich verstärkt den Reglementierungen des BMAS oder des Bundes 'unterwerfen' zu müssen, am deutlichsten ausgeprägt, während ARGE- und gAw – Mitarbeiter an eine zunehmende Standardisierung eher gewöhnt zu sein scheinen und sich 'Nischen' im System suchen. Bezüglich der Erfolgsindikatoren deuten sich Zusammenhänge mit einzelnen, subjektiv wahrgenommenen Erfolgsfaktoren an, z. B. die Initiative '0 Prozent Jugendarbeitslosigkeit' im Bodenseekreis und die dort zu beobachtende geringe Jugendarbeitslosigkeit, die Betonung präventiver Ansätze und sozial stabilisierender Maßnahmen im Bodenseekreis und der leichte Vorsprung bei der Integration der eHb in Beschäftigung. Andererseits könnte die stärkere Beschäftigungsorientierung in Ravensburg und Konstanz mit der zu verzeichnenden, besseren Integrationsrate von arbeitslosen Hilfebedürftigen in Zusammenhang stehen. Hieraus Kausalzusammenhänge abzuleiten wäre angesichts der schmalen Datenbasis und der sehr schwachen Zusammenhänge jedoch nicht nur vermessen, sondern schlicht falsch. Auch können keine Zusammenhänge zwischen einzelnen Maßnahmen der jeweiligen 'Maßnahmemixe' oder zwischen verschiedenen organisatorischen Ausgestaltungen und 'messbarem' Erfolg festgestellt werden. Auch unter Hinzuziehung der Evaluationsforschung scheint das Modell der Aufgabenwahrnehmung unerheblich zu sein: Innerhalb der Modelle zeigt sich auch in einer kleinräumigen Studie ein derart hohes Maß an Abweichungen und gegenläufigen Tendenzen in mehreren Aspekten, dass letztlich festzuhalten bleibt, dass in Bodensee-Oberschwaben keines der Modelle eine erfolgreiche Wahrnehmung bzw. Umsetzung der sich aus dem SGB II ergebenden Aufgaben 'verhindert' sondern dass sich vielmehr unter Nutzung der Gestaltungsspielräume Abläufe entwickeln, die mehr oder weniger effizient sein mögen, aber – das zeigen die dargestellten Erfolgsparameter – offensichtlich ähnlich effektiv 'funktionieren'. Aus den postulierten Erfolgsfaktoren aller Träger versuchen die Verfasser nun, eine Organisationsform zu entwickeln, die möglichst viele der genannten Aspekte berücksichtigt und Reibungsverluste minimiert.