Sozialer Staat und industrieller Konflikt: das Schlichtungswesen zwischen Inflation und Weltwirtschaftskrise
In: Die Weimarer Republik als Wohlfahrtsstaat: zum Verhältnis von Wirtschafts- und Sozialpolitik in der Industriegesellschaft, S. 186-203
Der Verfasser legt die gesetzlichen Grundlagen des staatlichen Schlichtungswesens in der Weimarer Republik dar, beschreibt die Schlichtungsinstanzen und untersucht die Reaktion der Gewerkschaften und der Unternehmerverbände auf die staatliche Einflußnahme. Beruhten die Sozialordnung und die Sozialgesetzgebung in den ersten Jahren der Weimarer Republik weitgehend auf Initiativen der Verbände, so verordnete in der Krise vom Herbst 1923 die Bürokratie ohne Mitwirkung der Verbände und des Parlaments eine gesetzliche Neuregelung des Schlichtungswesens. Der staatliche Schutz wirtschaftlicher und sozialer Interessen folgte dabei dem Sozialideal der Arbeitsgemeinschaft. Es entwickelte sich eine Verschiebung vom gesellschaftlichen Korporatismus zum Staatskorporatismus. Die staatliche Schlichtung verhinderte im industriellen Bereich weder eine Verschärfung der Konfliktaustragung noch eine drückende Überlegenheit der Unternehmer. Die eigentlichen Ziele der Weimarer Schlichtung wurden nicht erreicht. Aus einem Instrument, das eine Einigung zwischen den Tarifparteien herbeiführen sollte, wurde eine Einrichtung, durch die der Staat die Grundlagen des Arbeitsverhältnisses definierte. Ungedruckte und gedruckte Quellen sowie Sekundärliteratur wurden ausgewertet. (KS)