In: Orient: deutsche Zeitschrift für Politik, Wirtschaft und Kultur des Orients = German journal for politics, economics and culture of the Middle East, Band 19, Heft 4, S. 58-69
In: Terrorismus und Extremismus: der Zukunft auf der Spur ; Beiträge zur Entwicklungsdynamik von Terrorismus und Extremismus - Möglichkeiten und Grenzen einer prognostischen Empirie, S. 217-235
Der Beitrag widmet sich der Bedeutung ideologischer und sozialer Faktoren in islamistischen Radikalisierungsprozessen aus Sicht des Verfassungsschutzes, wobei die Betrachtung nach den jüngeren Anschlägen innerhalb Europas vor allem auf die kulturräumlichen und gesellschaftlichen Strukturen Europas reflektiert. Gefragt wird, ob nunmehr eine selbst gemachte, nicht mehr nur importierte Bedrohung der inneren Sicherheit und der demokratischen Institutionen der europäischen Staaten durch einen indigenen Islamismus zu befürchten sei. Zur Beantwortung dieser Frage wird ein typisierendes Verlaufsmodell vorgestellt, das die zentralen Akteure, Stadien und Faktoren islamistischer Radikalisierungsprozesse - auch im Sinne eines nicht-gewaltbereiten Islamismus - ausweist. Unter Rückgriff auf wissenschaftliche Arbeiten kristallisiert sich folgende These heraus: Die sozialen Bindungen innerhalb der Mikrosysteme von Gleichgesinnten scheinen von ungleich höherer Bedeutung innerhalb des Radikalisierungsgeschehens als ideologische Komponenten. Im Verlaufe der weiteren Analyse wird zwischen differenten islamistischen Gruppierungen gemäß den Oberkategorien 'islamistischer Terrorismus' und 'legalistischer Islamismus' differenziert. Der Beitrag schließt mit einem Plädoyer für interdisziplinäre und (international wie interkulturell) vergleichende sozialwissenschaftliche Forschungsansätze, um die sozialstrukturellen Rahmenbedingungen, die islamistische Radikalisierungsprozesse im Sinne eines indigenen europäischen Islamismus befördern, mit einer höheren Auflösung identifizieren zu können. Damit wäre sicherlich auch die Hoffnung auf eine im deutschsprachigen Forschungsraum ausstehende Begriffsdifferenzierung von Islamismus zu verknüpfen. (ICH2)
Laut Präsident de Gaulle, der aus einem geographischen Gemeinplatz eine geopolitische These machte, reicht Europa vom Atlantischen Ozean bis zum Ural. Europa erscheint dann begrenzt von zwei "Flügelmächten" - einerseits Nordamerika und andererseits Russland mit Sibirien. Der vorliegende Beitrag geht demgegenüber der Frage seiner kulturellen und historischen Identität nach: Was für eine Identität kann Europa als einem historisch bzw. geographisch bestimmten Raum und was für eine Identität der Europäischen Union verliehen werden? Mit der griechisch-römischen Kultur, der Res Publica Christiana sowie der westlichen Zivilisation werden zunächst die identitätsbildenden Faktoren genannt. Jedoch sind diese zu allgemein, um sich sinnvoll auf die Europäische Union und die Frage ihrer Identität anwenden zu lassen. Bei der Europäischen Union handelt es sich um ein konkretes geographisches Gebiet, das gleichzeitig auch politisch bestimmt ist. Zur Klärung der europäischen Identitätsfrage ist es erforderlich, sich zunächst über die Eigenschaften von Nationalstaaten zu verständigen. Auf dieser Grundlage lassen sich dann erstens Aussagen darüber gewinnen, inwieweit diese Eigenschaften auch auf die Europäische Union zutreffen, und zweitens, in welchem Maße Bürger, die sich mit ihrem eigenen Nationalstaat identifizieren, eine ähnliche Verbundenheit zur Europäischen Union aufweisen. (ICA2)