Chronologie der politischen Vorgänge in Argentinien in der Osterwoche vom 14.4. bis 21.4.1987 unter besonderer Berücksichtigung der Konzessionen an die Forderungen der Aufständischen und der faktischen Amnestie für Uniformierte nach der Verabschiedung des Gesetzes über den Befehlsnotstand am 28.5.1987
Ein schmales Bändchen, das keine historisierende Aufarbeitung des sog. "Röhm-Putschs" will, sondern historisch-juristische Fallstudie mit politisch-aktueller Nutzanwendung ist. Ohne allzuviel Blicke auf die einschlägige Literatur zu werfen, referiert der streitbare, in der NS-Zeit mit Berufsverbot belegte Münchener Jurist (vgl. BA 7/87) zwar auch den Ablauf jener staatlich befohlenen Mordaktion gegen die SA, mehr jedoch interessieren ihn die Reaktionen, das Schweigen der Zeitgenossen und die seines Erachtens mustergültige gerichtliche Aufarbeitung nach dem Krieg. Sie interessieren ihn, weil er daraus, gegen alle Mythen von Befehlsnotständen, blindem Gehorsam und irrendem Gewissen, ein Lehrstück in Rechtstaatlichkeit machen kann, eine Übung in Rechtskultur - und weil er Maßstäbe aufzeigen will auch in Hinblick auf die Bewältigung der DDR-Geschichte. (2) (Engelbrecht Boese)
In essayistischer Form setzt sich der Autor mit der Theorie und Praxis der kommunistischen Bewegung und der von ihr dominierten Staaten auseinander, wobei er die Analyse der verschiedenen Entwicklungsetappen der DDR als logischen Teilabschnitt im gesamten Komplex der politischen, wissenschaftlichen und juristischen Aufarbeitung der "nichtkapitalistischen Gesellschaftsformation" definiert. Erläutert wird die Einbindung der DDR in den politisch-militärischen Warschauer Vertrag von 1955. Aufgrund diverser Gesetze und Vorgaben werden die rechtliche Stellung des "Ministeriums für Staatssicherheit" beschrieben sowie Aspekte einer strafrechtlichen Verantwortung der Mitarbeiter dieses Geheimdienstes. Der Autor kommt hier zum Schluß, daß eine pauschale Entschuldigung aller Handlungen im Rahmen des sogenannten "Befehlsnotstandes" nicht sinnvoll sei, man aber bei einer Untersuchung und Verurteilung die spezielle Struktur und Hierarchie berücksichtigen müsse, die hinter den Anweisungen stand. (rk)
Ingo Harms zeigt am Beispiel der Heil- und Pflegeanstalt Wehnen, dass sich die Gesundheitsbehörden des Landes Oldenburg an der NS-'Euthanasie' nicht nur beteiligt haben, sondern ihr um Jahre vorausgeeilt sind. Mindestens 1500 Patienten starben den qualvollen Hungertod. Die Untersuchung lässt keinen Zweifel daran, dass die Verantwortlichen nicht zu ihren Taten gezwungen wurden, ganz zu schweigen von einem 'Befehlsnotstand'. Auch eine besondere Nähe zum Nationalsozialismus war nicht nötig. Was die Täter miteinander verband, war die erbbiologistische Überzeugung, das deutsche Volk vom 'lebensunwerten Leben' befreien zu müssen. Mit missionarischem Eifer widmeten sie sich der Marginalisierung und Vernichtung ihrer behinderten und psychisch kranken Mitmenschen. Das dahinter stehende rassenbiologische Motiv hat eine bedeutend längere Geschichte als der deutsche Faschismus. Da dieses Weltbild naturwissenschaftlich begründet war, gehörten zahllose Akademiker, besonders Ärzte und hohe Staatsbeamte zu seinen Anhängern.
Die Autorin legte ihre Untersuchung anläßlich der jüngsten Forderungen nach finanzieller Entschädigung für die Zwangsarbeit in deutschen Betrieben während des Zweiten Weltkrieges vor. Auch im Flick-Konzern wurden neben anderen, jüdische Bürger und Bürgerinnen zur Zwangsarbeit genötigt. Dabei wurden menschenverachtende Methoden angewandt, denen zahlreiche Menschen zum Opfer fielen. Dies weist die Autorin mittels zahlreicher Dokumente nach, aus denen auch hervorgeht, daß der Konzernchef Flick genauestens über den Umfang der "Sklavenarbeit" informiert war. "Flick hat den Ausländereinsatz von Anfang an gebilligt, er hat gegen ihm bekannt gewordene Mißhandlungen von Ausländern in seinen Unternehmen wie gegen deren unerträgliche Arbeits- und Lebensverhältnisse nie etwas unternommen". Desto unverständlicher erscheint die Entscheidung des Gerichtes, die im wesentlichen der Entlastungsbegründung der Verteidigung entspricht und Flick eine Art Befehlsnotstand gegenüber den nationalsozialistischen Behörden zugesteht. (TK)
Der Band dokumentiert die Niederschriften der von der Zentralen Stelle ausgerichteten Tagungen der in der Bundesrepublik mit der Strafverfolgung von NS-Verbrechen befassten Staatsanwälte von 1964-1970 und von 1988-1995. Die Zentrale Stelle (zunächst unter der Leitung von Erwin Schüle und anschließend von Adalbert Rückerl) wurde auf Initiative Baden-Württembergs 1958 begründet und hat die Aufgabe, die Vorermittlungen zu führen wegen solcher Verbrechen, die während der nationalsozialistischen Herrschaft von den Gewalthabern des Dritten Reichs außerhalb der eigentlichen Kriegshandlungen begangen worden sind (seit Ende 1964 nicht mehr auf die Verbrechen im Ausland beschränkt). Wichtige Themen der über 60 Referate und der Diskussionen sind: Zusammenarbeit der Zentr. Stelle mit den Staatsanwaltschaften, Befehlsnotstand, Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme, Strafmaß in NS-Verbrechen, Rechtshilfeverkehr mit dem Ausland, Zeugenvernehmungen in Israel und den USA, Zeugenbefragung vor Schwurgerichten, Analyse eines großen NS-Prozesses, archivalische Quellen.
Es dürfte kein Zufall sein, dass im Untertitel "Amnestieren" und "Verdrängen" vor "Bestrafen" steht. Denn deutlich weisen die Autoren auf die Defizite bei der gerichtlichen Ahndung des Holocausts hin, die dazu führten, dass viele Tatbeteiligte aus verschiedenen Gründen (Verjährung, Verfahrenseinstellung, Freispruch, Amnestie) ungeschoren davonkamen. Ebenso wie die Defizite werden aber auch die Verdienste der deutschen Justiz benannt, wobei die Initiative zur Strafverfolgung oft von Einzelpersonen ausging. Auch bei diffizilen juristischen Sachverhalten bleibt der Text gut verständlich, nur das Juristendeutsch aus den Quellen erfordert Gewöhnung. Diese vorzüglich recherchierte Überblicksdarstellung vermag gerade in Zeiten eines erstarkenden Rechtspopulismus und damit verbundener "Schlussstrich"-Bestrebungen bewusst zu machen, wie wichtig die Erinnerung an die NS-Verbrechen ist. Daneben regt der Band zum Nachdenken über schwierige juristische Fragen an (Befehlsnotstand - individuelle Verantwortlichkeit und Schuld), die, man denke z.B. an das Haager Tribunal, auch in unserer Zeit hochaktuell sind. (2 S)
"Zum zweiten Mal in ihrer Geschichte sind die Deutschen gezwungen, Unrecht aufzuarbeiten, das ein totalitäres Regime begangen hat. Nach dem Aufweis von Parallelen zwischen NS- und der SED-Diktatur definiert der Beitrag, was einen Unrechtsstaat kennzeichnet, und legt dar, daß das SED-Unrecht auf vier Ebenen aufgearbeitet werden muß. Auf der ersten Ebene geht es um die Delegitimierung des SED-Systems und seiner ideologischen Grundlagen durch politische Bildung, zeitgeschichtliche Forschung und Publizistik. Als zweite Ebene der Unrechtsbewältigung behandelt der Beitrag die Personalpolitik. Durch personelle Säuberung ('Elitenwechsel') muß der tiefe Einschnitt verdeutlicht und glaubhaft gemacht werden, der die bundesdeutsche Demokratie von der kommunistischen Diktatur trennt. Um zu verhindert, daß die Ergebnisse der Ahndung des SED-Unrechts durch die Justiz hinter dem Möglichen zurückbleiben, erörtert der Beitrag auf einer dritten Ebene die vermeintlichen und die echten Schwierigkeiten, denen sich die Justiz gegenübersieht: Rückwirkungsverbot ('nulla poena sine lege'), Schießbefehl und Grenzgesetz als 'gesetzliches Unrecht', Unrechtsbewußtsein, Befehlsnotstand, Rechtsbeugung durch Rechtsprechung und Verjährung. Die Wiedergutmachung des Unrechts an den Opfern des SED-Regimes wird als vierte Ebene der Aufarbeitung des SED-Unrechts behandelt." (Autorenreferat)