Determinanten und Effekte von Auslandsmobilität im Studium
Die Dissertation untersucht aus einer interdisziplinären Lebensverlaufsperspektive, welche Faktoren beeinflussen, ob Studierende einen studienbezogenen Auslandsaufenthalt durchführen, und welche Auswirkungen Auslandsaufenthalte auf den Berufsverbleib haben. Zu diesem Zweck werden psychologische, soziologische und ökonomische Theorien integriert (Rubikonmodell der Handlungsphasen; Theorie rationaler Entscheidungen; Reproduktionstheorie; Migrationstheorien; Suchtheorie; Segmentationstheorie). Die aufgestellten Hypothesen werden mittels quantitativer Analysen national repräsentativer Datensätze getestet (DZHW-Studienberechtigtenpanel; deutsche, österreichische, schweizerische und niederländische Studierenden-Sozialerhebungen; DZHW-Absolventenpanel und Bayerisches Absolventenpanel; WiNbus Online-Panel). Im Einklang mit den theoretischen Überlegungen zeigen die Ergebnisse, dass entscheidende Weichen für studienbezogene Auslandsmobilität bereits in vorhochschulischen Sozialisations- und Bildungsphasen gestellt werden. Beispielsweise gehen Kinder aus akademischem Elternhaus in allen untersuchten Ländern deutlich häufiger während ihres Studiums ins Ausland. Dies erklärt sich maßgeblich dadurch, dass sie bereits während der Schulzeit häufiger Gelegenheit haben, solide Fremdsprachenkenntnisse zu erwerben und erste Auslandserfahrungen zu sammeln. Entsprechend schätzen sie ihre Erfolgswahrscheinlichkeit sowie die Erträge von Auslandsmobilität als höher und die Kosten derselben als geringer ein. Auslandserfahrene Absolvent*innen unterscheiden sich von nicht auslandserfahrenen Absolvent*innen vor allem hinsichtlich der Internationalität ihrer Karrieren: Erstere arbeiten anteilig häufiger im Ausland und sind auch in Deutschland stärker in internationale Arbeitszusammenhänge eingebunden, in welchen sie öfter auf interkulturelle Kompetenzen angewiesen sind. Studienbezogene Auslandsaufenthalte - insbesondere Auslandspraktika - wirken sich ebenfalls auf den Berufserfolg positiv aus: In bestimmten Beschäftigungskontexten beziehen Absolvent*innen höhere Einkommen, wenn sie während des Studiums im Ausland waren. Dieser Einkommensvorteil ist einerseits auf ihre positive Selbstselektion zurückzuführen. Andererseits können sie schneller Lohnerhöhungen erreichen, weil sie anteilig häufiger in gut bezahlenden großen und multinationalen Unternehmen arbeiten und in ihren ersten Erwerbsjahren häufiger gewinnbringend den Arbeitgeber wechseln. Auch für eine wissenschaftliche Karriere scheinen studienbezogene Auslandserfahrungen von Nutzen zu sein: Sie stehen in Zusammenhang mit späteren Auslandsaufenthalten zu Forschungszwecken, der Einmündung in internationale Forschungskontexte und der Einbettung in internationale Wissenschaftlernetzwerke. Studienbezogene Auslandsmobilität kann folglich ein Instrument darstellen, um Hochqualifizierte auf Leben und Arbeit in einer internationalisierten und kulturell diversen Gesellschaft vorzubereiten. Sie kann aber auch zur Entstehung sozialer Ungleichheit beitragen, weil nicht alle Studierendengruppen gleichermaßen Zugang zu Auslandsaufenthalten haben. Die Dissertation zeigt, dass soziale Ungleichheiten im Zeitverlauf sogar zugenommen haben - unter anderem durch den massiven Ausbau von Stipendienprogrammen im Zuge des Bologna-Prozesses. Da soziale Ungleichheiten bereits in frühen Lebensphasen ihren Ursprung haben, dürften im Hochschulstudium ansetzende Ausgleichsmaßnahmen in ihrer Reichweite begrenzt bleiben.