Person und Korporation: die Verfassungsrechte von juristischen Personen nach dem deutschen Grundgesetz und von corporations nach der US-Verfassung
In: Rechtsvergleichung und Rechtsvereinheitlichung 90
Die Grundrechte bauen auf einem binären System von Mensch und Staat auf. Der Mensch ist in diesem System grundsätzlich durch die Verfassung geschützt, der Staat muss dessen Rechte achten. Grundrechtsverpflichtung und -berechtigung stellen nach dem Konfusionsargument zwei sich grundsätzlich gegenseitig ausschließende Pole dar. Doch juristische Personen sind weder Mensch noch Staat und stören, seitdem sie existieren, das System des binär aufgebauten Verfassungsrechts. Julia Weitensteiner arbeitet die Antworten heraus, die das Bundesverfassungsgericht und der US Supreme Court in ihrer Rechtsprechung in den letzten 200 Jahren auf die Fragen der Grundrechtsberechtigung von juristischen Personen gefunden haben. Anschließend hinterfragt sie, ob die traditionellen binären Muster des Verfassungsrechts wirklich so zwingend sind, und stellt die jeweiligen Lösungen in den Rechtssystemen Deutschlands und der USA anhand der Methode des Rechtsvergleichs und auch mit Blick auf neue digitale Akteure im Verfassungsrecht auf den Prüfstand.InhaltsübersichtEinführung A. Die Zweiteilung der (juristischen) WeltB. Problemstellung Kapitel 1: Grundlegung A. Die Risiken der Rechtsvergleichung und die korrespondierende MethodikB. Der Gegenstand und die Ziele der durchzuführenden RechtsvergleichungC. Terminologische Grundlagen Kapitel 2: Grundrechte juristischer Personen im Grundgesetz A. Das Urteil des BVerfG zur AtG-Novelle – Staat ist nicht gleich StaatB. Der Sinn und Zweck von Art. 19 Abs. 3 GGC. Problemfelder in der Anwendung von Art. 19 Abs. 3 GGD. Fazit: Juristische Personen als Herausforderung für die binären Prinzipien der deutschen Grundrechtsdogmatik Kapitel 3: Der gesellschaftliche Kontext korporativer Organisationsformen in den USA A. Corporations in den Vereinigten Staaten von AmerikaB. Corporations in der Wahrnehmung der VerfassungsväterC. Das rechtstheoretische Konzept der corporation in den USA Kapitel 4: Die Verfassungsrechte privater corporations in der Rechtsprechung des US Supreme Court A. Urteile in der Zeit der special charterB. Die Anfangszeit der general incorporation lawsC. Der korporative Griff nach den Rechten des 14. ZusatzartikelsD. Corporate Criminal Liability und ihre verfassungsrechtlichen Folgen zum Beginn des 20. JahrhundertsE. Konsolidierung der corporate constitutional rights Rechtsprechung in der ersten Hälfte des 20. JahrhundertsF. First Amendment rights für corporations: commercial und political speechG. First Amendment rights für corporations: ReligionsfreiheitH. Fazit: Die fortschreitende Ausweitung der corporate constitutional rights durch den US Supreme Court Kapitel 5: Die Verfassungsrechte staatsnaher corporations in der Rechtsprechung des US Supreme Court A. Staatsnahe corporations und die State Action DoctrineB. Korporative Untereinheiten des Staates C. Dem Staat zurechenbare private corporations D. Ausnahmen: Verfassungsberechtigung öffentlicher corporations E. Fazit: Grundsätzlich (noch) keine konkreten individuellen Verfassungsrechte für staatliche corporations Kapitel 6: Kritik und Lösungsansätze aus der US-amerikanischen rechtswissenschaftlichen Literatur A. Constitutional rights und corporate theory in der LiteraturB. Die Trennung von public und private in der rechtswissenschaftlichen LiteraturC. Fazit Kapitel 7: Rechtsvergleich A. Die Verfassungsrechte von Korporationen in den USA und in DeutschlandB. Die Rechte staatsnaher Korporationen Schlussbetrachtung A. Tertium daturB. Quartum datur?