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World Affairs Online
In: Dokumentation / Namibia Information Office, 30
World Affairs Online
In: Pressedokumentation, Nr. 22
World Affairs Online
World Affairs Online
In: Studien zum sozialen Dasein der Person Band 37
In: Nomos eLibrary
In: Sozialwirtschaft und Soziale Arbeit
Die Studie stellt den Abschlussbericht eines Projekts zur Förderung der Selbsthilfe im Sinne des § 20h SGB XI im ländlichen Raum in den Jahren 2016 bis 2019 in der Region Lausitz/Kreis Görlitz dar, finanziert von der AOK PLUS in Sachsen und Thüringen. Das Projekt wurde durchgeführt von der KISS, getragen von "Soziales Netzwerk Lausitz" in Weißwasser. Die Evaluation bediente sich Methoden der qualitativen Sozialforschung bzw. der Ethnographie und diskutiert die Ergebnisse politisch auf der gewährleistungsstaatlichen Grundlage der Idee der Sozialraumbildung im Kontext der rechtlichen Vorgaben kommunaler Daseinsvorsorge, hier im prekärem ländlichen Raum, dabei die Kooperationsfragen mit den Aufgaben der Sozialversicherung betonend.
In: Wissenschaftliche Reihe 12
World Affairs Online
Blog: www.jmwiarda.de Blog Feed
Warum ein Forschungsdatengesetz so, wie das BMBF es bislang plant, für die Wissenschaft kaum Fortschritte bringen würde: ein Interview mit Regina Riphahn und Rüdiger Bachmann.
Regina Riphahn (rechts), ist Professorin für Statistik und empirische Wirtschaftsforschung an der FAU Erlangen-Nürnberg, ehemalige Vorsitzende
der wissenschaftlichen Kommission des Wissenschaftsrats und Vorsitzende des Vereins für Socialpolitik. Rüdiger Bachmann (links) ist Professor für Volkswirtschaftslehre an
der University of Notre Dame in Indiana und unter anderem Forschungsprofessor am Ifo Institut für Wirtschaftsforschung. Fotos: Giulia
Iannicelli/privat.
Frau Riphahn, Herr Bachmann, Sie sind Mitglieder der Arbeitsgruppe "Datenzugang" des Vereins für Socialpolitik (VfS). Was ist das für ein Verein?
Regina Riphahn: Der Verein für Socialpolitik ist im deutschsprachigen Raum die größte Fachgesellschaft für Wirtschaftswissenschaftler und Wirtschaftswissenschaftlerinnen. Er hat
etwa 3800 Mitglieder.
Rüdiger Bachmann: Und er ist international eine der ältesten wirtschaftswissenschaftlichen Fachgesellschaften überhaupt, wir sind gerade 150 Jahre geworden.
Die AG "Datenzugang" des VfS hat weniger Historie, ist aber im Augenblick besonders hörbar. So haben Sie sich gerade sehr deutlich zum BMBF-Eckpunktepapier des geplanten Forschungsdatengesetzes
geäußert.
Riphahn: Die Gründung unserer AG Ende 2022 hing mit der Ankündigung des Forschungsdatengesetzes im Ampel-Koalitionsvertrag zusammen. Damals hatten wir die Hoffnung, dass mit dem
Gesetz, mit der Gründung eines Dateninstituts und parallel der Umsetzung des European Data Governance Acts für die Forschung in Deutschland ein echter Schub entstehen könnte. Vieles davon hat
sich seitdem aufgelöst, jetzt bleibt das Forschungsdatengesetz.
Wenn man die Stellungnahme Ihrer AG liest, klingt die allerdings so, als wäre auch diese Hoffnung zu großen Teilen der Enttäuschung gewichen.
Riphahn: Nein, erstens gibt es im Eckpunktepapier gute Ansätze und zweitens ist noch nichts beschlossen.
Wie würde ein Forschungsdatengesetz aussehen, wie es sich der VfS wünscht?
Bachmann: Ein gutes Gesetz muss unabhängige Forschung ermöglichen und nicht verhindern. Dafür braucht es den Zugang zu Daten: Daten über Personen, Privathaushalte, Firmen,
Betriebe und viele mehr, die sich nicht an einem Ort befinden, sondern von unterschiedlichen Stellen und Institutionen erhoben werden. Und die bis auf wenige Ausnahmen bislang nicht miteinander
verknüpft oder auch nur verknüpfbar sind. Doch gerade in ihrer Verknüpfung läge der große Mehrwert für die Forschung. Das Problem ist, dass je nach Datenquelle und Institution verschiedene
gesetzliche Regelungen zum Datenschutz berührt werden, die einander teilweise widersprechen. Zurzeit sind dadurch für die sozial- und wirtschaftswissenschaftliche Forschung in Deutschland ganze
Forschungsfelder verschlossen. Das geht zu Lasten der Wettbewerbsfähigkeit. Ein Forschungsdatengesetz müsste hier eine durchgehend stimmige Rechtslage schaffen.
Wie meinen Sie das: "zulasten der Wettbewerbsfähigkeit"?
Riphahn: Forscherinnen und Forscher müssen dorthin gehen, wo sie die besten Bedingungen für ihre Arbeit finden. Ich empfehle manchen meiner Postdocs, für die Beantwortung
bestimmter sozial- oder wirtschaftswissenschaftlicher Fragestellungen ins Ausland zu wechseln, weil ihnen in Deutschland dafür die Daten fehlen.
Bachmann: Die Ampel-Koalition hatte das Problem verstanden und daher das Forschungsdatengesetz in Aussicht gestellt. Doch die Eckpunkte, wie sie das BMBF vorgelegt hat, greifen
viel zu kurz. Sie würden kaum zur Lösung beitragen.
"Wir hätten weiter Datensilos, die durch jeweils
eigene Gesetze voneinander abgeschottet werden"
Warum nicht?
Riphahn: Weil laut den Eckpunkten bestehende Gesetze nicht geändert werden sollen. Wenn aber ein Forschungsdatengesetz nur das auflistet, was rechtlich schon jetzt möglich ist,
gibt es nichts Neues. Dann ergäben sich vielleicht ein paar neue Bezeichnungen, wie der Aufbau eines German Micro Data Centers (GMDC), aber wir hätten wenig gewonnen. Wir hätten weiter
voneinander getrennte Datensilos, die durch jeweils eigene Gesetze voneinander abgeschottet werden.
Bachmann: Das meine ich mit Widersprüchlichkeit. Auf der einen Seite gibt es forschungsfreundliche Datenschutzregelungen zum Beispiel zu den Sozialversicherungsdaten, weshalb wir
in Deutschland eine starke Arbeitsmarktforschung haben. Vollkommen anders sieht es bei den Daten etwa zur Bildung oder zu Firmen aus – mit der Folge, dass an solchen Stellen Forschung fast nicht
möglich ist. Wir brauchen dringend eine Vereinheitlichung.
Riphahn: Es gibt Vorbilder dafür. Das Ende März 2024 in Kraft getretene Gesundheitsdatennutzungsgesetz stellt die Gesundheitsforschung auf eine völlig neue Grundlage. Es
überschreibt andere Gesetze. Dies ist eine Brücke, die sich auch für das Forschungsdatengesetz anbietet.
Von der auch der Erfolg eines German Micro Data Centers abhängt? Was genau soll das eigentlich sein?
Riphahn: Es soll die Daten aus den verschiedenen Feldern treuhänderisch zusammenbringen, also unter Beachtung der Schutzrechte der Betroffenen. Doch nach dem aktuellen Stand
würde das Center nur die bereits vorhandenen Statistikdaten anbieten, und das auch noch voneinander getrennt. Wir brauchen aber das Zusammenspielen verschiedener Daten. Daten aus verschiedenen
Quellen müssen für die Forschung miteinander verknüpfbar sein, erst dann gäbe es einen neuen Datenraum für die Forschung.
Sie wollen, dass die bestehenden Gesetze und Datenschutzregelungen durch das Forschungsdatengesetz überschrieben werden. Aber setzt da nicht die europäische Datenschutz-Grundverordnung
(DSGVO) unüberwindbare Grenzen?
Bachmann: Ein definitives Nein! Es handelt sich, wie Sie sagen, um eine europäische Verordnung, und der Blick in andere europäische Länder, zum Beispiel nach Österreich,
Frankreich, in die Niederlande oder nach Skandinavien, zeigt, welche großen Fortschritte in den vergangenen Jahren beim Datenzugang gemacht wurden. Konform mit der DSGVO. Österreich hat genau
solch ein Mikrodatencenter eingerichtet, wo treuhänderisch die Daten so verknüpft werden, wie wir es fordern, anderswo gibt es ähnliche Arrangements. Während die sozial- und
wirtschaftswissenschaftliche Forschung in Deutschland hinterherhinkt und auch eine evidenzbasierte wissenschaftliche Politikberatung extrem erschwert wird – weil wir nie die Evidenz bekommen, die
wir brauchen.
Und wie fällt der Vergleich mit den USA aus, wo Sie lehren, Herr Bachmann?
Bachmann: Da ist der Datenzugang noch viel großzügiger geregelt, weil das Verständnis von Staat und Gesellschaft ein anderes ist. Ich kann gut verstehen, wenn man sich darum die
USA nicht als Vorbild nehmen will. Aber zur Kenntnis nehmen sollte man schon, dass etwa in der Coronakrise die US-Regierung sehr viel mehr wusste über den Zustand einzelner Firmen, Betriebe und
Haushalte und daher die Hilfspakete deutlich zielgerichteter auf die tatsächlichen Bedürfnisse hin kalibrieren konnte. Deutschland musste stattdessen Gießkannenpolitik machen, was die überwiegend
positiven Folgen der Rettungspakete nicht in Frage stellt. Aber man befand sich teilweise im Blindflug.
"Im Moment sagen die
Datenschützer im Zweifel Nein"
Riphahn: Im Moment ist es so, dass bei einem größeren Mikrozensus-Forschungsprojekt der Datenschutz in jedem Bundesland einzeln entscheiden muss, was erlaubt ist und was nicht.
Hinzu kommt, dass viele vorhandene Regelungen so unspezifisch sind, dass die Datenschützer im Zweifel Nein sagen – aus Sorge, ihnen könnte ein Ja irgendwann um die Ohren fliegen. Hilfreich wäre
es, wenn die Bundesländer wie beim Gesundheitsdatennutzungsgesetz die Zuständigkeiten untereinander koordinieren, sodass je nach Forschungsfeld und Datenquelle nur ein Datenschutzbeauftragter für
alle entscheidet. Dafür bräuchte es die rechtlichen Möglichkeiten, inhaltliche Abstimmung und gegenseitiges Vertrauen.
Bachmann: Wir müssen außerdem über Ressourcen sprechen. Ein Mikrodatencenter muss personell adäquat ausgestaltet werden. Es braucht ein wissenschaftsnahes Direktorat, möglichst
über eine Professur an eine Universität angebunden, dazu promovierte Mitarbeiter mit der nötigen Fachkenntnis. Wir reden nicht über viele Millionen, aber über die nötigen Voraussetzungen für gute
Forschung und evidenzbasierte Politikberatung. Zu denen auch gehört, dass die Gebühren für die Datennutzung nicht prohibitiv hoch sein dürfen. Auch Masterstudierende und Doktoranden müssen sich
den Zugang leisten können.
Riphahn: Es geht absolut in die falsche Richtung, wenn derzeit über eine drastische Gebührenerhöhung bei den Forschungsdatenzentren der statistischen Ämter diskutiert wird. Von
einer Vervierfachung ist die Rede. Und gleichzeitig warten wir mitunter monatelang, weil die Verwaltung zu schwach besetzt ist, um Anträge zu bearbeiten, die dann auf eine Warteliste kommen.
Womöglich bekommen Sie nach einem Vierteljahr nur die Rückmeldung, dass im Antrag eine Angabe fehlte. Wenn mit den Daten eine Bachelorarbeit geschrieben werden soll, geht das nicht.
Vorhin sprachen Sie davon, dass sich Ihre Hoffnungen in Bezug auf das ebenfalls im Ampel-Koalitionsvertrag vorgesehene Dateninstitut, nicht zu verwechseln mit dem Mikrodatencenter,
bereits erledigt hätten. Wieso?
Riphahn: Weil das, was die Bundesregierung auf den Weg gebracht hat, nicht von den Interessen der Wissenschaft getrieben wird. Der verbesserte Datenzugang für die Forschung steht
nicht im Vordergrund, stattdessen sollen Unternehmen und Startups Nutznießer sein.
Und was ist mit dem European Data Governance Act?
Riphahn: Der DGA war zentral für die Bereitstellung von Forschungsdaten in Österreich. In Deutschland hingegen kommt man den seit September 2023 bestehenden europarechtlichen
Verpflichtungen einfach nicht nach. Die vom EU DGA vorgeschriebene zentrale Informationsstelle hätte z.B. mit dem Dateninstitut umgesetzt werden können.
Aber beim Forschungsdatengesetz, da kann es noch klappen?
Bachmann: Ja, weil unsere Bedenken und Warnungen auf der Fachebene in den Ministerien angekommen sind und verstanden wurden. Regina Riphahn hat als Vorsitzende des VfS hier
bisher hervorragende Arbeit geleistet. Auch die Fraktionen im Bundestag hören uns zu. Sie verstehen, dass die deutsche Forschung im internationalen Vergleich benachteiligt ist. Aber ob die
Koalition am Ende die Kraft hat, die nötigen Änderungen umzusetzen, das hängt vor allem von der Durchsetzungsfähigkeit von Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger ab, deren Ministerium
die Federführung hat. Sie muss, weil so viele Gesetze und Ebenen berührt sind, über Parteien und Ministerien hinweg eine Abstimmung erreichen. Ob ihr das gelingt? Ich weiß es nicht.
Riphahn: Wichtig ist, dass man sich im BMBF jetzt nicht mit den Low Hanging Fruits zufrieden gibt. Wir brauchen einen großen Wurf. Ich bleibe optimistisch!
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Nein, die Fördergeldaffäre ist für Bettina Stark-Watzinger noch nicht vorbei. Eine Zwischenbilanz in vier Punkten.
NACHDEM BETTINA STARK-WATZINGER am Mittwoch die zweifache Befragung im Bundestag, erst durch den Forschungsausschuss, dann im Plenum, hinter sich gebracht hatte, und das deutlich
souveräner wirkend als zuletzt, stieg sie in den Flieger Richtung Israel. "In Tel Aviv tauscht sie sich mit Vertretern der israelischen Wissenschaftsgemeinschaft aus. Mit der Reise
bekräftigt sie ihre Solidarität und die Bedeutung der Zusammenarbeit in Wissenschaft und Forschung", postete das BMBF am Donnerstagmittag. Zuvor hatte Stark-Watzinger vor den
Bundestagsabgeordneten wie schon in der FAZ betont, fleißig Aufklärungsarbeit in Sachen Fördergeldaffäre geleistet zu haben.
Falls sich dahinter allerdings die Hoffnung der Ministerin verbergen sollte, dass die größte Krise ihrer Amtszeit nach ihrer Rückkehr bald ausgestanden ist, könnte diese enttäuscht
werden. Selbst viele Parlamentarier der Koalitionsfraktionen sind längst nicht bereit, zur Tagesordnung überzugehen. Unterdessen haben Wissenschaftsinitativen wie das "Netzwerk für gute
Arbeit in der Wissenschaft" ihre Rücktrittsforderungen erneuert. So ist es allenfalls Zeit für eine Zwischenbilanz gut zweieinhalb Wochen, nachdem ein Bericht des NDR-Magazins
Panorama erstmals über fragwürdige Prüfaufträge in Stark-Watzingers Ministerium berichtete. Eine Zwischenbilanz in vier Punkten.
1. Die offenen Fragen
Nein, Transparenz ist nicht hergestellt. Klar ist, nicht zuletzt seit das BMBF auf den IFG-Antrag von "FragDenStaat" umfangreiche Unterlagen herausgeben musste, dass die
Affäre nicht mit der Prüfbitte durch die inzwischen entlassene Staatssekretärin Sabine Döring am 13. Mai begann. Sondern mit dem am 10. Mai erteilten Auftrag, eine Liste der
BMBF-Zuwendungsempfänger unter den von Stark-Watzinger so harsch kritisierten Unterzeichnern des Offenen Briefs zu erstellen. Und dieser Auftrag wiegt dreifach schwer: weil er erstens anders als
der spätere von Döring offenbar nicht umgehend gestoppt wurde. Weil zweitens die Kenntnis von Namen die zentrale Voraussetzung für jede Form potenziell erwogener und nicht erwogener
Handlungen durch das Ministerium ist. Und weil drittens schon das Erstellen derartiger Listen an sich einen autoritären Beigeschmack hat.
Dabei spielt gar keine Rolle, ob die Begründung des BMBF, man habe auf etwaige Presseanfragen vorbereitet sein wollen, triftig ist oder nicht. Und die Versicherung durch die Ministerin, die Liste
sei "auf Fachebene" verblieben, ebenso wenig. Entscheidend ist, dass Staatssekretärin Döring gehen musste, während weiter offen ist, welche personellen Konsequenzen der zeitlich davor
liegende und nach Meinung vieler Beobachter noch dramatischere Listen-Auftrag haben wird. Diesbezügliche Fragen ließ Stark-Watzinger im Ausschuss unbeantwortet. Der von ihr gegenüber
Abgeordneten als involviert genannte Leiter der BMBF-Abteilung 4 ist jedenfalls gegenüber der Pressestelle gar nicht weisungsbefugt. Wie genau unterschied sich der Prüfauftrag Dörings von
dem, der drei Tage zuvor in Auftrag gegeben wurde, wollte die Unionsfraktion außerdem von der Ministerin wissen – und bekam ebenfalls keine Antwort.
Stark-Watzinger betonte wiederholt, sie habe bis vor kurzem weder von dem einen noch von dem anderen Vorgang gewusst. Das kann man für plausibel halten oder nicht. Klar ist: Die "FragDenStaat"
übersandten Unterlagen enthalten Lücken. Es fehlt mindestens, und zwar komplett, die interne Kommunikation der Leitungsebene über das Messenger-System "Wire" in dem besagten Zeitraum. Diese
könnte nachvollziehbar machen, wer aus der Leitungsebene wann was über welchen Vorgang gewusst hat.
Nicht weniger problematisch ist, dass eine derzeit nicht reden darf: die geschasste Staatssekretärin. "So wird nun dieser Abschnitt meiner beruflichen Laufbahn ein jähes Ende finden. Stay tuned",
lautete ein am vorvergangenen Sonntagabend abgesetztes "X"-Posting Sabine Dörings. Und ein zweites, nur zwölf Minuten später: "Habe gerade Anruf bekommen, muss den Tweet löschen." Kurz
darauf kam die Mitteilung aus dem BMBF, die Staatssekretärin werde in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Sie könnte, sie müsste zur Aufklärung beitragen, gerade wenn sie, wie durch ihre
Entlassung impliziert, nach Auffassung von Stark-Watzinger eine so zentrale Rolle in der Affäre gespielt haben soll.
Auf meine Anfrage hin verwies Döring vergangene Woche auf ihre Verschwiegenheitspflicht. Diese könne nur der Dienstherr, also die Ministerin, aufheben. Meine diesbezügliche, erstmals am 21. Juni
gestellte Bitte ließ das Ministerium trotz Nachfrage bis zum 27. Juni, 17 Uhr, unbeantwortet.
2. Die dramatisch schlechte Kommunikation
Doch passt diese Art keiner oder mangelnder Kommunikation ins Bild. Dass das BMBF im ersten Anlauf daran scheiterte, am Wochenende die IFG-Unterlagen auf den
"FragDenStaat"-Servern hochzuladen, ist peinlich genug. Noch peinlicher ist, dass "FragDenStaat" am Donnerstag per "X" Stark-Watzingers Begründung im Ausschuss, die Server der Plattform seien
schuld gewesen, öffentlich widersprach.
Stichwort Transparenz: Schon vor der Affäre beantwortete die Pressestelle des Ministeriums Anfragen zu kritischen Themen häufiger verzögert und/oder kursorisch-selektiv. In den
vergangenen Tagen seit Offenlegung der Affäre wiederum berichten Journalistenkollegen unterschiedlichster Medien dasselbe: Fragenkataloge würden mit teilweise tagelangem Abstand
beantwortet, inklusive Vertröstungen zwischendurch oder auch ohne. Was Medien vor die immer gleiche Wahl stellt: die dringend-aktuelle Berichterstattung aufschieben – oder die Rückmeldung
aus dem Ministerium nicht mehr abwarten. Ob all das mit der hohen Arbeitsbelastung des BMBF in der Krise zu rechtfertigen ist?
Die dann gelieferte Qualität jedenfalls rechtfertigt das Warten meist nicht. Zwei, drei und mehr Einzelfragen erhalten mitunter eine zusammengefasste Antwort, teilweise mit der Wiederholung von
bereits Bekanntem, ohne dass auf die konkret erbetenen Details eingegangen wird. Genauso erging es mir auch. Das ist umso ärgerlicher, wenn dann nach Veröffentlichung eines
Artikels binnen weniger Stunden akribisch ausgearbeitete Mails aus der Pressestelle eintrudeln mit detaillierten Forderungen nach Richtigstellungen teilweise zu Sachverhalten, die zuvor nur
nebulös beantwortet worden waren.
"FragDenStaat" hat am Donnerstag Widerspruch gegen die per IFG-Bescheid übersandten BMBF-Unterlagen eingelegt. Der
Antrag habe auch die Kommunikation der Leitungsebene über "Wire" umfasst, schreibt die Plattform zur Begründung. "Diese wurde ohne Angabe nicht herausgegeben." Zudem habe das BMBF die
Bezeichnungen von Referaten in den Dokumenten unkenntlich gemacht. Diese seien allerdings keine personenbezogenen Daten und deshalb zu entschwärzen.
Zuletzt hatte ich die Pressestelle aufgefordert, mir Funktion und Stellung der Person(en) im Haus zu nennen, die die umstrittene Liste ursprünglich in Auftrag gegeben haben. Außerdem bat ich
um eine Auflistung all der zwischen 8. und 17. Mai stattgefundenen "Morgenlagen" im BMBF, bei denen – normalerweise in Anwesenheit der Ministerin – die aktuelle Nachrichtenlage erörtert
wird. Stark-Watzinger hatte angegeben, am 10. und am 13. Mai nicht teilgenommen zu haben. Und an den anderen Tagen? Auch diese Anfrage ist aktuell unbeantwortet.
3. Der Zweck und die Mittel
Der sprunghafte Anstieg des dokumentierten Antisemitismus in Deutschland vor allem seit den Hamas-Terroranschlägen vom vergangenen Oktober ist dramatisch und bestürzend. Fast 83 Prozent mehr
antisemitische Vorfälle 2023 im Vergleich zum Vorjahr, so steht es im Jahresbericht des Bundesverband der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus (RIAS). Ziemlich genau ein Zehntel davon, 471, wurden an
Bildungseinrichtungen gezählt. Auch an Hochschulen muss entschieden gegen Antisemitismus in Wort, Tat und Gewalt vorgegangen werden, und es ist genauso wichtig, nicht nur einen Abwehrkampf zu
führen, sondern proaktiv in Wort und Tat die Sicherheit und das Sicherheitsgefühl von Juden und Jüdinnen in Deutschland und anderswo zu verbessern.
Was ich allerdings nicht nachvollziehen kann: wenn in den sozialen Medien einzelne Kommentatoren den Druck auf die Ministerin, die Vorgänge in ihrem Ministerium aufzuklären, missinterpretieren
als unlauteren Versuch, eine mutige Kämpferin gegen Antisemitismus und Israelhass zum Schweigen zu bringen.
Es muss immer allen und überall bewusst sein: Der Zweck heiligt im Rechtsstaat nie die Mittel. Ganz gleich, welche Absichten im Ministerium vorlagen, um besagte Listen zu erstellen,
förderrechtliche oder strafrechtliche Konsequenzen zu prüfen: Nichts davon gehört in einer Demokratie zu den Aufgaben eines Wissenschaftsministeriums.
Ohne ihr an dieser Stelle Absicht unterstellen zu wollen: Insofern empfinde ich schon das wiederholte Vorgehen der Ministerin, ihre Äußerungen über die inakzeptablen Vorfälle im BMBF mit Appellen
zu einem entschiedenen Vorgehen gegen den Antisemitismus zu verknüpfen, im Grunde als unangemessen.
4. Das zerstörte Vertrauen der Community
Egal, was die Ministerin persönlich zu welchem Zeitpunkt gewusst hat, an welchen Stellen sie involviert war oder eben nicht: Der Reputationsschaden, den sie persönlich, ihr Ministerium und
die Forschungsförderung insgesamt durch die Affäre erlitten hat, ist immens. Er trifft auf eine Wissenschaftscommunity, die schon hellhörig war nach den Ereignissen von Sommer 2022 um gekürzte,
gestoppte oder nicht verlängerte BMBF-Forschungsprojekte.
Er trifft auf Hochschulrektoren, die sich in ihrem Handling propalästinensischer Proteste auf dem Campus wiederholt von der Ministerin rhetorisch gemaßregelt und öffentlich belehrt fühlten.
Bereits Mitte Mai bei einem Treffen der
Hochschulrektorenkonferenz waren intern erste Rücktrittsforderungen zu hören gewesen angesichts der von etlichen gefühlten Missachtung der Hochschulautonomie durch eine nicht einmal für
die Hochschulen zuständige Bundesministerin.
Der Reputationsschaden trifft auch auf Bildungs- und Wissenschaftsminister, deren Vertrauen in Stark-Watzingers Amtsführung schon vor der aktuellen Krise vielfach stark angeknackst war. Wenn
der einflussreiche und angesehene bayerische Wissenschaftsminister Markus Blume (CSU) sie im SPIEGEL "die schlechteste Bundesforschungsministerin, die wir je hatten" nennt, muss bei aller parteipolitischen Taktiererei das Tischtuch zwischen den handelnden
Akteuren schon sehr zerschnitten sein. Übrigens ist Blume Stark-Watzingers Ko-Vorsitzender in der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK), dem wichtigsten Bund-Länder-Gremium zur Zusammenarbeit
in der Wissenschaft.
Derweil haben fast 3300 Wissenschaftler einen Offenen Brief unterschrieben, der Stark-Watzingers
Rücktritt verlangt.
Die Frage, wie sie das Vertrauen der Wissenschaft wiederherstellen wollte, gehörte zu den Abgeordneten-Fragen, die Stark-Watzinger am Mittwoch im Bundestagsforschungsausschuss unbeantwortet ließ.
Am Ende ist die Realität wohl diese: Ihre Zukunft als Ministerin hängt nicht vom Wohlwollen der Szene ab, sondern vom Wohlwollen von FDP-Parteichef Christian Lindner. Derzeit scheint er noch
gewillt zu sein, sich inmitten der Ampel-Haushaltsberatungen das Schauspiel um die BMBF-Fördergeldaffäre anzusehen.
Nachtrag am 28. Juni:
"FragDenStaat" will Löschung von BMBF-Kommunikation gerichtlich untersagen lassen
Das Portal "FragDenStaat" will jetzt per Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sicherstellen, dass die gesamte Wire-Kommunikation der BMBF-Hausleitung im Zusammenhang mit der
Fördergeldaffäre nicht gelöscht werden darf und stattdessen zu speichern und aufzubewahren ist. Und zwar, wie es im mir vorliegenden Antrag von Arne Semsrott von "FragDenStaat" beim
Verwaltungsgericht Köln heißt, "bis im Hauptsacheverfahren rechtskräftig über den Anspruch des Antragstellers auf Zugänglichmachung der Wire-Messenger-Nachrichten entschieden worden ist".
Der Antrag von "FragDenStaat" umfasst alle Wire-Nachrichten im Zeitraum vom 07. Mai bis 24. Juni, "die die Bundesministerin Bettina Stark-Watzinger, ihr persönlicher Stab, die Staatssekretäre und
Staatssekretärinnen sowie der weitere Leitungsstab über den Kommunikationsdienst" geschickt haben.
Das BMBF habe bislang gegenüber "FragDenStaat" keine Bestätigung gegeben, dass keine Löschung erfolgen werde, heißt es in dem Schreiben ans Gericht. "Da der Antragsteller zu seinem Anliegen im
BMBF die Löschung der Wire-Kommunikation fürchtet, ist nun das Ersuchen um einstweiligen Rechtsschutz im Wege einer Sicherungsanordnung geboten."
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