Gestapo - Mythos und Realität
In: Die Ohnmacht der Allmächtigen: Geheimdienste und politische Polizei in der modernen Gesellschaft, p. 100-110
Der vorliegende Aufsatz basiert auf einer Monographie über die Stapo-Stelle Saarbrücken, die im Kontext des regionalhistorischen Forschungsprojekts "Widerstand und Verweigerung im Saarland 1935 - 1945" entstanden ist. Er untersucht Arbeit und Funktionsweise der Gestapo unter dem Blickwinkel der Interdependenzen von Polizei und Gesellschaft unter den Bedingungen der nationalsozialistischen Diktatur. Der Aufsatz entlarvt die Vorstellung "einer durch brutalen Zwang 'von oben' zusammengehaltenen Überwachungsgesellschaft" als Klischee und Mythos. Vielmehr war die Gestapo vielfältig in der deutschen Gesellschaft verwurzelt. Ohne freiwillige Zuträger aus Verwaltung und Bevölkerung wäre die Gestapo "fast blind" gewesen; ohne Amtshilfe durch die Kriminalpolizei und reguläre Polizei hätte sie die ihr aufgetragenen Funktionen nicht erfüllen können. Der Aufsatz plädiert abschließend für einen Perspektivenwechsel in der Polizeigeschichtsschreibung, der die Einbettung der formellen Institutionen in die Gesellschaft berücksichtigt. Dies steht insbesondere bei der Analyse des Systems der Staatssicherheit der ehemaligen DDR an. (pag)