Die Sicherheit der Ukraine und das nukleare Dilemma
In: NATO-Brief, Band 41, Heft 4, S. 11-14
ISSN: 0255-3821
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In: NATO-Brief, Band 41, Heft 4, S. 11-14
ISSN: 0255-3821
World Affairs Online
In: Die Neue Gesellschaft, Band 26, Heft 10, S. 903-905
ISSN: 0028-3177
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Der vorliegende Band bespricht Körper-Politiken von Tänzer*innen, Performer*innen und Choreograph*innen aus Ostasien, wobei er durch "radikale Kontextualisierung" methodologisch auf die ausgeprägten historischen und kulturellen Verflechtungen innerhalb der Region verweist. Indes alle darin versammelten Analysen inner- und transasiatische Logiken und temporale Strukturierungen nachvollziehen, gelingt diesem kollektiven Projekt ein relevanter Beitrag zur Vertiefung des Feldes ostasiatischer Tanzforschung, die als Teil der globalen Tanzforschung zu verstehen ist. Mit einem Ausgangspunkt in den Critical Area Studies und unter besonderer Berücksichtigung länderspezifischer, sprachlicher Ressourcen, versteht sich der von Wilcox und Mezur herausgegebene Band als Beitrag im Feld der Critical Dance Studies. Die Publikation geht dabei von einer ostasiatischen Perspektive aus, die eine Re-Zentrierung eigener Narrative vornimmt und diese als Teil inter- und transnationaler Tanzgeschichtsschreibung positioniert. Der methodisch zu verstehende Titel verweist auf die zentrale Bedeutung des Körpers für den Tanz – der Körper kann dabei im Dienste politischer Agenden stehen, oder auch als Mittel und Methode ihrer Dekonstruktion agieren. Folgerichtig zielt die Publikation weder auf eine zusammenfassende Theoretisierung noch ein von Beispielen abgeleitetes Konzept ab. Die fünfteilige Gliederung orientiert sich dabei an thematischen Gruppierungen, die die Artikel unter den cluster-artigen Überschriften "Contested Genealogies", "Decolonizing Migration", "Militarization and Empire", "Socialist Aesthetics" und "Collective Technologies" versammeln. Die einzelnen Artikel bestehen als Koordinaten innerhalb dieses recht offenen Möglichkeiten-Feldes, als anspruchsvolle Analysen. Diese unternehmen aufwendige Reisen, wie beispielsweise der Beitrag von Suzy Kim, der die spätere künstlerische Karriere der 1911 geborenen Cheo Seung-hui in Nordkorea erzählt und dabei das beständige Potential einer Re-Aktualisierung von Folklore und politisch diktierten "Traditionen" durch das einzelne künstlerische Individuum betont. Fallbeispiele wie dieses zeigen deutlich Verkehrungen in 'orientalistischen' Vorstellungen an, die eine Hinwendung zu sogenannten 'traditionellen Formen' mit einem reduzierten Anspruch an die kreative Leistung der jeweiligen Künstler*innen gleichsetzen. Wie ein analytischer Blick auf die komplexen Lebensgeschichten von Seung-hui, Park Yeong-in, Dai Ailian oder Fujikage Shizue zeigen kann, zeugen diese vom Potential individueller Mobilität als prägendes Momentum künstlerischer Entwicklung. Sie durchkreuzen damit kulturnationalistische Lagepläne und Vorstellungen homogener Gemeinschaften, wie sie sich zugleich universalistischen Logiken westlicher Prägung und dichotomen Unterscheidungen – in 'traditionelle' künstlerische Formen des Ausdrucks einerseits, und 'moderne' Formen andererseits – verwehren. Die Relevanz der Publikation liegt damit auch darin, Tänzer*innen, Choreograph*innen und Performer*innen, die in der englischsprachigen akademischen Literatur bislang keine oder kaum Erwähnung fanden, einer breiteren Leser*innenschaft vorzustellen. Auch ist die jeweils konkrete Praxis jener Tänzerinnen, die bewusste Anerkennung disziplinierten und routinierten Trainings sowie der übenden Wiederholung ein Anliegen des Buches, wie sie Mezur auch in ihrem Nachwort unterstreicht (vgl. S. 319). Wilcox zieht hier einen bewussten Vergleich mit militarisierter Disziplinierung von Körpern, wobei sie den potentiell liberalisierenden Aspekt ausgebildeten Könnens und ein politisches Vermittlungspotential gerade durch die Virtuosität betont, wenn sie schreibt: "I also argue that gaining these regimented skills opens and liberates the bodies of the performers, and allows them to access a greater variety and range of physical and expressive skills and practices." (S. 320) In diesem Punkt differiert die Lesart der Herausgeberin stark von jenen, tendenziell der Dekonstruktion und dem Spektakel-Skeptizismus zugeneigten Positionen, wie sie, zumindest in Europa, wesentlich die Entwicklungen im Tanz der letzten Jahrzehnte charakterisieren. Wiewohl hier ein unmittelbar politisches Verständnis der Analysen gefordert wird, antworten glücklicherweise weitaus nicht alle Beispiele im Buch auf eine solche Engführung sensorischer Disziplin mit realpolitischer Kontrolle. Die fünfteilige Gliederung des Bandes beginnt mit dem Abschnitt zu "Contested Genealogies", welcher die chinesischen (sinophonen) Wurzeln kultureller Praktiken in der Region Ostasien erforscht. Im Fokus des Artikels von Beverly Bossler steht die stigmatisierte Motivik weiblicher Unterhaltungskünstler*innen im Kontext historischer Opern-Performances in China, wobei Bossler das transgressive Potential beschreibt, das mit diesen Figuren zugleich assoziiert wird und ihnen eine Existenz außerhalb unmittelbarer sozialer Hierarchien ermöglicht. Catherine Yeh, im Anschluss, eröffnet eine weitere neue Perspektive auf eine kultige Figur der Peking-Oper im 20. Jahrhundert, den Performer Mei Lanfang, wobei sie dessen Auseinandersetzungen mit modernem Tanz ("dancification", S. 44) als Vehikel zur Modernisierung chinesischer Theaterformen anerkennt. Nan Ma's Kapitel "The Conflicted Monk" endet mit einer Studie zu Adaptionen der Kun-Oper Si fan (Longing for the Mundane).Das zweite Kapitel ist Beiträgen zu "Decolonizing Migration" gewidmet und besieht, im Bereich des Artistischen, transnationale Zirkulationen in und aus Ostasien im Kontext von Imperialismus, westlicher Moderne, Weltkriegspolitik und jüngeren neoliberalen Entwicklungen. Kazuko Kuniyoshi verfolgt dazu die tänzerischen Einflüsse eines Deutschlandaufenthalts auf Murayama Tomoyoshi als Vorbild der Japanischen Avantgarde. Tomoyoshi ist 1922 nach Berlin gegangen, um dort von Mary Wigman zu lernen. Okju Son widmet sich, mit Park Yeong-in einem Protagonisten der koreanischen Tanzszene, welcher ebenso Studien in Deutschland absolvierte, um sich dort aber verstärkt in eigener Praxis um eine Vorstellung der koreanischen Kultur an ein deutsches Publikum durch hybride Formen und ästhetische Effekte (vgl. S. 108) einer gezielt eingesetzten 'Korean-ness' bemühte.Das Thema "Militarization and Empire" im dritten Teil, diskutiert unter anderem, wie Tanz als Strategie zur Kommunikation der japanischen 'Großostasiatischen Wohlstandssphäre' eingesetzt wurde und welche nachhaltigen Auswirkungen solche hegemoniale Körperpolitiken auf künstlerische Arbeiten zeitigen. Performances namens 'Miyako Odori' sind eine populäre Tradition in Kyoto, die seit 1872 jährlich im Frühling für die Öffentlichkeit gezeigt wird. Mariko Okada's Besprechung zeigt die propagandistische Absicht jener Performances im Japan der 1930er Jahre auf, die Kinder als Botschafter*innen einer vermeintlich idyllischen Beziehung zwischen China und Japan inszenierten. Auch ein Produkt pan-asiatischer Ideologie und bloße Vorstellung blieben die Pläne Itō Michio's, auf den Philippinen ein Festival aufzuführen, über die uns Tara Rodman informiert. Das hingegen realisierte Potential einer – mehrere Generationen umfassenden – Übertragung physischer Disziplinierung, über unmittelbare Zeiträume von Kolonialisierung oder die militärische Herrschaft einer Ein-Parteien-Regierung hinausgehend, wird danach am Beispiel Taiwans von Ya-ping Chen diskutiert. Ihr Artikel zu Lee-Chen Lin's Jiao Performance zeigt die Fähigkeit aller Lebewesen zur Verletzlichkeit als mögliche Rebellion. Der Raum der rituellen Begegnung wird so zum Befürworter einer leidenschaftlichen Begegnung zwischen den Lebenden und den Toten (vgl. S. 198) und räsoniert mit alten schamanistischen Vorstellungen und einer Praxis heilender Begegnung in Taiwan.Mit der bereits erwähnten Cheo Seung-hui erlaubt uns Suzy Kim, eine weitere beeindruckende Protagonistin des Theaters in Ostasien im 20. Jahrhundert kennenzulernen. Ihr Artikel eröffnet den Abschnitt des Sammelbandes, der mit "Socialist Aesthetics" betitelt ist und das Potential sozialistischer Stilistik, welche oftmals in ihrer künstlerischen Wertigkeit nicht ernst genug genommen wird, für die Entwicklungen im koreanischen bzw. chinesischen Tanz befragt. Dong Jiang's und Ting-Ting Chang's Artikel im selben Abschnitt befassen sich mit dem klassischen chinesischen Tanz und dessen janusköpfiger Relation zur Einordnung als repräsentativ und 'traditionell'. Chang geht dabei am Beispiel von Yang Liping's Spirit of the Peacock vor, deren Verhandlungen von feministischer Position und ethnischer Minorität in ihren international erfolgreich gezeigten Performances zumeist mit dem Darstellungslabel "Chinesische Identität" assoziiert werden.Der fünfte Teil "Collective Technologies" bespricht künstlerische Antworten auf die rasanten gesellschaftlichen Entwicklungen in Ostasien in den letzten Jahrzehnten. Dabei handelt es sich jedoch weniger um Subsumierungen unter dem Prädikat des Technologischen, als um die Potentiale kollektiver Ausdrucksformen, die jedwede Mittel für sich zu bedienen und zu (ver-)wenden wissen: In Katherine Mezur's "Cracking Historie's Codes in Crocodile Time" adressiert die Autorin die Arbeiten von Ashikawa Yoko und Furukawa Anzu, welche mehr als bloße produktive Ausnahmen innerhalb der gewöhnlich männlich dominierten Genealogien des Butoh-Tanzes darstellen. Soo Ryon Yoon widmet sich den kollektiven Kräften im Bereich von Evangelischem Aktivismus und Anti-LGBTQ Performances in Südkorea. Lediglich Yatin Lins abschließendes Kapitel wirft futuristisch-technologische Funken und beendet den, ansonsten weitgehend historisch ausgerichteten Sammelband mit einer Besprechung von Huang Yi's Roboter-Performances in Taiwan. Lin stellt so nicht nur eine innovative künstlerische Position vor, sondern erinnert mit der kategorischen Benennung "digital performance" vor allem daran, welche Rolle Ostasien in der heutigen Zeit, zu Beginn des 21. Jahrhunderts, in technologischer Hinsicht spielt. Der Aufruf, Ostasien "zu tanzen", ist buchübergreifend, daher als Aufbruch in die Komplexität der Beziehungen in der Region zu verstehen, stets im Bestreben, auch deren Widersprüche und Diversitäten anzuerkennen. In seinem cross-regionalen Anspruch, den das Buch großzügig als Dialog unterschiedlicher Charaktere, Zeiträume und Genres wiedergibt, bietet es den Lesenden so Parallelen und Erkenntnisse über glücklich unvermutete Begegnungen.
BASE
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In: Central Asian survey, Band 34, Heft 2, S. 255-271
ISSN: 0263-4937
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In: Asian survey: a bimonthly review of contemporary Asian affairs, Band 28, Heft 1, S. 35-51
ISSN: 0004-4687
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In: Arms control: the journal of arms control and disarmament, Band 1, S. 157-176
ISSN: 0144-0381
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In: Aus Politik und Zeitgeschichte: APuZ, Band 45, Heft 6, S. 21-26
ISSN: 0479-611X
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In: Friedensgutachten, S. 82-94
ISSN: 0932-7983
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In: FP, Heft 106, S. 128-143
ISSN: 0015-7228
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In: Europäische Rundschau: Vierteljahreszeitschrift für Politik, Wirtschaft und Zeitgeschichte, Band 23, Heft 1, S. 33-40
ISSN: 0304-2782
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In: Aus Politik und Zeitgeschichte: APuZ, Band 36, Heft 5, S. 16-27
ISSN: 0479-611X
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In: Deutschland Archiv, Band 35, Heft 5, S. 806-815
ISSN: 0012-1428
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Blog: DPI-Blog
"Mein Herz trag ich links!" (Serce mam po lewej) lautet der Slogan der Lewica (Linke), mit dem die Formation am 2. September in Lodz offiziell den Wahlkampf einläutete. Dabei steht die linke Parteienallianz vor einer schwierigen Aufgabe. Anders als bei den Parlamentswahlen vor vier Jahren, als sie mit dem Pfund der wiedergewonnenen politischen Einheit der zuvor zersplitterten Linken und der Rückkehr in den Sejm nach vierjähriger Abstinenz wuchern konnte, sieht sich die Lewica durch die starke Polarisierung zwischen Unterstützern des Regierungslagers um die Partei Prawo i Sprawiedliwość (Recht und Gerechtigkeit, PiS) und jenen der größten Oppositionskraft Koalicja Obywatelska (Bürgerkoalition, KO) in der öffentlichen Wahrnehmung zunehmend an den Rand gedrängt. Dem versucht die linke Allianz auf zweierlei Weise entgegenzutreten. Erstens mit einem inhaltlich durchdachten sozialdemokratischem Wahlprogramm, zweitens mit klarer Kante gegen die nationalpopulistische und bisweilen offen rechtsextreme Konfederacja (Konföderation), die sich anschickt zur drittstärksten Kraft im polnischen Parteienspektrum zu werden. Wider das Trauma von 2015Auf den Wahllisten der Lewica werden Kandidatinnen und Kandidaten vor allem zweier Parteien antreten. Die Nowa Lewica (Neue Linke, NL) auf der einen Seite und Lewica Razem (Linke Gemeinsam, kurz: Razem) auf der anderen. Hinzukommen die Kleinstparteien Unia Pracy (Arbeitsunion, UP), die Polska Partia Socjalistyczna (Polnische Sozialistische Partei, PPS) und die Socjaldemokracja Polska (Sozialdemokratie Polens, SDPL). Stärkste Kraft dieser Linksformation ist zweifelsohne die Neue Linke, die 2021 aus dem Zusammenschluss des Sojusz Lewicy Demokratycznej (Bund der Demokratischen Linken, SLD), angeführt von Włodzimierz Czarzasty, und der Partei Wiosna (Frühling) des Europaparlamentariers Robert Biedroń hervorging. Razem wiederum ist eine Partei zwischen Sozialdemokratie und Demokratischem Sozialismus, die vor allem im urbanen Akademikermilieu beheimatet ist und sich bei ihrer Gründung 2015 als dezidierter Gegenentwurf zum postkommunistischen SLD verstand. Angeführt wird die Partei von einer Doppelspitze bestehend aus den beiden Sejmabgeordneten Adrian Zandberg und Magdalena Biejat.Die heutige, in der Öffentlichkeit weitgehend reibungslose Zusammenarbeit zwischen den beiden Parteien hat ihren Ursprung in der Zeit nach den Parlamentswahlen von 2015. Damals verpasste der im Wahlbündnis Vereinigte Linke (Zjednoczona Lewica) angetretene SLD den Einzug ins Parlament denkbar knapp. Zwar konnte die Vereinigte Linke ein Ergebnis von 7,56 Prozent der Stimmen erringen, scheiterte damit aber dennoch an der 8-Prozent-Hürde, die für Wahlbündnisse gilt. Die Partei Razem wiederum, die 2015 zum ersten Mal an Wahlen teilnahm, landete mit 3,6 Prozent zwar einen Achtungserfolg, blieb gleichzeitig aber deutlich unterhalb der 5-Prozent-Marke, die ihr den Einzug ins polnische Unterhaus, den Sejm, ermöglicht hätte. Gerade im SLD waren damals etliche Stimmen zu vernehmen, die Razem die Verantwortung für die Wahlniederlage der Vereinigten Linken zuschoben.Ein gänzlich anderes Bild gab die Linke bei den jüngsten Parlamentswahlen im Jahr 2019 ab. Damals feierte die geeint auf der Liste des SLD angetretene Linke mit 12,6 Prozent der abgegebenen Stimmen nach vier Jahren parlamentarischer Abstinenz den Wiedereinzug in den Sejm. Ein ähnlich gutes Ergebnis dürfte für die Linke bei den anstehenden Wahlen kaum zu schaffen sein. Laut dem Micro-Blog "Pooling the Poles" weist die Linke über das gesamte bisherige Jahr 2023 eine nahezu konstante Unterstützung von 8 Prozent auf. Die jüngsten Umfragen vom September sehen die Linke bei 9 bis 10 Prozent. Das ist zugebenermaßen erheblich weniger als die 12,6 Prozent, die die Partei 2019 erringen konnte, aber immer noch genug, um keinerlei Sorgen über eine Wiederholung des Traumas von 2015 aufkommen zu lassen. Der verpasste Einzug ins Parlament ermöglichte damals der PiS eine absolute Mandatsmehrheit im Sejm und die erste Alleinregierung in Polen seit 1989.Ein Wahlkampf zwischen Programmatik und EmotionenInhaltlich verfolgt die Lewica ein fast schon klassisch sozialdemokratisches, wohlfahrtsstaatliches Programm, das auch bei der Wahlkampfveranstaltung in Lodz erneut präsentiert wurde. Demnach tritt die polnische Linke ein für die Einführung der 35-Stunden-Woche, 35 Tage bezahlten Urlaub sowie die Stärkung der Gewerkschaften und der Rechte von Arbeitnehmern, etwa einen hundertprozentigen Lohnausgleich im Krankheitsfall. Sie fordert umfassende Reformen im Gesundheitswesen, allen voran eine finanzielle Besserstellung von Krankenpflegerinnen und -pflegern. Auch Frauenrechte spielen traditionell eine zentrale Rolle im Programm der Linken. Sie verspricht etwa die Schaffung von 100.000 neuen Kitaplätzen, damit Mütter auf dem Arbeitsmarkt nicht länger "für ihre Mutterschaft bestraft werden" (Magdalena Biejat), den legalen Zugang zu einem sicheren Schwangerschaftsabbruch und eine Kindergartenplatzgarantie für arbeitende Mütter. Weitere Forderungen der Linken umfassen den Bau von 300.000 günstigen Mietwohnungen, ein vereinfachtes Steuersystem und den Ausbau emissionsfreier Formen der Energiegewinnung einschließlich der Kernkraft.Erwähnenswert ist zudem die russlandkritische Haltung der Linken, gerade im Vergleich zu linken und sozialdemokratischen Kräften in anderen EU-Mitgliedstaaten. Die Lewica verkündete gleich nach Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine im Februar 2022 ihre uneingeschränkte Solidarität mit dem angegriffenen Land. Razem erklärte zudem Anfang März 2022 den Austritt aus der Progressiven Internationalen, da diese sich nicht zu einer vorbehaltslosen Anerkennung der Souveränität der Ukraine und einer Verurteilung des russischen Angriffs durchringen konnte.Die umfangreichen programmatischen Reformvorhaben der Linken dürften für die Wahlentscheidung des größten Teils der polnischen Wählerschaft allerdings kaum ausschlaggebend sein. Zu groß ist die Polarisierung zwischen Anhängern des Regierungslagers um die PiS und der von der Bürgerkoalition angeführten liberal-demokratischen Opposition. Hier werden dritte Kräfte wie die Lewica eher an den Rand gedrängt und büßen Wählerstimmen ein. Relevant dürften die Reformvorhaben demnach erst bei einem eventuellen Wahlsieg der heutigen Opposition und den dann anstehenden Koalitionsverhandlungen werden, an der wohl auch die Linke beteiligt wäre.In der Zwischenzeit muss sich die Linke in einem extrem polarisierten Wahlkampf behaupten, der beinahe täglich an Intensität gewinnt und maßgeblich von Emotionen bestimmt wird. So hat der Chef der Bürgerplattform (Platforma Obywatelstwa, PO) und Oppositionsführer Donald Tusk für den 1. Oktober einen Marsch der Millionen Herzen (Marsz miliona serc) angekündigt und damit, in Bezug auf eine mögliche Teilnahme, die Führungen der übrigen Partien der liberal-demokratischen Opposition erheblich unter Druck gesetzt. Einerseits dürfte es Parteien wie der Linken schwerfallen, dem Marsch gänzlich fernzubleiben, zumal die Bürgerplattform es zuletzt, etwa beim 4.-Juni-Marsch, tunlichst vermied als Partei allzu prominent in Erscheinung zu treten. Gleichzeitig dürfte der Marsch vom 4. Juni dieses Jahres den Parteien der liberal-demokratischen Opposition auch eine Lehre gewesen sein. War doch der unbestrittene Erfolg des Marsches einer, der vor allem der PO und Donald Tusk gutgeschrieben wurde und das auch noch auf Kosten der Parteien der Opposition. Dementsprechend war auch die Reaktion der Linken bezüglich einer Teilnahme an dem Marsch zunächst eher zurückhaltend.Zwischen Konsolidierung und neuer PolarisierungBei der Bewertung der aktuellen Situation der Linken sind sich die Experten uneins. Einerseits argumentieren Politikexperten wie Adam Traczyk vom Think Tank More in Common Polska, dass sich die Neue Linke anders als in den 2000er Jahren, als der SLD die Wirtschaftsliberalität der Neuen Mitte à la Gerhard Schröder und der SPD bzw. Tony Blair und Labour auf der einen mit wertkonservativen Ansichten auf der anderen Seite verband, heute auf ein überschaubares aber gleichwohl solides Wählerpotenzial stützen kann, das der Partei aufgrund ihres sozialdemokratischen Profils nahesteht und allein deshalb kaum Neigungen verspürt, zu anderen Parteien abzuwandern. Andererseits fällt es der Partei ebenso schwer, neue Wähler für sich zu gewinnen. So bemerkt etwa Katarzyna Przyborska auf dem Internetportal der Krytyka Polityczna: "Die Linke zeigt sich durchweg als berechenbare, stabile Partei, die sich um einen starken Staat, allgemein zugängliche, qualitativ hochwertige öffentliche Dienstleistungen (Kinderkrippen, Kindergärten und Schulen), Gesundheitsversorgung, preiswerte und vernünftige öffentliche Verkehrsmittel und barrierefreien Wohnraum kümmert. Sie zeigt, dass sie nahe bei den Menschen und ihren alltäglichen Angelegenheiten sein will. Diese Konsequenz führt dazu, dass die Linke allmählich als solide, wenn auch [...] etwas langweilig wahrgenommen wird und deshalb keine spektakulären Stimmenzuwächse verzeichnet."Angesichts dieser Situation setzt die Linke auf einen zweigleisigen Ansatz. Einerseits verfolgt sie eine Strategie der Konsolidierung und "Minimalisierung der Verluste". Dem entspricht die Entscheidung, als eigenständige Kraft und nicht in einer noch bis vor Kurzem diskutierten Einheitsliste der liberal-demokratischen Opposition zu den Wahlen anzutreten, gleichzeitig aber auch die Bereitschaft, sich für eine zukünftige Regierungsbeteiligung offen zu zeigen. Andererseits unternimmt die Linke auf der Zielgeraden noch einmal den Versuch, das Heft des Handelns in die Hand zu nehmen und schafft eine neue Konfliktachse, die zwischen der Linken und der rechtsextremen Konfederacja und damit quer zur zentralen Konfliktachse zwischen KO und PiS verläuft. Auf diese Weise versucht die Lewica sich abseits des stark polarisierenden Wahlkampfes zu positionieren und in Frontstellung zur extremen politischen Rechten das eigene Profil zu schärfen und ein Alleinstellungsmerkmal herauszuarbeiten. Diese Strategie könnte von Erfolg gekrönt sein. Schließlich ist die Linke mittlerweile die einzige Partei bei den anstehenden polnischen Parlamentswahlen, die keinen rechten Nationalisten auf der Kandidatenliste hat wie Ryszard Łuczyn im Podcast von Polityka Insight zuletzt süffisant anmerkte. Zudem gaben bei einer im Juni dieses Jahres veröffentlichen Umfrage immerhin 9 Prozent der Unterstützer der Konfederacja die Linke als alternative Option für die anstehenden Wahlen an.FazitWährend sowohl die KO als auch die PiS den bevorstehenden Urnengang zur Schicksalswahl erklären und es auch für eine Partei wie Szymon Hołownias Polska 2050 um die politische Existenz geht, steht für die Linke Stand heute bei den Wahlen zwar durchaus einiges, aber beileibe nicht alles auf dem Spiel. Sollte es die PiS nach einem neuerlichen Wahlsieg abermals schaffen, die Regierung zu stellen, wäre die Linke strukturell, personell und programmatisch auf vier weitere Jahre in der Opposition ausreichend vorbereitet. Im Falle eines Wahlerfolgs der liberal-demokratischen Opposition stünde ihr sogar eine Regierungsbeteiligung ins Haus, eine Option, von der die Partei noch vor wenigen Jahren nicht einmal zu träumen gewagt hätte.Gleichzeitig ist sich die Parteienallianz offensichtlich im Klaren darüber, dass sie sich nicht allzu sehr in Sicherheit wiegen darf. In den kommenden Wochen dürfte sich der frühere KO-Präsidentschaftskandidat und Oberbürgermeister Warschaus, Rafał Trzaskowski, vermehrt in den Wahlkampf einschalten. Unter Beobachtern kursiert sogar das Gerücht, die KO könne Trzaskowski als Spitzenkandidat für den Posten des Premierministers ins Spiel bringen. Dies wäre das Horrorszenario des Wahlkampfstabs der Linken. Schließlich gilt Trzaskowski, anders als Donald Tusk, als politisch weitgehend unvorbelastet und genießt gerade in der urbanen links-liberalen Wählerschaft große Sympathien. Und so dürfte die neue kleine Polarisierung zwischen Lewica und Konfederacja nicht zuletzt ein taktisches Manöver sein, um die Linke nicht zum Opfer der großen Polarisierung zwischen KO und PiS werden zu lassen.